T 0225/19 () of 17.10.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T022519.20221017
Datum der Entscheidung: 17 October 2022
Aktenzeichen: T 0225/19
Anmeldenummer: 11779556.7
IPC-Klasse: B29C 67/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished | Unpublished v2
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Vorrichtung zum Herstellen eines Dreidimensionalen Bauteils
Name des Anmelders: CL Schutzrechtsverwaltungs GmbH
Katholieke Universiteit Leuven
Name des Einsprechenden: 3D Systems, Inc.
SLM Solutions Group AG
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag XI (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale
Reformatio in peius - Hilfsanträge VIII, IX und X nicht zulässig
Spät eingereichter Antrag - wäre bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0009/92
G 0001/99
T 0641/00
T 1143/06
T 1741/08
T 1802/13
T 0336/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
J 0013/19
T 0084/19
T 1474/19

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechenden 2 und 3 legten Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, wonach das europäische Patent Nr. 2 598 313 in der geänderten Fassung gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrag VII die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.

II. Auch die Patentinhaberinnen legten Beschwerde ein. In der Zwischenentscheidung T 225/19 vom 16. Oktober 2020 entschied die Kammer allerdings, dass die Beschwerde der Patentinhaberinnen als nicht eingelegt gilt. Damit sind die Patentinhaberinnen Verfahrensbeteiligte kraft Gesetzes gemäß Artikel 107 Satz 2 EPÜ und Beschwerde­gegnerinnen in diesem Beschwerdeverfahren.

III. Im Einspruchsverfahren waren die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikel 54 EPÜ (fehlende Neuheit), i.V.m. Artikel 56 EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und i.V.m. Artikel 52 (2) d) (Wiedergabe von Informationen), sowie nach Artikel 100 b) EPÜ geltend gemacht worden.

IV. Die Einsprüche der Einsprechenden 1 und 4 waren bereits im Einspruchsverfahren zurückgenommen worden. Sie sind deshalb nicht am Beschwerdeverfahren beteiligt.

V. Die vorliegende Entscheidung stützt sich auf folgendes, im Verfahren vor der Einspruchsabteilung eingereichte Dokument:

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E1.3|"Feedback control of Selective Laser Melting", J.-P. Kruth et al, Seiten 521 bis 527, aus: "Virtual and rapid manufacturing - Bártolo et al. (eds)", Taylor & Francis Group, London, 2008.|

VI. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 17. Oktober 2022 als Videokonferenz statt.

VII. Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechenden 2 und 3) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerinnen (Patentinhaberinnen) beantragten die Zurückweisung der Beschwerden (Hauptantrag). Hilfsweise beantragten sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechter-

haltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche eines der im Einspruchs-verfahren eingereichten Hilfsanträge VIII, IX und X oder hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags XI.

VIII. Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrags VII (entsprechend dem vorliegenden Hauptantrag) lautet wie folgt (die von der Kammer verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern eingefügt):

"1. [1.1] Verfahren zum Herstellen eines dreidimensionalen Bauteils (1) durch ein Laserschmelzverfahren, [1.2] bei welchem das Bauteil (1) durch aufeinanderfolgendes Verfestigen einzelner Schichten aus durch Einwirkung einer Strahlung (3) verfestigbarem Baumaterial (4) durch Aufschmelzen des Baumaterials (4) erfolgt, [1.3] wobei der durch einen punkt- und/oder linienförmigen Energieeintrag erzeugte Schmelzbereich (5) durch eine Sensorvorrichtung (6, 11, 12, 18) erfasst wird und daraus Sensorwerte zur Evaluierung einer Bauteilqualität hergleitet [sic] werden, [1.4] wobei die zur Evaluierung der Bauteilqualität erfassten Sensorwerte zusammen mit den die Sensor-Werte im Bauteil (1) lokalisierenden Koordinatenwerten abgespeichert und [1.5] mittels einer Visualisierungseinrichtung (29) in zwei- und/oder mehrdimensionalen [sic] Darstellung bezogen auf ihren Erfassungsort im Bauteil (1) dargestellt werden, [1.6] wobei eine Koordinatenzuordnung der Sensorwerte über Scannerdaten erfolgt."

IX. Anspruch 1 des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags XI unterscheidet sich von Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrags VII durch die folgende Änderung in Merkmal 1.6:

"wobei eine Koordinatenzuordnung der Sensorwerte über Steuerdaten eines Scanners[deleted: daten] erfolgt".

X. Die Beschwerdeführerinnen haben im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

Hauptantrag

- Auslegung des Anspruchswortlauts

Den Absätzen [0007], [0022] und [0028] des Patents sei entnehmbar, dass die in Merkmal 1.3 des Anspruchs 1 genannte Sensorvorrichtung den Schmelzbereich beispielsweise hinsichtlich seiner Abmessung, Form und/oder Temperatur erfasse.

Mangels Aussagen oder Definition im Patent, die eine engere Auslegung der in den Merkmalen 1.4 und 1.6 verwendeten Begriffe "Koordinatenwerte" und "Koordinaten" rechtfertigten, seien diese Begriffe derart breit auszulegen, dass darunter alle Daten zu verstehen seien, die eine wie auch immer geartete örtliche Zuordnung der erfassten Sensorwerte zu dem hergestellten Bauteil erlaubten. Entsprechend definiere der Duden den Begriff "Koordinate" als eine zur Angabe der Lage eines Punktes in der Ebene oder im Raum (anhand eines Koordinatensystems) dienende Zahl. Ob die zur Herstellung des Bauteils verwendeten Bauteil-koordinaten oder Baukoordinatenwerte auch diejenigen Koordinaten seien, die gemäß Merkmal 1.6 über Scannerdaten den Sensorwerten zugeordnet werden sollen, ergebe sich aus Absatz [0011] des Patents nicht. Die Auslegung des Begriffs "Koordinatenwerte" als Ortskoordinaten in einem kartesischen Koordinatensystem sei im Patent ebenso wenig gestützt, wie das Verständnis des Begriffs "Koordinatenwerte" als "polare Koordinaten".

Anspruch 1 sei auch nicht zu entnehmen, was unter dem in Merkmal 1.6 verwendeten Begriff "Scannerdaten" zu verstehen sei. Der Begriff werde lediglich in Absatz [0012] und in Anspruch 9 des Patents genannt. Die Auslegung der Einspruchsabteilung, wonach mit den Scannerdaten die Winkel des Ablenkspiegels, die zusammen mit den Abständen zwischen Scanner und Auftreffpunkt des Laserstrahls auf der Pulverschicht-oberfläche polare Koordinaten definierten, gemeint seien, sei nicht durch den Offenbarungsgehalt des Patents gerechtfertigt. Unter "Scannerdaten" seien daher alle wie auch immer mit dem Scanner und dessen Betrieb in Verbindung stehenden Daten zu verstehen, z.B. die zur Herstellung des Bauteils benötigten Bauteilkoordinaten.

- Neuheit

Die in Figur 10 abgebildete Feedback-Steuerung des Dokuments E1.3 ziele darauf ab, insbesondere bei der Herstellung von Überhangstrukturen, bei denen der Schmelzpool sehr groß werden könne, die Laserleistung in Abhängigkeit der gemessenen Schmelzpoolfläche anzupassen, um letztere konstant zu halten. Dadurch solle die Oberflächenqualität der Unterseite des Überhangs verbessert werden (s. Abstract, sowie Abschnitt 5.1 auf Seite 524 und Abschnitt 6 auf Seite 526). Dementsprechend würden die von der CMOS-Kamera und der Fotodiode erfassten Sensorwerte zur Evaluierung einer Bauteilqualität genutzt. Anspruch 1 verlange nicht, dass eine Bauteilqualität während des Herstellens eines dreidimensionalen Bauteils durch ein Laserschmelzverfahren überprüft werde, oder dass sich die Bauteilqualitätserfassung über das gesamte Bauteil erstrecke. Folglich sei das Merkmal 1.3 im Dokument E1.3 offenbart.

