European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2023:T068719.20231211 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 11 Dezember 2023 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0687/19 | ||||||||
Anmeldenummer: | 05784163.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | A61K 31/4174 A61P 31/16 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | NEUE VERWENDUNG FÜR alpha-SYMPATHOMIMETIKA MIT 2-IMIDAZOLINSTRUKTUR | ||||||||
Name des Anmelders: | The Procter & Gamble Company | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Maria Clementine Martin Klosterfrau Vertriebsgesellschaft mbH |
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Kammer: | 3.3.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: | |||||||||
Schlagwörter: | Grundlage des Verfahrens - angefochtene Entscheidung Änderung veranlasst durch Einspruchsgrund - (ja) Patentansprüche - Klarheit (ja) Änderungen - zulässig (ja) Ausreichende Offenbarung - (ja) Neuheit - Neuheit der Verwendung Neuheit - zweite (bzw. weitere) medizinische Verwendung Erfinderische Tätigkeit - (ja) Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 802 302 (nachfolgend: das Patent) wurde mit sechs Ansprüchen erteilt.
Anspruch 1 des erteilten Patents lautete:
"Oxymetazolin und/oder Xylometazolin zur Verwendung zur antiviralen Prophylaxe und/oder antiviralen Behandlung viraler Erkrankungen ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Rhinitis acuta, Influenza, Parainfluenza, Otitis media und Sinusitis, wobei Oxymetazolin und/oder Xylometazolin antiviral wirksam sind."
II. Gegen die Erteilung des Patents wurde ein Einspruch eingelegt. Die Einsprechende beantragte den Widerruf des Patents in vollem Umfang aufgrund fehlender Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit, unzureichender Offenbarung und unzulässiger Erweiterung.
Die Beschwerde der Patentinhaberin und die Beschwerde der Einsprechenden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das Patent unter Berücksichtigung der Änderungen gemäß des während des Einspruchsverfahrens eingereichten Hilfsantrags 3 den Erfordernissen des Übereinkommens genügt. Die Entscheidung bezog sich auf das Patent in der erteilten Fassung (Hauptantrag), die mit dem Schreiben vom 9. November 2018 eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 sowie den während der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2019 eingereichten Hilfsantrag 3.
Die folgenden Dokumente wurden unter anderem in der angefochtenen Entscheidung erwähnt:
D1: WO 96/25163
D3: WO 99/15203
D5: WO 03/024433 A2
D6: Deutsche Apotheker Zeitung, 2005, 145(5), Seiten 111-112
D8: DE 44 38 589 A1
D9: DE 195 41 919 A1
D10: Wikipedia-Internetauszug gemäß https:l/de.wikipedia.org/wiki/Rhinitis, Stichwort:
"Rhinitis" (insgesamt: 4 Seiten)
D19: Hals-Nasen-Ohrenheilkunde für Medizinstudenten, Boenninghaus, 9. Auflage, 1993, Springer-Verlag, Seiten 211-213 und 220-221
D20: Pädiatrie, Friedrich-Carl Sitzmann (Hrsg), 1995, Hippokrates, Seiten 341-342
D23: Arzneimittelforschung (Drug Research), 2007, 57(7), Seiten 475-482
D25: US 2002/0037297 A1
D29: American Pharmacy, 1992, Bd. NS32, Nr.5, Seiten 409-413
D31: Rote Liste, 1986, Editio Cantor, Aulendorf, Kapitel "2.B.1.3. Sympathomimetika"
(insgesamt: 3 Seiten)
D37: WO 93/09764
D39: Arzneimittel: Entwicklung, Wirkung, Darstellung, Band 2, Gustav Erhart und Heinrich Ruschig, 1972, Verlag Chemie, Seiten 150-151
D41: Schweiz. Med. Wochenschr., 1996, 126(44), Seiten 1875-1881
D44: AMA Drug Evaluations, 5. Auflage, 1983, American Medical Association, "Decongestant, Cough, and Cold Preparations", Seiten 549-576
D45: Tägl. Prax. 17 (1976), Seiten 305-310
D48: Bundesanzeiger Nr. 138 vom 26. Juli 1994, Monographie zu Oxymetazolin
D50: Annex A: "Antivirale Aktivitätsprüfungen von Xylometazolin (XMZ) gegen HRV 14 und HRV 39"
In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu folgendem Ergebnis:
a) Anspruch 1 des erteilten Patents gehe nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und stelle insbesondere keine neue Merkmalskombination dar.
Im Hinblick auf das Allgemeinwissen und die laut dem Dokument D23 fehlende antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin gegen Adenoviren, Parainfluenzaviren und RSV sei nicht plausibel, dass die den Gegenstand des Anspruchs 1 kennzeichnende Wirkung über den gesamten Anspruchsbereich erzielt werden könne. Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht ausreichend offenbart.
b) Die zusätzliche Definition in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, dass die Wirkstoffe gegen Rhinoviren und Influenza Viren antiviral wirksam sind, stelle eine Zuordnung der definierten Krankheiten zu diesen Viren dar, die der ursprünglichen Anmeldung nicht zu entnehmen sei.
Hilfsantrag 1 genüge somit nicht dem Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ.
Der gleiche Einwand treffe auch auf Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 zu, in dem zusätzlich die viralen Erkrankungen auf Rhinitis acuta (Schnupfen) und/oder Influenza eingeschränkt worden sind.
c) Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 definiere die antivirale Wirksamkeit gegen Rhinoviren und beschränke die Erkrankungen auf Rhinitis acuta.
Hilfsantrag 3 genüge den Erfordernissen der Artikel 123(2), 84 und 83 EPÜ.
Dokument D6 stelle keinen Stand der Technik dar, weil die Priorität wirksam in Anspruch genommen worden sei.
Der Anspruchsgegenstand ziele auf die antivirale Wirkung ab und beziehe sich damit gegenüber der bekannten symptomatischen Behandlung auf eine neue klinische Situation. Keines der Dokumente D1, D3, D5, D8, D9, D19, D20, D25, D29, D37, D39, D41, D44, D45 und D48 beschreibe die Verwendung von Oxymetazolin oder Xylometazolin als antivirales Mittel bei der Behandlung von Rhinitis acuta. Hilfsantrag 3 erfülle somit das Erfordernis der Neuheit.
Die Dokumente D1, D8 und D37 kämen als nächstliegender Stand der Technik in Betracht. Der Fachmann würde jedoch nicht auf naheliegende Weise zum Anspruchsgegenstand gelangen, weil aus keinem Stand der Technik die Wirksamkeit gegen Rhinoviren hervorgehe. Hilfsantrag 3 erfülle somit auch das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit.
III. Mit der Beschwerdebegründung hielt die Patentinhaberin zunächst ihren Hauptantrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren, den Einspruch zurückzuweisen, aufrecht und beantragte hilfsweise, das Patent mit den Änderungen gemäß den mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Hilfsanträgen 1-6 aufrechtzuerhalten. Der Hauptantrag und Hilfsantrag 1 wurden im Laufe des Beschwerdeverfahrens zurückgenommen. Der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Hilfsantrag 2 stimmt mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantag 2 überein.
