European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2022:T293919.20220318 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 18 März 2022 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2939/19 | ||||||||
Anmeldenummer: | 14752556.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | C09C 1/64 C09C 1/00 A61K 8/25 A61K 8/26 A61Q 1/02 A61K 8/02 A61K 8/19 C09D 5/38 C09D 5/36 C09D 7/62 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | METALLISCHE GLANZPIGMENTE BASIEREND AUF SUBSTRATPLÄTTCHEN MIT EINER DICKE VON 1-50 NM | ||||||||
Name des Anmelders: | Schlenk Metallic Pigments GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Sun Chemical Colors & Effects GmbH ECKART GmbH |
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Kammer: | 3.3.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerden der Einsprechenden I und II richten sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2 999 752 in geänderter Fassung auf Basis des mit Schreiben vom 3. Juli 2019 eingereichten Hauptantrags aufrecht zu erhalten.
II. Folgende Dokumente sind relevant für die Entscheidung:
E3: WO 2005/049739 A2
E5: WO 00/09617 A1
E9: DE 101 28 491 A1
E10: DE 103 54 763 A1
E16: EP 0 806 457 A2
Anlage A-E
III. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Einsprechende I (nunmehr die einzige Beschwerdeführerin) die Anlagen A, B und C ein, wobei Anlage A der bereits erstinstanzlich eingereichten Anlage A entspricht. Die neu eingereichten Anlagen B und C werden im Folgenden als B2 und C2 bezeichnet.
Die Einsprechende I brachte unter anderem die folgenden Einwände vor:
- die erstinstanzlich eingereichten Hauptanträge 1A-1D sowie die Hilfsanträge 1-7 seien nicht zulässig
- Anspruch 1 des Hauptantrags sowie der erstinstanzlich eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 gehe über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt hinaus (Artikel 123(2) EPÜ)
- die beanspruchte Erfindung sei nicht ausführbar (Artikel 83 EPÜ)
- Anspruch 1 des ersten und zweiten Hilfsantrags sei unklar (Artikel 84 EPÜ)
- der Gegenstand von Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags werde durch E10 nahegelegt.
IV. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Einsprechende II
E17: Wikipedia-Ausdruck zur ,,Thermitreaktion",
E18: Horiba Scientfic - A Guidebook to Particle Size
Analysis (2014) sowie
E19: Erklärung Dipl.-Phys. Ralph Schneider, Fa. Eckart
GmbH, sowie grafische Veranschaulichung der
Dickenverteilung der in Beispiel 2 hergestellten
Aluminiumpigmente i.V.m. Abb. 1 der E4 samt
Fitkurven ein.
Außerdem brachte sie unter anderem vor:
- Anspruch 1 des Hauptantrags sowie der erstinstanzlich eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 gehe über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt hinaus (Artikel 123 (2) EPÜ)
- die beanspruchte Erfindung sei nicht ausführbar (Artikel 83 EPÜ)
- Anspruch 1 des ersten und zweiten Hilfsantrags sei unklar (Artikel 84 EPÜ)
- Der Gegenstand von Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags sei durch E9 und durch E9 mit E10 und E16 nahegelegt.
V. Mit der Beschwerdeerwiderung reichte die Patentinhaberin (im folgenden: Beschwerdegegnerin) die bereits erstinstanzlich eingereichten Hauptanträge 1A, 1B, 1C und 1D sowie die Hilfsanträge 1-7 erneut ein.
VI. Nach dem Erhalt der vorläufigen Meinung der Kammer reichte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 8. Februar 2022 einen weiteren 0. Hilfsantrag ein.