Die Zeitangaben in den Diagrammen der Figur 7 und der Tabelle 1 sowie die Sampling-Nummern in Figur 9 des Dokuments E1.3 seien eindeutig mit dem Abtastort des Scanners in einer definierten Bauteil- bzw. Pulverschicht korreliert. Da die Scangeschwindigkeit bekannt sei und der Scanvektor, einschließlich des Startpunkts, in Figur 8 angegeben sei, bestehe stets ein unmittelbarer und eindeutiger Zusammenhang zwischen der Zeit, dem Abtastort des Scanners und der Position dieses aktuellen Abtastorts innerhalb des herzustell-enden Bauteils. Mit anderen Worten stehe es zu jedem beliebigen Zeitpunkt während des Prozesses fest, wo genau der Laserstrahl gerade auf die zu verfestigende Pulverschicht treffe und in welcher Position sich dieser Abtastort des Scanners innerhalb des Bauteils befinde. Anders wäre eine Steuerung des Laserschmelz-prozesses überhaupt nicht möglich gewesen. Um die Schmelzpoolqualität aufzuzeigen, müsse die Position der einzelnen Messwerte bekannt sein. Daher seien die Zeitangaben sowie die Sampling-Nummern, welche bei gegebener Sampling-Frequenz im Grunde einer Zeiteinheit entsprächen, nichts anderes als Zahlen, die der Angabe der Lage des Abtastorts des Scanners im Bauteil dienten; sie stellten die die Sensorwerte im Bauteil lokalisierenden Koordinatenwerte dar. Dementsprechend sei auch die Zuordnung der jeweiligen Messwerte zu den einzelnen in Figur 8 definierten Bauteilbereichen A, B und C in den Diagrammen der Figur 9 und der Tabelle 1 veranschaulicht. Eine Umrechnung in kartesische oder polare Ortskoordinaten sei daher für eine Vorwegnahme des Merkmals 1.4 gar nicht erforderlich, zumal die Zuordnung eines Längen-, Breiten- oder Flächenwerts des Schmelzpools zu einem einen Punkt in einem kartesischen Koordinatensystem definierenden Ortskoordinatenwert schlichtweg unmöglich sei. Zudem erforderten die Diagramme der Figur 9 und der Tabelle 1 zwangsläufig, dass die auf der y-Achse aufgetragenen Sensorwerte zusammen mit den auf der x-Achse aufgetragenen Koordinatenwerten abgespeichert werden. Andernfalls könnten sie nach Abschluss der Messung gar nicht angezeigt werden. Anspruch 1 verlange nicht, dass die die Sensorwerte lokalisierenden Koordinatenwerte in unterschiedlichen Schichten des herzustellenden Bauteils liegen müssen. Das Merkmal 1.4 sei somit ebenfalls im Dokument E1.3 offenbart.

Das Merkmal 1.5 betreffe die Wiedergabe von Informationen, welche gemäß Artikel 52 (2) d) EPÜ nicht als Erfindung angesehen werde und einem Patentierungs-ausschluss unterliege. Im Übrigen seien auch für die im Dokument E1.3 gezeigten Diagramme eine beispielsweise in Form eines handelsüblichen PCs ausgebildete Visualisierungseinrichtung erforderlich. Ein Bildschirm sei übrigens nicht beansprucht. Aufgrund des Zusammen-hangs zwischen Zeit, Lasergeschwindigkeit, Scanvektor und Erfassungsort sei in den Diagrammen des Dokuments E1.3 eine eindeutige Zuordnung der auf der y-Achse aufgetragenen Messwerte zu dem Erfassungsort der Messwerte in der Bauteilschicht möglich. Die Abfolge der verschiedenen Messwerte in den Diagrammen der Figuren 7 und 9 und in der Tabelle 1 seien somit klar zweidimensional im Sinne der in Absatz [0015] des Patents angegebenen Definition. Anders wäre die Entwicklung der Schmelzpoolfläche in Abhängigkeit des Abtastorts in den Bauteilbereichen gar nicht darstellbar. Das Merkmal 1.5 sei deshalb aus dem Dokument E1.3 bekannt.

Bei einem Laserschmelzverfahren gehörten die CAD-Daten des herzustellenden Bauteils, der Startzeitpunkt und der zeitliche Verlauf des Scanprozesses, die Scan-geschwindigkeit sowie das Scanmuster zu den typischen Scanner-Steuerdaten. Über den zeitlichen Verlauf des Scanprozesses und die Scangeschwindigkeit seien die in den Diagrammen des Dokuments E1.3 dargestellten Sensorwerte mit den CAD-Daten und daher mit der Position des aktuellen Abtastorts innerhalb des herzustellen Bauteils verknüpft, zumal die von der Pulveroberfläche abgegebene und zur CMOS-Kamera geführte Strahlung auch über den Scanner umgelenkt werde (s. Seite 521, Abschnitt 2, Absatz 1). Dementsprechend lehre das Dokument E1.3, die Scanner-daten für die Zuordnung der Sensorwerte zu entsprech-enden Koordinaten in dem Bauteil zu verwenden. Somit ist auch das Merkmal 1.6 durch das Dokument E1.3 vorweggenommen.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 vom Dokument E1.3 neuheitsschädlich vorweggenommen.

- Erfinderische Tätigkeit

Für den Fall, dass die Kammer die in den Diagrammen des Dokuments E1.3 auf der x-Achse aufgetragenen Bauzeiten bzw. Sampling-Nummern nicht als Koordinatenwerte im Sinne des Merkmals 1.4 betrachte, beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 aus den folgenden Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Visualisierung gemäß dem Merkmal 1.5 betreffe lediglich eine Wiedergabe von Informationen und stelle daher kein technisches Merkmal dar, das zur Abgrenzung des Gegenstands von Anspruch 1 herangezogen werden könne. Die zur Evaluierung der Bauteilqualität erfassten Sensorwerte seien bereits im Merkmal 1.4 zusammen mit ihren Koordinatenwerten abgespeichert worden. Die für die Evaluierung der Bauteilqualität benötigte technische Information liege daher schon vor. Der zusätzliche Schritt, diese Information in einer zwei- und/oder mehrdimensionalen Darstellung abzubilden, führe keinen technischen Effekt herbei. Außerdem erfolge durch den Visualisierungsschritt keine Rückkopplung zum Herstellungsverfahren; eine ständige und geführte Mensch-Maschine-Interaktion liege nicht vor.

Somit verbleibe als bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigender Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und der Offenbarung des Dokuments E1.3 die Abspeicherung der erfassten Sensor-werte zusammen mit den die Sensorwerte im Bauteil lokalisierenden Koordinatenwerten.

Ausgehend vom Dokument E1.3 sei die objektive technische Aufgabe, die zur Evaluierung der Bauteil-qualität beim Bauvorgang im Schmelzbereich erfassten Sensorwerte griffiger darzustellen, s. Absatz [0014] des Patents.