Anspruch 1 dieses Hilfsantrags 2 lautet:
"Oxymetazolin und/oder Xylometazolin zur Verwendung zur antiviralen Prophylaxe und/oder antiviralen Behandlung viraler Erkrankungen ausgewählt aus Rhinitis acuta, und/oder Influenza, wobei Oxymetazolin und/oder Xylometazolin antiviral wirksam gegen Rhinoviren und Influenza Viren sind."
IV. Im schriftlichen Verfahren beanstandete die Einsprechende die Zulassung des Hilfsantrags 2 und hielt ihre Einwände, dass dieser Antrag den Erfordernissen der Artikel 123(2), 123(3), 83, 84, 54 und 56 EPÜ nicht genüge, aufrecht. In der Eingabe vom 29. Juni 2020 verwies die Einsprechende zur Veranschaulichung des Einwands der unzulänglichen Offenbarung hinsichtlich der antiviralen Wirksamkeit zusätzlich auf die Unwirksamkeit bekannter Therapien gegen Covid-19-Erkrankungen.
V. In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer unter anderem ihre vorläufige Einschätzung mit, dass der Hilfsantrag 2 Teil des Beschwerdeverfahrens sei, die Priorität für diesen Antrag wirksam in Anspruch genommen werde, und dieser Antrag den Erfordernissen der Artikel 123(2), 123(3), 83, 84, 54 und 56 EPÜ entspreche.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 11. Dezember 2023 statt.
Während der Verhandlung beanstandete die Einsprechende den vorliegenden Hilfsantrag 2 zusätzlich unter Regel 80 EPÜ und beantragte zudem, der Großen Beschwerdekammer eine Frage bezüglich der Verwendung nachträglich zugänglich gewordener Versuchsdaten zur Begründung der Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ vorzulegen.
VII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Zulassung des Hilfsantrags 2
Hilfsantrag 2 sei laut der angefochtenen Entscheidung zugelassen worden. Eine diesbezüglich fehlerhafte Ermessensanwendung durch die Einspruchsabteilung sei von der Einsprechenden nicht begründet worden.
b) Regel 80 EPÜ
Der Einwand aufgrund Regel 80 EPÜ sei unzulässigerweise erst während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer erhoben worden. Der Einwand sei außerdem unbegründet, weil die Änderung der Definition der zu behandelnden Erkrankungen durch den Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit veranlasst sei und wörtlich der in der ursprünglichen Beschreibung bevorzugten Ausführungsform entspreche.
c) Artikel 84 EPÜ
Es handele sich bei der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definierten Verwendung zur antiviralen Prophylaxe oder Behandlung eindeutig nur um solche viralen Erkrankungen, die auf Rhinoviren oder Influenza Viren zurückzuführen sind.
d) Artikel 123(2) EPÜ
Die gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definierte antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin bei der Behandlung von Rhinitis acuta und Influenza entspreche der ursprünglich als kausal beschriebenen antiviralen Behandlung dieser Erkrankungen.
Die Einschränkung der Wirkstoffe auf Oxymetazolin und Xylometazolin sowie die Einschränkung der viralen Erkrankungen auf Rhinitis acuta und Influenza entsprächen den ursprünglich als bevorzugt beschriebenen Ausführungsformen. Die anspruchsgemäß definierte Wirksamkeit gegen Rhinoviren und Influenza Viren gehe auf die ursprünglich beschriebene Liste der durch Viren hervorgerufenen Erkrankungen zurück und betreffe ebenfalls eine in der ursprünglichen Anmeldung durch die Beispiele als bevorzugt hervorgehobene Ausführungsform.
Die anspruchsgemäße Definition der Wirkstoffe zur antiviralen Verwendung gehe zulässigerweise auf die ursprünglich offenbarte Verwendung der Wirkstoffe zur Herstellung eines antiviralen Arzneimittels zurück.
e) Artikel 123(3) EPÜ
Der erteilte Anspruch 1 sei nicht ausschließlich auf die Behandlung einzelner viraler Erkrankungen bezogen. Aus der Verwendung der Konjunktion "und/oder" in der Definition der Erkrankungen gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ergebe sich deswegen keine Erweiterung gegenüber dem erteilten Anspruchsgegenstand.
f) Artikel 83 EPÜ und Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer
Die Tauglichkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin zur anspruchsgemäßen antiviralen Verwendung gegen Rhinitis acuta und Influenza sei im Patent anhand der experimentell ausgewiesenen in vitro Wirksamkeit von Oxymetazolin gegen Rhinoviren HRV-14 und HRV-2 sowie Influenza A Viren hinreichend offenbart worden.
Die Einwände bezüglich der Relevanz von in vitro Versuchen, der Verallgemeinerung der Wirksamkeit auf Rhinoviren und Influenza Viren, der fehlenden Angaben zu geeigneten Darreichungsformen und Dosierungen, der Möglichkeit der antiviralen Prophylaxe sowie der Verallgemeinerung der Wirksamkeit von Oxymetazolin auf Xylometazolin seien nicht belegt worden. Die laut dem Dokument D10 lediglich symptomatische Wirksamkeit von Xylometazolin begründe keine ernsthaften Zweifel an der patentgemäß beschriebenen antiviralen Wirksamkeit von Xylometazolin. Diese Information in Dokument D10 sei im Hinblick auf die Ergebnisse in Dokument D50, das bereits mit der Einspruchserwiderung zulässigerweise eingereicht worden sei, auch nicht zutreffend. Das verspätete Vorbringen bezüglich der Unwirksamkeit bekannter antiviraler Therapien gegen Covid-19-Erkrankungen sei abwegig. Für die Vorlage der Frage an die Große Beschwerdekammer bezüglich nachträglich eingereichter Versuchsergebnisse zur Begründung der Ausführbarkeit gebe es keinen Anlass.
g) Priorität
Die Ausführungen in Bezug auf die Erfordernisse des Artikels 123(2) träfen auch auf die Stütze des Anspruchsgegenstand im Prioritätsdokument zu.
h) Neuheit
Die gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definierte antivirale Verwendung mit Wirksamkeit gegen Rhinoviren und Influenza Viren entspreche ähnlich wie im Fall der Entscheidung T 1955/09 einer neuen klinischen Situation, die die Neuheit des Anspruchsgegenstands gegenüber der aus den Dokumenten D3, D5, D8, D9, D19, D20, D25, D29, D31, D37, D39, D41, D44, D45 und D48 bekannten symptomatischen Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin bei der Behandlung von entsprechenden Erkältungserkrankungen begründe.
i) Erfinderische Tätigkeit
Die unterscheidende antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin sei hinreichend belegt worden und sei deswegen als wirksamer Unterschied zum Stand der Technik bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe einzubeziehen. Dies treffe auch bezüglich der Dokumente D8 und D37 zu, die lediglich die Kombination mit weiteren Heilmitteln, einschließlich antiviraler Wirkstoffe, nicht jedoch die eigenständige antivirale Anwendung von Oxymetazolin und Xylometazolin beschreiben würden.
