J 0013/19 (Berechtigung zur Zahlung der ermäßigten Beschwerdegebühr) of 3.1.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:J001319.20230103
Datum der Entscheidung: 03 Januar 2023
Aktenzeichen: J 0013/19
Anmeldenummer: 14161303.4
IPC-Klasse: G02B 21/00
G02B 27/58
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Lichtmikroskop und Verfahren zum Untersuchen einer mikroskopischen Probe
Name des Anmelders: Carl Zeiss Microscopy GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.1.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 108
European Patent Convention R 6
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 015(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(8)
Rules relating to fees Art 2(1)Nr.11
Rules relating to fees Art 8
Schlagwörter: Entscheidung im schriftlichen Verfahren
Berechtigung zur Zahlung der ermäßigten Beschwerdegebühr (nein)
Beschwerdegbühr nicht vollständig entrichtet - Beschwerde gilt als nicht eingelegt
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/18
T 3023/18
T 0225/19
T 1222/19
T 1474/19
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die am 24. Juli 2019 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Prüfungsabteilung über die Feststellung, dass der Inhalt der Mitteilung nach Regel 112 (1) EPÜ vom 12. Mai 2015 richtig sei, und über die Zurückweisung des Antrags vom 10. Juli 2015 auf Erstattung einer der zwei entrichteten Weiterbehandlungsgebühren.

II. Gegen diese Entscheidung reichte die Anmelderin am 2. Oktober 2019 auf dem elektronischen Weg Beschwerde ein. Der Beschwerdeschrift war ein ausgefülltes EPA-Formblatt 1038E "Begleitschreiben für nachgereichte Unterlagen" beigefügt. Im Feld "Gebühren" hieß es: "11e Beschwerdegebühr für eine Beschwerde, die von einer natürlichen Person oder einer in Regel 6 (4) und (5) EPÜ genannten Einheit eingelegt wird". Als "Zu zahlender Betrag" wurde "1 880.00 EUR" angegeben. Im Feld "Zahlungsart" hieß es: "Hiermit wird das Europäische Patentamt ermächtigt, die auf der Seite 'Gebühren' angegebenen Gebühren und Auslagen vom nachstehenden laufenden Konto beim EPA abzubuchen." In der Beschwerdeschrift steht: "Die fällige Beschwerdegebühr soll von unserem EPA-Konto [...] abgebucht werden."

III. Die Beschwerdebegründung wurde am 3. Dezember 2019 eingereicht. In ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin (Anmelderin),

"- festzustellen, dass die Mitteilung nach

Regel 112 (1) EPÜ vom 12. Mai 2015 nicht zutrifft,

- die Zwischenentscheidung nach Regel 112 (2) EPÜ vom

24. Juli 2019 aufzuheben,

- eine Weiterbehandlungsgebühr zu erstatten und

- die Beschwerdegebühr zu erstatten."

Für den Fall, dass einer der obigen Anträge im schriftlichen Verfahren zumindest teilweise nicht gewährt wird, wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.

IV. In einer Mitteilung der Prüfungsabteilung nach Regel 112 (1) EPÜ vom 24. Juni 2020 wurde festgestellt, dass die europäische Anmeldung nach Regel 71 (7) EPÜ als zurückgenommen gilt. Im Verfahren vor der Prüfungsabteilung wurde von der Beschwerdeführerin weder eine Entscheidung nach Regel 112 (2) EPÜ noch die Weiterbehandlung der Anmeldung nach Artikel 121 EPÜ beantragt.

V. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer erging am 13. September 2022. In einer Mitteilung vom 22. September 2022 gemäß Artikel 15 (1) der revidierten Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020, siehe ABl. EPA 2021, A35) teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige, nicht bindende Auffassung mit, die wie folgt zusammengefasst werden kann:

- Die Beschwerde könne nicht als erledigt angesehen werden, auch wenn die europäische Patentanmeldung als zurückgenommen gelte.

- Die Kammer habe begründete Zweifel, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Einheit nach Regel 6 (4) a), (5) EPÜ handele und deshalb werde die Beschwerdeführerin aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung der Mitteilung einen entsprechenden Nachweis einzureichen.

