European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2022:T224218.20220224 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 24 Februar 2022 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 2242/18 | ||||||||
Anmeldenummer: | 14725990.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | G01B 21/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | MESSVORRICHTUNG FÜR EINE WERKZEUGMASCHINE | ||||||||
Name des Anmelders: | M&H Inprocess Messtechnik GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Blum-Novotest GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.4.02 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Hauptantrag: Änderung unmittelbar und eindeutig entnehmbar (nein) oder als nicht offenbarter Disclaimer zulässig (nein, technischer Beitrag zur Erfindung) Hilfsanträge 1 und 5: Eingereicht nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung, Zulässigkeit (nein) Hilfsanträge 2 bis 4: Reformation in peius (ja), Ausnahme vom Verschlechterungsverbot im Sinne von G 1/99 bzw. aus Billigkeitsgründen (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtete ihre Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach unter Berücksichtigung der von der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vorgenommenen Änderungen das europäische Patent Nr. 2885606 in geänderter Fassung gemäß dem damaligen Hauptantrag die Erfordernisse des EPÜ erfülle.
Mit dem Einspruch der Beschwerdeführerin war das Patent in vollem Umfang im Hinblick auf den Einspruchsgrund mangelnder Neuheit (Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 52 (1) und 54 EPÜ) angegriffen worden. Dabei wurde das folgende Dokument als Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ herangezogen:
E1: EP 2 803 943 A1.
II. In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung u.a. die Auffassung, dass der im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hinzugefügte Disclaimer unter Berücksichtigung der in den Entscheidungen G 1/03 und G 1/16 aufgestellten Erfordernisse gemäß Artikel 123(2) EPÜ zulässig sei.
III. In Erwiderung auf die Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 27. März 2019 Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 3 ein.
IV. In einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020, die der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 22. April 2021 als Anlage beigefügt war, legte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage dar.
V. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2021 reichte die Beschwerdegegnerin Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 4 und 5 ein.
VI. Am 24. Februar 2022 fand die mündliche Verhandlung statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag).
Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der Ansprüche gemäß dem mit Schreiben vom 1. Dezember 2021 als Hilfsantrag 4 eingereichten 1. Hilfsantrag, oder dem mit Schreiben vom 27. März 2019 als Hilfsantrag 1 eingereichten 2. Hilfsantrag, oder dem mit Schreiben vom 27. März 2019 als Hilfsantrag 2 eingereichten 3. Hilfsantrag, oder dem mit Schreiben vom 27. März 2019 als Hilfsantrag 3 eingereichten 4. Hilfsantrag, oder dem mit Schreiben vom 1. Dezember 2021 eingereichten 5. Hilfsantrag.
Weiter hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche gemäß dem mit Schreiben vom 1. Dezember 2021 als Hilfsantrag 4 eingereichten 1. Hilfsantrag, oder dem mit Schreiben vom 27. März 2019 als Hilfsantrag 1 eingereichten 2. Hilfsantrag, oder dem mit Schreiben vom 27. März 2019 als Hilfsantrag 2 eingereichten 3. Hilfsantrag, oder dem mit Schreiben vom 27. März 2019 als Hilfsantrag 3 eingereichten 4. Hilfsantrag, oder dem mit Schreiben vom 1. Dezember 2021 eingereichten 5. Hilfsantrag.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Messvorrichtung (1) für eine Werkzeugmaschine, wobei die Messvorrichtung (1) eine Erfassungseinrichtung (4) und mindestens zwei Messtaster (2, 3) umfasst, und wobei die Erfassungseinrichtung (4) und die Messtaster (2, 3) für eine kabellose, digitale Übertragung von Meldungen (6, 12, 17) von jedem der Messtaster (2, 3) an die Erfassungseinrichtung (4) ausgebildet sind, wobei jeder der Messtaster (2, 3) eine Kontrolleinheit umfasst, die zur Steuerung zeitlicher Abläufe zur Übertragung von Meldungen (6, 12, 17) ausgebildet ist, des Weiteren in jedem der Messtaster (2, 3) für mindestens eine Meldung (6, 12, 17) ein Übertragungsvorgang mit einer Sendefolge festgelegt ist, die mehrere Sendevorgänge (32, 33, 34, 35) für ein mehrmaliges Senden der Meldung (6, 12, 17) umfasst, wobei zwischen jeweils zwei der Sendevorgänge (32, 33, 34, 35) einer Sendefolge eine Wartezeit (30, 31) vorgegeben ist, in der der jeweilige Messtaster (2, 3) nicht sendet und die größer ist als eine Sendedauer eines Sendevorgangs (32, 33, 34, 35) eines der Messtaster (2, 3) bei einer Übertragung einer Meldung (6, 12, 17),
wobei die Wartezeit in jedem Messtaster (2, 3) von den Wartezeiten der verbleibenden Messtaster (2, 3) verschieden ist, dadurch gekennzeichnet, dass
durch die Messvorrichtung niemals zwischen dem Beginn von zwei in einer Reihenfolge an gleicher Stelle folgender Sendevorgänge zweier verschiedener Meldungen (6, 12, 17) eines Messtasters (2, 3) eine im wesentlichen konstante Zykluszeit vorgebbar ist."
Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 durch folgendes Merkmal ersetzt wurde:
"in einem Fall, dass zwischen zwei aufeinander folgenden Sendevorgängen eines Messtasters jeweils eine im Wesentlichen konstante Wartezeit verstreicht, in diesem Fall durch die Messvorrichtung (1) niemals zwischen dem Beginn von zwei in einer Reihenfolge an gleicher Stelle folgender Sendevorgänge (32, 33, 34, 35) zweier verschiedener Meldungen (6, 12, 17) eines Messtasters (2, 3) eine im wesentlichen konstante Zykluszeit vorgebbar ist".
Anspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 durch folgendes Merkmal ersetzt wurde:
"eine Länge eines binären Meldungscodes einer Meldung einheitlich ist mit einer Länge eines binären Meldungscodes jeder weiteren Meldung, sodass die Meldungscodes die gleiche Anzahl von Binärzeichen aufweisen, und wobei die Messtaster eine einheitliche Übertragungsrate für eine Meldung aufweisen, sodass die Sendedauer der Sendevorgänge einheitlich ist".
Anspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 durch folgendes Merkmal ersetzt wurde:
"die Meldung (6, 12, 17) im jeweiligen Messtaster (2, 3) in Form eines vorgegebenen Meldungscodes abgespeichert ist, wobei alle Meldungscodes ein Bitmuster aufweisen, wobei die Meldungscodes derart aufeinander abgestimmt sind, dass eine zeitliche Überlappung von mehreren Sendevorgängen (32, 33, 34, 35) erkennbar ist".
Anspruch 1 gemäß 4. Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag dadurch, dass das folgende Merkmal am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurde:
", und wobei eine Länge eines binären Meldungscodes einer Meldung (6, 12, 17) einheitlich ist mit einer Länge eines binären Meldungscodes jeder weiteren Meldung (6, 12, 17), sodass die Meldungscodes die gleiche Anzahl von Binärzeichen aufweisen, und wobei die Messtaster eine einheitliche Übertragungsrate für eine Meldung aufweisen, sodass die Sendedauer der Sendevorgänge einheitlich ist".
Anspruch 1 gemäß 5. Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Merkmal des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 durch folgendes Merkmal ersetzt wurde:
"durch die Messvorrichtung (1) niemals zwischen dem Beginn von zwei in einer Reihenfolge an gleicher Stelle folgender Sendevorgänge (32, 33, 34, 35) zweier verschiedener Meldungen (6, 12, 17) eines Messtasters (2, 3) eine im wesentlichen konstante Zykluszeit vorgebbar ist,
wobei die Meldung (6, 12, 17) im jeweiligen Messtaster (2, 3) in Form eines vorgegebenen Meldungscodes abgespeichert ist, wobei alle Meldungscodes ein Bitmuster aufweisen, wobei die Meldungscodes derart aufeinander abgestimmt sind, dass eine zeitliche Überlappung von mehreren Sendevorgängen (32, 33, 34, 35) erkennbar ist".
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag - Artikel 123 (2) EPÜ
2.1 Anspruch 1 gemäß dem geltenden Hauptantrag entspricht Anspruch 1 gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrag und unterscheidet sich inhaltlich vom erteilten Anspruch 1 durch das Hinzufügen des Merkmals des kennzeichnenden Teils des Anspruchs, d.h. durch folgendes hinzugefügte Merkmal (im Folgenden Merkmal "F"):
"durch die Messvorrichtung niemals zwischen dem Beginn von zwei in einer Reihenfolge an gleicher Stelle folgender Sendevorgänge zweier verschiedener Meldungen (6, 12, 17) eines Messtasters (2, 3) eine im wesentlichen konstante Zykluszeit vorgebbar ist".
Das Merkmal F wurde während der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung im erteilten Anspruch 1 hinzugefügt, um die Neuheit der beanspruchten Erfindung gegenüber der Offenbarung der früheren europäischen Patentanmeldung E1, die unstrittig nach Artikel 54 (3) EPÜ zum Stand der Technik gehört, wiederherzustellen. Die Einspruchsabteilung entschied, dass es sich bei diesem Merkmal um einen nicht offenbarten und in Anwendung der Entscheidungen G 1/03 (ABl. EPA 2004, 413) und G 1/16 (ABl. EPA 2018, A70) zulässigen Disclaimer handele. Dieses Merkmal wurde auch in der Beschreibung gemäß Hauptantrag ausdrücklich als Disclaimer bezeichnet (vgl. die während der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung eingereichte geänderte Seite 3 der Beschreibung, letzter Absatz).