Ausgehend von Dokument D8 oder D37 als nächstliegendem Stand der Technik bestehe die objektive technische Aufgabe darin, einen neuen Ansatz bei der Behandlung der definierten Erkrankungen bereitzustellen.
Die anspruchsgemäß definierte antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin sei dem Fachmann weder durch den Inhalt der Dokumente D8 und D37 noch durch den übrigen zitierten Stand als Lösung dieser Aufgabe nahegelegt worden.
Dokument D37 führe sogar von der beanspruchten Erfindung weg, in dem dieses Dokument eine ausführliche Liste von antiviral wirksamen Wirkstoffen enthalte, jedoch jeglicher Hinweis auf eine antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin in diesem Dokument fehle.
Die in Dokument D1 beschriebene Hemmung der Reaktivierung von HSV betreffe eine wesentlich andersartige Wirksamkeit, aus der keine entsprechende Erwartung bezüglich der gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definierten Verwendung gegen Rhinoviren und Influenza Viren hervorgehe. Dokument D1 stelle deswegen für den Fachmann auch keinen geeigneten Ausgangspunkt im Stand der Technik dar, um auf naheliegende Weise zum Anspruchsgegenstand des Hilfsantrags 2 zu gelangen.
VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Zulassung des Hilfsantrags 2
Hilfsantrag 2 sei während des Einspruchsverfahrens verspätet eingereicht worden. Die Einsprechende sei durch die Zulassung dieses Hilfsantrags auf ungebührliche Weise benachteiligt worden.
b) Regel 80 EPÜ
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 sei in der Formulierung "Erkrankungen ausgewählt aus Rhinitis acuta, und/oder Influenza" die Verwendung der Konjunktion "und/oder" nicht durch einen Einspruchsgrund veranlasst.
c) Artikel 84 EPÜ
Der Zusammenhang der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definierten spezifischen Virustypen mit der Prophylaxe oder Behandlung der anspruchsgemäß definierten viralen Erkrankungen sei unklar.
d) Artikel 123(2) EPÜ
Die ursprüngliche Anmeldung beschreibe die antivirale Behandlung als kausal. Die Auslassung dieser Qualifikation in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 stelle eine unzulässige Erweiterung dar.
Die Kombination der Definition der antiviralen Wirksamkeit gegen Rhinoviren und Influenza Viren mit der geänderten Definition der viralen Erkrankungen und der Einschränkung der Wirkstoffe in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 gehe nicht unmittelbar und eindeutig aus der ursprünglichen Anmeldung hervor.
Die Definition der Wirkstoffe zur antiviralen Verwendung gehe zudem unzulässigerweise über die ursprünglich beschriebene Verwendung zur Herstellung eines Arzneimittels hinaus.
e) Artikel 123(3) EPÜ
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 umfasse wegen der verwendeten Konjunktion "und/oder" in der Definition der Erkrankungen auch die gleichzeitige Behandlung von Rhinitis acuta und Influenza und führe deswegen zu einer unzulässigen Erweiterung des Schutzumfangs gegenüber dem erteilten Patent.
f) Artikel 83 EPÜ und Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer
Die im Patent berichteten Versuchsergebnisse einer antiviralen Wirksamkeit seien für den anspruchsgemäß implizierten therapeutischen Behandlungserfolg nicht aussagekräftig, weil diese Versuchsergebnisse nur die in vitro Wirksamkeit beträfen.
Diese Angaben zur in vitro Wirksamkeit beträfen auch nur bestimmte Untertypen von Viren, nämlich Rhinoviren HRV-14 / HRV-2 und Influenza A. Die anspruchsgemäße Verallgemeinerung zu Rhinoviren und Influenza Viren sei aus wissenschaftlicher Sicht nicht vertretbar. Dies werde auch durch die Unwirksamkeit bekannter Therapien gegen SARS-CoV-2 bei Covid-19-Erkrankungen veranschaulicht.
In Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 fehle die erforderliche Angabe der geeigneten Darreichungsformen und Dosierungen.
Die definierte antivirale Prophylaxe sei nicht nachvollziehbar und es bleibe offen, wie die viralen Erreger insbesondere im Falle der Prophylaxe zu bestimmen seien.
Außerdem beträfen die Versuchsergebnisse im Patent nur die Wirksamkeit von Oxymetazolin, das im Gegensatz zu Xylometazolin eine phenolische OH-Gruppe aufweise. Im Hinblick auf diesen erheblichen strukturellen Unterschied gehe die Wirksamkeit von Xylometazolin nicht auf glaubhafte Weise aus dem Patent hervor. Zudem wirft Dokument D10 ernsthafte Zweifel an der Wirksamkeit von Xylometazolin auf. Nachträglich eingereichte Versuchsergebnisse bezüglich der antiviralen Wirksamkeit von Xylometazolin, wie in Dokument D50 enthalten, seien laut einschlägiger Rechtsprechung grundsätzlich ungeeignet, um eine mangelhafte Offenbarung auszugleichen. Dokument D50 sei deswegen vom Verfahren auszuschließen, beziehungsweise in Bezug auf das Erfordernis der hinreichenden Offenbarung nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen beziehe sich Dokument D50 auch nur auf die in vitro Wirksamkeit von Xylometazolin. Im Falle einer diesbezüglich abweichenden Einschätzung der Kammer sei die Frage der Relevanz nachträglich veröffentlichter Versuchsergebnisse zur Begründung der hinreichenden Offenbarung der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.
g) Priorität
Aus den in Bezug auf die Erfordernisse des Artikels 123(2) ausgeführten Gründen sei auch bei Identität der ursprünglichen Offenbarung mit dem Prioritätsdokument der Anspruchsgegenstand nicht prioritätsberechtigt. Dokument D6 sei somit als Stand der Technik zu betrachten.
h) Neuheit
Die gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrag 2 zu verwendenden Wirkstoffe seien laut den Dokumenten D3, D5, D8, D9, D19, D20, D25, D29, D31, D37, D39, D41, D44, D45 und D48 bereits vor dem Prioritätszeitpunkt für die gleiche Behandlung der gleichen Erkältungserkrankungen eingesetzt worden.
