European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T250518.20210315 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 15 März 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2505/18 | ||||||||
Anmeldenummer: | 11156689.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | B41N 1/08 B22D 25/06 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Aluminiumband für lithografische Druckplattenträger mit Wasser basierenden Beschichtungen | ||||||||
Name des Anmelders: | Hydro Aluminium Rolled Products GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Novelis Inc. | ||||||||
Kammer: | 3.3.05 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Rückzahlung der Beschwerdegebühr - Rücknahme der Beschwerde Spät eingereichte Beweismittel - eingereicht mit der Beschwerdebegründung Ausreichende Offenbarung - (ja) Neuheit - Hauptantrag (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja) Mündliche Verhandlung - Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) betrifft die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass unter Berücksichtigung der von ihr vorgenommenen Änderungen das europäische Patent EP-B-2 495 106 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.
II. Die Einspruchsabteilung hatte erachtet, dass der Hauptantrag (Patent wie erteilt) nicht den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ genügte, dass aber der damalige erste Hilfsantrag die Erfordernisse des EPÜ erfüllte.
III. Unter anderem die folgenden Dokumente waren Gegenstand des Einspruchsverfahrens:
D2 |Suchergebnisse für "AETZANGRIFF" |
D3 |T.D. Burleigh, "Handbook of Aluminium, Volume 2: Alloy Production and Materials Manufacturing, Chapter 11: Corrosion of Aluminum and Its Alloys", CRC Press, 2003, 421-463|
D4 |G.F. Vander Voort, "Metallography, Principles and Practice", McGraw-Hill, 1984, 192-194 |
D5 |C.S. Barrett et al., "Structure of Metals: crystallographic methods, principles, and data", 3d edn., 1966, 208-210 |
D6 |Z. Szklarska-Smialowska, "Pitting corrosion of aluminum", Corrosion Science 41, 1999, 1743-1767 |
D7 |E. McCafferty, "Sequence of steps in the pitting of aluminum by chloride ions", Corrosion Science 45, 2003, 1421-1438 |
D8 |B.J. Wiersma, K.R. Hebert, "Observations of the Early Stages of the Pitting Corrosion of Aluminum", J. Electrochem. Soc. 138(1), 1991, 48-54 |
D9 |T.R. Beck, "Size Distribution of Etch Pits in Aluminum", Electrochimica Acta 33(10), 1988, 1321-1325 |
D10|P.L. Cabot et al., "Electrochemical Study of Aluminium Corrosion in Acid Chloride Solutions", Electrochimica Acta 36(1), 1991, 179-187 |
D13|K. Butcher et al., "Detection and Removal of Molten Salts from Molten Aluminum Alloys, Final Report For US Department of Energy", August 1999|
D14|US 5,993,728 A |
D15|US 5,145,514 A |
D17|D.G. Altenpohl, "Aluminium: Technology, Applications, and Environment, A Profile of a Modern Metal", 6th edn., 1998, 36-39, 72-73 und 190-195|
D18|US 4,301,229 |
D19|US 4,939,044 |
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IV. Mit Schriftsatz vom 24. April 2018 reichte die Einsprechende (nunmehr Beschwerdegegnerin) im Einspruchsverfahren zusätzlich die folgenden Dokumente ein:
D34 |WO 2007/045676 A1 |
D35 |EP 1 065 071 A1 |
D36 |WO 2007/115167 A2 |
D37 |EP 0 239 995 A2 |
D38 |EP 1 293 579 A2 |
D39 |R.R. Roy et al., "Inclusion Removal Kinetics During Chlorine Fluxing of Molten Aluminum", Light Metals, 2001, 991-997|
D40 |P. Le Brun, "Melt Treatment - Evolution and Perspectives", Light Metals, 2008, 59-64 |
D41 |P. Waite, "A Technical Perspective on Molten Aluminum Processing", Light Metals, 2002, 51-58 |
D42 |JP 2004-292862 A |
D42a|Englische Übersetzung von D42 |
V. Die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) hatte zunächst ebenfalls eine Beschwerde eingelegt und diese auch begründet, die Beschwerde aber nach der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
Zudem hatte sie angekündigt, nicht an der anberaumten mündlichen Verhandlung teilnehmen zu wollen.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte, dass die angefochtene Entscheidung aufgehoben und der Einspruch zurückgewiesen wird (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie, das Streitpatent auf der Basis eines von 14 mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträgen aufrechtzuerhalten.