VII. Mit Schreiben vom 24. Februar 2022 zog die Einsprechende II ihre Beschwerde zurück.
VIII. Am 18. März 2022 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Die abschließenden Anträge der in der Verhandlung anwesenden Beteiligten waren wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Weiterhin beantragte sie die Nichtzulassung der Hauptanträge 1A-1D sowie der 0. bis 7. Hilfsanträge, und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage eines der Hauptanträge 1A-1D, weiter hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage der Ansprüche eines der 0. bis 7. Hilfsanträge, bis auf den mit Schreiben vom 8. Februar 2022 eingereichten 0. Hilfsantrag wie eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung vom 9. Juni 2020. Weiterhin beantragte sie die Nichtzulassung der Dokumente E17-E19.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Artikel 123(2) EPÜ
1.1 Anspruch 1 des Hauptantrags hat den folgenden Wortlaut, wobei Ergänzungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 unterstrichen und Streichungen durchgestrichen wiedergegeben sind:
"1. Metallische Glanzpigmente auf der Basis von beschichteten Aluminium-Substratplättchen, wobei die Aluminium-Substratplättchen eine Dicke von 5 bis 30 nm [deleted: 1-50, vorzugsweise von 1 bis 30 nm], aufweisen, monolithisch aufgebaut und gegebenenfalls passiviert sind und von mindestens einer Beschichtung B aus mindestens einem hochbrechenden Metalloxid, das einen Brechungsindex von mindestens 1,9 aufweist, umhüllt sind, wobei die Beschichtung B eine Dicke von mindestens 50 nm aufweist und im Wesentlichen aus einem hochbrechenden Metalloxid, ausgewählt aus mindestens einem von Eisen(III)oxid, Chrom(III)oxid, Vanadium(V)oxid, Titan(III)oxid, Titandioxid und/oder Zirkonoxid, aufgebaut ist, und wobei zwischen der Oberfläche der Aluminium-Substratplättchen und der Beschichtung B mindestens eine weitere, die Substratplättchen umhüllende Beschichtung A aus mindestens einem niedrigbrechenden Metalloxid, das einen Brechungsindex von höchstens 1,8 aufweist, ausgewählt aus der Gruppe, bestehend aus SiO2, B2O3, MnO2, MgO und GeO2 [deleted: und Al]2[deleted: O]3, vorhanden ist, wobei die Substratplättchen eine weitere Beschichtung C, die von der darunterliegenden Beschichtung B verschieden ist, aus mindestens einem Metalloxid(hydrat), ausgewählt aus Silicium(di)oxid, Siliciumoxidhydrat, Aluminiumoxid, Aluminiumoxidhydrat, Zinkoxid, Zinnoxid, Titandioxid, Zirkonoxid, Eisen(III)oxid oder Chrom(III)oxid, aufweisen".
1.2 Die Kammer ist zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 über den Inhalt der ursprünglichen Offenbarung hinausgeht, weil ein Bereich von 5-30 nm für die Dicke der Substratplättchen dort nicht offenbart ist. Insbesondere ist die Passage auf Seite 4, Zeile 5-7, der ursprünglich eingereichten Beschreibung, die die Änderung angeblich stützt, in Verbindung mit Seite 4, Zeile 30-32 zu lesen und offenbart somit den beanspruchten Bereich lediglich für die durchschnittliche Dicke.
1.3 Die Beschwerdegegnerin hat vorgebracht, der Anspruch und somit auch das Merkmal "Dicke von 5-30 nm" sei im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Kammern vor dem Hintergrund der Beschreibung auszulegen und stelle somit ebenfalls auf die durchschnittliche Dicke der Substratplättchen ab, so dass der Gegenstand des Anspruchs nicht über die ursprüngliche Offenbarung hinausginge. Als beispielhaft für diese Rechtsprechung nannte die Beschwerdegegnerin die Entscheidung
T 860/93.
1.4 Die Kammer merkt jedoch an, dass es nach ebenfalls gefestigter Rechtsprechung nicht möglich ist, ein an sich klares und somit nicht auslegungsbedürftiges Merkmal in einem Anspruch zu ignorieren bzw. einem solchen Merkmal eine andere, lediglich in der Beschreibung genannte Bedeutung zuzuweisen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9te Auflage, II.A.6.3.1, II.A.6.3.2 und II.A.6.3.4; siehe hier z.B. T 197/10, Leitsatz, und T 0177/08, Gründe, Punkt 3.1 - 3.3).
1.5 Für die Kammer ist im vorliegenden Fall diese zweite Linie der Rechtsprechung maßgeblich, denn das Merkmal "wobei die Aluminium-Substratplättchen eine Dicke von 5 bis 30 nm aufweisen" hat eine eindeutige Bedeutung, nämlich dass die absolute Dicke der Substratplättchen im angegebenen Bereich liegt oder, in anderen Worten, dass Substratplättchen mit einer Dicke von weniger als 5 nm oder von mehr als 30 nm nicht vorliegen. Im Gegensatz zu der Beschwerdegegnerin sieht die Kammer dieses Verständnis des Merkmals nicht im Widerspruch zu der Tatsache, dass in Anspruch 1 die Perlglanzpigmente in der Pluralform genannt werden, wohingegen die Dicke im Singular angegeben ist. Das Merkmal ist somit nicht auslegungsbedürftig und der Fachmann hätte keinen Grund gehabt zu vermuten, dass sich der genannte Bereich nicht wie im Anspruch angegeben auf die Dicke der Substrate sondern auf deren durchschnittliche Dicke beziehen könnte. Die von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagene "Auslegung" des Merkmals würde darauf hinauslaufen, eine Begrenzung für die durchschnittliche Dicke der Substratplättchen in den Anspruch hineinzulesen, die der Anspruch nicht vorsieht und die im Anspruch vorgesehen Begrenzung der absolute Dicke der Substratplättchen zu ignorieren.