Die anspruchsgemäße Definition der beabsichtigten antiviralen Prophylaxe oder Behandlung sowie der antiviralen Wirksamkeit gegen Rhinoviren und Influenza Viren stelle im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung, insbesondere T 233/96, T 836/01, T 254/93 und T 779/18 keine Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik dar, weil die anspruchsgemäß definierte antivirale Wirksamkeit nicht mit der Behandlung einer neuen Patientengruppe oder mit einer neuen klinischen Situation verbunden sei und in der Praxis auch keinen Anlass für eine geänderte Behandlung der Patienten darstelle. Es handele sich bei der antiviralen Wirkung allenfalls um eine nachträgliche Erklärung eines schon immer eingetretenen Effekts.
i) Erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von dem in Bezug auf die Neuheit zitierten Stand der Technik, insbesondere den Dokumenten D8 und D37, oder der aus Dokument D1 bekannten antiviralen Wirksamkeit von Oxymetazolin bei der Behandlung einer HSV Infektion beruhe der Anspruchsgegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die anspruchsgemäß definierte antivirale Wirksamkeit sei nicht für den gesamten Anspruchsbereich ausgewiesen worden und komme deswegen nicht für die Begründung einer erfinderischen Tätigkeit im Frage.
Zudem beziehe sich die gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrag 2 definierte Verwendung auch auf die Behandlung von Erkältungserkrankungen, in der Oxymetazolin oder Xylometazolin in Kombination mit zusätzlichen Wirkstoffen verabreicht werde. Die antivirale Wirksamkeit von Zusammensetzungen, die für die Behandlung von entsprechenden Erkrankungen geeignet sind und neben Oxymetazolin oder Xylometazolin zusätzlich antiviral wirksame Bestandteile enthalten, sei jedoch bereits aus den Dokumenten D8 und D37 bekannt gewesen. Ein auf der anspruchsgemäß definierten antiviralen Wirksamkeit von Oxymetazolin oder Xylometazolin zurückzuführender Effekt bei einer solchen ansonsten bekannten Behandlung von Erkältungserkrankungen zur Begründung einer erfinderischen Tätigkeit sei nicht nachgewiesen und auch nicht nachvollziehbar.
Insofern die anspruchsgemäß definierte antivirale Wirksamkeit einen effektiven Unterschied des Anspruchsgegenstandes zum Stand der Technik darstelle, liege das Aufdecken dieser Wirkung ohnehin innerhalb der routinemäßigen Fertigkeiten des Fachmanns, zumal eine antivirale Wirkung von alpha-Sympathomimetika wie Oxymetazolin gegen HSV bereits aus Dokument D1 bekannt gewesen sei und die Dokumente D8 und D37 Oxymetazolin und Xylometazolin enthaltende Zusammensetzungen bereits mit einer entsprechenden antiviralen Wirkung in Verbindung brächten. Es handele sich bei dieser Wirkung allenfalls um einen Bonuseffekt.
IX. Die beschwerdeführende Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent gemäß dem mit Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 2 aufrechtzuerhalten.
Des Weiteren beantragte die Patentinhaberin, das Vorbringen der Einsprechenden bezüglich SARS-CoV-2 und Covid-19 gemäß der Eingabe vom 29. Juni 2020 sowie den Einwand unter Regel 80 EPÜ nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
X. Die beschwerdeführende Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Einsprechende beantragte außerdem, den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 2 sowie das Dokument D50 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Die Einsprechende beantragte zudem, der Großen Beschwerdekammer die folgende Frage vorzulegen:
"Ist es zulässig, bei einer durch einen zweckgerichteten Stoffanspruch im Sinne von Artikel 54(4) oder (5) EPÜ geschützten Erfindung, bei welcher das Verwendungsmerkmal gerade die Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik begründet (hier: antivirale Wirksamkeit von Xylometazolin gegenüber Rhinoviren und Influenzaviren bei der antiviralen Prophylaxe und/oder Behandlung von Rhinitis acuta und/oder Influenza), nachträglich, d.h. erst nach dem Anmelde- bzw. Prioritätstag öffentlich zugänglich gewordene Versuchsdaten heranzuziehen, um die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ zu begründen?"
Entscheidungsgründe
1. Zulassung des Hilfsantrags 2
Hilfsantrag 2 wurde innerhalb der gemäß Regel 116 EPÜ von der Einspruchsabteilung gesetzten Frist eingereicht. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung basiert unter anderem auf diesem Antrag. Aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 10. Januar 2019 geht zudem nicht hervor, dass die Einsprechende einen Einwand gegen die Zulassung des Hilfsantrags 2 vor der Einspruchsabteilung aufrecht erhalten hat. Die Kammer betrachtet daher den Artikeln 12(1) und 12(2) VOBK 2020 zufolge Hilfsantrag 2 als Teil des Beschwerdeverfahrens.
2. Zulassung des Dokuments D50
Das Dokument D50 wurde von der Patentinhaberin bereits mit der Einspruchserwiderung eingereicht. Die Kammer erkennt keinen triftigen Rechtsgrund für die von der Einsprechenden beantragte Ausschließung dieses Dokuments vom Beschwerdeverfahren.
3. Regel 80 EPÜ (Hilfsantrag 2)
Die Änderung der Definition der zu behandelnden Erkrankungen durch die Formulierung "Erkrankungen ausgewählt aus Rhinitis acuta, und/oder Influenza" in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist geeignet, den Einspruchsgrund der fehlenden Ausführbarkeit der im erteilten Patent beanspruchten Erfindung bezüglich der Behandlung von Parainfluenza zu entgegnen. Dabei übernimmt diese Änderung die wörtliche Formulierung bezüglich der bevorzugt behandelbaren Erkrankungen gemäß dem erteilten Patent (siehe Absatz [0013].
Die Kammer ist deswegen überzeugt, dass die betreffende Änderung durch einen Einspruchsgrund veranlasst ist und somit Regel 80 EPÜ entspricht. Im Hinblick auf dieses Ergebnis erübrigt sich eine eingehende Beurteilung der beanstandeten Zulassung des Einwands unter Regel 80 EPÜ.
4. Artikel 84 EPÜ (Hilfsantrag 2)
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 bezieht sich ausdrücklich auf die Verwendung von Oxymetazolin oder Xylometazolin zur antiviralen Prophylaxe oder antiviralen Behandlung von Rhinitis acuta und Influenza, wobei diese Wirkstoffe gegen Rhinoviren und Influenza Viren wirksam sind. Daraus geht nach Ansicht der Kammer eindeutig hervor, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 voraussetzt, dass die betreffende Rhinitis acuta und Influenza mit Rhinoviren oder Influenza Viren einhergehen.
Die Kammer ist deswegen der Ansicht, dass der von der Einsprechenden erhobene Klarheitseinwand in Bezug auf den Zusammenhang der Definition der Virustypen mit der Prophylaxe oder Behandlung der anspruchsgemäß definierten viralen Erkrankungen nicht zutrifft.