Als ihre Beschwerde noch anhängig war, hatte die Beschwerdegegnerin beantragt, dass die angefochtene Entscheidung aufgehoben und das Patent widerrufen wird. Nach Rücknahme ihrer Beschwerde stellte die Beschwerdegegnerin als Verfahrensbeteiligte im Sinne von Artikel 107 EPÜ im Hinblick auf die Beschwerde der Patentinhaberin keine gesonderten Anträge.
VII. In einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 informierte die Kammer die Parteien über ihre vorläufige Meinung, wonach der Beschwerde wahrscheinlich stattgegeben werde.
Die Kammer teilte außerdem mit, dass unter den gegebenen Umständen die mündliche Verhandlung abgesetzt werden würde, falls sich die Parteien nicht innerhalb einer Frist von zwei Monaten dazu äußern würden.
VIII. Daraufhin bestätigte die Beschwerdeführerin, dass die mündliche Verhandlung abgesagt werden könne, falls dem Hauptantrag stattgegeben wird.
Die Beschwerdegegnerin äußerte sich dagegen nicht.
IX. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche des Patents in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
"1. Aluminiumlegierungsband für die Herstellung von Druckplattenträgern mit auf Wasser basierenden Beschichtungen, wobei das Aluminiumlegierungsband eine Dicke von maximal 0,5 mm aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass das Aluminiumlegierungs-band in einem unter Verwendung von Wasser als Schmiermittel präparierten Längsschliff Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff aufweist, deren Längserstreckung maximal 15 µm beträgt."
"6. Verwendung von aus einem Aluminiumlegierungsband nach einem der Ansprüche 1 bis 5 abgetrennten Blechen für Druckplattenträger mit mindestens einer auf Wasser basierenden Beschichtung."
"8. Verfahren zur Herstellung eines Aluminiumlegierungsbandes nach einem der Ansprüche 1 bis 5 aus einer Aluminiumlegierung, wobei das Verfahren zur Herstellung des Bandes die folgenden Schritte umfasst:
- Aufschmelzen einer Aluminiumvorlegierung unter Verwendung von Walzschrotten, Masseln, Flüssigmetall aus dem Ofensumpf, recyceltem Metall und/oder Vorlegierungen,
- Legieren von Legierungsbestandteilen zur Erzielung der gewünschten Zusammensetzung der Aluminiumlegierung,
- Überführen der Aluminiumlegierung in einen Schmelz-oder Gießofen zur Schmelzebehandlung,
- Durchführen einer Gasspülung im Schmelz- oder Gießofen,
- Abkrätzen der Schlacke und Abstehen der Schmelze sowie
- Entgasung der Aluminiumlegierungsschmelze beim Gießen, dadurch gekennzeichnet, dass die Aluminiumlegierung beim Gießen in einem Entgaser mit Chlorgas entgast wird, wobei der Schmelze eine Chlormenge von maximal 7 mg Cl/kg Al zugeführt wird."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 5, 7, 9 und 10 betreffen bevorzugte Ausführungsformen.
X. Die für diese Entscheidung wesentlichen Argumente der Beschwerdegegnerin werden wie folgt zusammengefasst:
- Nach der Rücknahme ihrer Beschwerde seien ihr 75% der Beschwerdegebühr zu erstatten.
- Die Dokumente D34 bis D42/D42a seien im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.
- Die Erfindung sei nicht ausreichend offenbart, da die Fachperson nicht genügend Informationen finde, wie ein Aluminiumlegierungsband mit einer Längserstreckung der Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff bis maximal 15 mym herzustellen sei. Es gäbe keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Zugabe von Chlor und der Größe der Ätzfiguren. Außerdem handele es sich bei der Größe der Ätzfiguren um einen ungewöhnlichen Parameter. Schließlich würden auch noch wesentliche Merkmale in den Ansprüchen fehlen.
- Jedes der Dokumente D17 bis D19, D40, D41 und D42/D42a sei für den Gegenstand zumindest eines der unabhängigen Ansprüche 1 und 8 neuheitsschädlich. D2 bis D10 sowie D13 bis D16 seien für die Neuheit ebenfalls relevant.