Für die Kammer ist ein solches Vorgehen auch von der Entscheidung T 860/93 nicht gedeckt, auf die die Beschwerdeführerin verwiesen hat, denn in diesem Fall entsprach die Auslegung des Begriffs "wasserlösliches Celluloseetherderivat" im Lichte der Beschreibung dem allgemeinen Verständnis des Begriffs im relevanten technischen Gebiet, siehe die Punkte 6, 4.1 und 4.2 der Gründe, wohingegen die von der Prüfungsabteilung vorgeschlagene Auslegung des Anspruchs diesem allgemeinen Verständnis widersprach, siehe Punkt 4.3 der Gründe, was vorliegend nicht der Fall ist.
1.6 In der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdegegnerin auf die T 2278/18 verwiesen, aber die Kammer hält auch diese Entscheidung aus den folgenden Gründen für den vorliegenden Fall nicht für relevant. In T 2278/18 hielt die Kammer Dokument D14 für neuheitsschädlich für Anspruch 1, obwohl in D14 der Begriff "Dampfsperre" verwendet wurde, während der Anspruch auf eine "Dampfbremse" gerichtet war. Ausschlaggebend hierfür war jedoch, dass für die aus D14 bekannte Struktur eindeutig eine dampfbremsende Wirkung beschrieben war, siehe Punkt 1.2.1 der Gründe, d.h. hier wurde nicht das beanspruchte Merkmal "Dampfbremse" im Lichte der Beschreibung anders ausgelegt, sondern es wurde vielmehr entschieden, dass der Stand der Technik faktisch eine "Dampfbremse" offenbarte, obwohl der Begriff dort nicht verwendet wurde. Der Fall ist somit für die hier zu klärende Frage nicht relevant.
1.7 Die Kammer sieht aus diesen Gründen keine Veranlassung, das Merkmal "Dicke von 5 bis 30 nm" in Anspruch 1 vor dem Hintergrund der Beschreibung im Sinne von "durchschnittliche Dicke von 5 bis 30 nm" auszulegen. Da jedoch, wie oben bereits erläutert, ein Dickenbereich von 5-30 nm ursprünglich nicht offenbart ist, geht der Gegenstand von Anspruch 1 über die ursprüngliche Offenbarung hinaus. Der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar (Artikel 123(2) EPÜ).
2. Nullter Hilfsantrag
Diesen Hilfsantrag, der erst nach der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht wurde, lässt die Kammer gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht zum Verfahren zu, denn die Beschwerdegegnerin hat keine stichhaltige Gründe vorgebracht, die eine Zulassung rechtfertigen würden. Insbesondere liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, denn der Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ, den der nullte Hilfsantrag ausräumen soll, wurde von der Einsprechenden II bereits erstinstanzlich und dann erneut mit der Beschwerdebegründung vom 11. Februar 2020 (Seite 3ff) vorgebracht.
Die Beschwerdegegnerin sieht außergewöhnliche Umstände darin, dass die Kammer in ihrer vorläufigen Meinung diesem Einwand gefolgt ist, wohingegen der Einwand erstinstanzlich nicht überzeugen konnte. Dieses Argument überzeugt jedoch nicht, denn es ist nicht außergewöhnlich, dass eine Beschwerdekammer in der Bewertung eines Einwandes zu einem anderen Ergebnis kommt als die Einspruchsabteilung. Ganz im Gegenteil ist es der Sinn des Beschwerdeverfahrens, die erstinstanzliche Entscheidung zu überprüfen.
Auch die Tatsache, dass mit der Beschwerdebegründung erstmalig T 197/10 diskutiert wurde, um den Einwand weiter zu untermauern, rechtfertigt nicht das verspätete Einreichen dieses Hilfsantrags. Vielmehr wäre es angebracht gewesen, bereits mit der Beschwerdeerwiderung einen entsprechenden Hilfsantrag vorzulegen, um auf den durch T 197/10 nun noch weiter untermauerten Einwand zu reagieren.
Da die Kammer den nullten Hilfsantrag darüber hinaus auch nicht für eindeutig gewährbar hält, lässt sie ihn nicht zum Verfahren zu.
3. Hauptanträge 1A-1D und Hilfsantrag 1
Anspruch 1 der Hauptanträge 1A-1D entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags mit dem zusätzlichen Merkmal "und wobei als Aluminium-Substratplättchen Al-VMPs verwendet werden".
Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Änderungen der Beschreibung (Hauptantrag 1A-1D) bzw. die Aufnahme des neuen Merkmals in Anspruch 1 (Hilfsantrag 1) den Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ gegen den Hauptantrag ausräumen würden. Diese Anträge sind somit aus dem gleichen Grund nicht gewährbar, wie der Hauptantrag (Artikel 123(2) EPÜ).
Eine Entscheidung zur Zulässigkeit dieser Anträge ist unter diesen Umständen nicht erforderlich.