Dem Fachmann sei bekannt, dass bei einem Laserschmelz-verfahren der Scanner den Laserstrahl auf der Basis von CAD-Daten des herzustellenden Bauteils mit einer definierten Scangeschwindigkeit entlang eines definierten Scanvektorenmusters über die zu bearbeitende Pulverschicht lenke. Zur Steuerung des Scanners seien sowohl Zeitdaten als auch CAD-Daten nötig. Es wäre für den Fachmann naheliegend gewesen, diese Daten abzuspeichern, um sie später vergleichen zu können. Da die im Dokument E1.3 von der Pulverober-fläche abgegebene Strahlung auch durch den Scanner umgelenkt werde, bevor sie die Sensorvorrichtung erreiche (s. Abschnitt 2 auf Seite 521), seien die in den Diagrammen in der Tabelle 1 dargestellten Zeitangaben eigentlich auch Scannerdaten. Anhand der bekannten Scanvektoren und der bekannten Scangeschwin-digkeit könne der Fachmann sehr einfach nachvollziehen, an welcher Position im herzustellenden Bauteil ein Sensorwert zu einem bestimmten Zeitpunkt erfasst worden sei. Außerdem sei für jede vom Laser bearbeitete Pulverschicht die Z-Koordinate und der in Figur 8 dargestellte Startpunkt bekannt. Insofern sei es dem Fachmann auch bewusst gewesen, dass die im Dokument E1.3 beschriebenen Zeitdaten bzw. Sampling-Nummern anhand der zur Steuerung des Scanners ohnehin vorhandenen Daten unmittelbar in die den Abtastort des Scanners auf der Pulverschicht wiedergebenden Koordinatenwerte bzw. in 3D-Koordinaten des herzustellenden Bauteils umgesetzt werden könnten. Dabei hätte ein Fachmann, vor die objektive technische Aufgabe gestellt, die zur Evaluierung der Bauteilqualität im Schmelzbereich erfassten Sensorwerte griffiger darzustellen, den Überhangbereich des im Dokument E1.3 dargestellten Bauteils unmittelbar als kritischen Bereich erkannt. Die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung auf Seite 12, Punkt 38 der angefochtenen Entscheidung basiere auf der fehlerhaften Auslegung des Begriffs "Scannerdaten". Im Übrigen seien polare Koordinaten und kartesische Koordinaten äquivalent, denn aus beiden könnten theoretisch Zeitinformationen gewonnen werden. Für den Fachmann wäre es daher naheliegend gewesen, die im Dokument E1.3 beschriebene, von Zeitdaten bzw. Sampling-Nummern abhängige Abspeicherung der Schmelzpoolflächenwerte durch eine koordinaten- und insbesondere bauteilkoordinatenabhängige Abspeicherung der Schmelzpoolflächenwerte zu ersetzen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsanträge VIII, IX und X

Aufgrund des Fehlens eines auf "Scannerdaten" Bezug nehmenden Merkmals in den unabhängigen Ansprüchen sowie aufgrund des Vorhandenseins eines zusätzlichen unabhängigen Verwendungsanspruchs verstießen die Hilfsanträge VIII, IX und X gegen das Verschlechterungsverbot. Sie seien daher nicht zulässig.

Hilfsantrag XI

- Zulassung

Die Frage der Auslegung des Begriffs "Scannerdaten" sei Gegenstand der mündlichen Verhandlung im erstinstanzlichen Einspruchsverfahren gewesen und habe ganz offenbar die Entscheidung der Einspruchsabteilung in nicht unerheblichem Maße beeinflusst. Einen Hilfsantrag, der diesen Begriff klarstellen solle, hätten die Beschwerdegegnerinnen daher bereits während dieser mündlichen Verhandlung, spätestens aber mit ihrer Beschwerdebegründung vorlegen müssen. Es werde daher beantragt, Hilfsantrag XI nicht in das Verfahren zuzulassen.

- Erfinderische Tätigkeit

Das in Figur 8 des Dokuments E1.3 dargestellte Muster werde in der Praxis genutzt, um den Scanner derart zu steuern, dass die Abtastorte erreicht und die dazugehörenden Sensorwerte erzeugt werden. Das Scanmuster und die Scangeschwindigkeit seien unmittelbar involviert in der Umrechnung der Koordinatenwerte. Es sei daher für den Fachmann naheliegend gewesen, diese Steuerdaten bei der Koordinatenzuordnung einzusetzen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem Hilfsantrag XI beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

XI. Der Vortrag der Beschwerdegegnerinnen lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:

Hauptantrag

- Neuheit

Der Informationsgehalt des Dokuments E1.3 sei nur für Bauteile relevant, welche Überhangbereiche aufweisen. Sowohl Figur 8 als auch Figur 9 des Dokuments E1.3 bezögen sich nur auf einen Überhangbereich und somit nur auf einen Teilbereich des additiv herzustellenden Bauteils, nicht jedoch auf das gesamte Bauteil. Aussagen über die Bauteilqualität aufgrund der nur einen Teilbereich abdeckenden Betrachtung seien daher nicht möglich. Für eine Herleitung von Sensorwerten zur Evaluierung der Bauteilqualität im Sinne des Merkmals 1.3 müssten auch die Werte in den Bereichen außerhalb entsprechender Überhangbereiche erfasst werden. Außerdem seien die Sensorwerte nicht während des Prozesses, sondern lediglich als Ergebnis einer nachträglichen Untersuchung hergeleitet worden. Deshalb sei das Merkmal 1.3 nicht im Dokument E1.3 offenbart.

Mangels entsprechender Sensorwerte offenbare das Dokument E1.3 auch keine Korrelation mit den diese im Bauteil lokalisierenden Koordinatenwerten. Wenngleich der Zusammenhang zwischen der auf der x-Achse der Figur 7 aufgetragenen Zeit und der Position des Laserstrahls grundsätzlich korrekt sein möge, sei eine patentgemäße Verknüpfung entsprechender Sensorwerte mit entsprechenden Koordinatenwerten der Figur 7 jedoch nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Der Begriff "Koordinate" umfasse nicht eine Zeiteinheit. Das Dokument E1.3 enthalte keine Angaben, wie bestimmte Parameter, wie die Scangeschwindigkeit, in Bauteilkoordinatenwerte umgerechnet werden könnten bzw. dass eine solche Umrechnung notwendig sei. Im Übrigen beziehe sich die Darstellung gemäß Figur 7 nur auf eine einzige Baumaterialschicht und es seien die von der Fotodiode gelieferten Spannungssignale nicht für jede Baumaterialschicht abgespeichert. Sogar wenn in der Tabelle 1 mit "80mm/s" die Scangeschwindigkeit gemeint wäre, sei der Startpunkt des Lasers nicht in diesem Zusammenhang offenbart. In Figur 9 des Dokuments E1.3 werde rein qualitativ und ohne Bezug zu Koordinaten-werten des Bauteils auf die Zonen A, B und C verwiesen. Außerdem bezögen sich die auf der x-Achse aufgetragenen Sampling-Nummern auf die Bildanzahl der vermittels der CMOS-Kamera bzw. der Fotodiode aufgenommenen Bilder. Eine Zuordnung von Sensorwerten zu den diese im Bauteil lokalisierenden Koordinatenwerten könne daher ausgehend von der Darstellung der Figur 9 nicht vorgenommen werden. Hinsichtlich der in der Tabelle 1 gezeigten Diagramme sei festzuhalten, dass der dargestellte Zeitabschnitt sehr kurz sei. In 3 bzw. 3,5 Sekunden könne kein Bauteil additiv hergestellt werden, sodass den Zeitangaben in diesem kurzen Zeitabschnitt keine Koordinaten im Bauteil zugeordnet werden könnten. Der Verlauf der Messwerte in den Diagrammen der Tabelle 1 scheine auch nicht mit den Daten der unterhalb der Diagramme dargestellten Bauteile übereinzustimmen. Der Zeitraum, an dem der Laserstrahl nicht auf das Baumaterial einwirke, sei gar nicht gezeigt. Hierbei sei auch erwähnt, dass die Bauzeit nicht zwingend mit dem Abtastort des Scanners verknüpft sein müsse; es gebe diverse Baustrategien, bei welchen bestimmte Orte mehrfach bestrahlt oder die Abtastgeschwindigkeit variiert werden könne. Deshalb offenbare das Dokument E1.3 nicht, dass die Sensorwerte im dreidimensionalen Bauteil lokalisiert und abgespeichert werden. Das Merkmal 1.4 sei nicht aus dem Dokument E1.3 bekannt.