- Sollte die Beschwerdeführerin keine Einheit i.S.v. Regel 6 (4) a), (5) EPÜ sein, hätte sie eine Beschwerdegebühr in Höhe von 2 255 EUR entrichten müssen. Die Rechtsfolge für die Entrichtung einer Beschwerdegebühr in zu geringer Höhe wäre in Anwendung der Stellungnahme G 1/18 (ABl. EPA 2020, A26), dass die Beschwerde als nicht eingelegt gelte (mit der Konsequenz, dass die gezahlte Beschwerdegebühr in voller Höhe zurückzuerstatten wäre).

- Sollte die Beschwerdeführerin sich auf die Entscheidung T 1474/19 stützen wollen oder einen Berichtigungsantrag nach Regel 139 EPÜ stellen wollen, so sollte von ihr ein Nachweis, dass das laufende Konto an dem Tag, an dem das EPA den Abbuchungsauftrag erhalten habe, ausreichend gedeckt gewesen sei, innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung der Mitteilung eingereicht werden.

- Sollte die Kammer in der mündlichen Verhandlung zu dem Schluss gelangen, dass im vorliegenden Fall eine zulässige Beschwerde vorliege, so sei die Beschwerde unbegründet, da die einzelnen in Regel 70 (2) EPÜ und Regel 70a (2) EPÜ geforderten Handlungen keinen einheitlichen Verfahrensschritt bildeten, sondern rechtlich selbständige Erfordernisse seien, die unabhängigen Fristen unterlägen, auch wenn diese durch den Verweis in Regel 70a (2) EPÜ auf die Frist nach Regel 70 (2) EPÜ zusammenfallen könnten.

VI. Mit Schreiben vom 14. Oktober 2022 teilte die Beschwerdeführerin nur mit, dass sie keine Einheit nach Regel 6 (4) a), (5) EPÜ sei und dass sie an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde. Außerdem nahm sie ihren Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung zurück.

VII. Der für den 22. Dezember 2022 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung wurde aufgehoben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerdeführerin hat ihren hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung (Artikel 116 (1) EPÜ) zurückgenommen (siehe Punkt VII oben). Die Beschwerdesache ist auf der Grundlage der zu überprüfenden angefochtenen Entscheidung und des vorliegenden schriftlichen Vorbringens der Beschwerdeführerin unter Wahrung ihrer Rechte gemäß Artikel 113 und 116 EPÜ entscheidungsreif (Artikel 15 (3) VOBK 2020).

Daher kann im vorliegenden Fall die Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020 ergehen.

2. Auswirkung der Rücknahmefiktion der Anmeldung

Die vorliegende Patentanmeldung gilt als zurückgenommen (siehe Punkt IV oben).

Gilt eine europäische Patentanmeldung nach Einlegung einer zulässigen Beschwerde gegen die Entscheidung, diese Anmeldung zurückzuweisen, schließlich als zurückgenommen, so ist die Beschwerde in der Regel als erledigt anzusehen, weil keine Möglichkeit besteht, ein europäisches Patent für die Anmeldung zu erteilen. Zielt die Beschwerde jedoch wie im vorliegenden Fall einzig und allein darauf ab, überprüfen zu lassen, ob die Zurückweisung des Antrags auf Erstattung einer der beiden entrichteten Weiterbehandlungsgebühren zu Recht erfolgt ist, so kann mit der Beschwerde nicht auf diese Weise verfahren werden. In diesem Fall hat die Beschwerdeführerin ein berechtigtes Interesse am Erlass einer Entscheidung über die Begründetheit ihrer Beschwerde.