4. Hilfsantrag 2
4.1 Anspruch 1 dieses Antrags hat den folgenden Wortlaut, wobei Ergänzungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 unterstrichen und Streichungen durchgestrichen wiedergegeben sind:
"1. Metallische Glanzpigmente auf der Basis von beschichteten Aluminium-Substratplättchen, wobei die Aluminium-Substratplättchen eine Dicke von 5-30 nm, [deleted: vorzugsweise von 1-30 nm][deleted: ,] aufweisen, monolithisch aufgebaut und gegebenenfalls passiviert sind und von [deleted: mindestens] einer Beschichtung B [deleted: aus mindestens einem hochbrechendem Metalloxid, das einen Brechungsindex von mindestens 1,9 aufweist][deleted: ,] umhüllt sind, wobei die Beschichtung B aus Fe2O3 in einer Dicke von 50 bis 300 nm [deleted: eine Dicke von mindestens 50 nm aufweist und im Wesentlichen aus einem hochbrechenden Metalloxid, ausgewählt aus mindestens einem von Eisen(III)oxid, Chrom(III)oxid, Vanadium(V)oxid, Titan(III)oxid, Titandioxid und/oder Zirkonoxid,] aufgebaut ist, und wobei zwischen der Oberfläche der Aluminium-Substratplättchen und der Beschichtung B [deleted: mindestens] eine weitere, die Substratplättchen umhüllende Beschichtung A aus [deleted: mindestens einem niedrigbrechenden Metalloxid, das einen Brechungsindex von höchstens 1,8 aufweist, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus] SiO2, B2O3, MnO2, MgO, GeO2 und Al2O3, in einer Dicke von 5 bis 50 nm vorhanden ist, wobei die Substratplättchen eine weitere Beschichtung C, die von der darunterliegenden Beschichtung B verschieden ist, aus mindestens einem Metalloxid(hydrat), ausgewählt aus Silicium(di)oxid, Siliciumoxidhydrat, Aluminiumoxid, Aluminiumoxidhydrat, Zinkoxid, Zinnoxid, Titandioxid, Zirkonoxid, [deleted: Eisen(III)oxid] oder Chrom(III)oxid, aufweisen, und wobei als Aluminium-Substratplättchen Al-VMPs verwendet werden."
4.2 Zulassung des Antrags
Der vorgebrachte Einwand der mangelnden Konvergenz von Hilfsantrag 2 mit Hilfsantrag 1 überzeugt nicht, denn sowohl die Einschränkung des Dickenbereichs auf 5-30 nm als auch die Einschränkung auf das Substratmaterial Al-VMP und die Streichung von Al2O3 als mögliches Material von Schicht A ist in beiden Hilfsanträgen vorhanden. Zusätzlich wurden in Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags weitere Beschränkungen aufgenommen. Die Hilfsanträge konvergieren somit, so dass kein Grund besteht, den im Übrigen bereits erstinstanzlich eingereichten zweiten Hilfsantrag nicht zuzulassen.
4.3 Zulassung verspäteter Einwände
Erstmalig während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, die Streichung der Angabe des Brechungsindex für Schicht A und B im geltenden Anspruch 1 führe zu einer Erweiterung des Schutzbereichs unter Artikel 123(3) EPÜ, gehe über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt hinaus (Artikel 123(2) EPÜ) und sei nicht durch einen Einspruchsgrund veranlasst (Regel 80 EPÜ).
Die Kammer lässt diese Änderung des Vorbringens gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht zu, denn die Beschwerdeführerin hat keine stichhaltigen Gründe vorgebracht bzw. außergewöhnliche Umstände angeführt, die das Vorbringen erst während der mündlichen Verhandlung rechtfertigen würden. Der zweite Hilfsantrag wurde bereits erstinstanzlich eingereicht und von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung ausführlich kommentiert. Spätestens nachdem die Beschwerdegegnerin den Antrag mit der Beschwerdeerwiderung erneut eingereicht hatte, hätte die Beschwerdeführerin alle relevanten Einwände unter Artikel 123(2) und (3) sowie unter Regel 80 EPÜ vorbringen müssen.
4.4 Artikel 123(2) EPÜ
Die mit den Beschwerdebegründungen erhobenen Einwände, Anspruch 1 beruhe auf einer Mehrfachauswahl und enthalte somit eine nicht ursprünglich offenbarte Merkmalskombination, überzeugt nicht, denn der Anspruch beruht auf den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 5 und 6 und dem Merkmal "wobei als Aluminium-Substratplättchen Al-VMPs verwendet werden", welches auf Seite 8, Zeile 15-16 der ursprünglich eingereichten Beschreibung als bevorzugt offenbart ist. Zusätzlich wurde die Option "Eisen(III)oxid" aus der Liste der Materialien für Beschichtung C gestrichen. Selbst wenn man diese Streichung als Listenauswahl werten sollte, so läge lediglich eine Auswahl vor, so dass das Erfordernis von Artikel 123(2) EPÜ erfüllt ist.
4.5 Artikel 84 EPÜ
Das Argument der Beschwerdeführerin, der Ausdruck "Al-VMP" sei im Anspruch nicht definiert und seine Bedeutung nicht klar, überzeugt nicht, denn die Abkürzung "VMP" für "vacuum metallised pigments" ist dem Fachmann auf dem Gebiet der Glanzpigmente geläufig, so dass es einer Definition der Abkürzung im Anspruch nicht bedarf.
