T 2520/18 () of 11.1.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T252018.20220111
Datum der Entscheidung: 11 Januar 2022
Aktenzeichen: T 2520/18
Anmeldenummer: 06023189.1
IPC-Klasse: E04F 10/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Stützvorrichtung zum Abstützen eines Wickelballens, insbesondere eines Markisentuchballens
Name des Anmelders: Weinor GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: WAREMA Renkhoff SE
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1018/02
T 0431/03
T 1395/07
T 0197/10
T 1456/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 1 835 089 (im Folgenden: das Patent) betrifft eine Stützvorrichtung zum Abstützen eines Wickelballens, insbesondere eines Markisentuchballens.

II. In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung festgestellt, dass der Einspruchsgrund laut Artikel 100(a) und 54(2) EPÜ der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegensteht, und dass unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen gemäß Hilfsantrag 2 das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.

III. Gegen diese Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung haben sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende Beschwerde eingelegt. Da beide Beteiligte Beschwerdeführerinnen sind, werden beide Beteiligten der Einfachheit halber weiterhin als Patentinhaberin und Einsprechende bezeichnet.

IV. Anträge

Die Patentinhaberin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten, hilfsweise, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen, und weiter hilfsweise, das Patent in eingeschränkter Fassung auf der Grundlage des Hilfsantrags 3, eingereicht mit Schreiben vom 25. März 2021, aufrechtzuerhalten.

Die Einsprechende beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen. Außerdem beantragte die Einsprechende, Hilfsantrag 3 nicht in das Verfahren zuzulassen.

V. Erteilter Anspruch 1 (mit hinzugefügter Merkmalsauflistung M1.1 bis M1.6) lautet:

M1.1 |Beschattungs- und/oder Sichtschutzvorrichtung (10), insbesondere Markise, |

M1.2 |mit einer Wickelwelle (13) zum Aufwickeln eines flächigen Beschattungselementes (18) zu einem Wickelballen (14), insbesondere eines Markisentuches, |

M1.2.1|das von der Wickelwelle (13) abwickelbar ist, wobei |

M1.3 |die Wickelwelle (13) in Abwickelrichtung (25) vor- und zurückbewegbar ist und wobei |

M1.4 |die Beschattungs- und/oder Sichtschutzvorrichtung (10) eine den Wickelballen (14) abstützende Stützvorrichtung (30, 50) aufweist, dadurch gekennzeichnet,|

M1.5 |dass die Stützvorrichtung (30, 50) eine Stützfläche (29, 51) mit zumindest einer reibungsmindernden Einlage (54, 291) und/oder Auflage aufweist, wobei |

M1.6 |die Einlage(n) (54, 291) und/oder Auflage(n) formschlüssig in entsprechenden Ausnehmungen der Stützfläche (29, 51) einliegen. |

VI. Die Hilfsanträge haben für die vorliegende Entscheidung keine Rolle gespielt.

VII. Stand der Technik

Die Beteiligten wiesen auf den folgenden Stand der Technik hin, der rechtzeitig während des Einspruchsverfahrens eingereicht wurde:

D2:|EP 1 416 102 A2 |

D3:|EP 0 745 742 A2 |

V6:|Ersatzteilliste zur Markise Typ 880 (25. Juni 2004)|

VIII. Die Patentinhaberin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

a) Hauptantrag, Neuheit

Die Merkmale M1.3 (vor- und zurückbewegbare Wickelwelle), M1.5 (reibungsmindernde Einlage und/oder Auflage) und M1.6 (Einlage(n) und/oder Auflage(n) formschlüssig in entsprechenden Ausnehmungen einliegend) seien in D2 nicht offenbart.

Absatz [0017] von D2 offenbare, dass die Wickelwelle an der Mitte ihrer Länge im aufgewickelten Zustand ausgebogen werde, um den Kontakt zwischen der Wickelwelle und der Stützvorrichtung während des Abwickelns zu gewährleisten. Somit sei eine gelenkige Anordnung der Wickelwelle in D2 nicht notwendig und weder explizit noch implizit offenbart.