3. Beschwerdegebühr

Nach Artikel 108 Satz 1 EPÜ muss die Beschwerde nach Maßgabe der Ausführungsordnung innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung eingelegt werden. Eine Beschwerde gilt erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet wurde (Artikel 108 Satz 2 EPÜ). Die Zahlungsfrist gilt grundsätzlich nur dann als gewahrt, wenn die Gebühr in voller Höhe fristgerecht entrichtet worden ist (Artikel 8 Satz 1 der Gebührenordnung (GebO)). Eine Unterschreitung um einen geringfügigen Betrag kann unter bestimmten Umständen unberücksichtigt bleiben (Artikel 8 Satz 4 GebO). Wird die Beschwerdegebühr erst nach Ablauf der zweimonatigen Frist für die Einreichung der Beschwerdeschrift gezahlt, so gilt die Beschwerde als nicht eingelegt (vgl. G 1/18, ABl. EPA 2020, A26).

4. Berechtigung zur Zahlung der ermäßigten Beschwerdegebühr

Gemäß Artikel 1 (4) des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 13. Dezember 2017, CA/D 17/17 (ABl. EPA 2018, A4), wurde Artikel 2 (1) Nr. 11 GebO dahingehend geändert, dass die Beschwerdegebühr für eine von einer natürlichen Person oder einer in Regel 6 (4) und (5) EPÜ genannten Einheit (ein kleines oder mittleres Unternehmen (KMU), eine Organisation ohne Gewinnerzielungsabsicht oder eine Hochschule oder eine öffentliche Forschungseinrichtung) eingelegte Beschwerde auf 1 880 EUR und für eine von einer sonstigen Einheit eingelegte Beschwerde auf 2 255 EUR festgesetzt wurde. Dies galt für Beschwerden, die ab dem 1. April 2018 (Artikel 3 (4) des Beschlusses CA/D 17/17) und vor dem 1. April 2020 (siehe Artikel 1 und Artikel 4 des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 12. Dezember 2019, CA/D 12/19 (ABl. EPA 2020, A3)) eingereicht wurden. Daher gilt dies auch für den vorliegenden Fall, in dem die Beschwerde am 2. Oktober 2019 eingereicht wurde.

4.1 Erklärung nach Nr. 3 und 4 der Mitteilung des EPA vom 18. Dezember 2017 über die ermäßigte Beschwerdegebühr (ABl. EPA 2018, A5; nachfolgend "Mitteilung")

Nach Nr. 3 der Mitteilung müssen Beschwerdeführer, die die ermäßigte Beschwerdegebühr in Anspruch nehmen wollen, ausdrücklich erklären, dass sie - im vorliegenden Fall allein relevant - eine Einheit im Sinne von Regel 6 (4) EPÜ sind. Nach Nr. 4 der Mitteilung muss die Erklärung spätestens zum Zeitpunkt der Zahlung der ermäßigten Beschwerdegebühr eingereicht werden. Nach Nr. 11 der Mitteilung gilt die Beschwerde unter Umständen als nicht eingelegt bzw. unzulässig, wenn die ermäßigte Gebühr ohne eine solche Erklärung entrichtet wird.

4.2 Im vorliegenden Fall lag bei Entrichtung der Beschwerdegebühr eine Erklärung gemäß Nr. 3 und 4 der Mitteilung nicht vor. Die Kammer schließt sich jedoch der in der Entscheidung T 225/19 vertretenen Auffassung an, dass eine Beschwerde nicht schon deshalb als nicht eingelegt gilt, weil eine in Nr. 3 und 4 der Mitteilung vorgesehene ausdrückliche Erklärung, eine Person oder Einheit im Sinne von Regel 6 (4) EPÜ zu sein, nicht im Zeitpunkt der mittels Abbuchungsauftrag erfolgten Zahlung der ermäßigten Beschwerdegebühr abgegeben worden ist (siehe T 225/19, Punkt 2.4 bis 2.7 der Entscheidungsgründe mit weiteren Nachweisen).