5. Artikel 123(2) EPÜ (Hilfsantrag 2)
5.1 Die gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definierte antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin bei der Behandlung von Rhinitis acuta und Influenza ist gegen die viralen Erreger gerichtet, die die betreffenden Erkrankungen auslösen. Damit versteht sich, dass die anspruchsgemäß definierte Verwendung von Oxymetazolin und Xylometazolin entsprechend der Ausführungen der ursprünglich eingereichten Beschreibung (siehe Seite 1, 4. Absatz) auf die kausale Prophylaxe oder Behandlung der definierten viralen Erkrankungen gerichtet ist. Die Auslassung der ausdrücklichen Bezeichnung der definierten Prophylaxe oder Behandlung als kausal stellt deswegen nach Ansicht der Kammer keine unzulässige Erweiterung gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung dar.
5.2 Die ursprünglich eingereichte Anmeldung (siehe Seite 2, Zeilen 6-7) beschreibt die Verwendung von Oxymetazolin und Xylometazolin zur Prophylaxe oder Behandlung der viralen Erkrankungen als besonders bevorzugt. Die ursprünglich eingereichte Anmeldung (siehe Seite 4, Zeilen 7-8) erwähnt zudem den Einsatz zur Prophylaxe oder Behandlung der Rhinitis acuta und/oder Influenza als ganz besonders bevorzugt.
Die gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 spezifisch definierte Wirksamkeit gegen Rhinoviren und Influenza Viren ist der Liste von beispielsweise behandelbaren viralen Erkrankungen in der ursprünglichen Anmeldung (siehe Seite 2, Zeilen 9-22) zu entnehmen und steht im Einklang mit der im experimentellen Teil des Patents ausgewiesenen Wirksamkeit gegen Rhinoviren HRV-14 und HRV-2 sowie Influenza A Viren. Der Zusammenhang von Rhinitis acuta und Influenza mit Rhinoviren und Influenza ist für den Fachmann selbstverständlich und geht auch aus der erwähnten Liste von behandelbaren viralen Erkrankungen in der ursprünglichen Anmeldung (siehe Seite 2, Zeile 12 und Zeilen 17-18) hervor.
In Anbetracht der in der ursprünglichen Anmeldung bereits als besonders bevorzugt hervorgehobenen Auswahl der gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definierten Wirkstoffe und viralen Erkrankungen handelt es sich bei der anspruchsgemäß definierten antiviralen Wirksamkeit gegen Rhinoviren und Influenza Viren somit lediglich um eine einfache Einschränkung, die der ursprünglichen Anmeldung unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist.
5.3 Die ursprünglichen Anmeldung (siehe Seite 1, 4. Absatz) beschreibt die Verwendung der Wirkstoffe zur Herstellung eines Arzneimittels zur Prophylaxe oder Behandlung antiviraler Erkrankungen ausdrücklich in Zusammenhang mit dem Befund der antiviralen Wirksamkeit der beschriebenen Wirkstoffe. Nach Ansicht der Kammer ergibt sich demgegenüber aus der gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 definierten Verwendung der Wirkstoffe zum antiviralen Einsatz für den Fachmann keine neue technische Information.
5.4 Hilfsantrag 2 geht deswegen nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und entspricht somit dem Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ.
6. Artikel 123(3) EPÜ (Hilfsantrag 2)
Der erteilten Anspruch 1 definiert die Verwendung zur antiviralen Prophylaxe oder antiviralen Behandlung viraler Erkrankungen ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Rhinitis acuta, Influenza, Parainfluenza, Otitis media und Sinusitis. Diese Definition der Verwendung schließt die gleichzeitige Prophylaxe oder Behandlung einzelner Erkrankungen nicht aus. Die Definition der Erkrankungen gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 stellt deswegen auch in Anbetracht der verwendeten Konjunktion "und/oder" lediglich eine Einschränkung gegenüber dem erteilten Anspruchsgegenstand dar.
Hilfsantrag 2 entspricht somit dem Erfordernis des Artikels 123(3) EPÜ.
7. Artikel 83 EPÜ (Hilfsantrag 2)
7.1 Das Patent präsentiert Ergebnisse von in vitro durchgeführten Versuchen, die eine Wirksamkeit von Oxymetazolin gegen Rhinoviren HRV-14 und HRV-2 sowie Influenza A Viren ausweisen (siehe das Patent, Absätze [0026]-[0036]).
Nach Ansicht der Kammer beschreibt das Patent anhand dieser in vitro Versuchsergebnisse die für den Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 erforderliche Tauglichkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin zur antiviralen Verwendung gegen durch Rhinoviren oder Influenza Viren bedingte Rhinitis acuta und Influenza auf glaubhafte Weise.
In Anbetracht dieser glaubhaften Beschreibung der anspruchsgemäßen Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin sind von der Einsprechenden keine ernsthaften und durch nachprüfbaren Tatsachen erhärteten Zweifel an der hinreichenden Offenbarung der beanspruchten Erfindung vorgebracht worden.
7.2 Die Einsprechende hat die Aussagekraft der in vitro Versuchsergebnisse im Patent für den therapeutischen Behandlungserfolg angezweifelt, jedoch ohne konkret substantiierte Gründe anzuführen, weswegen die gezeigte in vitro Wirksamkeit sich nicht auch bei der anspruchsgemäßen therapeutischen Prophylaxe oder Behandlung verwirklichten lässt.
7.3 Dem Einwand der Einsprechenden, dass die Verallgemeinerung der an Rhinoviren HRV-14 und HRV-2 sowie Influenza A Viren ausgewiesenen antiviralen Wirksamkeit auf die Gruppen der Rhinoviren und Influenza Viren wissenschaftlich nicht vertretbar sei, fehlt ebenfalls eine konkret substantiierte Begründung. Die Einsprechende hat in diesem Zusammenhang zwar auf die Unwirksamkeit von für die Behandlung von Infektionen mit Corona Viren bekannter Therapien gegen SARS-CoV-2 und Covid-19-Erkrankungen hingewiesen. Dabei hat die Einsprechende jedoch nicht weiter spezifiziert auf welche bekannten Therapien sich dieser Hinweis bezieht. Nach Ansicht der Kammer ist nicht ersichtlich, dass eine Unwirksamkeit nicht weiter spezifizierter bekannter Therapien gegen SARS-CoV-2 und Covid-19-Erkrankungen ernsthafte Zweifel an der im Patent anhand der Aktivität von Oxymetazolin gegen Rhinoviren HRV-14 und HRV-2 sowie Influenza A Viren ausgewiesenen Wirksamkeit der anspruchsgemäß definierten Wirkstoffe gegen Rhinoviren und Influenza Viren begründet. Eine eingehende Beurteilung der beanstandeten Zulassung dieses Arguments erübrigt sich damit.
7.4 Das Argument der Einsprechenden, dass die Tauglichkeit von Xylometazolin zur beanspruchten Verwendung nicht glaubhaft aus der antiviralen Wirksamkeit von Oxymetazolin hervorgeht, weil diese Wirkstoffe sich strukturell wesentlich unterscheiden, und zudem Dokument D10 ernsthafte Zweifel an der beanspruchten Wirksamkeit von Xylometazolin aufkommen lässt, hält die Kammer ebenfalls für nicht überzeugend.