- Zudem sei der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche der erteilten Fassung nicht erfinderisch angesichts einer Kombination von jedem der Dokumente D17, D40, D41 oder D42/D42a mit jedem der Dokumente D20, D21 und D22, eventuell unter Berücksichtigung von D28, D29 und D30.
XI. Die für diese Entscheidung wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin werden wie folgt zusammengefasst:
- Die Dokumente D34 bis D42/D42a seien nicht zu berücksichtigen.
- Dem Fachmann werde im Streitpatent vermittelt, dass die chlorhaltigen Bestandteile eine entscheidende Ursache für die Druckfehler sind und dass etwaige Quellen für chlorhaltige Bestandteile im Legierungsband zu beseitigen sind.
- Der vorgebrachte Stand der Technik offenbare keine Aluminiumlegierungsbänder, welche das Kriterium bzgl. der maximalen Längsausdehnung der Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff in einem unter Verwendung von Wasser als Schmiermittel präparierten Längsschliff in Anspruch 1 offenbart, weder explizit, noch implizit. Der Gegenstand der Ansprüche sei daher neu.
- Da sich aus dem vorgebrachten Stand der Technik zudem kein Zusammenhang zwischen der Längserstreckung von Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff im Längsschliff, chlorhaltigen Bestandteilen der Legierung und Druckfehlern bei der Verwendung von Druckplattenträgern mit auf Wasser basierenden Beschichtungen ergebe, beruhe der Gegenstand der Ansprüche auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Somit erfülle der Hauptantrag die Erfordernisse des EPÜ.
XII. Die endgültigen Anträge der Parteien sind wie in Punkt VI dargelegt.
Entscheidungsgründe
1. Erstattung der Beschwerdegebühr an die Beschwerdegegnerin
Eine Rückzahlung in Höhe von 75 % der Beschwerdegebühr kommt vorliegend nicht in Betracht, da die Rücknahme der Beschwerde der Beschwerdegegnerin nicht in Erwiderung auf einen Bescheid im Sinne von Regel 103 (2) EPÜ erfolgte.
Es wurden deshalb 50 % der Beschwerdegebühr im Einklang mit Regel 103 (3) EPÜ erstattet.
2. Berücksichtigung der Dokumente D34 bis D42/D42a
2.1 Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin sei es nicht gerechtfertigt, dass die Beschwerdeführerin einen ersten Satz von Hilfsanträgen kurz vor dem Ende der Frist vor der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren und einen zweiten Satz während der mündlichen Verhandlung einreichen durfte, während die von der Beschwerdegegnerin als Reaktion auf den ersten Satz von Hilfsanträgen eingereichten Dokumente D34 bis D42/D42a nicht zugelassen wurden. Nach ihrer Auffassung habe die Einspruchsabteilung außerdem die Relevanz dieser Dokumente falsch eingeschätzt.
Die Beschwerdeführerin beantragt, die Dokumente D34 bis D42/D42a nicht zu berücksichtigen.
2.2 Die Beschwerdegegnerin hat nicht dargelegt, inwiefern die Eingabe dieser Dokumente eine Reaktion auf die Eingabe des ersten Satzes der Hilfsanträge darstellt. Die Kammer verweist insofern auch auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 24. April 2019, Seite 6, zweiter voller Absatz.
2.3 Sodann wird angemerkt, dass die Einspruchsabteilung die Dokumente D34 bis D42/D42a wegen fehlender prima facie Relevanz (keines dieser Dokumente offenbare eine Verwendung nach Anspruch 1 des damaligen ersten Hilfsantrags) und wegen verspäteten Einreichens nicht ins Verfahren zugelassen hat (Punkt 4 der angefochtenen Entscheidung).
Im Hinblick auf die Dokumente D34 bis D41 kann die Kammer nicht erkennen, warum die Einspruchsabteilung ihr Ermessen nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien oder in unangemessener Weise ausgeübt und damit den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten haben sollte (siehe G 7/93, ABl. EPA 1994, 775, Entscheidungsgründe 2.6).
Danach ist es auch nicht die Aufgabe der Beschwerdekammer, "die Sachlage des Falls nochmals wie ein erstinstanzliches Organ zu prüfen, um zu entscheiden, ob sie das Ermessen in derselben Weise ausgeübt hätte".