2.2 In ihrer Beschwerdebegründung wurde von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, dass Anspruch 1 gemäß Hauptantrag entgegen der Meinung der Einspruchsabteilung aufgrund des Disclaimers die Erfordernisse des EPÜ, insbesondere die der Artikel 83 und 84 EPÜ, nicht erfülle und dass der Disclaimer einen technischen Beitrag zu der ursprünglich offenbarten Erfindung leiste, sodass der Disclaimer nach Artikel 123 (2) EPÜ unter Berücksichtigung der Entscheidungen G 1/03 und G 1/16 nicht zulässig sei.
In der Mitteilung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 legte die Kammer ihre vorläufige Ansicht zur Sache dar, wonach
- die von der Beschwerdeführerin dargelegten Argumente hinsichtlich der Klarheit nicht überzeugend schienen, aber die Frage der Klarheit sich aus anderen Gründen stellen könnte (Artikel 84 EPÜ),
- der Einwand unter Artikel 83 EPÜ nicht überzeugend schien,
- der Disclaimer, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht und entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung, einen technischen Beitrag zu der ursprünglich offenbarten Erfindung beizutragen schien, und
- der Disclaimer mehr auszuschließen schien, als notwendig war, um die Neuheit des beanspruchten Gegenstands gegenüber der Offenbarung der Druckschrift E1 wiederherzustellen,
- sodass das Merkmal F keinen zulässigen Disclaimer im Sinne der Entscheidungen G 1/03 und G 1/16 darzustellen schien.
2.3 Als Reaktion auf die Einwände der Beschwerdeführerin und auf die vorläufige Auffassung der Kammer wurde von der Beschwerdegegnerin mit dem Schreiben vom 1. Dezember 2021 erstmalig behauptet, dass das Merkmal F nicht wortwörtlich in den Anmeldungsunterlagen offenbart sei, aber dass es für den Fachmann unmittelbar und eindeutig unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens den Absätzen [0024], [0032], [0034], [0047] und [0048] i.V.m. Fig. 3 der Patentschrift in der erteilten Fassung entnehmbar sei. Insbesondere wurde von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht, dass der Fachmann der Patentschrift Folgendes entnehmen würde:
- dass ein Aussenden einer Meldung (Fig. 3, Meldung 12) und damit ein Starten eines Sendevorgangs mit einer Sendefolge zum mehrmaligen Senden der Meldung durch das Berühren (Zeitpunkt 10 und Messpunkt 11) eines Werkstücks durch einen Messtaster ausgelöst werde (Absatz [0034], und Spalte 8, Zeilen 33 bis 36);
- dass dann die Bewegung des Messtasters durch die Werkzeugmaschine gestoppt werde (Spalte 8, Zeilen 39 bis 45), sodass klar sei, dass das Auslösen der Meldung durch eine Bewegung des Messtasters erfolge, welche die Werkzeugmaschine ausführe und steuere, wobei die Bewegung nach einer Antastung wiederum durch die Werkzeugmaschine gestoppt werde; und
- dass die Nachprellzeit (Nachprellzeit 15), in welcher Übertragungsvorgänge für Meldungen blockiert seien (Absatz [0024]), durch eine Bewegung des Messtasters durch die Werkzeugmaschine ausgelöst werden könne (Spalte 8, Zeilen 49 bis 57) und dass erst nach Ablauf der Nachprellzeit der Werkzeugmaschine signalisiert werde, dass der Messtaster für einen weiteren Messvorgang bereit sei (Absatz [0048]), wobei wiederum nach dem Senden eines Bereitschaftssignals (Meldung 17) zunächst die Werkzeugmaschine den nächsten Messpunkt anfahren müsse;
- sodass die Messvorrichtung keinerlei Einfluss darauf habe, wann die nächste Messung erfolge bzw. wann die nächste Meldung beginne, denn dies hänge einzig und allein von der Werkzeugmaschine ab (Spalte 9, Zeilen 7 bis 13), die kein Bestandteil der beanspruchten Messvorrichtung darstelle (Absatz [0032]).
Daraus folge, dass durch die Messvorrichtung niemals zwischen dem Beginn von zwei in einer Reihenfolge an gleicher Stelle folgenden Sendevorgängen zweier verschiedener Meldungen eines Messtasters eine im Wesentlichen konstante Zykluszeit vorgebbar sei.
2.3.1 Hier ist anzumerken, dass die Beschwerdegegnerin sich bei ihrer Argumentation auf die Patentschrift, und nicht auf die ursprünglich eingereichte Anmeldung (vgl. Artikel 123 (2) EPÜ) bezogen hat. Die Passagen und die Fig. 3 der Patentschrift, die von der Beschwerdegegnerin zitiert wurden, sind aber identisch mit den entsprechenden Passagen und mit der Fig. 3 der ursprünglich eingereichten Anmeldung, und das gleiche gilt vom Inhalt her - wenn man von Absatz [0005] der Patentschrift absieht - für die ganze Beschreibung, die Ansprüche und die Abbildungen der Patentschrift. Die Kammer wird sich daher im Folgenden aus praktischen Erwägungen ebenfalls auf die Beschreibung und die Abbildungen der Patentschrift beziehen.