Wie im Patent (siehe Absätze [0001]-[0002]) beschrieben wird, gehören die Wirkstoffe Xylometazolin und Oxymetazolin bekanntlich zur Gruppe der alpha-Sympathomimetika mit 2-Imidazolinstruktur, die bei lokalem Einsatz gegen zum Beispiel Rhinitis acuta zu einer Verringerung der Schleimsekretion und Abschwellung der Nasenschleimhaut beitragen. Dabei stimmt die Struktur von Xylometazolin abgesehen vom Fehlen einer phenolischen OH-Gruppe mit der Struktur von Oxymetazolin überein. Es handelt sich bei Xylometazolin und Oxymetazolin somit um funktionell und strukturell verwandte Wirkstoffe. Seitens der Einsprechenden sind keine konkret substantiierten Gründe vorgebracht worden, weswegen der Fachmann zum Zeitpunkt der ursprünglichen Anmeldung wegen der fehlenden phenolischen OH-Gruppe in Xylometazolin ernsthaft an der im Patent anhand der Aktivität von Oxymetazolin gegen Rhinoviren HRV-14 und HRV-2 sowie Influenza A Viren ausgewiesenen anspruchgsgemäß definierten antiviralen Wirksamkeit der beiden Wirkstoffe zweifeln sollte.
Der nachveröffentlichte Wikipedia-Auszug des Dokuments D10 (siehe unter "Rhinitis acuta") sagt zwar aus, dass Nasensprays mit dem Wirkstoff Xylometazolin gegen Rhinitis aucta lediglich symptomatisch wirken, während Sprays mit dem Wirkstoff Oxymetazolin eine direkte antivirale Wirkung durch Verhinderung der Expression eines Rezeptors für das humane Rhinovirus (ICAM-1) aufweisen. Aus Dokument D50 geht jedoch eindeutig hervor, dass Xylometazolin ähnlich wich Oxymetazolin eine antivirale Wirksamkeit gegen Rhinoviren aufweist. Die nicht durch weitere Angaben gestützte Aussage in Dokument D10 bezüglich der lediglich symptomatischen Wirksamkeit von Xylometazolin erweist sich somit als unzutreffend und begründet deswegen keine ernsthaften Zweifel an der hinreichenden Offenbarung im Patent der gemäß Hilfsantrag 2 beanspruchten Erfindung. In diesem Zusammenhang wird nicht auf Dokument D50 Bezug genommen, um die Offenbarung der beanspruchten Erfindung im Patent zu ergänzen, sondern nur um der unzutreffenden Information aus Dokument D10 zu entgegnen.
7.5 Das Patent beschreibt in den Absätzen [0009]-[0024] ausführlich, wie der Fachmann die betreffenden Wirkstoffe für den definierten Zweck systemisch oder topisch verabreichen kann, und deutet in den Beispielen (siehe Absätze [0027]- [0035]) effektive Wirkstoffkonzentrationen an. Im Hinblick auf diese Anweisungen ist nicht ersichtlich, dass die Bereitstellung geeigneter Darreichungsformen und die Bestimmung effektiver Dosierungen dem Fachmann unzumutbare Aufgaben bei der Verwirklichung der beanspruchten Erfindung lassen.
7.6 Das Patent erläutert in Absatz [0009] zudem, dass bei der definierten antiviralen Prophylaxe die Erkrankung erregenden Viren sofort nach Befall bekämpft werden und somit die Erkrankung gar nicht auftritt. Im Hinblick auf die beispielgemäß gezeigte antivirale Wirksamkeit gegen Rhinoviren und Influenza Viren beschreibt das Patent nach Ansicht der Kammer damit auch hinreichend, wie die anspruchsgemäß definierte Prophylaxe zu realisieren ist.
7.7 Die Kammer ist deswegen überzeugt, dass Hilfsantrag 2 dem Erfordernis des Artikels 83 EPÜ entspricht.
8. Priorität (Hilfsantrag 2)
Die Feststellung in der angefochtenen Entscheidung, dass die dem Streitpatent zugrunde liegende ursprünglich eingereichte Anmeldung, abgesehen von einigen hinzugefügten experimentellen Ergebnissen, wortidentisch mit dem Prioritätsdokument DE 102004049008.2 ist, wurde im Beschwerdeverfahren nicht bestritten.
In Anbetracht dieser Übereinstimmung der ursprünglichen Anmeldung mit dem Prioritätsdokument geht nach Ansicht der Kammer die wirksame Inanspruchnahme der Priorität aus den gleichen Überlegungen hervor, die im obigen Abschnitt 5 in Bezug auf das Erfordernis des Artikels 123(2) EPÜ angeführt worden sind.
Dokument D6, das nach der beanspruchten Priorität veröffentlicht wurde, gilt somit nicht als Stand der Technik.
9. Neuheit (Hilfsantrag 2)
9.1 Die Einsprechende verneinte dem Anspruchsgegenstand des Hilfsantrag 2 die Neuheit aufgrund der Dokumente D3, D5, D8, D9, D19, D20, D25, D29, D31, D37, D39, D41, D44, D45 und D48. Die Einsprechende bestritt nicht, dass die anspruchsgemäß definierte antivirale Wirkung von Oxymetazolin und Xylometazolin in diesem Stand der Technik nicht vorbeschrieben wurde, sondern argumentierte, dass laut diesem Stand der Technik die definierten Wirkstoffe bereits vor dem Prioritätszeitpunkt für die identische Behandlung der gleichen Erkältungserkrankungen eingesetzt wurden. Der Einsprechenden zufolge beinhaltete die anspruchsgemäß definierte antivirale Verwendung keine Abgrenzung zum Stand der Technik, weil diese Verwendung weder mit einer neuen Patientengruppe noch mit einer neuen klinischen Situation verbunden war und in der Praxis auch keinen Anlass für eine geänderte Behandlung der Patienten gab.
9.2 Der gefestigten Rechtsprechung der Beschwerdekammern zufolge ist die Neuheit einer therapeutischen Anwendung eines Wirkstoffes oder Wirkstoffgemisches, die auf einen noch nicht bekannten technischen Effekt gerichtet ist, anzuerkennen, wenn dieser technische Effekt mit einer neuen klinischen Situation einhergeht (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, 2022, I.C.7.2.4 unter c; siehe insbesondere T 836/01 (Gründe 8-10) und T 1955/09 (Gründe 10-11)).