Daher entscheidet die Kammer in Ausübung ihres Ermessens, die Dokumente D34 bis D41 nicht zu berücksichtigen (Artikel 12 (4) VOBK 2007 und 25 (2) VOBK 2020).
2.4 Im Gegensatz zu diesen Dokumenten wurde der Neuheitseinwand gegen den Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend vom Dokument D42/D42a unter Punkt 3.3 der angefochtenen Entscheidung nicht nur unter prima facie Gesichtspunkten abgehandelt, sondern ausführlich. Die Einspruchsabteilung kam dann auch ausdrücklich zum Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber diesem Dokument neu sei (Ende von Punkt 3.3.5.2).
Entgegen den Aussagen unter Punkt 4 der angefochtenen Entscheidung kommt dies einer faktischen Zulassung des Dokuments D42/D42a gleich.
Dieses Dokument wird daher im weiteren Verfahren berücksichtigt (Artikel 12 (1) a) und (2) VOBK 2020).
Hauptantrag (erteilte Ansprüche)
3. Interpretation der Ansprüche
Anspruch 1 enthält sowohl strukturelle als auch "product-by-process"-Merkmale.
Geschützt werden soll ein Aluminiumlegierungsband, welches für die Herstellung von Druckplattenträgern mit auf Wasser basierenden Beschichtungen geeignet ist und eine Dicke von maximal 0.5 mm aufweist.
Des weiteren versteht die Kammer Anspruch 1 so, dass, falls in dem Band (beispielsweise in einer Probe) ein Längsschliff mit Wasser als Schmiermittel präpariert wird, sich gegebenenfalls ergebene Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff eine Längserstreckung von maximal 15 mym aufweisen.
Diese Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff im Innern der Legierung werden durch dort vorhandenes Chlor verursacht, welches mit Wasser zu Salzsäure reagiert (Abschnitt [0006] des Streitpatents).
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass ein Aluminiumlegierungsband, welches kein Chlor enthält, das Merkmal bzgl. der Ätzfiguren in einem zu präparierenden Längsschliff in Anspruch 1 implizit offenbart, da dort keine entsprechenden Ätzfiguren auftreten würden.
4. Ausreichende Offenbarung der Erfindung
Aus den folgenden Gründen wird die Erfindung im Streitpatent ausreichend offenbart (Artikel 83 EPÜ):
4.1 Die Beispiele des Streitpatents (siehe insbesondere die Tabellen 1 bis 3) zeigen konsistent, dass anspruchsgemäße Aluminiumlegierungsbänder mit unter anderem einer Längserstreckung der Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff bis maximal 15 mym zu positiven Druckergebnissen führen.
4.2 Die Probe M3 (Abschnitt [0028], Tabellen 2 und 3) mag zwar nach den in Anspruch 8 genannten Verfahrensschritten hergestellt worden sein, fällt aber wegen des Rückbezugs auf Anspruch 1 dennoch nicht unter Anspruch 8.
Dieser Rückbezug erfordert, dass eventuell vorhandene Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff in einem mit Wasser präparierten Längsschliff eine Längserstreckung von maximal 15 mym aufweisen.
Die Probe M3 weist jedoch nach Tabelle 3 des Streitpatents "groß[e]" Ätzfiguren auf, also Ätzfiguren mit einer Längserstreckung von mehr als 30 mym (Paragraph [0039]).
4.3 Bei den Proben M10 und M16 (Tabellen 2 und 3) wurde im Schmelzofen Chlor weder als Salz noch in der Gasspülung zugegeben. Auch wurde kein Chlor für das Entgasen verwendet. Dies schließt jedoch chlorhaltige Verunreinigungen in den Ausgangsmaterialien und in der Produktionsanlage nicht aus.
Für die Proben M10 und M16 ergaben sich in der Tat lediglich "kleine" Ätzfiguren mit einer Längserstreckung von weniger als 15 mym, welche unter den Anspruchswortlaut fallen. Folgerichtig sind die erzielten Druckergebnisse positiv.
4.4 Der Parameter bzgl. der maximalen Längserstreckung der Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff in Anspruch 1 mag ungewöhnlich sein, aber die Abschnitte [0006], [0007] und [0045] erklären, dass chlorhaltige Bestandteile der Legierung für diesen Typ von Ätzfiguren verantwortlich sind und dass demzufolge die Chlormenge in der Herstellung reduziert werden soll.