D2 offenbare zwei Ausführungsbeispiele. Das erste Ausführungsbeispiel (Abbildungen 2 und 3) betreffe eine Stützvorrichtung aus einem reibungsmindernden Material (PTFE), weise aber keine Einlage oder Auflage im Sinne von Anspruch 1 auf. Das zweite Ausführungsbeispiel (Abbildung 7) enthalte dagegen Rollenlager, die in die Struktur der Stützvorrichtung integriert seien. Diese Rollenlager könnten jedoch nicht als Einlage oder Auflage im Sinne von Anspruch 1 bezeichnet werden. In Spalte 3, Zeilen 37 bis 44, sei zwar offenbart, dass eine beliebige Anzahl von Rollenlagern vorgesehen werden könne, und dass diese Rollenlager durch Kugellager oder eine reibungsarme Oberfläche wie in den anderen Ausführungsbeispielen ersetzt werden könnten. Eine solche Ersetzung impliziere jedoch keineswegs Einlagen aus PTFE, sondern eine ganze aus einem reibungsmindernden Material (z.B. PTFE) ausgeführte Oberfläche, wie in den Abbildungen 2 und 3. Insbesondere führe diese Ersetzung nicht zu reibungsmindernden Ein- oder Auflagen, die formschlüssig in entsprechenden Ausnehmungen einer Stützfläche einliegen.

Anspruch 1 und dessen Merkmal M1.6 seien für den Fachmann klar und müssten bei der Beurteilung der Patentfähigkeit berücksichtigt werden. Das Merkmal M1.6 könne dabei nur als begrenzendes Merkmal interpretiert werden, und stelle keine optionale Alternative dar. Dies stehe in Einklang auch mit dem Ausführungsbeispiel gemäß Abbildung 2 des angegriffenen Patents, bei dem die Einlagen (291) in Nuten der Stützfläche (29) zur Sicherung gegen ihre Ablösung eingelegt seien. Die Erfordernisse des Merkmals 1.6 seien somit auch in diesem Ausführungsbeispiel erfüllt.

b) Hauptantrag, erfinderische Tätigkeit

Keines der Dokumente im Stand der Technik offenbare oder lege das Merkmal M1.6 nahe. V6 offenbare keine Ausnehmung auf der Stützfläche des Gleitschutzes (5.3), und D2 enthalte auch keinen Hinweis in diese Richtung. Auch eine Kombination der vorgelegten Dokumente führe daher nicht zur beanspruchten Erfindung.

IX. Die Einsprechende argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

a) Hauptantrag, Neuheit

Dokument D2 offenbare entgegen der Ansicht der Patentinhaberin auch die Merkmale M1.3, M1.5 und M1.6.

Der Fachmann würde das Merkmal M1.3 (vor- und zurückbewegbare Wickelwelle) in D2 mitlesen, da eine gelenkige Anordnung der zwei Teile der Halterungen (18) für die Abstützung des Wickelballens auf der Stützvorrichtung (10) erforderlich sei. Die Durchbiegung des Wickelballens, die in Absatz [0017] offenbart werde, stehe dazu nicht in Widerspruch.

Bezüglich der Merkmale M1.5 und M1.6 offenbare Absatz [0020] von D2 explizit eine Stützoberfläche ("single curved support surface 40") mit Rollen- oder Kugellagern zur Verringerung der Reibung. Gemäß Zeilen 41 ff könnten die Rollenlager (42) dabei durch reibungsarme Elemente aus PTFE ersetzt werden. Diese PTFE Elemente würden dann in den bereits vorhandenen Ausnehmungen der Stützfläche 40 einliegen, so dass sich in formschlüssigen Ausnehmungen der Stützfläche einliegende Einlagen wie in den Merkmalen M1.5 und M1.6 ergäben.

Außerdem sei das Merkmal M1.6 lediglich als optionale Alternative auszulegen, da das angegriffene Patent explizit Ausführungsformen offenbare, die dieses Merkmal nicht enthielten. So beschreibe Absatz [0011] eine Ausführungsform mit einer großflächigen reibungsmindernden Auflage ohne jedes Einliegen in entsprechenden Ausnehmungen der Stützfläche. Auch das Ausführungsbeispiel der Abbildung 2 des Patents offenbare kein formschlüssiges Einliegen der Filzstreifen (291). Um eine Ablösung zu vermeiden, offenbarten die Absätze [0013] und [0014] verschiedene optionale Alternativen wie das Klemmen oder Aufkleben der Einlagen oder Auflagen. Dabei werde das formschlüssige Einliegen der Einlage und/oder Auflage in entsprechenden Ausnehmungen in den Absätzen [0012] und [0013] des Patents explizit als lediglich "vorzugsweise" oder "bevorzugt" und somit nicht als notwendiges Merkmal der Erfindung offenbart. Das Merkmal M1.6 müsse daher bei der Neuheitsanalyse ignoriert werden.