Bei der definierten antiviralen Wirkung gegen Rhinoviren und Influenza Viren handelt es sich unbestrittenermaßen um eine nicht bekannte Wirkung von Oxymetazolin und Xylometazolin. Dabei geht nach Ansicht der Kammer diese antivirale Wirkung mit einer neuen klinischen Situation bei der Behandlung von Rhinitis acuta und Influenza mit Oxymetazolin und Xylometazolin einher, nämlich mit der Situation, in der es angebracht ist die Behandlung oder Prophylaxe der definierten Erkrankungen mit Oxymetazolin und Xylometazolin auf die krankheitsverursachende virale Infektion zu richten. Damit bildet die anspruchsgemäß definierte antivirale Wirkung von Oxymetazolin und Xylometazolin den Anlass für einen neuen praktischen Behandlungsansatz, in dem zum Beispiel die in Dokument D37 beschriebene Kombination von Oxymetazolin oder Xylometazolin mit vorherig bekannten antiviralen Wirkstoffen (siehe D37, Ansprüche 1 und 7) angepasst werden kann oder sogar hinfällig wird.
Die Sachlage im vorliegendem Fall unterscheidet sich somit von der Situation in der Entscheidung T 233/96 (siehe Gründe 8.7), in der es sich um die Frage der weiteren Abgrenzung zum Stand der Technik durch eine anspruchsgemäß ausdrücklich definierte Patientengruppe handelte, und von den in T 254/93 (siehe Gründe 4.2-4.8) und T 779/18 (siehe Gründe 4.3-c) entschiedenen Fällen, in denen die anspruchsgemäß definierten Effekte keine wirklich neue therapeutische Verwendung beinhalteten und keinen Anlass für eine geänderte Behandlung darstellten.
9.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 entspricht deswegen dem Erfordernis der Neuheit.
10. Erfinderische Tätigkeit(Hilfsantrag 2)
10.1 Nächstliegender Stand der Technik
10.1.1 Die Einsprechende bezog sich in ihrer Argumentation zur erfinderischen Tätigkeit auf den Inhalt der in Bezug auf die Neuheit zitierten Dokumente, insbesondere auf den in den Dokumenten D8 und D37 beschriebenen Einsatz von Oxymetazolin oder Xylometazolin mit weiteren Wirkstoffen.
Dem Dokument D8 zufolge führt der Einsatz von Oxymetazolin oder Xylometazolin enthaltenden Nasentherapeutika bekanntlich zu einem Abschwellen der Nasenschleimhäute bei durch Virusinfektionen des Nasen-Rachen-Raums bedingtem Schnupfen (siehe D8, Spalte 1, Zeilen 5-26). Die heilende Wirkung dieser üblichen Nasentherapeutika lässt sich gemäß Dokument D8 durch den kombinierten Einsatz mit pflanzlichen Wirkstoffen aus Echinacea-arten, vorzugsweise in einem Gemisch, deutlich beschleunigen (siehe D8, Spalte 1, Zeile 68 bis Spalte 2 Zeile 8 und Spalte 2, Zeilen 19-25 und 49-54). Diese pflanzlichen Wirkstoffe eignen sich laut Dokument D8 auch für eine vorbeugende Behandlung bei einer beginnenden Infektion (siehe D8, Spalte 2, Zeilen 26-32).
Dokument D37 beschreibt die Behandlung von Schnupfen und ähnlichen Erkrankungen, wie Influenza, mit gegen Rhinoviren oder Influenza Viren antiviral wirksamen Mitteln in Kombination mit entzündungshemmenden Wirkstoffen, wobei zusätzlich alpha-Sympathomimetika, wie beispielsweise Oxymetazolin und Xylometazolin, eingesetzt werden können (siehe D37, Ansprüche 1 und 7 sowie Seite 24, Zeile 29 bis Seite 25, Zeile 1).
Wie im obigen Abschnitt 9 erklärt, betrifft der Unterschied des Anspruchsgegenstands des Hilfsantrags 2 gegenüber den in Bezug auf die Neuheit zitierten Dokumenten, einschließlich die Dokumente D8 und D37, die anspruchsgemäß definierte gezielte antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin gegen Rhinoviren und Influenza Viren bei der Behandlung von Rhinitis acuta und Influenza.
10.1.2 Das ebenfalls von der Einsprechenden als Ausgangspunkt im Stand der Technik herangezogene Dokument D1 beschreibt die Hemmung der Reaktivierung von HSV durch alpha-Sympathomimetika, wie beispielsweise Oxymetazolin (siehe D1, Seite 7, Zeilen 16-25). Es handelt sich in Dokument D1 im Vergleich zum Anspruchsgegenstand des Hilfsantrags 2 um eine Wirksamkeit bezüglich gänzlich unterschiedlicher Erreger und Erkrankungen. Dokument D1 stellt nach Ansicht der Kammer für den Fachmann deswegen einen eindeutig weniger relevanten Ausgangspunkt im Stand der Technik dar und kommt somit nicht als nächstliegender Stand der Technik im Frage.
10.2 Formulierung der objektiven technischen Aufgabe
10.2.1 Die anspruchsgemäß definierte antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin gegen Rhinoviren und Influenza Viren stellt ein funktionelles Merkmal des Anspruchsgegenstandes dar, welches aus den im obigen Abschnitt 7 erklärten Gründen im Patent hinreichend offenbart worden ist. Der Einwand der Einsprechenden, dass die antivirale Wirksamkeit nicht für den gesamten Anspruchsbereich ausgewiesen worden ist und deswegen nicht für die Begründung einer erfinderischen Tätigkeit im Frage kommt, trifft somit nicht zu.
10.2.2 Wie von der Einsprechenden vorgebracht, schließt die anspruchsgemäß definierte antivirale Verwendung von Oxymetazolin und Xylometazolin die Verwendung dieser Wirkstoffe in Kombination mit weiteren Heilmitteln, einschließlich weiterer antiviraler Wirkstoffe, nicht aus. Es gibt jedoch keinen Grund bei einem kombinierten Einsatz mit weiteren antiviralen Wirkstoffen den technischen Effekt der anspruchsgemäß definierten gezielten antiviralen Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin in Abrede zu stellen.
Entgegen der Argumentation der Einsprechenden stellt die anspruchsgemäß definierte gezielte antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin gegen Rhinoviren und Influenza Viren deswegen auch den effektiven technischen Beitrag des Anspruchsgegenstandes gegenüber der Verwendung von Oxymetazolin und Xylometazolin gemäß den Dokumenten D8 und D37 dar, in denen zwar die Kombination mit weiteren Heilmitteln, einschließlich antiviraler Wirkstoffe, beschrieben wurde, nicht jedoch die anspruchsgemäß definierte gezielte antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin.
10.2.3 Der Einsprechenden zufolge handelt es sich bei der anspruchsgemäß definierten antiviralen Wirksamkeit allenfalls um einen Bonuseffekt, der für die Bestimmung der objektiven technischen Aufgabe nicht in Betracht zu ziehen ist.
Laut der Rechtsprechung der Beschwerdekammern sind technische Effekte, die mit den Unterscheidungsmerkmalen einer beanspruchten Erfindung verbunden sind, ausnahmsweise nicht bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe zu berücksichtigen, wenn der Fachmann immerhin zwangsläufig zum beanspruchten Gegenstand gelangen musste, weil Alternativen zur Lösung eines realistischen technischen Problems fehlten und sich der Fachmann somit in einer sogenannten ,,Einbahnstraßensituation" befand (siehe T 192/82, ABl. EPA 1984, 415; siehe auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 10. Auflage 2022, I.D.10.8).