Im Patent wird beschrieben, dass die Eingabe von Chlor in der Entgasung am kritischsten ist, dass aber auch Chlor beim Aufschmelzen und bei den Gasspülungen Quellen für Chlor in der Legierung sein können (Abschnitte [0017] bis [0019], [0046], sowie Tabelle 2).
Zudem weiß die Fachperson, dass Verunreinigungen der Ausgangsmaterialien der Legierung oder der Produktionsanlage mit Chlor ebenfalls zu einer erhöhten Menge an Chlor in der Legierung führen können.
Die Fachperson erhält daher ausreichend Informationen im Streitpatent, wie sie ein weitgehend chlorfreies Aluminiumlegierungsband herzustellen hat.
Es gibt keinen Beleg dafür, dass sich in diesem Fall dann nicht auch in einem mit Wasser präparierten Längsschliff des Aluminiumlegierungsbandes Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff mit einer Längserstreckung von maximal 15 mym ergeben würden.
4.5 Nach Meinung der Beschwerdegegnerin sind Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff jedoch der Struktur des Aluminiums geschuldet und können daher auch andere Ursachen haben als in der Legierung vorhandenes Chlor.
Allerdings hat sie keinen Beleg dafür geliefert, dass selbst chlorfreie Legierungen Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff in einem mit Wasser präparierten Längsschliff aufweisen können, die eine Längserstreckung von mehr als 15 mym besitzen und somit nicht unter den Anspruchswortlaut fallen.
4.6 Schließlich offenbaren die Abschnitte [0033] bis [0039] des Streitpatents, wie der Längsschliff präpariert und wie die Längserstreckung der Ätzfiguren bestimmt wird.
4.7 Weitere Anmerkungen zur Ausführbarkeit
- Das Fehlen einer Angabe der Probengröße bei der Bestimmung der Größe der Ätzangriffe im Patent und von Schleifparametern im Anspruch betrifft eher den Schutzumfang und somit die Erfordernisse der Klarheit. Diese stehen hier aber nicht zur Debatte, da es sich bei den Ätzfiguren um ein Merkmal im erteilten Anspruch handelt.
- Auch die Tatsache, dass das Merkmal betreffend die Abwesenheit von Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff mit einer Längserstreckung von mehr als 15 mym im Aluminiumlegierungsband in Anspruch 1 als Wunsch bzw. zu erzielendes Merkmal formuliert ist, betrifft eher die Erfordernisse der Klarheit der Ansprüche.
- Die Frage der maximalen Mengen an Chlor in den Ansprüchen 8 bis 10, die zugegeben werden, ohne Angabe der Mengen an Mg, Na, Ca, Li und C in der Legierung, betrifft ebenfalls nicht die Ausführbarkeit.
5. Neuheit
5.1 Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin ist jedes der Dokumente D17, D18, D19, D40, D41 und D42/D42a neuheitsschädlich für den Gegenstand zumindest eines der unabhängigen Ansprüche 1 und 8.
Beim Verweis auf die Dokumente D2, D3 bis D7, D8 bis D10 und D13 bis D16 handelt es sich dagegen um nicht substantiierte Einwände wegen mangelnder Neuheit.
5.2 Keines der von der Beschwerdegegnerin als für den Gegenstand von Anspruch 1 neuheitsschädlich angeführten Dokumente D17, D18, D19 und D42/D42a beschreibt ein Aluminiumlegierungsband, das das Kriterium bzgl. der maximalen Längsausdehnung der Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff in einem unter Verwendung von Wasser als Schmiermittel präparierten Längsschliff in Anspruch 1 explizit offenbart.
Zudem offenbart auch keines dieser Dokumente dieses Merkmal implizit. Dazu wäre es beispielsweise nötig, dass Chlor in der gesamten Produktionskette des Aluminiumlegierungsbandes nur in sehr geringen Mengen vorhanden ist, was nicht nur chlorfreie Gasspülungen und Entgasung bedeutet, sondern auch die Abwesenheit von chlorhaltigen Verunreinigungen in den Ausgangsmaterialien und in der Produktionsanlage (siehe auch oben die Punkte 3 und 4.4).
5.3 Schon aus diesem Grund ist der Gegenstand von Anspruch 1 angesichts jedes dieser Dokumente neu (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).
Wegen der Rückbezüge und Abhängigkeiten gilt dies entsprechend auch für den Gegenstand der anderen Ansprüche (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).
