T 2264/19 () of 10.10.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T226419.20231010
Datum der Entscheidung: 10 October 2023
Aktenzeichen: T 2264/19
Anmeldenummer: 10709734.7
IPC-Klasse: F01D 5/18
F01D 5/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Gekühltes Bauteil für eine Gasturbine
Name des Anmelders: Ansaldo Energia IP UK Limited
Name des Einsprechenden: Siemens Aktiengesellschaft
Kammer: 3.2.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
European Patent Convention Art 84
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag (nein)
Patentansprüche - Klarheit nach Änderung (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1758/22

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, das Europäische Patent Nr. 2 414 639 zu widerrufen.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf Grundlage des Hauptantrages oder eines der Hilfsanträge 1 und 2, allesamt mit der Beschwerde­begründung eingereicht, aufrecht zu erhalten.

III. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IV. Die Kammer lud die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung.

V. Mit Schreiben vom 15. Mai 2023 beantragte die Beschwerdegegnerin die Übertragung der Einsprechenden­stellung von der Siemens AG auf die Siemens Energy Global GmbH & Co. KG.

VI. In einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK äußerte die Kammer ihre vorläufige Meinung zu inter alia den Punkten der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 2, sowie der Klarheit des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1.

VII. Mit Schreiben vom 4. September 2023 reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hilfsantrag 3 ein.

VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung waren die Anträge der Parteien wie folgt:

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf Grundlage des Hauptantrages oder eines der Hilfsanträge 1 und 2, allesamt mit der Beschwerdebegründung eingereicht, oder auf Grundlage des Hilfsantrags 3, eingereicht mit Schreiben vom 4. September 2023, aufrecht zu erhalten.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.

IX. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut (mit der auch von der Einspruchsabteilung und den Parteien verwendeten Merkmalsgliederung):

1.1 |"Gekühltes Bauteil (10, 11), welches für eine Gasturbine geeignet ist, |

1.2 |welches Bauteil mit der Aussenseite einer Wand (28) den Heissgaskanal (27) der Gasturbine begrenzt |

1.3 |und auf der Innenseite eine Vorrichtung zur Prallkühlung aufweist, |

1.4 |wobei die Prallkühlungsvorrichtung eine Mehrzahl von nebeneinander angeordneten, parallel wirkenden, aneinander angrenzenden Prallkühlungskammern (13a, 13b) umfasst, |

1.5 |die durch mit Prallkühlungsöffnungen (18a, 18b) ausgestattete Prallkühlungsbleche (19a, 19b) abgedeckt |

1.6 |und mit Kühlluft beaufschlagt werden, wobei |

1.7 |die Prallkühlungskammern (13a, 13b) jeweils separate durch eigene Filmkühlbohrungen (26a, 26b) mit dem Heissgaskanal (27) in Verbindung stehen, dadurch gekennzeichnet,|

1.8 |dass die Dichte und/oder |

1.9 |die Verteilung und /oder |

1.10|der Durchmesser |

1.11|resp. Durchflussquerschnitt der Prallkühlungsöffnungen (18a, 18b) in den Prallkühlungsblechen (19a, 19b) der einzelnen Prallkühlungskammern (13a, 13b) |

1.12|an die jeweilige thermische Belastung oder |

1.13|an die jeweilige thermische Belastung und dem jeweiligen im Betrieb herrschenden statischen Druck an der Aussenseite der Wand (28) |

1.14|angepasst ist." |

X. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 lautet gleich wie jener des Hauptantrags, jedoch weiter eingeschränkt um das folgende Merkmal:

1.15|"wobei gleichförmige Temperaturverteilung der Wand (28) erzielt ist."|

XI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet gleich wie jener des Hauptantrags, jedoch weiter eingeschränkt um die folgenden Merkmale (entsprechend dem Anspruch 2 in der erteilten Fassung):

1.15|"wobei das Bauteil eine mit einer Plattform (11) versehene Schaufel (10) der Gasturbine ist, und|