Eine Darstellung entsprechender einander zugeordneter Sensor- und Koordinatenwerte gemäß Merkmal 1.5 offenbare das Dokument E1.3 auch nicht. Die Diagramme im Dokument E1.3 zeigten eine eindimensionale Abfolge lauter einzelner Messpunkte.

Der im Merkmal 1.6 zum Ausdruck gebrachte Gedanke einer Koordinatenzuordnung entsprechender Sensorwerte über Scannerdaten gehe aus dem Dokument E1.3 nicht hervor. Das Dokument enthalte keine Angaben, wie bestimmte Parameter, wie z. B. Scangeschwindigkeit, in Bauteilkoordinatenwerte umgerechnet werden könnten. Außerdem liefere der bloße Umstand, dass ein Scanner als typischer Bestandteil einer selektiven Laserschmelzvorrichtung erwähnt sei, dem Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig Angaben dahingehend, dass Scannerdaten dazu verwendet werden, um Sensorwerte mit den diese in einem Bauteil lokalisierenden Koordinatenwerten zu verknüpfen, abzuspeichern und darzustellen.

Daher sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument E1.3 neu.

- Erfinderische Tätigkeit

Nächstliegender Stand der Technik sei das Dokument E1.3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von dem daraus bekannten Verfahren durch die Merkmale 1.3 bis 1.6.

Die zwei- und/oder multidimensionale Darstellung der Sensorwerte gemäß dem Merkmal 1.5 erzeuge eine technische Wirkung, denn diese Informationen eröffneten dem Fachmann die Möglichkeit, während und/oder nach Abschluss eines additiven Bauvorgangs eine technische Beurteilung der Bauteilqualität durchzuführen, siehe Absatz [0014] des Patents. Durch Anpassung spezieller Bestrahlungsparameter in den aktuellen oder künftigen additiven Fertigungsprozessen werde es dem Nutzer möglich, den dargestellten Informationen entsprechend in den Prozess einzugreifen und so die additive Fertigungseinrichtung richtig zu bedienen. Das die Visualisierung der Sensorwerte betreffende Merkmal leiste sowohl für sich genommen als auch im Gesamtzusammenhang des Anspruchs einen technischen Beitrag zum anspruchsgemäßen Verfahren. Es werde auf die Entscheidungen T 336/14 und T 1802/13 verwiesen, wonach ein Merkmal, das eine Darstellung von Informationen definiere, eine technische Wirkung erzeuge, wenn es den Nutzer durch eine ständige und/oder geführte Mensch-Maschine-Interaktion glaubhaft bei der Ausführung einer technischen Aufgabe unterstütze. Gerade die Darstellung bzw. Darstellbarkeit der abgespeicherten Sensorwerte in einer zwei- oder mehrdimensionalen farblichen Darstellung bezogen auf ihren Erfassungsort im Bauteil sei ursächlich dafür, dass der Nutzer bei der Ausführung der technischen Aufgabe objektiv und zuverlässig unterstützt werde. Das Merkmal 1.5 sei daher bei der Beurteilung der erfinder-ischen Tätigkeit zu berücksichtigen.

Die objektive technische Aufgabe bestehe darin, eine verbesserte Evaluierung der Bauteilqualität zu ermög-lichen bzw. eine einfache Auswertung der Sensorwerte vorzusehen.

Das Dokument E1.3 sei ein wissenschaftlicher Artikel, in dem die Art der Darstellung von Sensordaten nicht thematisiert werde. Vielmehr befasse sich das Dokument E1.3 mit einer im Vergleich völlig anderen Frage-stellung, nämlich einer Implementierung einer Prozess-überwachung zur Verbesserung der Schmelzpoolfläche in Überhangbereichen. Von einer Verknüpfung entsprechender Sensorwerte mit Koordinatenwerten im Sinne von Anspruch 1 sei im Dokument E1.3 nirgends die Rede. Sogar die Berücksichtigung von CAD-Daten des Bauteils, welche im Dokument E1.3 gar nicht benannt worden seien, hätte nicht zu einer Korrelation von Sensorwerten mit Koordinatenwerten im Bauteil geführt. Das bei der additiven Fertigung üblicherweise verwendete STL-Datenformat beschreibe nämlich nur die Oberfläche des herzustellenden Bauteils und nichts im Inneren des Bauteils. Aus demselben Grund hätten diese STL-Daten nichts mit Scannerdaten zu tun. Auch bei den Angaben in Figur 9, insbesondere die Angaben der Abszisse, handele es sich bei verständiger Würdigung weder bei enger noch bei weiter Auslegung um Scannerdaten. Diese Angaben bezögen sich schlicht auf die Anzahl der über die CMOS-Kamera getätigten Aufnahmen des Schmelzpools. Der Fachmann hätte alleine aufgrund der Lehre des Dokuments E1.3 die genannten Größen Scangeschwindigkeit, Scanvektor, CAD-Daten, die Zeitangaben der Abszissen der Diagramme gemäß der Tabelle 1 sowie die Anzahl der Bilder der Abszissen der Diagramme gemäß Figur 9 grundsätzlich nicht technisch miteinander verknüpft oder ineinander umgerechnet. Er hätte dazu einen Algorithmus und einen ihm unbekannten Startpunkt des Laserschmelzprozesses gebraucht. Auch dem allgemeinen Fachwissen hätte der Fachmann keine Informationen entnommen, das ihm gemäß dem Dokument E1.3 vorliegende Prinzip dementsprechend zu modifizieren. Insbesondere für das behauptete fachmännische Handeln, Scannerdaten für eine Koordinatenzuordnung entsprechender Sensorwerte zu verwenden, sei kein Beleg dargetan. Sogar wenn der Startpunkt des Abtastvorgangs bekannt gewesen wäre, hätte die Verknüpfung eine Reihe aufwändiger Umrechnungsschritte erfordert; es hätte nicht zu einer Vereinfachung geführt. Zu dem Argument, dass sowohl der Laserstrahl als auch die von der Pulveroberfläche abgegebene Strahlung durch den Scanner umgelenkt werde, sei zu bemerken, dass im Vergleich zu Figur 1 des Patents der Laser 3 in Figur 2 des Dokuments E1.3 an einer anderen Stelle angeordnet sei. Außerdem sei der Scanner 4 in dieser Figur nicht richtig zu erkennen und es werde im Abschnitt 2 auf Seite 521 auf eine "beam deflection unit" anstatt auf einen Scanner verwiesen. Selbst wenn der optische Aufbau der vorveröffentlichten Laserschmelzvorrichtung ähnlich zu dem des Patents gewesen wäre, wären verschiedene Varianten möglich gewesen, um die Sensorwerte mit den Koordinatenwerten im Bauteil zu verknüpfen.