Weiterhin sei durch die doppelte und/oder Konstruktion der Merkmale M1.5 und M1.6 eine Lesart enthalten, in der z.B. eine Einlage (und nicht eine Auflage) gemäß M1.5 vorgesehen werde, ein Einliegen in entsprechenden Ausnehmungen gemäß Merkmal M1.6 aber lediglich für die in dieser Lesart des Merkmals M1.5 gar nicht vorhandene Auflage definiert sei. Merkmal M1.6 sei auch aus diesem Grund bei der Neuheitsprüfung nicht zu berücksichtigen.

b) Hauptantrag, erfinderische Tätigkeit

Die technische Aufgabe ausgehend von D3 sei es, durch reibungsminimierende Auflagen, die sicher an ihren Plätzen gehalten seien, die Reibung zu minimieren.

Der Fachmann würde zur Lösung dieses Problems eine Anregung in D2 oder V6 finden. D2 offenbare die Nutzung einer reibungsminimierenden PTFE-Beschichtung und V6 die Verwendung eines Gleitschutzes (5.3), der an der Stützfläche (5.1) angebracht sei. Anspruch 1 schließe nicht aus, dass die Einlage oder Auflage flächige Elemente seien. Der Fachmann wisse zudem, dass eine bekannte Lösung, um das Ablösen solcher Elemente zu vermeiden, darin bestehe, Ausnehmungen auf der Aufnahmefläche vorzusehen, um die Elemente darin einzulegen. Daher würde der Fachmann auf naheliegende Weise zur Erfindung gelangen.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Neuheit, D2

1.1 Das Dokument D2 offenbart (siehe insbesondere die Figuren 1 und 2) eine Beschattungs- und/oder Sichtschutzvorrichtung (Merkmal M1.1; "awning assembly 12") mit einer Wickelwelle ("awning roll 16") zum Aufwickeln eines flächigen Beschattungselementes ("awning 22") zu einem Wickelballen (Merkmal M1.2), das von der Wickelwelle 16 abwickelbar ist (Merkmal M1.2.1; siehe Abbildung 1), wobei die Beschattungs- und/oder Sichtschutzvorrichtung eine den Wickelballen abstützende Stützvorrichtung aufweist (Merkmal M1.4; "support 10" und "curved support surface 40", siehe Figur 7).

Die Offenbarung der oben genannten Merkmale M1.1, M1.2, M1.2.1 und M1.4 in D2 ist unstreitig.

1.2 Merkmal M1.6

1.2.1 Auslegung des Merkmals

Das Merkmal M1.6 lautet: "[wobei] die Einlage(n) und/oder Auflage(n) formschlüssig in entsprechenden Ausnehmungen der Stützfläche einliegen".

Das Merkmal M1.6 hat eine klare und eindeutige technische Bedeutung für den Fachmann, und ist nicht als optional formuliert.

Sowohl eine Einlage (d.h. ein Element, das über eine Aufnahme-Ausnehmung nicht hinausragt), als auch eine Auflage (d.h. ein Element, das über eine Aufnahme-Ausnehmung hinausragt) kann formschlüssig in der entsprechenden Ausnehmung angeordnet werden. Deswegen sieht der Fachmann keinen Widerspruch in Anspruch 1, sondern versteht, dass die Einlage(n) und/oder Auflage(n) in der beanspruchten Weise angeordnet sein müssen.

Die Kammer folgt hier der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern, wonach es im Falle einer klaren und eindeutigen technischen Definition in den Ansprüchen nicht notwendig ist, die Beschreibung zu konsultieren (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, II.A.6.3.1; insbesondere T 431/03, T 1018/02, T 1395/07, T 1456/14 und T 197/10).

Dabei würde der Fachmann außerdem eine Lesart des Anspruchs verwerfen, bei der in Merkmal M1.5 lediglich entweder eine Einlage oder eine Auflage definiert ist (aber nicht beide), und gleichzeitig Merkmal M1.6 so interpretiert wird, als definiere es einen Formschluss mit den Ausnehmungen der Stützfläche nur für die in der entsprechenden Lesart des Merkmals M1.5 gerade nicht vorhandene Option. Eine derartige Interpretation würde Merkmal 1.6 sinnlos machen und entspricht nicht dem fachmännischen Verständnis. Vielmehr ist für den Fachmann klar, dass Merkmal M1.6 so zu interpretieren ist, dass das Einliegen in entsprechenden Ausnehmungen für alle in Merkmal M1.5 definierte Objekte gegeben sein muss, also entweder für die Einlage, oder die Auflage, oder für beide.