1.16|die prallgekühlte Wand eine Wand (28) der Plattform (11) ist." |

XII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 lautet gleich wie jener des Hauptantrags, jedoch weiter eingeschränkt um die folgenden Merkmale (entsprechend den Ansprüchen 2 und 3 in der erteilten Fassung):

1.15|"wobei das Bauteil eine mit einer Plattform (11) versehene Schaufel (10) der Gasturbine ist, und die prallgekühlte Wand eine Wand (28) der Plattform (11) ist |

1.16|wobei die Plattform (11) in eine sequentielle Kühlung der Schaufel (10) eingebunden ist, bei der die Plattform (11) und das Schaufelblatt (15) der Schaufel (10) von dem Kühlmedium nacheinander durchströmt werden"|

XIII. Folgendes Dokument ist für die vorliegende Entscheidung relevant:

D4|EP 1 965 033 A2|

XIV. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Er unterscheide sich von dem in D4 beschriebenen Hitzeschild nicht nur durch das Merkmal 1.5, sondern auch durch die Merkmale 1.11-1.14. Insbesondere rege D4 den Fachmann nicht dazu an, gemäß diesen Merkmalen zusätzlich zum jeweiligen im Betrieb herrschenden statischen Druck auch die jeweilige thermische Belastung zu berücksichtigen. Ausgehend von D4 ergebe sich der Gegenstand des Anspruchs 1 für den Fachmann nicht in naheliegender Weise.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei klar und bedeute, dass Art und Verteilung der Prallkühlungsöffnungen so gewählt sind, dass die Temperatur über die Plattform gleichmäßig verteilt ist.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Fachmann würde die Lehre der D4 nicht auf eine Plattform einer Turbinenschaufel übertragen, da deren Strömungssituation völlig unterschiedlich sei.

Der Hilfsantrag 3 sei im Verfahren zu berücksichtigen. Die Änderungen bedürften keiner neuen Analyse durch die Beschwerdegegnerin oder die Kammer und basierten lediglich auf abhängigen Ansprüchen. Aufgrund des kürzlich erfolgten Vertreterwechsels lägen außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK vor.

XV. Die Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Er unterscheide sich von dem in D4 beschriebenen Hitzeschild lediglich durch das Merkmal 1.5, welches jedoch keine technische Wirkung habe und somit nur eine dem Fachmann selbstverständliche Alternative darstelle. Der Fachmann müsse bei der Auslegung einer Prallkühlung immer auch die jeweilige thermische Belastung berücksichtigen, sodass die Merkmale 1.11-1.14 in D4 verwirklicht seien. Ausgehend von D4 ergebe sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags für den Fachmann daher in naheliegender Weise.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 sei unklar. Er definiere lediglich das zu erreichende Ergebnis, wobei das Erreichen nicht allein von der Konstruktion abhängig sei, sondern auch von den Betriebsbedingungen des Bauteils.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Fachmann habe keine Schwierigkeiten, die Lehre der D4 auf eine Plattform einer Turbinenschaufel zu übertragen. Dies sei sogar in D4 selbst angeregt, da diese nicht auf Hitzeschilde beschränkt sei, sondern sich explizit auch auf "shrouds" beziehe, was als Hinweis auf Plattformen von Turbinenschaufeln zu verstehen sei.

Entscheidungsgründe

1. Übertragung der Einsprechendenstellung

Dem Antrag auf Übertragung der Einsprechendenstellung auf die Siemens Energy Global GmbH & Co. KG wird stattgegeben.

Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern geht die Einsprechendenstellung in der Regel auf den Erwerber des Unternehmens-/Geschäftsbereichs über, der den Bereich betrifft, auf den sich der Einspruch bezieht. Die Kammer sieht es als durch die Beschwerdegegnerin nachgewiesen an, dass der den Gegenstand des Streitpatents (d.h. das technische Gebiet der Gasturbinen) betreffende Geschäftsbereich der Siemens AG auf die Siemens Gas & Power GmbH und Co. KG (jetzt Siemens Energy Global GmbH & Co. KG) übergegangen ist. Auch die Beschwerdeführerin hat auf Nachfrage diesbezüglich keine Zweifel vorgetragen, sodass antragsgemäß entschieden wurde.