Daher beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend vom Dokument E1.3 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Hilfsantrag XI

- Zulassung

Von der aufrechterhaltenen Fassung unterscheide sich Anspruch 1 des Hilfsantrags XI dadurch, dass der Begriff "Scannerdaten" durch den konkreteren Ausdruck "Steuerdaten des Scanners" ersetzt worden sei. Die Einreichung des Hilfsantrags XI sei deshalb zulässig, weil die geänderten Ansprüche sich in ihrem Gegenstand nicht stark von den bereits eingereichten Ansprüchen unterschieden und sie insbesondere keine Gegenstände enthielten, die bis dahin noch nicht beansprucht worden seien. Der neue Anspruchssatz führe zu keinen neuen Einwänden und räume alle bestehenden Einwände aus.

- Erfinderische Tätigkeit

Kein im Verfahren befindliches Dokument offenbare eine Koordinatenzuordnung entsprechender Sensorwerte über Steuerdaten eines Scanners. Keine Kombination von im Verfahren befindlichen Dokumenten lege eine solche Koordinatenzuordnung nahe. Vielmehr erweitere die Konkretisierung des Begriffs "Scannerdaten" in "Steuerdaten des Scanners" den Abstand zum Stand der Technik. Im Dokument E1.3 hätte der Fachmann keine Anregung zur Verwendung von Steuerdaten eines Scanners zur Durchführung einer Koordinatenzuordnung von Sensorwerten gefunden. Bei den dort jeweils offenbarten Abszissen-Werten handele es sich nicht um Steuerdaten eines Scanners. Selbst wenn in Figur 10 des Dokuments E1.3 Steuerdaten des Scanners offenbart seien, folge daraus nicht, warum der Fachmann diese Werte aus ihrem Zusammenhang extrahiert hätte, um auf dieser Grundlage eine Koordinatenumrechnung vorzunehmen. Somit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag XI auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag - Auslegung des Anspruchswortlauts

1. Die Merkmale 1.1 und 1.2 des Anspruchs 1 legen fest, dass ein dreidimensionales Bauteil durch ein Laserschmelzverfahren hergestellt wird, indem eine Strahlung auf ein verfestigbares Baumaterial einwirkt. Das Baumaterial wird dabei durch die Strahlung aufgeschmolzen. Die Kammer versteht den im Merkmal 1.3 genannten Ausdruck "durch einen punkt- und/oder linienförmigen Energieeintrag erzeugte Schmelzbereich" deshalb als einen um den punktförmigen oder linienförmigen Abtastort des Laserstrahls gebildeten Bereich, in dem das Baumaterial aufgeschmolzen ist.

2. Gemäß den Absätzen [0007] und [0022] des Patents wird der Schmelzbereich "hinsichtlich der Abmessung, Form und/oder Temperatur der im Schmelzbereich detektierten Auswirkungen" bzw. "hinsichtlich seiner Abmessung, Form und/oder Temperatur" erfasst. Im Flussdiagramm der Figur 3 ist diesbezüglich offenbart, dass nach der Erfassung der "Strahlungsemission" in der "Sensorvorrichtung 6, 11, 12, 18" eine "Auswertung (z.B. Länge, Breite, Fläche, Mittelwerte, etc.)" erfolgt. Als Sensorvorrichtung 6 kommt laut Absatz [0022] des Patents die Kombination einer Kamera 11 und einer Fotodiode 12 zum Einsatz. Die im Schmelzbereich erfassten Werte sollen laut Absatz [0014] des Patents einer Bedienungsperson Aufschluss darüber geben, ob die verfestigten Bauteilschichten den an das Bauteil gestellten Anforderungen hinsichtlich Aufschmelzung, Temperaturverlauf, Werkstückfestigkeit etc. genügen. Daher ist das Merkmal 1.3 so zu verstehen, dass die von der bearbeiteten Bauteiloberfläche abgegebene Strahlung von einer Sensorvorrichtung erfasst wird und daraus in einer anschließenden beispielsweise bildverarbeitenden Auswertung Informationen zu den Abmessungen und dem Umriss des Schmelzbereichs, oder zur Temperatur­verteilung innerhalb des Schmelzbereichs, hergeleitet werden, welche auf Einhaltung von bestimmten Qualitätsanforderungen geprüft werden können.

3. Nach dem Merkmal 1.4 werden die Sensorwerte zusammen mit den die Sensorwerte im Bauteil lokalisierenden Koordinatenwerten abgespeichert. Laut Duden ist eine Koordinate eine Zahl, die anhand eines Koordinaten-systems die Lage eines Punktes in der Ebene oder im Raum angibt. Es gilt daher sinngemäß für die beanspruchten Koordinatenwerte, dass sie die Position jedes Punkts des Schmelzbereichs angeben und die örtliche Zuordnung der erfassten Temperaturen im herzustellenden Bauteil bilden. Dementsprechend ist auch die "Koordinatenzuordnung" im Merkmal 1.6 zu verstehen.

4. In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass mit dem Begriff "Scannerdaten" in Merkmal 1.6 "Winkel des Ablenkspiegels" (s. Punkt 36 der Entscheidungs-begründung) bzw. "Scannerwinkeldaten" (s. Punkt 38 der Entscheidungsbegründung) gemeint seien. Eine Definition des lediglich in Absatz [0012] des Patents offenbarten Begriffs "Scannerdaten" ist dem Patent nicht zu entnehmen. In Absatz [0026] der Figurenbeschreibung wird allerdings im Zusammenhang mit der Datenverknüpfungs-/Datenzuordnungseinheit, welche die verschiedenen Daten sowohl des Scanners als auch der Sensorvorrichtung sammelt und einander zuordnet, auf "Steuerdaten des Scanners" bzw. ein "Steuermodul des Scanners" Bezug genommen. Demzufolge ist der Begriff "Scannerdaten" im vorliegenden Fall derart breit auszulegen, dass er nicht nur den Umlenkwinkel des Scanners, sondern auch dessen Scangeschwindigkeit und weitere zur Steuerung des Scanners benötigte Daten umfasst.

Hauptantrag - Neuheit

5. Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob das Dokument E1.3 die Merkmale 1.3 bis 1.6 des Anspruchs 1 offenbart.

6. Es ist das Ziel des Dokuments E1.3, ein Laserschmelz-verfahren mit einem Regelungssystem auszustatten, das die Laserleistung in Echtzeit während des Scanvorgangs in Abhängigkeit von der erfassten Schmelzpoolfläche steuert (s. Abschnitt 4 auf Seite 524). Dazu erfolgt eine Rückkopplung der in einer Fotodiode erzeugten Spannung ("photodiode voltage") bzw. der Anzahl der von einer CMOS-Kamera gemessenen Pixel mit einer höheren Farbstufe als dem Schwellenwert ("the number of pixels that have a higher color level than the threshold value"). Nach dem vorletzten Absatz im Abschnitt 4 auf Seite 524 stellt diese Regelgröße jeweils ein Maß für die Schmelzpoolfläche dar. In der Tabelle 1 des Dokuments E1.3 ist der zeitliche Verlauf der von der Fotodiode und der CMOS-Kamera erfassten Schmelzpoolfläche jeweils mit und ohne Rückkopplung abgebildet. Bezüglich der Rückkopplung mit der CMOS-Kamera wird im Abschnitt 5.1 auf Seite 524 dargelegt, dass die Qualität der ersten Schicht verbessert ist ("the quality of the first layer is improved"). Daraus schließt die Kammer, dass die aus dem Schmelzbereich hergeleiteten Sensorwerte zur Evaluierung der Bauqualität angewendet werden. Das Argument der Beschwerdegegnerinnen, dass der Informationsgehalt des Dokuments E1.3 nur für Bauteile relevant sei, welche Überhangbereiche aufweisen, hält die Kammer für nicht stichhaltig, da Anspruch 1 weder die Bauteilform noch die Bauteilqualität festlegt, sondern sich lediglich auf die "Evaluierung einer Bauteilqualität" (Hervor-hebung durch die Kammer) bezieht. Daher ist das Merkmal 1.3 im Dokument E1.3 offenbart.