5.4 Mit Bezug auf die Dokumente D17, D18 und D19 wird darüber hinaus folgendes angemerkt:
- Dokument D17 (Seiten 191 und 192) offenbart die Verwendung von Aluminiumlegierungen mit mangelfreier Oberfläche (Seite 192, Absatz 2: "surface ... blemish free") für lithographische Anwendungen. Auch die an dieser Stelle genannte Dicke fällt in den beanspruchten Bereich.
Während in einem anderen Teil dieses Dokuments die Möglichkeit der Bestimmung der Legierungsstruktur durch Ätzen allgemein angesprochen wird (Seiten 37 bis 39), wird ein unter Verwendung von Wasser als Schmiermittel präparierter Längsschliff nicht offenbart.
Des weiteren wird, wiederum in einem anderen Teil des Dokuments, die Möglichkeit offenbart, eine Entgasung der Legierung ganz ohne Chlor bzw. nur mit geringen Chlor-Mengen durchzuführen (Seite 73, Absätze 3 bis 5). Wie unter Punkt 4.4 dargelegt, erlaubt dies jedoch nicht, zweifelsfrei auf die in der Legierung vorhandene Chlorkonzentration zu schließen.
- Dokument D18 offenbart ebenfalls die Verwendung von Aluminiumlegierungen für lithographische Anwendungen (Zusammenfassung).
Da ein Längsschliff mit Wasser als Schmiermittel nicht offenbart wird, betreffen die Vertiefungen ("pits") in Beispiel 1 in Spalte 9 lediglich die Oberfläche der aufgerauten ("electrochemically grained") Legierung.
Des weiteren sagt Dokument D18 nichts über die An- oder Abwesenheit von Chlor während der Herstellung der Aluminiumlegierungsbänder aus.
- Auch Dokument D19 offenbart die Verwendung von Aluminiumlegierungen für lithographische Anwendungen (Zusammenfassung).
Die Bildung von Druckfehlern ("stains on the prints") wird ebenfalls angesprochen (der die Spalten 2 und 3 überbrückende Absatz). Allerdings beruhen diese eher auf der Löslichkeit von Körnung nach einem Aufrauen der Oberfläche.
Es wird jedoch weder ein unter Verwendung von Wasser als Schmiermittel präparierter Längsschliff noch das Vorhandensein von Chlor in der Legierung angesprochen.
- Dokument D42/D42a offenbart ebenfalls die Verwendung von Aluminiumlegierungen in der beanspruchten Dicke für lithographische Anwendungen (Abschnitte [0001] und [0003]). Druckfehler sollen vermieden werden (Abschnitt [0013]). Allerdings treten diese infolge von Aluminiumcarbid-Einschlüssen auf (Abschnitt [0042]). Von chlorhaltigen Einschlüssen ist dagegen nicht die Rede.
Des Weiteren wird die Möglichkeit offenbart, eine Entgasung der Legierung mit Argon oder mit einem Argon/Chlor Gemisch durchzuführen (Absätze [0045] und [0069]). Wie bereits dargelegt, erlaubt dies jedoch nicht, zweifelsfrei auf die in der Legierung vorhandene Chlorkonzentration zu schließen.
5.5 Da die Dokumente D40 und D41 nicht berücksichtigt werden, bleiben auch die entsprechenden Neuheitseinwände unberücksichtigt.
5.6 Diese Argumentation gilt analog für den Gegenstand von Anspruch 8 und von den abhängigen Ansprüchen.
6. Erfinderische Tätigkeit
6.1 Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin ist der Gegenstand von Anspruch 1 der erteilten Fassung nicht erfinderisch angesichts einer Kombination von jedem der Dokumente D17, D40, D41 oder D42/D42a mit jedem der Dokumente D20, D21 und D22.
Beim Verweis auf die Dokumente D28, D29 und D30 scheint es um Einwände gegen bestimmte Merkmale von Anspruch 8 zu gehen, insbesondere die der Schmelze zugeführte Chlormenge.
Des weiteren handele es sich beim Gegenstand von Anspruch 1 lediglich um einen durch einen ungewöhnlichen Parameter definierten Wunsch.
Außerdem sei der Gegenstand nicht über den gesamten Bereich erfinderisch.