2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ. Ausgehend von D4 ergibt er sich für einen Fachmann aufgrund seines Fachwissens in naheliegender Weise. Die Kammer hatte in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 ihre gleichlautende vorläufige Auffassung den Parteien dargelegt. Die Beschwerdeführerin hat dem in der mündlichen Verhandlung nichts entgegnet, so dass es keinen Grund gab, die Meinung der Kammer zu ändern. Die im schriftlichen Verfahren vorgetragenen Argumente der Beschwerdeführerin haben die Kammer aus folgenden Gründen nicht überzeugt.

2.2 D4 wurde von beiden Parteien als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Daraus ist ein gekühltes Bauteil für eine Gasturbine, nämlich ein Hitzeschild, bekannt, welches unstrittig die Merkmale 1.1 bis 1.4, sowie 1.6 und 1.7 aufweist (siehe z.B. Figuren 1 und 3). Die Kammer sieht darin darüber hinaus auch den Wortlaut der Merkmale 1.8 bis 1.14 als erfüllt an.

Aufgrund der "und/oder"-Formulierungen genügt es hierfür, wenn eines der Merkmale 1.8, 1.9, 1.10 oder 1.11, sowie eines der Merkmale 1.12 oder 1.13 erfüllt sind. Die Kammer erkennt in D4 zumindest das Merkmal 1.9 in Verbindung mit Merkmal 1.11, sowie das Merkmal 1.12 und auch das Merkmal 1.13 in Verbindung mit Merkmal 1.14.

Insbesondere weist das in Figur 3 der D4 gezeigte Prallkühlungsblech 60 in der linken Kammer deutlich mehr Prallkühlungsöffnungen 64 auf als in der rechten Kammer. Die unterschiedliche Verteilung wird auch in der Beschreibung, Spalte 4, Zeilen 15-18, erwähnt. Dadurch sieht die Kammer insbesondere das Merkmal 1.9 ("Verteilung") in Verbindung mit 1.11 ("in den Prallkühlungsblechen (19a, 19b) der einzelnen Prallkühlungskammern (13a, 13b)") offenbart, ebenso wie implizit das Merkmal 1.12 und 1.13 ("an die jeweilige thermische Belastung und dem jeweiligen im Betrieb herrschenden statischen Druck an der Aussenseite der Wand") in Verbindung mit 1.14 ("angepasst ist").

2.3 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass das Merkmal 1.11 so auszulegen sei, dass die Dichte, die Verteilung, der Durchmesser oder der Durchflussquerschnitt der Prallkühlungsöffnungen in den Prallkühlungsblechen der einzelnen Prallkühlungskammern

- für jede Kammer gleich, jedoch

- für verschiedene Kammern verschieden sein müsse.

Diese Auslegung sieht die Kammer als nicht angezeigt. Vielmehr schließt das Merkmal weder aus, dass die Dichte, die Verteilung, der Durchmesser oder der Durchflussquerschnitt der Prallkühlungsöffnungen auch innerhalb einer Kammer an verschiedenen Stellen verschieden groß sein kann, noch dass diese genannten Eigenschaften bei unterschiedlichen Kammern gleich sein könnten, wie auch von der Beschwerdegegnerin vorgetragen wurde.

2.4 Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich weiter argumentiert, dass gemäß D4, insbesondere den Absätzen [0015] und [0018], Anspruch 1 und der Figur 2, die Prallkühlungsöffnungen in ein und derselben Kammer eine unterschiedliche Verteilung aufwiesen. Der Fachmann verstünde dies so, dass er die Verteilung der Prallkühlungsöffnungen auch innerhalb ein und derselben Kammer an eine gewünschte lokale Prallkühlung anpassen würde, wodurch eine gleichmäßige Verteilung der Prallkühlungsöffnungen ausgeschlossen sei, somit das Merkmal 1.11 nicht offenbart sein könne.