7. Auf der x-Achse der oberen zwei Diagramme in der Tabelle 1 des Dokuments E1.3 ist jeweils eine Zeitspanne in Sekunden aufgetragen, in welcher der Schmelzbereich einer überhängenden Struktur bei parallel zum Überhang verlaufenden Scanspuren ("parallel scanning", s. Figur 8) von einer Fotodiode bzw. einer CMOS-Kamera erfasst wird. Zwar ist die Scangeschwindigkeit, d.h. die zurückgelegte Abtaststrecke pro Zeiteinheit, in jedem der zwei Fälle bekannt (80 mm/s bzw. 300 mm/s, s. auch Abschnitt 5.1 auf Seite 524). Allerdings kann daraus ohne Angabe des Startpunkts der Messung und der genauen Abmessungen des herzustellenden Bauteils nicht unmittelbar und eindeutig abgeleitet werden, welcher Position im Bauteil, sei es in der Ebene der zuletzt aufgetragenen Pulverschicht oder im Raum, die auf der y-Achse aufgetragenen Sensorwerte entsprechen. Dies gilt ebenso für die unteren zwei Diagramme in der Tabelle 1, wobei die Scanspuren hier senkrecht zum Überhang verlaufen ("perpendicular scanning", s. Figur 8), und für die in Figur 9 dargestellten Kurven, deren Abszissen eine Folge von Abtastnummern ("number of samples") abbilden, welche bei der gegebenen Abtastfrequenz von 1207 Hz im Grunde einem Zeitverlauf entsprechen. Die in Figur 7 dargestellte Kurve stellt das Einschwingverhalten der in der Fotodiode gemessenen Spannung bei der Erfassung einer einzigen Scanspur in einer Pulverschicht dar ("transient response of the photodiode voltage [...] while observing one scan track of one layer of powder", s. Abschnitt 3.4 auf Seite 523). Informationen über die Lagezuordnung dieser in der Zeitspanne von 25 Millisekunden erfassten Messwerte in Bezug auf die undefinierte Pulverschicht können daraus nicht abgeleitet werden. Auch wenn die Figur 8 Hinweise enthält, auf welche Weise der vom Scanner umgelenkte Laserstrahl die Pulverschicht in den verschiedenen Bereichen A, B und C des herzustellenden Bauteils abtastet, folgt aus den eher schematischen Mustern nicht ohne weiteres, welche Position im Bauteil die in Figur 9 oder in der Tabelle 1 veranschaulichten Messwerte betreffen. Diese Feststellung des Fehlens einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung ist von der weiteren Frage zu unterscheiden, ob es für den Fachmann möglich gewesen wäre, aus den im Dokument E1.3 offenbarten Informationen ggf. in Verbindung mit dem Fachwissen eine solche Position zu errechnen. Letzteres bezieht sich auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit (s. dazu Punkt 19. unten). Weil es jedoch an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung von Koordinatenwerten fehlt, die die Sensorwerte im Bauteil lokalisieren, ist das Merkmal 1.4 nicht durch das Dokument E1.3 vorweggenommen.

8. Die im Dokument E1.3 erfassten Sensorwerte werden in Figur 9 und in den Diagrammen der Tabelle 1 graphisch dargestellt. Die Kammer stimmt den Beschwerde-führerinnen zu, dass eine Visualisierungseinrichtung implizit offenbart ist. Die entsprechenden Darstellungen sind jedoch eindimensional; jeder Sensorwert benötigt nur eine Zahlenangabe (Abtast-Nummer bzw. Zeit). Darüber hinaus geht nicht eindeutig aus den Darstellungen hervor, dass sie einen Bezug auf den Erfassungsort im Bauteil abbilden. Unabhängig von der Frage, ob das Merkmal 1.5 einen technischen Charakter aufweist, ist es daher nicht aus dem Dokument E1.3 bekannt.

9. In Abwesenheit von Koordinatenwerten, die die Sensorwerte im Bauteil lokalisieren, kann das Dokument E1.3 auch keine Koordinatenzuordnung der Sensorwerte im Sinne vom Merkmal 1.6 offenbaren. Sogar wenn der zeitliche Verlauf in den Diagrammen der Tabelle 1 über die Steuerung des Scanners mit den zur Herstellung des Bauteils verwendeten Baukoordinatenwerten bzw. CAD-Daten korreliert wäre, sodass die Koordinaten der Sensorwerte unter Umständen aus diesen "Scannerdaten" hergeleitet werden könnten, bedeutet dies jedoch nicht, dass das aus dem Dokument E1.3 bekannte Verfahren einen Umrechnungsschritt enthält, mit dem eine solche Koordinatenzuordnung tatsächlich erfolgt.

10. Die Kammer schließt sich daher der Auffassung der Einspruchsabteilung an, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag VII gegenüber dem Dokument E1.3 neu ist (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).

Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

a) Ausgangspunkt

11. Die Beteiligten sind sich einig, dass das Dokument E1.3 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt. Die Kammer sieht keinen Grund, hiervon abzuweichen.

b) Unterscheidungsmerkmale

12. Wie oben dargelegt unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem aus dem Dokument E1.3 bekannten Verfahren durch die Merkmale 1.4 bis 1.6.

13. Dabei stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit sich das Merkmal 1.5 auf eine reine Wiedergabe von Informationen gemäß Artikel 52 (2) d) EPÜ bezieht, die nicht zum technischen Charakter des beanspruchten Gegenstands beiträgt und daher bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zu berücksichtigen ist (s. T 641/00, ABl. EPA 2003, 352).

13.1 Die Kammer kann sich der Auffassung der Beschwerde-führerinnen nicht anschließen, dass das Verfahrens-merkmal 1.5 keinen technischen Charakter aufweist. Die Verknüpfung "einer Visualisierungseinrichtung" mit den nach Merkmal 1.4 abgespeicherten Sensorwerten kann nicht mit einer bloßen Wiedergabe von Informationen gleichgestellt werden.

13.2 Dies gilt allerdings nicht für die "zwei- und/oder mehrdimensionale[n] Darstellung bezogen auf ihren Erfassungsort im Bauteil". Nach gängiger Rechtsprechung trägt ein Merkmal, das sich darauf bezieht, auf welche Weise ein kognitiver Inhalt dem Nutzer auf einem Bildschirm vermittelt wird, normalerweise nicht zur technischen Lösung einer technischen Aufgabe bei (s. "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", Zehnte Auflage, Juli 2022, I.D.9.2.10.a)).

13.3 Es mag zwar sein, dass der Bezug zum Erfassungsort dargestellt in zwei oder drei Dimensionen zur verbesserten Erkennbarkeit der Sensorwerte führt und so den Nutzer bei der Beurteilung der Bauteilqualität unterstützt. Dennoch weist nicht alles, was die Ausführung einer technischen Aufgabe unterstützt, selbst auch technischen Charakter auf (s. T 1741/08, Entscheidungsgründe 2.1.12). Auch wenn die besondere visuelle Gestaltung des Merkmals 1.5 durchaus die "kognitive Belastung" des Nutzers zu verringern vermag (s. T 1741/08, Entscheidungsgründe 3.2; s. auch T 1143/06, Entscheidungsgründe 3.8), ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass sie auf technische Erwägungen gestützt ist.