2.3.2 Die Kammer weist zuerst darauf hin, dass die Passagen der Patentschrift, die von der Beschwerdegegnerin zitiert wurden, sich auf ein konkretes Messverfahren bzw. auf eine konkrete Messanordnung beziehen, und dass die beanspruchte Messvorrichtung nicht auf ein solches Messverfahren bzw. auf eine solche Messanordnung beschränkt ist, insbesondere nicht auf die von der Beschwerdegegnerin vorgetragene Bewegung des Messtasters. Außerdem beziehen sich die von der Beschwerdegegnerin erwähnten Passagen der Patentschrift auf einen Messvorgang, bei dem mehrere verschiedene Meldungen 6, 12, und 17 (Fig. 3) an die Erfassungseinrichtung gesendet werden (Spalte 8, Zeilen 2 bis 6 i.V.m. Spalte 2, Zeilen 51 bis 55), wobei die Meldung 12 ein Messereignis (Spalte 8, Zeilen 33 bis 45) und die Meldungen 6 und 17 Bereitschaftsmeldungen (Meldung "Ready", siehe Spalte 8, Zeilen 24 bis 27, und Absatz [0048]) darstellen und der Zeitabschnitt zwischen dem Beginn der Meldungen 12 und 17 aus einer Rastzeit 13 und aus der von der Beschwerdegegnerin erwähnten Nachprellzeit 15 (Fig. 3 und Spalte 8, Zeile 45, bis Spalte 9, Zeile 8) besteht. Die Patentschrift offenbart zudem, dass, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, die Rastzeit 13 "vorgegeben" ist und die Nachprellzeit "vorgegeben" sein kann (Spalte 8, Zeilen 45 bis 52), allerdings ohne dabei zu präzisieren, in welchem Sinne sie vorgegeben sind oder vorgegeben werden können, und jedenfalls ohne dabei auszuschließen, dass sie unter Einfluss der Messvorrichtung, insbesondere unter Einfluss der Kontrolleinheit des Messtasters, welche, wie im Anspruch 1 angegeben und wie von der Beschwerdeführerin betont, "zur Steuerung zeitlicher Abläufe zur Übertragung von Meldungen (6, 12, 17) ausgebildet ist", vorgegeben werden. Daraus folgt, dass ein Einfluss der Messvorrichtung auf die Sendezeiten der Meldungen 6, 12, und 17 nicht ausgeschlossen werden kann, z.B. in dem Sinne, dass - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - durch die Messvorrichtung selbst eine durch die Rastzeit 13 und/oder die Nachprellzeit 15 definierte Zykluszeit zwischen dem Beginn zweier Meldungen 12 und 17 vorgegeben werden kann. Es ist in dieser Hinsicht auch anzumerken, dass die in Anspruch 1 angesprochene Übertragung von Meldungen und auch das Merkmal F nicht zwischen verschiedenen Arten von Meldungen unterscheiden, sodass eine Auslegung des Anspruchs 1, insbesondere des Merkmals F, in dem Sinne, dass die beanspruchten Meldungen nur Messereignisse darstellen und dass die Bereitschaftsmeldungen 6 und 17, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, keine Meldung im Sinne von Anspruch 1 darstellen, nicht durch den Anspruch 1 gestützt ist.
Bereits aus diesen Gründen kann die Kammer den Argumenten der Beschwerdegegnerin, wonach die beanspruchte Messvorrichtung keinerlei Einfluss darauf habe, wann die nächste Meldung erfolge bzw. beginne, nicht folgen, weil die Beschreibung der Patentschrift bzw. der ursprünglich eingereichten Anmeldung einen solchen Einfluss nicht ausschließt.