Was den Widerspruch zwischen der Definition von Dickenbereichen in Anspruch 1 einerseits und Absatz 0017 der Beschreibung andererseits angeht, so betrifft dieser Widerspruch bereits den erteilten Anspruch 4. Ein Klarheitseinwand ist somit im Einspruchs-Beschwerdeverfahren nicht möglich (G 3/14).
4.6 Artikel 83 EPÜ
Die Kammer ist zu dem Schluss gekommen, dass die Erfindung gemäß Anspruch 1 ausführbar ist.
4.6.1 Das Argument, die Erfindung sei nicht ausführbar, weil der Anspruch 1 das Vorhandensein einer Aluminiumoxidschicht auf der Oberfläche der Al-Substrate ausschlösse, obwohl die Bildung einer solchen Schicht aufgrund der durch E17 nachgewiesenen Reaktivität von Aluminium unvermeidlich sei, überzeugt nicht, denn der Wortlaut des Anspruchs schließt das Vorhandensein einer solchen Oxidschicht nicht aus, sondern es wird vielmehr sogar ausdrücklich die Möglichkeit einer Passivierung im Anspruch genannt.
Unter diesen Umständen erübrigt sich eine Entscheidung über die Zulassung des Dokuments E17.
4.6.2 Die Beschwerdeführerin hat weiter geltend gemacht, dass Beispiel 1 nicht nacharbeitbar sei, was von der Beschwerdegegnerin auch zugestanden wurde.
Für die Kammer bedeutet dies jedoch nicht automatisch, dass die Erfindung nicht ausführbar ist, denn für die Ausführbarkeit unter Artikel 83 EPÜ ist nicht entscheidend, ob der Fachmann die Beispiele nachstellen kann, die im vorliegenden Fall ohnehin nicht erfindungsgemäß sind, sondern ob der Fachmann in der Lage ist, die in den Ansprüchen definierte Erfindung auszuführen, d.h. hier ein Pigment mit den in Anspruch 1 genannten Merkmalen zu erhalten, bzw. mittels des in Anspruch 2 genannten nasschemischen Verfahrens herzustellen. Hierzu stellt die Kammer fest, dass die nasschemische Beschichtung von Substraten als solche dem Fachmann zum einen bekannt und zum anderen in den Absätzen 0054-0066 recht detailliert beschrieben ist. Ein Nachweis, dass diese allgemeine Lehre zusammen mit dem Fachwissen nicht ausreichend sind, um ein Pigment gemäß Anspruch 1 herzustellen, wurde jedoch nicht erbracht.
4.6.3 Das Argument, die von der Patentinhaberin bereits erstinstanzlich vorgelegte Anlage A könne aus verschiedenen Gründen die Ausführbarkeit der Erfindung nicht nachweisen, überzeugt ebenfalls nicht, denn bei einem Einwand unter Artikel 83 EPÜ liegt die Beweislast bei den Einsprechenden, so dass ein Nachweis der Ausführbarkeit seitens der Patentinhaberin nicht erforderlich ist. Die Kammer sieht zumindest nicht, dass Anlage A in irgendeiner Weise die Nichtausführbarkeit der Erfindung zeigen würde.
4.6.4 Gleiches gilt, unabhängig von der Frage ihrer Zulassung, für die Anlagen B2 und D2. Bezüglich Anlage B2 ist zunächst festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin den Abbildungen andere Werte für die Dicke des Substrats entnimmt als darin von der Beschwerdegegnerin angegeben, aber selbst auf Grundlage dieser Werte kann die Kammer nicht erkennen, dass Anlage B2 den Einwand der mangelnden Ausführbarkeit untermauern würden. So zeigt das Dokument ein Substrat von (laut Beschwerdeführerin) 40 nm Dicke mit einer Fe2O3-Schicht von 107-119 nm und damit ein nicht erfindungsgemäßes Pigment. Die Schlussfolgerung der Beschwerdeführerin, dass daraus folge, dass es nicht möglich wäre, eine ähnliche Beschichtung auf dünneren Al-Substraten aufzutragen, ist für die Kammer jedoch eine unbewiesene Spekulation.
4.6.5 Ähnliches gilt für Anlage C2. Auch dieses Dokument zeigt beschichtete Substrate. Unabhängig davon, ob diese beschichteten Substrate Pigmente gemäß Anspruch 1 darstellen oder nicht sieht die Kammer nicht, dass C2 nachweisen würde, dass erfindungsgemäße Pigmente nicht herstellbar sind.
4.6.6 In diesem Zusammenhang stellt die Kammer fest, dass die Beschwerdeführerin selbst keine eigenen Experimente angestellt hat, obwohl die Beweislast bei ihr liegt. So hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, dünne Al-Substrate seien durch eine dünne SiO2-Schicht von lediglich 5 nm unzureichend geschützt und somit im sauren Medium nicht stabil zu beschichten. Entsprechende Nachweise sind jedoch nicht erbracht worden.
