T 0648/19 () of 19.5.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T064819.20200519
Datum der Entscheidung: 19 Mai 2020
Aktenzeichen: T 0648/19
Anmeldenummer: 13714533.0
IPC-Klasse: F21S45/60
F21S45/49
F21S45/10
F21S41/19
F21S41/147
F21S41/16
F21S41/14
F21S45/43
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: FAHRZEUGSCHEINWERFER MIT LASERLICHTQUELLE
Name des Anmelders: ZKW Group GmbH
Name des Einsprechenden: Valeo Vision
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a) (2007)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 1838/17

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Streitpatent in der Fassung des Hilfsantrags IV die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde eingelegt.

II. Insbesondere hatte die Einspruchsabteilung entschieden, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge I-III gegenüber E1 nicht neu sei.

III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Hilfsanträge I-III.

Die Einsprechende hat während des Einspruchsverfahrens, am 23. April 2018, ihren Einspruch zurückgezogen. Sie hörte damit auf, Partei des Einspruchsverfahrens zu sein und ist daher auch keine Verfahrensbeteiligte des Beschwerdeverfahrens gemäß Artikel 107 EPÜ.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, sollte dem Hauptantrag nicht auf schriftlichem Wege stattgegeben werden können. Da die Kammer beschloss, das erteilte Patent entsprechend dem Hauptantrag aufrechtzuerhalten, war die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich und die Kammer entschied im schriftlichen Verfahren.

V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

A. einen Fahrzeugscheinwerfer (1) mit

B. zumindest einer Laserlichtquelle (2),

C. zumindest einem zur Ausstrahlung von sichtbarem Licht anregbaren Leuchtelement (3), das durch die Laserlichtquelle (2) bestrahlbar ist,

D. und zumindest einem Abbildungsoptikelement,

E. wobei die Laserlichtquelle (2) in Hauptabstrahlrichtung (100) des Fahrzeugscheinwerfers (1) gesehen vor dem Leuchtelement (3) angeordnet ist, so dass das Licht der Laserlichtquelle (2) entgegen der Hauptabstrahlrichtung (100) des Fahrzeugscheinwerfers (1) ausgestrahlt wird,

dadurch gekennzeichnet, dass

F. das zumindest eine Abbildungsoptikelement als Reflektor (4) ausgebildet ist, wobei das Leuchtelement (3) in einem Brennpunkt des Reflektors (4) angeordnet ist,

G. und wobei zwischen der Laserlichtquelle (2) und dem Leuchtelement (3) zumindest ein Lichtleitelement (9) angeordnet ist.

VI. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

- E1: EP 2 461 092 A2

- E2: EP 2 461 090 A2

- E3: JP 2004-241142

- E3a: Englische Übersetzung des Dokuments E3 (eingereicht durch die Einspruchsabteilung mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung)

- Annex A: Lexikon der Optik A bis L, Spektrum Akademischer Verlag, Seite 418

- Annex B: Zwischenentscheidung im Einspruchsverfahren vom 13. November 2018 über das Patent EP2875283

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Neuheit - Artikel 100(a) und 54 EPÜ

1.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber E1, E2 und E3.

1.2 Die am 06.06.2012 veröffentlichte europäische Anmeldung E1 beansprucht die Priorität vom 01.12.2010. Ihr Inhalt in der ursprünglich eingereichten Fassung gilt daher gemäß Artikel 54(3) EPÜ als Stand der Technik, der bei der Prüfung auf Neuheit zu berücksichtigen ist. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber E1, insbesondere gegenüber der zweiten Ausführungsform des Dokuments E1, Abbildungen 6-9, Absätze [0041]-[0045], die die Einspruchsabteilung als neuheitsschädlich angesehen hat.

1.2.1 Die Beschwerdeführerin führt aus, dass E1 (Abbildungen 6-9) folgende Merkmale nicht offenbart:

a - eine Anordnung der Laserlichtquelle in Hauptabstrahlrichtung (100) des Fahrzeugsscheinwerfers gesehen vor dem Leuchtelement (3), sodass das Licht der Laserlichtquelle (2) entgegen der Hauptabstrahlrichtung (100) des Fahrzeugscheinwerfers (1) ausgestrahlt wird (Merkmal E),

b - ein Abbildungsoptikelement als Reflektor (4) (Merkmal F), und

c - ein Lichtleitelement (9) zwischen der Laserlichtquelle (2) und dem Leuchtelement (3) (Merkmal G).