Auch die Konsultation der Beschreibung stellt obige Interpretation aus folgenden Gründen nicht in Frage:

Die Einsprechende bestreitet nicht, dass das Ausführungsbeispiel der Abbildung 1 das Merkmal M1.6 aufweist. Auch die Einlagen (291) des Ausführungsbeispiel der Abbildung 2 liegen formschlüssig (siehe Abbildung 2) in Nuten (d.h. Ausnehmungen) der Stützfläche (29). Beide Ausführungsbeispiele des angegriffenen Patents verwirklichen und stützen daher das Merkmal M1.6.

Das in den Absätzen [0013] und [0014] genannte Verklemmen und/oder Verkleben kann zusätzlich zu Merkmal M1.6 vorliegen (vgl. die abhängigen Ansprüche 9 und 10). Ein Widerspruch ergibt sich dadurch nicht.

Lediglich die Formulierung "Vorzugsweise" zu Beginn des Absatzes [0012] des Patents könnte den Eindruck erwecken, dass Merkmal M1.6 lediglich optional sein könnte. Dies steht jedoch in Widerspruch zur klaren und eindeutigen Formulierung des Merkmals im Anspruch.

Der Begriff "Vorzugsweise" stammt aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung (Seite 3, zweiter Absatz), die das Merkmal M1.6 in dem abhängigen Anspruch 4 enthielt. Der Fachmann würde daher verstehen, dass dieser Teil der ursprünglichen Beschreibung, in der das Merkmal in Zusammenhang mit einem abhängigen Anspruch noch als optional dargestellt wurde, an den erteilten Anspruch 1 - dem dieses Merkmal als bindende Einschränkung hinzugefügt wurde - während des Prüfungsverfahrens wohl aus Versehen nicht angepasst wurde.

1.2.2 D2 offenbart zwei Ausführungsbeispiele in Bezug auf die Konstruktion der Stützfläche der Stützvorrichtung. Die Abbildungen 2 und 3 offenbaren eine erste Stützvorrichtung (10) mit Oberflächen (32, 34), die eine reibungsmindernde Beschichtung aufweisen bzw. die selbst aus einem reibungsmindernden Material gefertigt sind (siehe Spalte 2, Zeile 56, bis Spalte 3, Zeile 2). In diesem Ausführungsbeispiel ist von einem formschlüssigen Einliegen der reibungsmindernden Beschichtung bzw. des aus einem reibungsarmen Material gefertigten Stützelements in entsprechenden Ausnehmungen einer Stützfläche nicht die Rede.

Das zweite Ausführungsbeispiel in Abbildung 7 offenbart eine gekrümmte Stützungsvorrichtung (10"), wobei die Stützfläche durch Rollenlager bzw. Kugellager (42) bereitgestellt wird. Der einzige Kontakt zwischen dem Wickelballen (16) und der Abstützungsvorrichtung (10") in diesem Ausführungsbeispiel wird durch die Rollenlager bzw. Kugellager 42 hergestellt. Außer der Oberfläche (40) der Rollen bzw. der Kugeln ist in diesem Ausführungsbeispiel keine weitere Stützfläche offenbart, die in Berührung mit dem Wickelballen käme (siehe Abbildung 7).

1.2.3 D2 offenbart, dass die gekrümmte Oberfläche (40) der Abstützvorrichtung (10") einen Ersatz für die Stützfläche (32, 34) der ersten Stützvorrichtung 10 darstellt (siehe Spalte 3, Zeile 29 bis 32). Dieser Information entnimmt der Fachmann wegen des expliziten Verweises auf Figur 7, dass die Oberflächen der Rollenlager bzw. der Kugellager gemeinsam die einzige gekrümmte Oberfläche 40 ausbilden, als Ersatz für die aus den zwei Teilflächen 32 und 34 gebildete Stützfläche des ersten Ausführungsbeispiels. Die in Absatz [0020] genannte Stützfläche 40 ist daher - entgegen der Ansicht der Einsprechenden - keine separate, zusätzlich zu den Oberflächen der Rollen- bzw. Kugellager vorhandene Fläche, sondern wird gerade durch die Oberflächen dieser Elemente gebildet.