Diese Argumente können nicht überzeugen, da sie im Wesentlichen auf einer Interpretation des Anspruchswortlauts beruhen, der die Kammer aus zuvor dargelegten Gründen nicht folgt. Darüber hinaus findet die Kammer, dass die zitierten Stellen der D4 die Argumentation der Beschwerdeführerin auch nicht stützen. Einerseits beruht letztere auf einer offensichtlichen Fehlinterpretation der Figur 2, weil diese nicht die Verteilung der Prallkühlungsöffnungen zeigt, ja nicht zeigen kann, da das die Prallkühlungsöffnungen enthaltende Prallkühlungsblech 60 darin gar nicht dargestellt ist (siehe D2, Absatz [0006], "with baffle removed"), worauf auch die Beschwerdegegnerin hingewiesen hatte.

Andererseits steht auch der von der Beschwerdeführerin zitierte Absatz [0015] der Offenbarung des Merkmals 1.11 nicht entgegen. Das Vorsehen eines in diesem Absatz erwähnten Kanals 130 in einer der Prallkühlungs­kammern (nämlich der hinteren Kammer 92) mag zwar die Druckverhältnisse in dieser Kammer beeinflussen, lässt aber keine eindeutige Schlussfolgerung über die Verteilung der Prallkühlöffnungen über die gesamte Länge der Kammern 90 bzw. 92, wie sie in Figur 3 dargestellt ist, zu. Dass die Verteilung der Prallkühlöffnungen in der Kammer 92 lokal verschieden wäre, dürfte sich weder aus der Beschreibung noch der Darstellung in Figur 3 entnehmen lassen.

Das weitere Argument der Beschwerdeführerin, dass Absatz [0018] als eine lokale Anpassung der Verteilung der Prallkühlöffnungen an die gewünschte lokale Kühlung zu verstehen sei, stützt ebenfalls nicht die Sichtweise der Beschwerdeführerin. Eine "lokale" Anpassung kann auch bereichsweise ausgeführt sein und muss nicht auf kleinstem Raum angepasst sein. Tatsächlich dürfte dies die Ausführung sein, wie sie in Figur 3 dargestellt ist. Der gesamte Wandbereich der Kammer 90 wird darin stärker gekühlt als der Wandbereich der Kammer 92, eben weil die Verteilung der Prallkühlungsöffnungen für die Kammer 90 dichter ist als jene für die Kammer 92.

Die Kammer kommt aus all diesen Überlegungen zum Schluss, dass das Merkmal 1.11 eine gleichmäßige Verteilung innerhalb einer Kammer gar nicht fordert, sodass dieses Merkmal in D4 jedenfalls verwirklicht ist.

2.5 Die Kammer ist auch zum Schluss gelangt, dass in dem in D4 beschriebenen und in Figur 3 dargestellten Hitzeschild zum Beispiel die Verteilung der Prallkühlungsöffnungen in den Prallkühlungsblechen der einzelnen Prallkühlungskammern an die jeweilige thermische Belastung und den jeweiligen im Betrieb herrschenden statischen Druck an der Außenseite der Wand angepasst ist (Merkmal 1.9 in Verbindung mit Merkmal 1.11, sowie Merkmal 1.13 in Verbindung mit Merkmal 1.14).

Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass D4 zwar eine Anpassung an den jeweiligen im Betrieb herrschenden statischen Druck beschreibe, nicht jedoch die Anpassung an die jeweilige thermische Belastung. Sie argumentierte weiter, dass D4 das Problem der thermischen Belastung an keiner Stelle anspreche.

Die Kammer kann der Beschwerdeführerin insoweit zustimmen, dass D4 eine entsprechende Formulierung in der Tat nicht explizit offenbart. Allerdings ist aus Absatz [0018], wie von der Beschwerdeführerin selbst zitiert, zu entnehmen, dass "die Anzahl/Verteilung dieser [Prallkühlungs-]Löcher 64 gewählt werden kann ... um die gewünschte lokale Prallkühlung bereitzustellen" (Übersetzung ins Deutsche durch die Kammer). Der Fachmann versteht daraus, dass die gewünschte lokale Kühlung sich nicht nur auf die Anpassung der Druckverhältnisse bezieht (in dem Sinn, dass es bei einer unerwünschten Rückströmung zu überhaupt keiner Kühlung käme), sondern vielmehr auf die lokal gewünschte, weil dort nötige und dementsprechend an die lokalen Belastungen anzupassende Kühlung. Die Kammer ist folglich der Auffassung, dass für den Fachmann die "gewünschte lokale Kühlung" in Absatz [0018] diejenige Kühlung ist, die der "jeweiligen thermischen Belastung angepasst ist".