4.3 Auch wenn eine Erklärung nach Nr. 3 und 4 der Mitteilung jedenfalls nicht schon bei Zahlung der ermäßigten Beschwerdegebühr verlangt werden kann, ist die Kammer jedoch befugt und verpflichtet, die Voraussetzungen für die Zulässigkeit und wirksame Einlegung der vorliegenden Beschwerde in jedem Verfahrensstadium, also auch nach Ablauf der Beschwerdefrist, zu prüfen. Diese Befugnis umfasst auch die Frage, ob die Beschwerdeführerin im Falle der Zahlung der ermäßigten Beschwerdegebühr nach Artikel 2 (1) Nr. 11 GebO die Voraussetzungen nach Regel 6 (4) EPÜ erfüllt. Dabei entspricht es der Praxis der Beschwerdekammern, eine Erklärung und entsprechende Belege zum Nachweis der Voraussetzungen nach Regel 6 (4) EPÜ auch noch nach Ablauf der Beschwerdefrist im Laufe des Beschwerdeverfahrens zu akzeptieren (vgl. z.B. T 3023/18, Punkt 6 der Entscheidungsgründe mit Hinweis auf T 1222/19, Punkt III).

Deshalb hat die Kammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 die Beschwerdeführerin aufgefordert, innerhalb einer zweimonatigen Frist einen entsprechenden Nachweis einzureichen.

4.4 Die Beschwerdeführerin erklärte daraufhin in ihrem Antwortschreiben, dass sie keine Einheit nach Regel 6 (4) a), (5) EPÜ sei (siehe Punkt VI oben).

Folglich war die Beschwerdeführerin nicht zur Zahlung der ermäßigten Beschwerdegebühr in Höhe von 1 880 EUR berechtigt und sie hätte die volle Beschwerdegebühr in Höhe von 2 255 EUR entrichten müssen.

5. Wenn nur die ermäßigte, nicht aber die erforderliche volle Beschwerdegebühr fristgerecht gezahlt wurde, dann gilt grundsätzlich die Zahlungsfrist nach Artikel 108 Satz 1 und 2 EPÜ als nicht gewahrt (Artikel 8 Satz 1 GebO). Da vorliegend unberechtigterweise nur die ermäßigte anstatt der vollen Beschwerdegebühr entrichtet wurde, gilt die Beschwerdegebühr als nicht fristgerecht entrichtet und damit die Beschwerde nach Artikel 108 Satz 2 EPÜ als nicht eingelegt (G 1/18, supra, Schlussfolgerung 1a und Begründung der Stellungnahme, Punkt B.IV.1, letzter Absatz), es sei denn diese Rechtsfolge kann unter gewissen Umständen abgewendet werden. Dies ist jedoch vorliegend aus den folgenden Gründen nicht der Fall:

5.1 Im vorliegenden Fall war die sechsmonatige Übergangsfrist, innerhalb derer der Mangel einer zu geringen Zahlung der Beschwerdegebühr durch nachträgliche Zahlung des Differenzbetrags geheilt werden konnte (Artikel 3 (5) des Beschlusses des Verwaltungsrats CA/D 17/17), zum Zeitpunkt der Einreichung der vorliegenden Beschwerde bereits abgelaufen.

5.2 Der Differenzbetrag i.H.v. 375 EUR ist kein geringfügiger Betrag i.S.v. Artikel 8 Satz 4 GebO.

5.3 Die Beschwerdeführerin hat sich weder auf die Entscheidung T 1474/19 oder eine andere Rechtsprechung gestützt noch einen Berichtigungsantrag nach Regel 139 EPÜ gestellt. Außerdem hat sie keinen Nachweis innerhalb der von der Kammer gesetzten Zweimonatsfrist eingereicht, der belegt, dass das laufende Konto an dem Tag, an dem das EPA den Abbuchungsauftrag erhalten hat, ausreichend gedeckt war.

6. Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Beschwerdeführerin innerhalb der Frist nach Artikel 108 Satz 1 EPÜ eine Beschwerdegebühr in zu geringer Höhe und damit nicht fristgerecht gezahlt hat, und dass deshalb die Beschwerde als nicht eingelegt gilt. Unter diesen Umständen ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von 1 880 EUR anzuordnen (Artikel 8 Satz 2 GebO).

7. Da die Beschwerde als nicht eingelegt gilt, kann die angefochtene Entscheidung von der Kammer nicht überprüft werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gilt als nicht

eingelegt.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von

1 880 EUR wird angeordnet.

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