Die Kammer weist auch darauf hin, dass die Übertragung einer Meldung gemäß Anspruch 1 ein mehrmaliges Senden der Meldung umfasst und dass die Übertragung der Meldung 12, die in den von der Beschwerdegegnerin zitierten Passagen der Patentschrift offenbart wird, aus einer Sendefolge besteht, die mehrere Sendevorgänge (z.B. 32 und 33 in Fig. 4, vgl. Absatz [0050] und [0051]) für ein mehrmaliges Senden der Meldung 12 umfasst. Die Argumente der Beschwerdegegnerin betreffen aber nur die Sendung - insbesondere den Zeitpunkt des Beginns der Sendung - der Meldung 12 als solche, d.h. die Sendung der aus einem mehrmaligen Senden der Meldung bestehenden Sendefolge, und nicht die Sendung der Meldungskomponenten der Sendefolge. Daher bleibt in den Argumenten der Beschwerdegegnerin offen, wie bzw. wann jede der erwähnten Meldungskomponenten einer Sendefolge - insbesondere die zweite, dritte, usw. Sendung einer Meldung - gesendet wird. Daher bleibt ebenfalls offen, ob es "zwischen dem Beginn von zwei in einer Reihenfolge an gleicher Stelle folgender Sendevorgänge zweier verschiedener Meldungen (6, 12, 17) eines Messtasters" (vgl. Merkmal F) ein Zusammenhang besteht oder nicht. Der weiteren Argumentation der Beschwerdegegnerin, wonach gemäß Anspruch 1 "zwischen jeweils zwei der Sendevorgänge [...] einer Sendefolge eine Wartezeit (30, 31) vorgegeben" sei (vgl. Spalte 9, Zeilen 38 bis 52 und Fig. 4) und die Wartezeiten daher festgelegt seien, kann die Kammer auch nicht folgen, weil in der Patentschrift bzw. in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offen bleibt, wie die Wartezeiten vorgegeben bzw. bestimmt werden (vgl. Anspruch 1, Merkmal "Kontrolleinheit [...], die zur Steuerung zeitlicher Abläufe zur Übertragung von Meldungen (6, 12, 17) ausgebildet ist") und ob die Wartezeiten in den Sendefolgen unterschiedlicher Meldungen - insbesondere in den Sendefolgen "zweier verschiedener Meldungen", auf die sich Merkmal F bezieht - eines Messtasters gleich sind oder nicht (siehe z.B. den abhängigen Anspruch 9 der Patentschrift, der sich in dieser Hinsicht nur auf eine Sendefolge bezieht).
2.3.3 Aus diesen Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass der Patentschrift bzw. der ursprünglich eingereichten Anmeldung weder ein Zusammenhang noch das Fehlen eines Zusammenhangs "zwischen dem Beginn von zwei in einer Reihenfolge an gleicher Stelle folgender Sendevorgänge zweier verschiedener Meldungen (6, 12, 17) eines Messtasters" unmittelbar und eindeutig entnehmbar ist, auch nicht unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens in diesem technischen Gebiet. Entsprechendes gilt daher auch für das Merkmal F, wonach durch die Messvorrichtung "niemals" ein solcher Zusammenhang in Bezug auf "eine im Wesentlichen konstante Zykluszeit vorgebbar ist", und zwar unabhängig davon, ob der in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht definierte und nicht erwähnte Ausdruck "Zykluszeit" bei einer Sequenz von Sendefolgen unterschiedlicher Meldungen A1, A2, A3 ..., B1, B2, B3, ... C1, C2, C3, ... sich auf die Zeiten in jeder der Folgen A1-B1-C1- ..., A2-B2-C2- ..., usw., oder auf die Zeiten in der Folge A1-B1, A2-B2, A3-B3, ..., in der Folge B1-C1, B2-C2, B3-C3, ...., usw. bezieht.
2.3.4 Aus dem Vorstehenden folgt, dass das Merkmal F der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist.
2.4 In Anbetracht der oben unter Nr. 2.3.4 gezogenen Schlussfolgerung stellt sich die Frage, ob das Merkmal F als ursprünglich nicht offenbarter Disclaimer im Sinne der Entscheidungen G 1/03 und G 1/16 zulässig ist (vgl. Nr. 2.1 oben, zweiter Absatz).
2.4.1 Die Beschwerdeführerin hat u.a. geltend gemacht, dass das Merkmal F entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung einen technischen Beitrag zu der ursprünglich offenbarten Erfindung leiste, insbesondere dass das Merkmal eine nicht offenbarte qualitative Änderung der Anspruchsdefinition gegenüber dem ursprünglich offenbarten Gegenstand verursacht habe, sodass das Merkmal F als Disclaimer nicht zulässig sei.
Die Beschwerdegegnerin hat sich einerseits auf die Argumentation der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung gestützt. Andererseits hat sie geltend gemacht, dass sich durch die Aufnahme des Merkmals F keine qualitative Änderung der ursprünglichen technischen Lehre im Sinne der Entscheidung T 660/14 (Entscheidungsgründe, Nr. 5.1.4 bis 5.1.7) ergeben habe, weil die im Merkmal F genannte Zykluszeit in der Offenbarung der Erfindung nicht thematisiert worden sei. Ihrer Ansicht nach schließe das Merkmal F nur aufgrund rechtlicher Gründe den Gegenstand des Disclaimers aus (G 1/03, Entscheidungsgründe, 2.1.3) und verändere den verbleibenden Teil des Gegenstands des Anspruchs 1 in keinster Weise, insbesondere nicht in einer Weise, die die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit beeinflussen könne.