Doch auch unabhängig von der Auslegung des Absatzes [0018] in D4 folgt die Kammer den Argumenten der Beschwerdegegnerin hinsichtlich einer stets durchzuführenden Anpassung der Prallkühlung an die jeweilige thermische Belastung. Wie auch bereits in der vorläufigen Meinung der Kammer (siehe Punkt 3) angeführt, muss eine Prallkühlung immer auf die lokale thermische Belastung Rücksicht nehmen, um wirksam zu sein, da dies ihr eigentlicher Zweck ist. Wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert ist die thermische Belastung der alleinige Anlass, den hohen konstruktiven Aufwand für die Prallkühlung auf sich zu nehmen. Dieser Auffassung ist die Beschwerdeführerin zuletzt auch nicht mehr entgegengetreten.

Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass eine Anpassung der Dichte, der Verteilung, des Durchmessers und/oder des Durchflussquerschnitts an die jeweilige thermische Belastung in D4 zumindest implizit offenbart ist.

2.6 In dem Hitzeschild gemäß D4 werden die Kammern 90 und 92 nicht von mehreren, sondern von einem gemeinsamen Prallkühlungsblech 60 abgedeckt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von dem in D4 beschriebenen Hitzeschild lediglich durch das Merkmal 1.5, wonach die Prallkühlungskammern durch mit Prallkühlungs­öffnungen ausgestattete Prallkühlungsbleche (im Plural) abgedeckt werden.

Hinsichtlich dieses einzigen Unterscheidungsmerkmals schließt sich die Kammer der Meinung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung an (siehe Entscheidungsgründe 11.1.3-11.1.4). Es handelt sich dabei lediglich um eine alternative Ausgestaltung, die keine weitere technische Wirkung hat als die dem Merkmal inhärente, nämlich dass statt einem mehrere Bleche vorliegen. Die objektive technische Aufgabe besteht daher darin, eine Alternative zu dem einteiligen Prallkühlungsblech zu finden. Die Lösung, mehrere Bleche zu verwenden, liegt für den Fachmann auf der Hand und stellt reine Routine dar. Darüber hinaus wird sie selbst im Streitpatent als gleichwertige, dem Fachmann geläufige Alternative angeführt (siehe Spalte 5, Zeilen 32-38). Die Modifikation des die Kammern 90 und 92 gemeinsam abdeckenden Prallkühlungsblech zu mehreren (bspw. zwei) Blechen ist für den Fachmann somit offensichtlich. Die Beschwerdeführerin hat diesem Teil der Begründung der angefochtenen Entscheidung auch nicht widersprochen.

2.7 Der Gegenstand des Anspruchs 1 kann daher keine erfinderische Tätigkeit begründen. Der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar.

3. Hilfsantrag 1 - Artikel 84 EPÜ

Wie die Kammer bereits in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 ausgeführt hat, ist der Ausdruck "gleichmäßige Temperaturverteilung" in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unklar, weil er lediglich das zu erreichende Ziel definiert, ohne dass damit klar ist, welche strukturellen Merkmale damit einhergehen. Die Beschwerdeführerin hat dem in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nichts entgegnet, so dass die Kammer keinen Grund hat, von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen, die hiermit bestätigt wird. Das Klarheitserfordernis nach Artikel 84 EPÜ ist daher nicht erfüllt.