6.2 Die Erfindung betrifft ein Aluminiumlegierungsband für die Herstellung von Druckplattenträgern.
6.3 Da Dokument D17 das gleiche technische Gebiet betrifft und mehrere übereinstimmende Merkmale aufweist (siehe Punkt 5.4 oben), ist es ein geeigneter Ausgangspunkt für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit.
6.4 Laut Streitpatent ist die zu lösende Aufgabe das Bereitstellen eines Aluminiumlegierungsbandes, welches bei der Verwendung als Druckplattenträger mit auf Wasser basierenden Beschichtungen zu Druckergebnissen ohne punktförmige Druckfehler führt (Absatz [0003]).
6.5 Es wird vorgeschlagen, diese Aufgabe durch das Aluminiumlegierungsband nach Anspruch 1 zu lösen, welches dadurch charakterisiert ist, dass in einem unter Verwendung von Wasser als Schmiermittel präparierten Längsschliff Ätzfiguren mit kubischem Ätzangriff und mit einer Längserstreckung von maximal 15 mym vorhanden sind.
6.6 Wie unter den Punkten 4.1, 4.2 und 4.3 oben dargelegt wird diese Aufgabe erfolgreich gelöst.
6.7 Selbst ungeachtet der Tatsache, dass mehrere Merkmale von Anspruch 1 nur in unterschiedlichen Teilen des Dokuments D17 offenbart sind, und nicht in Kombination, ist der Gegenstand von Anspruch 1 nicht naheliegend.
Zunächst gibt es in D17 keinen Hinweis auf die Vermeidung von Chlor in der gesamten Herstellung des Aluminiumbandes, einschließlich in den Grundmaterialien und der Produktionsanlage, ganz zu schweigen von einem Hinweis auf die Tatsache, dass dies zu weniger Druckfehlern führt.
Im Gegenteil, D17 legt auf Seite 73 (vierter vollständiger Absatz) sogar dar, dass eine gewisse Menge an Chlor während des Entgasens gewöhnlich verwendet wird, damit die Reinheitsanforderungen erfüllt werden können.
Auch keines der anderen angeführten Dokumente, und insbesondere nicht die Dokumente D20, D21 und D22, geben einen Hinweis auf den Zusammenhang zwischen den kubischen Ätzfiguren (bzw. der Abwesenheit von Chlor in der Legierung) und der Abwesenheit von Druckfehlern.
Daher ist der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber D17 erfinderisch (Artikel 56 EPÜ).
6.8 Da Dokument D42/D42a ebenfalls das gleiche technische Gebiet wie das Streitpatent betrifft und mehrere übereinstimmende Merkmale aufweist (siehe die Punkte 5.2 und 5.4 oben), ist auch dieses Dokument ein geeigneter Ausgangspunkt für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit.
Aus analogen Gründen wie für D17 ist jedoch auch hier der Gegenstand von Anspruch 1 nicht naheliegend (Artikel 56 EPÜ).
6.9 Diese Argumentation gilt entsprechend für den Gegenstand von Anspruch 8 und den abhängigen Ansprüchen.
6.10 Da die Dokumente D40 und D41 nicht berücksichtigt werden, bleiben auch die entsprechenden Einwände wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit unberücksichtigt.
Hilfsanträge
7. Da der Hauptantrag gewährbar ist, erübrigt sich eine Diskussion der Hilfsanträge.
Absage der mündlichen Verhandlung
8. Aus den folgenden Gründen war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Sinne von Artikel 116 EPÜ für die vorliegende Entscheidung nicht nötig:
- Die Beschwerdegegnerin hatte bereits im Vorfeld angekündigt, nicht an der anberaumten mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Wie in der Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 zum Ausdruck gebracht, versteht die Kammer dies als Rücknahme des Antrags auf eine mündliche Verhandlung.
- Die Beschwerdeführerin hat eine mündliche Verhandlung nur für den Fall beantragt, dass ihr Hauptantrag nicht gewährt wird. Wie oben gezeigt, kann dem Hauptantrag jedoch stattgegeben werden.
- Die Möglichkeit einer Absage der mündlichen Verhandlung vor diesem Hintergrund wurde den Parteien in der Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 dargelegt, und innerhalb der eingeräumten Frist von zwei Monaten hat keine der Parteien einer Absage der mündlichen Verhandlung unter den gegebenen Umständen widersprochen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.