13.4 Gemäß den von der Beschwerdegegnerinnen in diesem Zusammenhang genannten Entscheidungen T 336/14 und T 1802/13 ist bei der Beurteilung des technischen Charakters eines Merkmals, das sich auf einen kognitiven Inhalt bezieht, der dem Benutzer einer grafischen Benutzeroberfläche angezeigt wird, hauptsächlich zu klären, ob die Benutzeroberfläche und die Darstellungsweise des kognitiven Inhalts den Nutzer durch eine ständige und geführte Mensch-Maschine-Interaktion glaubhaft bei der Ausführung einer technischen Aufgabe unterstützen (T 336/14, Entscheidungsgründe 1.2.4; T 1802/13, Entscheidungs-gründe 2.1.5). Die technische Wirkung gilt als glaubhaft erzielt, wenn die Unterstützung des Nutzers bei der Ausführung der technischen Aufgabe objektiv, zuverlässig und ursächlich mit dem Merkmal verknüpft ist. Der vorliegende Fall befasst sich jedoch nicht mit Benutzeroberflächen. Die Darstellung der Sensorwerte dient nur zur Evaluierung der Bauteilqualität (s. Merkmal 1.3 und Absätze [0007], [0022], [0027] des Patents). Ein Anhaltspunkt dafür, dass der Betrachter des zwei- oder dreidimensionalen Bildes die daraus gewonnenen Erkenntnisse gezielt und ununterbrochen zur Anpassung der Verfahrensparameter verwendet, ist nicht zu erkennen. Daher können die genannten Entscheidungen den Standpunkt der Beschwerdegegnerinnen nicht stützen.

13.5 Aus diesen Gründen kann dem Merkmal, dass die Sensorwerte "in [einer] zwei- und/oder mehrdimensionalen Darstellung bezogen auf ihren Erfassungsort im Bauteil dargestellt werden", keine technische Wirkung zugesprochen werden, sodass es bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit keine Berücksichtigung findet (vgl. den auf die Entscheidung T 641/00 zurückgehenden Comvik-Ansatz; ABl. EPA 2003, 352).

14. Da das Dokument E1.3 eine Visualisierungseinrichtung offenbart (siehe Punkt 8. oben), lauten die relevanten Unterscheidungsmerkmale wie folgt:

- "[1.4] wobei die zur Evaluierung der Bauteilqualität erfassten Sensorwerte zusammen mit den die Sensor-Werte im Bauteil (1) lokalisierenden Koordinatenwerten abgespeichert [werden] und"

- "[1.6] wobei eine Koordinatenzuordnung der Sensorwerte über Scannerdaten erfolgt".

c) Objektive technische Aufgabe

15. Die technische Wirkung der Unterscheidungsmerkmale besteht darin, dass die Sensorwerte einfacher ausgewertet werden können. Dementsprechend ist die objektive technische Aufgabe der Erfindung darin zu sehen, eine einfachere Auswertung der Sensorwerte vorzusehen (vgl. Absatz [0006] des Patents).

d) Naheliegen

16. In den Diagrammen der Figuren 7, 9 und der Tabelle 1 des Dokuments E1.3 werden die Sensorwerte in Abhängigkeit von der Zeit bzw. von den Abtastnummern dargestellt. Daraus geht die Position, an der die Sensorwerte im Bauteil erfasst worden sind, nicht eindeutig hervor. Zwar stellt die Kennzeichnung einzelner Bauteilbereiche A, B und C in Figur 9 einen minimalen Bezug zwischen den Sensorwerten und der Geometrie des Bauteils her. Der räumliche Zusammenhang zwischen den verschiedenen Sensorwerten bleibt allerdings schwer erkennbar. Für einen Fachmann im Bereich der additiven Fertigung wäre es daher offensichtlich gewesen, die gestellte Aufgabe zu lösen, indem die Sensorwerte stattdessen in Funktion der Position in der X-Y-Ebene, an der sie von der Fotodiode oder der CMOS-Kamera erfasst worden sind, dargestellt werden.

17. Dass es grundsätzlich verschiedene Varianten gibt, um Sensorwerte mit ihrem Erfassungsort entsprechenden Koordinatenwerten zu verknüpfen, wird nicht angezweifelt. Im Fall des aus dem Dokument E1.3 bekannten Verfahrens ist jedoch hervorzuheben, dass es eine sogenannte koaxiale Gestaltung des Überwachungs-systems ("coaxial optical monitoring system", s. Abschnitt 4 auf Seite 524) anwendet. In dem Bild in Figur 2 ist zu erkennen, dass die vom Laser 3 erzeugte Strahlung in dem Bereich zwischen dem halbreflektier-enden Spiegel 5 und dem Scanner 4 koaxial zu der optischen Achse der CMOS-Kamera 2 und der über einen Strahlenteiler 6 ebenfalls angestrahlten Fotodiode 1 verläuft. Die optische Strahlung zur Überwachung des Schmelzbereichs gelangt deshalb über dieselbe Fokussieroptik zu den Sensorvorrichtungen, über die der Laserstrahl auf die zu verfestigende Pulverschicht umgelenkt wird. Dieses Verständnis stützt sich ferner auf die Beschreibung der Figur 2 in Abschnitt 2 auf Seite 521, wonach die Kamera und die Fotodiode das Verfahren über die Strahlumlenkungseinheit überwachen ("the camera and photodiode look at the process through the beam deflection unit"). Die koaxiale Gestaltung des Überwachungssystems hat zur Folge, dass sich das Beobachtungsgebiet der Fotodiode 1 und der CMOS-Kamera 2 im Dokument E1.3 gleichzeitig mit dem Abtastort des Laserstrahls über die zu verfestigende Pulverschicht bewegt. Folglich hängt die Position der Datenpunkte des in einem Abtastort erfassten Schmelzbereichs direkt mit der vom Scanner bestimmten Position des Abtastorts zusammen.

18. Es gehörte zum Zeitrang des Patents für einen Fachmann im Bereich der additiven Fertigung zum allgemeinen Fachwissen, für das durch die CAD-Daten festgelegte geometrische Modell des Bauteils zu seiner Herstellung im Laserschmelzverfahren den Verfahrweg des Laserstrahls in Form von sogenannten Vektoren (s. "Laservektor [n]" in Absatz [0028] des Patents) zu berechnen. Anhand dieser Vektoren wird dann der Scanner derart gesteuert, dass der Laserstrahl die für jede Schicht berechneten, fest im Raum definierten Bahnen zwischen den einzelnen Abtastorten abfährt.

19. Vor diesem Hintergrund lag es für den Fachmann ausgehend vom Dokument E1.3 auf der Hand, die zur Steuerung des Scanners vorhandenen Koordinatenwerte der einzelnen Abtastorte den jeweils an diesen Stellen erfassten Sensorwerten zuzuordnen und so die Position der Sensorwerte im Bauteil in einer zwei- oder dreidimensionalen Darstellung zu veranschaulichen. Die Lösung gemäß den Merkmalen 1.4 und 1.6 ist daher ausgehend vom Dokument E1.3 unter Berücksichtigung des allgemeines Fachwissens nahegelegt.

20. Das Argument der Beschwerdegegnerinnen, dass die Berücksichtigung von CAD-Daten des herzustellenden Bauteils nicht zu einer Korrelation von Sensorwerten mit Koordinatenwerten im Bauteil geführt hätte, hat die Kammer nicht überzeugt. Es mag zwar sein, dass die CAD-Daten bei der additiven Fertigung üblicherweise durch Tesselierung in ein die Oberfläche des Bauteils definierendes STL-Datenformat umgewandelt werden. Allerdings war es zum Zeitrang des Patents bei additiven Verfahren fachüblich, ausgehend von dem durch Tesselierung erzeugten digitalen Gitternetz die Geometrie des Bauteils schichtweise zu bestimmen. Vorliegend stehen der Laserschmelzvorrichtung nach Dokument E1.3 also notwendigerweise sowohl Informationen bezüglich der Außenoberfläche als auch der Innenstruktur des Bauteils zur Verfügung.