3.1 Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren argumentiert, dass der Ausdruck "gleichmäßige Temperaturverteilung" klar sei und so zu verstehen sei, dass mittels einer unterschiedlichen Form und Verteilung der Prallkühlungslöcher, die der lokalen thermischen Belastung Rechnung tragen, eine gleichförmige Oberflächentemperatur über die Plattform erreicht werden soll.

Auch mit dieser Erläuterung sieht die Kammer in dem hinzugefügten Merkmal keine Definition der strukturellen Merkmale, die das Ziel einer gleichmäßigen Temperaturverteilung erreichen würden. Vielmehr erschöpft sich das Merkmal 1.15 des Hilfsantrags 1 in der Definition des zu erreichenden Ergebnisses, wobei dessen tatsächliches Erreichen (wie von der Beschwerdegegnerin argumentiert) nicht nur von der Konstruktion des Bauteils, sondern auch von den Betriebsbedingungen abhängig ist. Wie auch bereits in der vorläufigen Meinung der Kammer genannt (siehe dort Punkt 4.1) bleibt damit zumindest unklar, welche weitere strukturelle Einschränkung das hinzugefügte Merkmal für das beanspruchte Bauteil implizieren könnte. Auch dieser in der Mitteilung genannten Auffassung der Kammer ist die Beschwerdeführerin zuletzt nicht mehr entgegengetreten.

3.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher nicht klar im Sinne des Artikels 84 EPÜ. Der Hilfsantrag 1 ist daher nicht gewährbar.

4. Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ. Ausgehend von D4 ergibt auch er sich für einen Fachmann aufgrund seines Fachwissens in naheliegender Weise.

4.1 Zusätzlich zu dem ersten Unterscheidungsmerkmal des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag (Merkmal 1.5, mehrere Bleche statt einem) unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 durch das zweite Unterscheidungsmerkmal, dass das Bauteil eine mit einer Plattform versehene Schaufel der Gasturbine ist, und die prallgekühlte Wand eine Wand der Plattform ist, während D4 ein Hitzeschild für eine Gasturbine zeigt.

4.2 Die beiden Unterscheidungsmerkmale weisen keine Synergiewirkung auf. Dies wurde auch auf explizite Nachfrage hin von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Es ist daher angezeigt, für die beiden Unterschiede Teilaufgaben zu formulieren.

Für das erste Unterscheidungsmerkmal lautet die Aufgabe, eine Alternative zu dem einteiligen Prallkühlungsblech zu finden, wobei die Lösung, mehrere Prallkühlungsbleche zu verwenden, wie oben dargelegt, keine erfinderische Tätigkeit begründen kann.

Die technische Aufgabe, die durch das zweite Unterscheidungsmerkmal gelöst wird, wurde von beiden Parteien übereinstimmend darin gesehen, die Wand der Schaufelplattform zu kühlen.

4.3 Die Beschwerdegegnerin hat argumentiert, dass D4 bereits selbst den Fachmann anleite, die darin beschriebene Erfindung zur Kühlung von Plattformen von Turbinenschaufeln anzuwenden. Die Lehre der D4 beschränke sich nicht auf Hitzeschilde, da der in Absatz [0001] verwendete Begriff "shroud" auf innere oder äußere Plattformen von Turbinenleitschaufeln hinweise.

Die Kammer anerkennt zwar, dass dieser Begriff auch im Sinne der Beschwerdegegnerin verstanden werden könnte, sieht darin allein jedoch keinen eindeutigen Hinweis auf eine Turbinenschaufelplattform. Die Kammer folgt der Beschwerdegegnerin allerdings darin, dass es für den Fachmann dennoch naheliegend war, die bekannte bzw. naheliegende Kühlkonstruktion der D4 auf die Plattform einer Turbinenschaufel zu übertragen. Es gibt dabei weder technische Hindernisse noch treten neue technische Wirkungen auf, sodass es im Rahmen des üblichen Handelns liegt, bei den Bauteilen eines Hitzeschilds und einer Plattform einer Turbinenschaufel dieselbe Konstruktionsmethode für die Kühlung der jeweiligen Komponenten zu verwenden.