Unter diesen Umständen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass es nicht bewiesen wurde, dass das Erfordernis von Artikel 83 EPÜ nicht erfüllt ist.
4.7 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Die Erfindung betrifft mehrschichtige metallische Glanz- bzw. Effektpigmente (Absatz 0001, 0002 und 0012).
4.7.1 Während der mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin einen Angriff ausgehend von E10 vorgetragen und erklärt, keine weiteren Einwände zu haben. Die Einsprechende II hat dagegen schriftsätzlich von E9 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehende Einwände vorgetragen. Für die Kammer kommen beide Dokumente als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit in Frage, denn sie betreffen ähnliche Gegenstände wie das Streitpatent, siehe unten. Die Kammer ist jedoch aus den folgenden Gründen zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 durch keines der beiden Dokumente nahegelegt wird.
4.7.2 El0 offenbart Effektpigmente, bei deren Herstellung ein Aluminiumkern zunächst nasschemisch oxidiert wird, wodurch sich unter Bildung einer Aluminiumoxid- bzw. Aluminiumhydroxidschicht die Dicke des Kerns verringert (Absatz 0064). Auf diese Schicht wird sodann nasschemisch eine Schicht eines hochbrechenden Metalloxids, insbesondere von Eisenoxid (Absatz 0070), abgeschieden, welche den Aluminiumkern umhüllt. Diese Schicht entspricht Schicht B aus Anspruch 1. Ferner kann laut Absatz 0071 und 0077 optional zwischen dieser Eisenoxidschicht und der Aluminiumoxidschicht eine weitere Schicht aus einem niedrigbrechendem Metalloxid, z.B. SiO2, vorliegen. Diese Schicht entspricht Schicht A des geltenden Anspruchs 1. Gemäß Absatz 0077 der El0 ist insbesondere die Kombination aus einer Schicht A aus SiO2 und einer Schicht B aus Fe2O3 bevorzugt. Ferner kann auf die Eisenoxidschicht eine weitere niedrigbrechende Schicht aufgebracht werden (Absatz 0075, 0076). Diese Schicht entspricht Schicht C des geltenden Anspruchs 1. Der prinzipielle Aufbau der Pigmente nach El0 entspricht somit dem der Pigmente gemäß Anspruch 1.
Es ist unbestritten, dass El0 die Dicke der Schicht A nicht offenbart. Weiter ist die Kammer der Ansicht, dass El0 die übrigen Merkmale des Anspruchs zumindest nicht in Kombination offenbart. So lehrt Absatz 0048 für die Dicke der Schicht B einen Bereich von 20-150 nm, bevorzugt von 25-70 nm. Absatz 0064 lehrt für die mittlere Dicke des Aluminiumsubstrats einen Bereich von 10-250 nm, bevorzugt von 30-80 nm. Es muss also in beiden Fällen eine Auswahl getroffen werden, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen, wobei bei der Substratdicke noch zu beachten ist, dass El0 mittlere Dicken offenbart. Eine weitere Auswahl muss betreffend die Materialien der Schicht C (Absatz 0076) getroffen werden, denn Boroxid gehört nicht zu den für Schicht C in Frage kommenden Materialien.
Die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe ist es, ein kostengünstiges Pigment zur Verfügung zu stellen, das ein hohes Deckvermögen und ein geringes anwendungstechnisches Brennverhalten aufweist (Absatz 0010). Ein erhöhtes Deckvermögen ist jedoch nicht nachgewiesen, denn das Streitpatent enthält kein erfindungsgemäßes Ausführungsbeispiel und auch ein Kostenvorteil gegenüber den aus El0 bekannten Pigmenten ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
Es folgt, dass die Aufgabe umformuliert werden muss als das Zurverfügungstellen eines weiteren Effektpigments.
Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass das Naheliegen der Unterscheidungsmerkmale unabhängig voneinander geprüft werden müsse, weil die Merkmale nicht synergistisch zusammenwirkten. Betreffend das Merkmal "Dicke der Schicht A im Bereich von 5-50 nm" führt die Beschwerdeführerin aus, es handele sich um eine herkömmliche Maßnahme.
Die Kammer hält dieses Argument jedoch nicht für überzeugend, denn Absatz 0072 der El0 lehrt, dass die Ausbildung einer dichten, homogenen Schicht A nicht erwünscht ist. Vielmehr zielt El0 auf die Ausbildung einer Mischschicht ab, die z.B. SiO2 und das darunterliegende Al2O3 (Absatz 0072) und bevorzugt zusätzlich das darüberliegende hochbrechende Metalloxid enthält (Absatz 0073). El0 lehrt somit von der Ausbildung einer homogenen Schicht "aus SiO2" im beanspruchten Dickenbereich weg. Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang noch auf El0, Seite 5, Zeile 30-32 verwiesen, aber die Kammer kann die Relevanz dieser Textstelle nicht erkennen. Auch der Hinweis der Einsprechenden II auf E16 (Spalte 6, Zeile 28-32) greift nicht durch, weil wie oben erwähnt, E10 von einer kompakten SiO2-Schicht weglehrt. Der Fachmann hätte somit keine Veranlassung gehabt, E16 für die Dicke einer solchen, in E10 nicht vorhandenen Schicht zu konsultieren.