D2 offenbart weiterhin, dass die Rollenlager bzw. Kugellager 42 durch eine reibungsmindernde Oberfläche wie in den vorherigen Ausführungsbeispielen ersetzt werden können (siehe Spalte 3, Zeile 41 bis 44). Da die genannten vorherigen Ausführungsbeispiele nur eine reibungsmindernde Beschichtung oder eine Stützoberfläche, die selbst aus einem reibungsarmen Material gefertigt wird, betreffen (siehe vorherigen Punkt 1.2.2), sind dadurch Einlagen oder Auflagen, die formschlüssig in Ausnehmungen einliegen, nicht offenbart, auch wenn PTFE als ein mögliches Material für die Beschichtung des ersten Ausführungsbeispiels offenbart ist (siehe Spalte 2, Zeile 56 bis 58).

Die Einsprechende war der Ansicht, dass der Fachmann beim "Ersetzen" der Kugel- oder Rollenlager durch die reibungsarme Oberfläche statt der Kugeln bzw. Rollen PTFE-Elemente in die Lager-Ausnehmungen der Kugel-bzw. Rollenlager einbringen würde, und diese PTFE-Elemente dann formschlüssig in den entsprechenden Ausnehmungen der Stützfläche einlägen, wie in Merkmal M1.6 beansprucht. Diese Betrachtung ist jedoch nicht überzeugend. Ein "Ersetzen" der Kugel-bzw. Rollenlager bedeutete, dass weder die Kugeln- oder Rollen, noch die entsprechenden Lager-Ausnehmungen mehr vorhanden wären. Vielmehr wäre nach dem Ersetzen eine Oberfläche gemäß dem ersten Ausführungsbeispiel vorhanden, das - wie bereits ausgeführt - die Merkmale von M1.6 gerade nicht aufweist.

1.2.4 D2 offenbart auch nicht, dass die Rollenlager bzw. Kugellager formschlüssig in entsprechenden Ausnehmungen einer Stützfläche einliegen, da die einzige Stützfläche in dem zweiten Ausführungsbeispiel gerade durch die Oberflächen (40) der Rollen bzw. Kugeln der Rollen- bzw. Kugellager gebildet wird. Daher ist das Merkmal M1.6 nicht offenbart, selbst wenn man die Rollenlager bzw. Kugellager selbst als Einlagen bzw. Auflagen bezeichnen wollte.

1.2.5 Die Einspruchsabteilung hat in ihrer Entscheidung darauf verwiesen, dass laut Absatz [0020] von D2 "bei der Wahl eines einzigen Rollenlagers der übrige Rest der Stützvorrichtung 10" als Stützfläche 40 ausgebildet ist" (siehe Entscheidung, Seite 13, vorletzter Absatz).

Dieses Argument überzeugt ebenfalls nicht. Zwar offenbart D2, dass jede Anzahl von Rollenlagern bzw. Kugellagern gewählt werden könnte (siehe Spalte 3, Zeile 39 bis 41). Allerdings ist nicht explizit oder implizit offenbart, dass im Falle weniger oder gar nur eines einzigen Rollen- bzw. Kugellagers die Stützfläche durch zusätzliche Stützflächen zu vervollständigen wäre. Die einzige Offenbarung in D2 in Verbindung mit Rollenlagern bzw. Kugellagern betrifft eine Stützfläche, die ausschließlich durch die Oberfläche (40) dieser Elemente gebildet wird. D2 offenbart somit, dass, unabhängig von der Anzahl der Rollen- bzw. Kugellager, die Wickelwelle ausschließlich durch die Oberflächen dieser Elemente gestützt wird, selbst wenn es sich dabei um nur eine einzige Rolle bzw. eine einzige Kugel handeln sollte.

1.2.6 Angesichts der obigen Erwägungen ist das Merkmal M1.6 in D2 nicht offenbart.

1.3 Merkmal M1.3

Da das Merkmal M1.6 in D2 nicht offenbart ist, und angesichts der Tatsache, dass die Einsprechende nur Angriffe aus D3 in Bezug auf erfinderische Tätigkeit erhoben hat (wobei D3 Merkmal M1.3 unstreitig offenbart, siehe untenstehenden Punkt 2.1), kann dahingestellt bleiben, ob Merkmal M1.3 in D2 offenbart ist oder nicht.

1.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit neu in Bezug auf D2 (Artikel 54(2) EPÜ).

2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

2.1 D3 als nächstliegender Stand der Technik

Die Beteiligten stimmen darin überein, dass D3 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt.