4.4 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass der Fachmann den Aufbau des Hitzeschilds, insbesondere die Dichte, die Verteilung, die Durchmesser und den Durchflussquerschnitt der Prallkühlungsöffnungen, nicht auf die Plattform einer Turbinenschaufel übertragen hätte, da sich an diesen Bauteilen im Betrieb eine völlig andere Strömungssituation ergebe.

Die Kammer folgt diesem Argument nicht. Auch wenn die Strömungssituation unterschiedlich sein kann, folgt daraus nicht zwangsläufig, dass der Fachmann die beanspruchten und in D4 offenbarten Kühlungsmaßnahmen für die Wand einer Schaufelplattform als ungeeignet ausschließen würde. Darüber hinaus schließt der Anspruch nicht aus, dass die mit einer Plattform versehene Schaufel z.B. auch eine stationäre Leitschaufel sein kann. In diesem Fall ergeben sich eine Einbausituation in der Turbine wie beim Hitzeschild und eine sehr ähnliche Strömungssituation zumindest in axialer Richtung. Doch selbst die Übertragung der in D4 offenbarten Prallkühlungskonfiguration auf eine Laufschaufel stellt den Fachmann nicht vor unüberwindbare Hindernisse, da er ohnehin die Kühlung an den lokalen Kühlbedarf anpassen muss. Dies mag zwar bei einer Laufschaufel andere lokale Anpassungen als bei einem Hitzeschild bedingen, die Anpassungen sind jedoch für den Fachmann selbstverständlicher Teil der Auslegung der Prallkühlung an verschiedenen Stellen einer Turbine. Er stellt dabei dieselben Überlegungen an wie bei der Auslegung der Kühlung eines Hitzeschilds. Der höhere Grad an Kompliziertheit der Strömungssituation ist per se kein Hinderungsgrund der Anwendung für den Fachmann.

4.5 Der Fachmann würde daher zur Lösung der Aufgabe die aus D4 bekannte Konstruktion, in einer naheliegenden Alternative mit mehreren Prallkühlungsblechen, auf eine Plattform einer Schaufel einer Gasturbine übertragen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 kann daher keine erfinderische Tätigkeit begründen. Der Hilfsantrag 2 ist somit nicht gewährbar.

5. Hilfsantrag 3 - Zulässigkeit

Der Hilfsantrag 3 wird im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt (Artikel 13 (2) VOBK).

Gemäß Artikel 13 (2) VOBK bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

Als Grund für die späte Vorlage des Hilfsantrags 3 nannte der Vertreter der Beschwerdeführerin, dass dieser den Fall erst kürzlich übernommen habe und Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 einen Gegenstand darstelle, der von ihm als der hinsichtlich einer positiven Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit aussichtsreichste angesehen werde. Darüber hinaus seien die Änderungen leicht ersichtlich und bedürften keiner neuen Analyse durch die Beschwerdegegnerin oder die Kammer, da sie lediglich auf abhängigen Ansprüchen beruhten.

Die Kammer sieht darin jedoch keinen Grund den Hilfsantrag 3 in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Ein Vertreterwechsel stellt für sich genommen keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK dar. Vielmehr muss der neue Vertreter den Fall in dem Verfahrensstadium (und mit den damit einhergehenden eingeschränkten Möglichkeiten zur Änderung) weiterführen, in dem er ihn übernommen hat.

Die leichte Ersichtlichkeit der Änderungen ist kein Maßstab für die Bewertung hinsichtlich Artikel 13 (2) VOBK. Der Umstand, dass die Änderungen lediglich auf der Zusammenfassung von abhängigen Ansprüchen beruhen, ändert nichts daran, dass erstmalig vor der Kammer neue Sachverhalte zu diskutieren wären, weil die in Anspruch 1 erstmalig explizit beanspruchte Kombination von Merkmalen noch nie zuvor in ihrer Gesamtheit berücksichtigt wurde.

Es liegen somit keine außergewöhnlichen Umstände vor, die eine Zulassung in diesem Verfahrensstadium angezeigt erscheinen lassen würden. Der Hilfsantrag 3 wird daher im Beschwerdeverfahren nicht berücksichtigt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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