Im Übrigen ist die Kammer vom Ansatz der Beschwerdeführerin nicht überzeugt, die unterscheidenden Merkmale getrennt voneinander zu behandeln, denn sie hat bezugnehmend auf E5 selber ausgeführt, dass die Dicke der einzelnen Schichten in einem Effektpigment sorgfältig aufeinander abgestimmt werden muss (Seite 40, dritter Absatz der Beschwerdegründe), so dass die Kammer Zweifel hat, ob die unterscheidenden Merkmale völlig unabhängig voneinander getrennt behandelt werden können. In jedem Fall müsste der Fachmann, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen gleichzeitig:
- gegen die Lehre von El0 (s.o.) eine Schicht A aus SiO2 mit einer Dicke von 5-50 nm vorsehen;
- für die Dicke des Al-Substrats aus dem in El0 offenbarten Bereich (Absatz 0064) einen niedrigen Wert auswählen;
- für die Dicke der Schicht B aus dem in El0 offenbarten Bereich (Absatz 0048) einen hohen Wert auswählen;
- Als Material für Schicht C SiO2 oder Al2O3 auszuwählen (Absatz 0077); und weiter
- Al-VMPs als Substratmaterial einsetzen, die in E10 nicht offenbart sind.
Ein solches Vorgehen zur Lösung der Aufgabe ist für den Fachmann nicht naheliegend.
4.7.3 Die gleichen Überlegungen gelten für die im Wesentlichen inhaltsgleiche E3.
4.7.4 E9 offenbart ebenfalls Effektpigmente mit Mehrschichtaufbau. Ein metallisches Substrat, welches z.B. aus Aluminium bestehen kann, wird zunächst mit einer Schicht A beschichtet, welche aus zwei Materialien verschiedener Brechzahlen besteht, wobei die Materialien so angeordnet sind, dass sich die Brechzahlen der dem Metall zugewandten Seite und der anderen Seite unterscheiden. Auf Schicht A wird eine Schicht B und optional eine weitere Schicht C aufgebracht, wobei Schicht B aus Fe2O3 und Schicht C zum Beispiel aus SiO2 bestehen kann. Der prinzipielle Aufbau der Pigmente nach E9 entspricht somit dem der Pigmente gemäß Anspruch 1.
Wie El0 offenbart auch E9 die Dicke der Schicht A nicht. Zudem gelangt man zu den weiteren Merkmalen des Anspruchs nur durch zahlreiche, gezielte Auswahlschritte. So offenbart D9 für die Dicke der Metallsubstrate im allgemeinen einen Bereich von 20 bis 3000 nm (Absatz 0022) und für den Fall, dass Aluminiumplättchen als Substrate eingesetzt werden, wird einen Bereich von 50-1000 nm offenbart (Absatz 0024). Die Einsprechenden haben auf Absatz 0025 verwiesen, aber dieser Absatz offenbart eine Dicke von 5 nm nur für den Fall, dass das Substrat als Film vorliegt. Aluminiumsubstratplättchen mit der beanspruchten Dicke sind somit nicht unmittelbar und eindeutig offenbart. Weiter muss, um zu der beanspruchten Schicht A "aus SiO2" zu gelangen, zum einen das Material SiO2 (Absatz 0041, 0042) und zum anderen die Ausführungsform ausgewählt werden, in der eine diskrete SiO2-Schicht überhaupt vorliegt (Absatz 0032), und nicht etwa nur ein Gradient (Absatz 0033, 0034). Weitere Auswahlschritte betreffen das Material (Absatz 0045, 0047) und die Dicke der Schicht B (Absatz 0053) sowie die Materialien für die Schicht C.
Auch ausgehend von E9 sind Effekte oder Verbesserungen nicht nachgewiesen, so dass die Aufgabe formuliert werden muss als das Zurverfügungstellen eines weiteren Effektpigments.
Aus den zu El0 bereits ausgeführten Gründen hat die Kammer Zweifel, ob die unterscheidenden Merkmale getrennt behandelt werden können.
Was die Dicke der Schicht A angeht, so hat die Einsprechende II auf E16 verwiesen, die eine Schichtdicke von bis zu 40 nm lehrt. Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass der Fachmann E16 nicht herangezogen hätte, denn gemäß E9 ist die SiO2-Schicht Teil einer Überstruktur, nämlich der Gradientschicht (A) (Anspruch 1), die sich somit von der herkömmlichen Schichtstruktur aus E16 unterscheidet. Selbst wenn der Fachmann die Dicke der Schicht A aus E16 übernehmen würde, würde er, wie oben dargelegt, zum Gegenstand von Anspruch 1 nur durch eine gezielte Mehrfachauswahl gelangen.