D3 offenbart eine Markise (siehe Titel) mit einer Wickelwelle (Tuchwelle 13) zum Aufwickeln eines flächigen Beschattungselements zu einem Wickelballen (Markisentuchballen 14), das von der Wickelwelle (13) abwickelbar ist, wobei die Wickelwelle (13) in Abwickelrichtung vor- und zurückbewegbar ist (siehe Pfeile 25 und Gleitsteine 21 die sich in den Kulissenführungen 22 vor- und zurückbewegen können, vgl. Spalte 3, Zeilen 41-45 und Spalte 4, Zeilen 26 bis 38) und wobei die Markise eine den Wickelballen (14) abstützende Stützvorrichtung (Stützfläche 29) aufweist.

D3 offenbart daher die Merkmale M1.1, M1.2, M1.2.1, M1.3 und M1.4.

2.2 Unterscheidende Merkmale und technische Aufgabe

Anspruch 1 unterscheidet sich von D3 dadurch, dass die Stützvorrichtung eine Stützfläche mit zumindest einer reibungsmindernden Einlage und/oder Auflage aufweist (Merkmal M1.5), wobei die Einlage(n) und/oder Auflage(n) formschlüssig in entsprechenden Ausnehmungen der Stützfläche einliegen (Merkmal M1.6). Die Beteiligten stimmen diesen unterscheidenden Merkmalen zu.

Der technische Effekt der unterscheidenden Merkmale ist, dass die Reibung zwischen dem Wickelballen und der Stützfläche reduziert wird, während der Formschluss zwischen Einlage bzw. Auflage und entsprechenden Ausnehmungen die reibungsmindernde Auflage oder Einlage an der Stützfläche verankert.

Die von beiden Beteiligten formulierte technische Aufgabe, nämlich die Reibung zwischen Wickelballen und Stützvorrichtung zu minimieren, ohne Gefahr einer Ablösung bzw. bei einer sicheren Befestigung einer reibungsmindernden Auflage, entspricht im Wesentlichen der in der Patentschrift angegebenen Aufgabe (vgl. Absatz [0007]) und wird der weiteren Prüfung zugrunde gelegt.

2.3 Kombination mit D2 oder mit der Markise von V6

Sowohl D2 als auch die in V6 offenbarte Markise offenbaren dem Fachmann eine Lösung, wie die Reibung zwischen Stützfläche und Wickelballen reduziert werden kann.

D2 offenbart, dass eine Beschichtung aus einem reibungsmindernden Material zwischen Stützfläche und Wickelballen angeordnet werden kann (siehe Spalte 2, Zeile 56, bis Spalte 3, Zeile 2).

V6 offenbart die Anordnung eines Gleitschutzes zwischen der Stützfläche (i.e. der Lagerschale 5.1) und dem Wickelballen.

Allerdings offenbart weder D2 noch die Markise von V6 eine sichere Befestigung des Gleitschutzes bzw. einer Auflage durch Formschluss in entsprechenden Ausnehmungen der Stützfläche, wie sie das Merkmal M1.6 definiert.

Eine Kombination der Lehre der D3 mit den Lehren der D2 oder V6 führt daher nicht zum beanspruchten Gegenstand.

Die Einsprechende argumentierte, dass das Einlegen in Ausnehmungen der Aufnahmefläche eine dem Fachmann gut bekannte Lösung sei, um das Ablösen einer Auflage zu vermeiden. Dies stellt jedoch lediglich eine Behauptung dar. Entsprechende Beweismittel wurden nicht vorgelegt.

Auch würde eine solche Anpassung der Befestigung der Auflage einen zusätzlichen Schritt für den Fachmann bedeuten, der erst nach der Kombination der Lehre der D3 mit D2 bzw. der Markise von V6 in Betracht käme. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der Fachmann von den in D2 bzw. V6 gewählten Lösungen, die ja bereits eine zuverlässige Befestigung der reibungsmindernden Flächen bewirken, abweichen sollte. Insbesondere steht eine Ablösung einer reibungsmindernden Beschichtung oder eines gänzlich aus einem reibungsmindernden Material gefertigten Stützelements nicht zu befürchten. Der Gleitschutz gemäß V6 (vgl. diesbezüglich auch die Abbildung in V3) wird bereits durch hakenartige Umgreifungen verankert.

2.4 In Anbetracht des Vorstehenden beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

3. Mangels weiterer Einwände steht der Aufrechterhaltung des europäischen Patents in der erteilten Form kein Einspruchsgrund entgegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.

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