21. Auch der Sichtweise der Beschwerdegegnerinnen, dass die Verknüpfung der Sensorwerte mit Koordinatenwerten einen Algorithmus voraussetze, der mangels Angabe des für den Laserschmelzvorgang entscheidenden Startpunkts dem Fachmann nicht ohne Weiteres zuzumuten gewesen wäre, kann sich die Kammer nicht anschließen. Für den erfolgreichen Ablauf des Laserschmelzverfahrens ist es unerlässlich, dass dem Scanner die Position jedes einzelnen Abtastorts in der zu verfestigenden Schichten bekannt ist. Alleine schon deshalb ist das Argument, dass der Algorithmus eine Reihe an aufwändigen Umrechnungsschritten erfordere, nicht schlüssig. Wie oben dargelegt werden diese Positionsdaten üblicherweise in Form von Vektoren bei der Steuerung des Scanners eingesetzt. Dazu haben die Beschwerdeführerinnen überzeugend vorgetragen, dass die in Figur 8 des Dokuments E1.3 eingezeichneten Pfeile einen direkten Hinweis darauf liefern, dass die entweder parallel oder senkrecht zum Überhang verlaufenden Scanspuren durch unterschiedliche Vektoren, jeweils mit Start- und Endpunkt, gesteuert werden. Start- und Endpunkt des Abtastvorgangs sind demnach für jede Schicht bekannt. Ansonsten wäre die additive Fertigung des Bauteils nicht möglich.

22. Damit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ. Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.

Hilfsanträge VIII, IX und X

23. Anspruch 1 des im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 14. Dezember 2017 eingereichten Hilfsantrags VIII weist nicht das Merkmal 1.6 auf. Außerdem enthält Hilfsantrag VIII im Gegensatz zu dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag VII einen unabhängigen Verwendungsanspruch 14.

24. Ähnliches gilt bezüglich des Anspruchs 1 jedes der im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 30. Januar 2018 eingereichten Hilfsanträge IX und X. In den jeweiligen Ansprüchen 15 dieser Hilfsanträge wird zusätzlich eine Verwendung beansprucht.

25. Aufgrund der im Vergleich zu der der Zwischen­entscheidung zugrunde liegenden Fassung vorgenommenen Streichung des einschränkenden Merkmals betreffend die Scannerdaten in Anspruch 1 und der Hinzufügung eines unabhängigen Verwendungsanspruchs verstoßen die Hilfsanträge VIII, IX und X gegen das Verschlechterungsverbot (reformatio in peius) gemäß der Entscheidung G 9/92 (ABl. EPA 1994, 875). Demnach ist ein Patentinhaber, der in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrecht­erhaltung des Patents in geändertem Umfang nur Verfahrens-beteiligter nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ ist, primär darauf beschränkt, das Patent in der Fassung zu verteidigen, die die Einspruchsabteilung ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegt hat. Vom nicht-beschwerdeführenden Patentinhaber im Beschwerde-verfahren eingereichte Änderungen, welche die Lage des alleinigen beschwerdeführenden Einsprechenden verschlechtern, werden demnach in der Regel von der Kammer abgelehnt. Dies ist vorliegend der Fall.

Im Übrigen sieht die Kammer keinen Grund, der im vorliegenden Fall eine Ausnahme vom Verschlechterungs­verbot rechtfertigen könnte (s. die Entscheidung G 1/99, ABl. EPA 2001, 381). Ein solcher wurde von den Beschwerdegegnerinnen auch nicht geltend gemacht.

26. Aufgrund des Verstoßes gegen das Verschlechterungs-verbot sind die Hilfsanträge VIII bis X unzulässig.

Hilfsantrag XI - Zulassung

27. Es wurde beantragt, den mit der Beschwerdeerwiderung vom 25. Juli 2019 eingereichten Hilfsantrag XI nicht ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.

28. Nach Artikel 12 (4) VOBK 2007, der gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020 vorliegend anwendbar ist, berücksichtigt die Kammer grundsätzlich das gesamte Vorbringen der Beteiligten nach Artikel 12 (1) VOBK 2007, wenn und soweit es sich auf die Beschwerdesache bezieht und die Erfordernisse des Artikels 12 (2) VOBK 2007 erfüllt. Nur das Nicht-Zulassen von Tatsachen, Beweismitteln oder Anträgen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können, aber nicht vorgebracht worden sind, oder dort nicht zugelassen worden sind, wird in Artikel 12 (4) VOBK 2007 ausdrücklich ins Ermessen der Kammer gestellt.

29. Nachdem in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung weder dem Antrag auf Zurückweisung der Einsprüche noch den Hilfsanträgen I bis VI stattgegeben worden war, wurde zum ersten Mal im Rahmen des Hilfsantrags VII die Frage der Auslegung des Begriffs "Scannerdaten" im Hinblick auf den zitierten Stand der Technik diskutiert (siehe Punkt 4.17 ff der Niederschrift über die mündliche Verhandlung). Die Beschwerdegegnerinnen reichten anschließend einen geänderten Hilfsantrag VII ein, aufgrund dessen die Einspruchsabteilung zu ihrer Zwischenentscheidung gelangte. Die Beschwerdegegnerinnen hatten daher keinen Anlass, während der mündlichen Verhandlung einen weiteren Hilfsantrag einzureichen, der der Auffassung der Gegenseite bezüglich der Auslegung des Begriffs "Scannerdaten" Rechnung getragen hätte. Da die Auslegung dieses Begriffs durch die Einspruchsabteilung mit den Beschwerdebegründungen der beiden Beschwerde­führerinnen in Frage gestellt wurde, stellt die Einreichung des neuen Hilfsantrags XI zusammen mit der Beschwerdeerwiderung eine unmittelbare Reaktion auf die Kritik der Beschwerdeführerinnen an der Auslegung des Begriffs "Scannerdaten" durch die Einspruchsabteilung dar. Folglich wurde der Hilfsantrag XI zum frühest­möglichen Zeit­punkt gestellt.

30. Damit ist die Kammer zur Auffassung gelangt, dass sie gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 keine Befugnis hat, den Hilfsantrag XI nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

Hilfsantrag XI - Erfinderische Tätigkeit

31. Die einzige Änderung in Anspruch 1 des Hilfsantrags XI im Vergleich zu dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag VII (entsprechend dem vorliegenden Hauptantrag) besteht darin, dass der Begriff "Scannerdaten" in Merkmal 1.6 durch den Ausdruck "Steuerdaten eines Scanners" ersetzt worden ist (s. Punkt IX. oben).

32. Bei der Beurteilung des Vorliegens erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf den vorliegenden Hauptantrag ist die Kammer zum Schluss gelangt, dass es für den Fachmann ausgehend vom Dokument E1.3 auf der Hand gelegen hätte, die zur Steuerung des Scanners vorhandenen Koordinatenwerte der einzelnen Abtastorte den jeweils dort erfassten Sensorwerten zuzuordnen (s. Punkt 19. oben). Diese Schlussfolgerung gilt gleichermaßen für den Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags XI. Es ist für die Kammer deshalb nicht ersichtlich, dass der Mangel an erfinderischer Tätigkeit durch das geänderte Merkmal 1.6 ausgeräumt wird.

33. Folglich beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag XI nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Hilfsantrag XI ist daher nicht gewährbar.

Ergebnis

34. Da keine gewährbare Fassung vorliegt, die als Grundlage für die Aufrechterhaltung des Patents dienen könnte, ist das Patent zu widerrufen (Artikel 101 (2) EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

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