1.2.2 Die Einspruchsabteilung hat die Offenbarung der Merkmale F und G in Dokument E1 korrekt bewertet.

Die Begriffe "Abbildungsoptikelement" und "Lichtleitelement" sind in Anspruch 1 nicht näher definiert, sodass der Reflektor 23 und die Sammellinse 27 in der zweiten Ausführungsform des Dokuments E1 jeweils unter den Begriff "Abbildungsoptikelement" und den Begriff "Lichtleitelement" fallen.

Die Beschwerdeführerin stützt sich insbesondere auf die Definition des Begriffs "Lichtleiter" aus dem "Lexikon der Optik" (Annex A) und aus Wikipedia und auf die Auslegung des Begriffs "Lichtführung" in Anspruch 1 des Patents EP 2875283 durch die Einspruchsabteilung in einem anderen Fall (Annex B), um den Begriff "Lichtleitelement" von Anspruch 1 auszulegen.

Der Begriff "Lichtleitelement" unterscheidet sich aber von den Begriffen "Lichtleiter" und "Lichtführung". Eine Definition des Begriffs "Lichtleitelement" wurde nicht eingereicht. Dieser Begriff scheint keine festgelegte Definition zu haben und ist daher breit auszulegen.

1.2.3 Allerdings offenbart das Dokument E1 nicht das Merkmal E. Das Dokument E1 offenbart in der zweiten Ausführungsform gemäß Abbildungen 6 bis 9 einen Fahrzeugscheinwerfer, bei welchem eine Laserdiode 11 unterhalb eines Phosphors 2 angeordnet ist. In dieser Ausführungsform verläuft die Strahlrichtung der Laserlichtquelle in einem 90° Winkel zur optischen Achse. Merkmal E legt allerdings fest, dass die Laserlichtquelle in Hauptrichtung des Fahrscheinwerfers gesehen vor dem Leuchtelement angeordnet ist und dass das Licht der Laserlichtquelle (2) entgegen der Hauptabstrahlrichtung (100) des Fahrzeugscheinwerfers (1) ausgestrahlt wird. Das bedeutet, dass einen Winkel von 90° zwischen der Strahlrichtung der Laserlichtquelle und der optischen Achse ausgeschlossen ist. Die zweite Ausführungsform gemäß Abbildungen 6 bis 9 des Dokuments E1 offenbart daher nicht Merkmal E.

1.2.4 Die Einspruchsabteilung war der Ansicht, dass das Merkmal E im Lichte des abhängigen Anspruchs 2 breit ausgelegt werden müsse. Anspruch 2 lautet, dass "die Strahlrichtung (200) der Laserlichtquelle (2) in einem Winkel (300) zwischen 0° und 90° zur optischen Achse (400) des Fahrzeugscheinwerfers (1)" verläuft. Gemäß der Einspruchsabteilung bedeutet dies, dass ein Winkel von 90° durch Anspruch 1 abgedeckt sei und dass daher die Ausführungsform des Dokuments E1, bei der die Laserlichtquelle direkt unter dem Leuchtelement angeordnet ist, unter den Wortlaut von Anspruch 1 falle.

1.2.5 Der Ausdruck "zwischen 0° und 90°" in Anspruch 2 lässt offen, ob die Endpunkte 0° und 90° beansprucht sind oder nicht. Der Wortlaut des Anspruchs 1, insbesondere Merkmal E: "wobei die Laserlichtquelle (2) in Hauptabstrahlrichtung (100) des Fahrzeugscheinwerfers (1) gesehen vor dem Leuchtelement (3) angeordnet ist, so dass das Licht der Laserlichtquelle (2) entgegen der Hauptabstrahlrichtung (100) des Fahrzeugscheinwerfers (1) ausgestrahlt wird" schließt aber den 90°-Winkel eindeutig aus. Im Hinblick auf Anspruch 1 würde der Fachmann den Ausdruck im abhängigen Anspruch 2 "zwischen 0° und 90°" so interpretieren, dass er den Endpunkt 90° nicht enthält. Die Auslegung des Merkmals E in Anspruch 1 durch die Einspruchsabteilung im Hinblick auf Anspruch 2 ist daher nicht korrekt.