Angesichts der in den Dokumenten D8 und D37 beschriebenen Verfügbarkeit alternativer Behandlungsansätze erkennt die Kammer im Einklang mit dieser Rechtsprechung keinen Grund, die anspruchsgemäß definierte antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin als bloßen Bonuseffekt abzutun.
10.2.4 Im Hinblick auf die anspruchsgemäß definierte antivirale Wirksamkeit, die sowohl den Unterschied zum Stand der Technik darstellt als auch dessen Effekt ausmacht, stimmt die Kammer der Pateninhaberin zu, dass die objektive technische Aufgabe darin zu sehen ist, einen neuen Ansatz bei der Behandlung der definierten Erkrankungen bereitzustellen.
10.3 Beurteilung der Lösung
Nach Ansicht der Kammer geht für den Fachmann aus keinem Stand der Technik eine erfolgsversprechende Erwartung auf die anspruchsgemäß definierte spezifische antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin bei der Behandlung von Rhinitis acuta und Influenza hervor.
Das Dokument D37 erwähnt zwar die Verwendung von Oxymetazolin und Xylometazolin in Zusammenhang mit der Behandlung von Erkältungserkrankungen, die durch Rhinoviren oder Influenza Viren verursacht werden. Wie im obigen Abschnitt 10.1.1 angemerkt, werden dabei jedoch die Wirkstoffe Oxymetazolin und Xylometazolin in Dokument 37 ausdrücklich nur als alpha-Sympathomimetika bezeichnet, die als Zusatz zur Behandlung mit antiviralen und entzündungshemmenden Wirkstoffen eingesetzt werden können (siehe D37, Ansprüche 1 und 7 sowie Seite 24, Zeile 29 bis Seite 25, Zeile 1). Entgegen dem Vorbringen der Einsprechenden lässt sich nach Ansicht der Kammer für den Fachmann daraus gerade nicht auf naheliegende Weise schließen, dass Oxymetazolin und Xylometazolin auch eine antivirale Wirksamkeit aufweisen.
Wie im obigen Abschnitt 10.1.1 ebenfalls angemerkt, beschreibt Dokument D8 Oxymetazolin und Xylometazolin nur zum Abschwellen der Nasenschleimhäute bei viral verursachtem Schnupfen und erwähnt dazu lediglich den kombinierten Einsatz von Oxymetazolin und Xylometazolin mit pflanzlichen Wirkstoffen aus Echinacea-arten, die auch für eine vorbeugende Behandlung bei einer beginnenden Infektion geeignet sind. Damit fehlt auch in Dokument D8 jeglicher Hinweis auf die anspruchsgemäß definierte antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin.
Das von der Einsprechenden ansonsten herangezogene Dokument D1 bezieht sich, wie im obigen Abschnitt 10.1.2 angemerkt, auf eine Wirksamkeit gegen gänzlich unterschiedliche Erreger und Erkrankungen. Eine erfolgsversprechenden Erwartung auf die anspruchsgemäß definierte spezifische antivirale Wirksamkeit von Oxymetazolin und Xylometazolin bei der Behandlung von Rhinitis acuta und Influenza geht somit auch nicht aus Dokument D1 hervor.
In diesem Zusammenhang hält die Kammer das Argument der Einsprechenden, dass das Aufdecken der anspruchsgemäß definierten antiviralen Wirksamkeit innerhalb der routinemäßigen Fertigkeiten des Fachmanns liegt, für nicht überzeugend, weil für dieses Argument die Anhaltspunkte im Stand der Technik fehlen und das Argument sich somit unzulässigerweise auf den Erkenntnisse im Patent zu stützen scheint.
11. Antrag auf Vorlage an die Großen Beschwerdekammer
11.1 Die Einsprechende beantragte, falls die Kammer beabsichtige das Dokument D50 in einer Begründung hinsichtlich der Einhaltung der Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ einzubeziehen, der Großen Beschwerdekammer die folgende Frage vorzulegen:
"Ist es zulässig, bei einer durch einen zweckgerichteten Stoffanspruch im Sinne von Artikel 54(4) oder (5) EPÜ geschützten Erfindung, bei welcher das Verwendungsmerkmal gerade die Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik begründet (hier: antivirale Wirksamkeit von Xylometazolin gegenüber Rhinoviren und Influenzaviren bei der antiviralen Prophylaxe und/oder Behandlung von Rhinitis acuta und/oder Influenza), nachträglich, d.h. erst nach dem Anmelde- bzw. Prioritätstag öffentlich zugänglich gewordene Versuchsdaten heranzuziehen, um die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ zu begründen?"
11.2 Artikel 83 EPÜ verlangt, dass die Anmeldung die Erfindung so klar und vollständig offenbart, dass sie von einem Fachmann ausgeführt werden kann. Wenn ein Patent einen neuen therapeutischen Nutzen von Stoffen oder Stoffgemischen in einem Anspruch im Format des Artikels 54(5) EPÜ definiert, ist es nach der ständigen Rechtsprechung für die Einhaltung von Artikel 83 EPÜ erforderlich, dass das Patent zum Zeitpunkt seiner Einreichung glaubhaft macht, dass die beanspruchten Stoffe oder Stoffgemische tatsächlich für die definierte therapeutische Verwendung geeignet sind (siehe G 2/21, Gründe 74). Eine mangelhafte Offenbarung kann dabei nicht durch nachveröffentlichte Beweise behoben werden.
Im obigen Abschnitt 7 begründet die Kammer im Einklang mit dieser Rechtsprechung, dass aus dem Patent zum Zeitpunkt seiner Einreichung die Tauglichkeit der anspruchsgemäß definierten Stoffe Oxymetazolin und Xylometazolin für die definierte therapeutische Verwendung glaubhaft hervorgeht und dass seitens der Einsprechenden keine ernsthaften und durch nachprüfbaren Tatsachen erhärteten Zweifel an der hinreichenden Offenbarung der beanspruchten Erfindung vorgebracht worden sind.
In diesem Zusammenhang bezieht sich die Begründing in Abschnitt 7.4 ausdrücklich nicht auf das nachträglich eingereichte Dokument D50, um eine mangelhafte Offenbarung der beanspruchten Erfindung im Patent zu ergänzen, sondern nur um unzutreffenden Informationen aus Dokument D10 zu entgegnen.
Die Kammer hält es deswegen hinsichtlich Artikel 112(1) EPÜ nicht für erforderlich, der Großen Beschwerdekammer die von der Einsprechen formulierte Frage vorzulegen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.
3. Die Angelegenheit wird an die Einspruchabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geändertem Umfang auf der Basis des Hilfsantrags 2, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, und einer eventuell noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.