2.4.2 Die Kammer weist in dieser Hinsicht zuerst darauf hin, dass die vorliegende Erfindung darauf zielt, die Übertragung von Meldungen von unterschiedlichen Messtastern an eine Erfassungseinrichtung durch ein mehrmaliges Senden der jeweiligen Meldungen so auszugestalten (Anspruch 1, und Absatz [0006] bis [0011] i.V.m. Fig. 4 und der entsprechenden Beschreibung der Patentschrift, siehe auch die entsprechenden Teile der ursprünglich eingereichten Anmeldung), dass jede der von den jeweiligen Messtastern mehrmalig übertragenen Meldungen von der Erfassungseinrichtung zumindest einmal ungestört (Absatz [0012], [0019], [0056] und [0057]) - insbesondere ohne Überlappung mit einem Sendevorgang einer der durch einen der verbleibenden Messtaster mehrmalig übertragenen Meldungen (Absatz [0020] und [0058]) - empfangen werden kann, um die Zuverlässigkeit der Übertragung von Meldungen zu erhöhen. Um eine solche Übertragung von Meldungen zu ermöglichen, werden im Anspruch 1 (siehe das Verhältnis zwischen der Wartezeit und der Sendedauer in den jeweiligen Messtastern und das Verhältnis zwischen der Wartezeiten in den verschiedenen Messtastern), in den abhängigen Ansprüchen (vgl. z.B. abhängige Ansprüche 8 bis 10) und in der Beschreibung (siehe z.B. Absatz [0019] bis [0022], [0028], [0040], und [0056] bis [0058]) unterschiedliche technische Maßnahmen angegeben, die einen bestimmten Grad an Asynchronizität (siehe Absatz [0028] und abhängiger Anspruch 14) bzw. an Inkommensurabilität (siehe Absatz [0058], letzter Satz) in der Signalübertragung der von den unterschiedlichen Messtastern mehrmalig übertragenen Meldungen gewährleisten.
In diesem technischen Kontext beinhaltet das Merkmal F technische Merkmale - insbesondere die Azyklizität zwischen den Sendevorgängen der Sendefolgen unterschiedlicher Meldungen eines Messtasters -, die mit den übrigen technischen Merkmalen der in der ursprünglich eingereichten Anmeldung - insbesondere mit den im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definierten Merkmalen betreffend die Wartezeiten und die Sendedauer der Sendevorgänge - zusammenwirken und dadurch eine Auswirkung auf die von der Erfindung erzielten technischen Effekte - insbesondere auf den bereits durch die übrigen Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag erzielten Grad an Asynchronizität bzw. Inkommensurabilität in der Signalübertragung der von den unterschiedlichen Messtastern mehrmalig übertragenen Meldungen - haben. Daher haben diese Merkmale eine unmittelbare Auswirkung auf die erfindungsgemäße Lehre.
Daraus folgt, dass das im Anspruch 1 eingeführte Merkmal F einen technischen Beitrag zu dem in der ursprünglich eingereichten Anmeldung offenbarten Gegenstand leistet.
2.4.3 In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Auffassung vertreten, dass, während der Disclaimer auf den Beginn zweier Sendevorgänge zweier unterschiedlicher Meldungen gerichtet sei, die Erfindung sich auf die Regelung des zeitlichen Ablaufs der Sendevorgänge innerhalb einer Meldung, insbesondere auf die unterschiedlichen Wartezeiten zwischen dem wiederholten Senden einer Meldung, beziehe, sodass der Disclaimer weder auf dieser Idee noch auf dem Problem, das durch diese Idee gelöst werde, beruhe.
Dieser Argumentation vermag die Kammer aber nicht zu folgen. Die Erfindung bezieht sich nicht nur auf die Regelung des zeitlichen Ablaufs der Sendevorgänge innerhalb einer Meldung, sondern, wie aus einer von der Beschwerdegegnerin geltend gemachten Präzisierung der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, auch auf den Zusammenhang zwischen den Wartezeiten zwischen den Sendervorgängen der Meldungen unterschiedlicher Messtaster (vgl. Anspruch 1, Merkmal "wobei die Wartezeit in jedem Messtaster (2, 3) von den Wartezeiten der verbleibenden Messtaster (2, 3) verschieden ist"). Außerdem sind die von der Einspruchsabteilung angesprochenen unterschiedlichen Wartezeiten zwischen dem wiederholten Senden einer Meldung nicht im Anspruch 1 definiert, sondern werden erst in dem abhängigen Anspruch 9 angesprochen. Im Übrigen hat die Einspruchsabteilung sowohl die Azyklizität zwischen den Sendevorgängen der Sendefolgen unterschiedlicher Meldungen eines Messtasters, die durch den Disclaimer bestimmt wird, als auch deren potenzielle Zusammenwirkung mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 und somit deren potenzielle Auswirkung auf den Grad an Asynchronizität bzw. Inkommensurabilität in der Signalübertragung der von den unterschiedlichen Messtastern mehrmalig übertragenen Meldungen außer Acht gelassen.