Auch die von der Einsprechenden II angeführte Kombination von E9 und E10 führt nicht zum Gegenstand von Anspruch 1, denn wie oben ausgeführt, offenbart E10 die in E9 fehlenden Merkmale ebenfalls nicht.
Der Gegenstand von Anspruch 1 wird somit auch durch E9 nicht nahegelegt.
5. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Die Kammer ist zu dem Schluss gekommen, dass eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht der Billigkeit entspricht.
Die Beschwerdeführerin hat einen dahingehenden Antrag gestellt, weil die erstinstanzliche Entscheidung im Sinne von Regel 111(2) EPÜ nicht ausreichend begründet sei, denn die Einspruchsabteilung habe nicht ausgeführt, warum der von E9 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehende Einwand nicht überzeugen konnte.
In der Tat geht aus der Niederschrift hervor, dass im Zuge der mündlichen Verhandlung Einwände ausgehend von E3/E10 und E9 erhoben und diskutiert wurden, aber die Entscheidung geht auf den von E9 ausgehenden Einwand nicht ein. Die Einspruchsabteilung führt lediglich aus, dass sie E3 als nächstliegenden Stand der Technik ansieht, aber es fehlt jede Begründung, warum E9 als nächstliegender Stand der Technik nicht in Frage kam. Die Entscheidung ist somit nicht ausreichend begründet (Regel 111(2) EPÜ).
Die Kammer hält den Fehler jedoch nicht für so schwerwiegend, dass eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr an die Beschwerdeführerin gerechtfertigt wäre, denn die fehlende Begründung bezüglich E9 war für den Ausgang des Verfahrens nicht relevant. Außerdem wurde der Einwand ausgehend von E9 nicht einmal von der Beschwerdeführerin erhoben, sondern von der Einsprechenden II. Wie oben dargelegt, wurde der von E9 ausgehenden Einwand während der mündlichen Verhandlung diskutiert, aber konnte die Einspruchsabteilung offensichtlich nicht überzeugen. Zwar hätte die Abteilung dies begründen müssen, aber das Fehlen einer Begründung hat den Ausgang des
Verfahrens nicht beeinflusst. Außerdem würde auch die Rückzahlung an eine Beschwerdeführerin, die den Einwand gar nicht selbst vorgebracht hatte und ihn deshalb offensichtlich zum damaligen Zeitpunkt nicht für überzeugend hielt, nicht der Billigkeit entsprechen. Aus diesen Gründen hält die Kammer eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht für angemessen.
6. Zulassung von E18 und E19
E18 wurde von der Einsprechenden II im Rahmen des Einwands unter Artikel 123(2) EPÜ gegen den Hauptantrag eingereicht. Da das Dokument für die Entscheidung der Kammer keine Rolle spielt, ist eine Entscheidung über die Zulassung dieses Dokuments nicht erforderlich.
E19 wurde von der Einsprechenden II im Rahmen eines Angriffs unter Artikel 83 EPÜ eingereicht für den Fall, dass die Kammer den Begriff "Dicke" in Anspruch 1 im Sinne einer durchschnittlichen Dicke auslegt. Da die Kammer dies nicht tut, ist eine Entscheidung über die Zulassung von E19 ebenfalls nicht erforderlich.
7. Orbiter Dictum - Anpassung der Beschreibung
Die folgenden Bemerkungen sind ausdrücklich nicht Teil der Entscheidung:
7.1 Wie oben ausgeführt, ist die Kammer der Ansicht, dass Anspruch 1 nur Angaben zur Dicke des Al-Substrats macht und nicht zur durchschnittlichen Dicke. Gleiches gilt für die Dickenangaben der Schichten A und B. Da gemäß Absatz 0017 der Patentschrift alle Dickenangaben die durchschnittliche Dicke betreffen, hält die Kammer die dahingehenden erstinstanzlich vorgenommenen Anpassungen der Beschreibung (Absatz 0012, 0014) nicht für erforderlich.
7.2 Was die Anpassung von Absatz 0079 der Patentschrift angeht, hält die Kammer die Version "B" für geeignet, weil hier, im Gegensatz zur erstinstanzlich aufrecht erhaltenen Version und im Einklang mit der ursprünglich eingereichten Passage (Seite 22, Zeile 31 - Seite 23, Zeile 5) klargestellt ist, dass Beispiel 8 kein erfindungsgemäßes Beispiel ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz
zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent in geänderter
Fassung aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der Ansprüche
1-3 des 2. Hilfsantrags, eingereicht mit der
Beschwerdeerwiderung vom 9. Juni 2020.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird
zurückgewiesen.