1.3 Aus den gleichen obengenannten Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der dritten Ausführungsform, gemäß Abbildungen 5-7, des Dokuments E2 (Artikel 54(3) EPÜ Dokument).

1.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu gegenüber E3.

1.4.1 Die Ausführungsform gemäß Abbildung 6 des Dokuments E3 offenbart nicht Merkmal F, wonach "das zumindest eine Abbildungsoptikelement als Reflektor (4) ausgebildet ist, wobei das Leuchtelement (3) in einem Brennpunkt des Reflektors (4) angeordnet ist". In dieser Ausführungsform trifft die Strahlung der Laserlichtquelle 102 vielmehr auf das Leuchtelement 204, das auf der Oberfläche des Trägers 110 angeordnet ist. Der das Leuchtelement 204 tragende Abschnitt ist eben ausgebildet und weist keinen Brennpunkt auf.

1.4.2 Allerdings scheint Merkmal G: "wobei zwischen der Laserlichtquelle (2) und dem Leuchtelement (3) zumindest ein Lichtleitelement (9) angeordnet ist" offenbart zu sein.

Die durch die Einspruchsabteilung mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereichte englische Übersetzung des japanischen Dokuments E3 (Dokument E3a) offenbart in Absatz [0044]: "In this example, it has the function that the sealing|blocking member 108 is the same as that of the condensing lens 208 demonstrated using FIG. 1, or same, The light which the semiconductor light-emitting element 102 generate|occur|produces is deflected toward a fluorescent object 204".

Gemäß dieser Offenbarung hat das Dichtungselement 108 die gleiche oder eine ähnliche Funktion wie die Sammellinse 208, die unter Bezugnahme auf Abbildung 1 beschrieben ist. Das Dichtungselement 108 kann somit als das Lichtleitelement betrachtet werden.

2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit - Artikel 100(a) und 56 EPÜ

2.1 Ausgehend von Dokument E3 beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.2 Die Einsprechende hatte die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 aufgrund folgender Kombinationen bestritten:

- E3 mit dem allgemeinen Fachwissen

- E3 mit E4

- E3 mit E5

- E3 mit E6

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von Dokument E3, indem das Leuchtelement in einem Brennpunkt des Reflektors angeordnet ist.

Durch die Anordnung des Leuchtelements in einem Brennpunkt des Reflektors lässt sich eine optimale Ausnutzung des vom Leuchtelement emittierten Lichts sicherstellen bzw. eine hohe Leuchtdichte erzielen (Patent, Absatz [0011]).

Die objektive technische Aufgabe kann daher als die Verbesserung der Lichtverteilung des Fahrzeugscheinwerfers angesehen werden.

Ausgehend von E3 reicht es nicht aus, das Leuchtelement einfach in den Brennpunkt eines Reflektors zu stellen, sondern es ist auch erforderlich, den Reflektor 110 von E3 so zu modifizieren, dass er nicht mehr eben ist, sondern parabolisch, was für den Fachmann nicht nahegelegt ist.

Das Dokument E4 (Abbildung 4) offenbart einen Autoscheinwerfer, der ein Lichtelement 114 umfasst, das auf einer Ebene 204 in einem Brennpunkt eines zusätzlichen Reflektors 208 angeordnet ist. Wenn der Fachmann den in dem Dokument E4 offenbarten Reflektor 208 in dem Scheinwerfer des Dokuments E3 hinzufügt, wird der Lichtstrahl zur Innenseite des Fahrzeugs gerichtet. Der Fachmann würde daher nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.

Dieses Argument gilt auch für die Kombination von Dokument E3 mit Dokument E5 und mit Dokument E6.

Der Fachmann würde nicht ohne eine Ex-post-Facto-Analyse zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Darüber hinaus sind die notwendigen Änderungen am Fahrzeugscheinwerfer des Dokuments E3 im Hinblick auf die Lehre der Dokumenten E4-E6 umfangreich. Insbesondere ist eine Änderung der das Leuchtelement tragende Struktur 110 notwendig.

3. Zusammenfassend steht keiner der Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ Neuheit und erfinderische Tätigkeit der Aufrechterhaltung des erteilten Patents entgegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.

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