2.4.4 Hinsichtlich der Argumente der Beschwerdegegnerin, wonach durch das Merkmal F sich keine qualitative Änderung der ursprünglich offenbarten Erfindung ergebe, ist einerseits anzumerken, dass die im Disclaimer angesprochene Zykluszeit, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, in der Offenbarung der Erfindung nicht thematisiert wird, und andererseits, dass - wie oben unter Nr. 2.3.2 bereits ausgeführt - ein Einfluss der Vorrichtung auf den Beginn eines ersten Sendevorgangs bzw. auf den Zeitpunkt nachfolgender Sendevorgänge einer Sendefolge in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht ausgeschlossen ist. Durch das Hinzufügen des Disclaimers im Anspruch 1 wird daher der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf Ausführungsformen eingeschränkt, die die durch den Disclaimer definierte technische Bedingung erfüllen und somit, wie oben unter Nr. 2.4.2 bereits ausgeführt, eine technische Wirkung entfalten. Daher führt die Aufnahme des Merkmals F in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin zu einer technisch qualitativen Änderung der ursprünglich offenbarten technischen Lehre im Sinne der Entscheidungen G 1/03 (Entscheidungsgründe, Nr. 2.6, 2.6.2 und 2.6.5), G 1/16 (Entscheidungsformel, letzter Absatz, und Entscheidungsgründe, Nr. 46 und 46.4) und T 660/14 (Entscheidungsgründe, Nr. 5.1.7), die übrigens ihrer Natur nach eine Auswirkung auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit haben kann.
2.4.5 Daraus folgt, dass das in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht offenbarte Merkmal F zur technischen Lehre beiträgt, sodass dieses Merkmal kein zulässiger Disclaimer im Sinne der Entscheidungen G 1/03 (Entscheidungsgründe, Nr. 2.6, 2.6.1 und 2.6.5) und G 1/16 (Entscheidungsformel, letzter Absatz, und Entscheidungsgründe, Nr. 46, 46.1 bis 46.4, und 47) ist und daher eine nach Artikel 123 (2) EPÜ unzulässige Erweiterung darstellt.
2.5 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass Anspruch 1 gemäß Hauptantrag nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt.
3. 1. Hilfsantrag - Verschlechterungsverbot - Artikel 13 (1) und 13 (2) VOBK 2020
3.1 Die Ansprüche gemäß 1. Hilfsantrag wurden von der Beschwerdegegnerin als Hilfsantrag 4 nach der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht. Die Zulassung dieses Antrags in das Beschwerdeverfahren unterliegt daher dem Artikel 13 (2) VOBK 2020, der im vorliegenden Fall gemäß Artikel 25 (1) und (3) VOBK 2020 anzuwenden ist.
Gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
3.2 Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag unterscheidet sich inhaltlich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch das Hinzufügen des folgenden Merkmals (im Folgenden Merkmal "G") vor dem Merkmal F:
"in einem Fall, dass zwischen zwei aufeinander folgenden Sendevorgängen eines Messtasters jeweils eine im Wesentlichen konstante Wartezeit verstreicht, in diesem Fall".
Das Merkmal G stellt eine angepasste Formulierung eines der Merkmale der in der Druckschrift E1 offenbarten Erfindung (vgl. Druckschrift E1, Anspruch 1, Zeilen 22 bis 24, und entsprechendes Merkmal des unabhängigen Anspruchs 14) dar und wurde im Anspruch 1 als Reaktion auf einen von der Kammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 erhobenen Einwand hinzugefügt, wonach Merkmal F als Disclaimer im Sinne der Entscheidungen G 1/03 und G 1/16 mehr als notwendig auszuschließen schien, um die Neuheit des beanspruchten Gegenstands gegenüber der Offenbarung der Druckschrift E1 wiederherzustellen (vgl. Nr. 2.2 oben, zweiter Absatz, vierter Unterabsatz). Ein solcher Einwand wurde bereits im erstinstanzlichen Verfahren von der Beschwerdeführerin zumindest formell erhoben, nicht aber mit der Beschwerdebegründung wiederholt. Auf jeden Fall wurde er nicht auf die Gründe gestützt, mit denen die Kammer diesen Einwand in ihrer vorläufigen Meinung begründet hat. Dieser konkrete Einwand wurde daher erstmals in der Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 erhoben und stellt somit außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK 2020 dar, die eine Berücksichtigung des 1. Hilfsantrags rechtfertigten könnten.
Bei der Frage, ob der 1. Hilfsantrag im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen bzw. zuzulassen ist, sind aber auch andere Faktoren zu berücksichtigen, nämlich:
- ob der Einsprechende als alleinige Beschwerdeführerin durch den geänderten Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag schlechter gestellt wird als durch die angefochtene Entscheidung, d.h. ob der 1. Hilfsantrag gegen das Verbot der reformatio in peius, d.h. gegen das Verschlechterungsverbot, im Sinne der Entscheidungen G 9/92 und G 4/93 (ABl. EPA 1994, 875) verstoßen würde, wobei gegebenenfalls auch zu untersuchen wäre, ob mögliche Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot - insbesondere im Sinne der Entscheidung G 1/99 (ABl. EPA 2001, 381) - zu berücksichtigen wären, und
- ob die Kriterien von Artikel 13 (1) VOBK 2020, die bei der Anwendung von Artikel 13(2) VOBK 2020 auch herangezogen werden können (siehe z.B. die Entscheidung T 709/16, Entscheidungsgründe, Nr. 5.2 und 5.3, und die darin angeführten Entscheidungen) - insbesondere das Kriterium betreffend die Eignung der Änderung zur Lösung der von einem anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren in zulässiger Weise aufgeworfenen Fragen oder der von der Kammer selbst aufgeworfenen Fragen - gegen die Zulassung des 1. Hilfsantrags sprechen.
3.3 Nach der Auffassung der Kammer ist die Frage, ob der 1. Hilfsantrag gegen das Verschlechterungsverbot verstößt, zuerst zu untersuchen, weil im vorliegenden Fall "Änderungen, die der Patentinhaber als Beteiligter nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ vorschlägt, [...] von der Beschwerdekammer abgelehnt werden [können], wenn sie weder sachdienlich noch erforderlich sind" (G 9/92 und G 4/93, Entscheidungsformel, Nr. 2 und Entscheidungsgründe, Nr. 16).
3.3.1 Von der Beschwerdegegnerin wurde vorgebracht, dass der erteilte Anspruch 1 bereits erfordere, dass zwischen zwei aufeinander folgenden Sendevorgängen eines Messtasters jeweils eine im Wesentlichen konstante Wartezeit verstreicht, sodass das Merkmal G in dem erteilten Anspruch 1 bereits enthalten sei. Daraus folge, dass Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag nicht gegen das Verschlechterungsverbot verstoße.
Der erteilte Anspruch 1 bzw. die Präambel des Anspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag erfordert aber nur, dass "zwischen jeweils zwei der Sendevorgänge (32, 33, 34, 35) einer Sendefolge eine Wartezeit (30, 31) vorgegeben ist", nicht aber, dass die Wartezeit zwischen zwei aufeinander folgenden Sendevorgängen eines Messtasters im Wesentlichen konstant ist. Insbesondere würde der Fachmann, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, die "vorgegebenen" Wartezeiten einer Sendefolge in ihrem technischen Kontext (siehe z.B. den erteilten abhängigen Anspruch 9 bzw. den entsprechenden abhängigen Anspruch 7 gemäß 1. Hilfsantrag, wonach "die Sendefolge mehrere verschiedene Wartezeiten (30, 31) aufweist, wenn die Sendefolge mehr als zwei Sendevorgänge (32, 33, 34, 35) umfasst") nicht in dem Sinne verstehen, dass die Wartezeiten zwischen zwei aufeinander folgenden Sendevorgängen eines Messtasters jeweils zwangsläufig im Wesentlichen konstant sind. Daher bringt das Merkmal G ("in einem Fall, dass ..., in diesem Fall") eine Bedingung zum Ausdruck, die - wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht - entweder erfüllt oder nicht erfüllt wird, und dementsprechend entfaltet das Merkmal F seine Wirkung nur dann, wenn die Bedingung erfüllt wird.
Daraus folgt, dass Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag den Schutzumfang des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag erweitert und damit gegen das Verschlechterungsverbot verstößt.
3.3.2 Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass bei einem Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot die in der Entscheidung G 1/99 vorgesehenen Ausnahmen zu berücksichtigen seien und dass diese Ausnahmen in dem vorliegenden Fall greifen würden.
Die Kammer weist aber darauf hin, dass weder das Hinzufügen des Merkmals G im Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag noch eine Betrachtung des geänderten Anspruchs als eine mögliche Ausnahme vom Verschlechterungsverbot einen Einfluss darauf haben, dass das im Anspruch 1 enthaltene Merkmal F - wie oben unter Nr. 2 dargelegt - sowohl als solches (Nr. 2.3 oben) als auch als Disclaimer im Sinne der Entscheidungen G 1/03 und G 1/16 (Nr. 2.4 oben) über die ursprünglich offenbarte Erfindung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ hinausgeht. Daher sind die Änderungen gemäß Anspruch 1 des 1. Hilfsantrags - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - nicht geeignet, den oben unter Nr. 2 gegen den Anspruch 1 des Hauptantrags nach Artikel 123 (2) EPÜ erhobenen Einwand auszuräumen.
Dementsprechend erfüllen die Änderungen im Anspruch 1 gemäß 1. Hilfsantrag nicht die Kriterien des Artikels 13 (1) VOBK 2020 für eine Zulassung des 1. Hilfsantrags (vgl. Nr. 3.2 oben, zweiter Absatz, zweiter Unterabsatz).
Aus diesen Gründen entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 und unter Heranziehung der Kriterien nach Artikel 13 (1) VOBK 2020, den 1. Hilfsantrag nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, und zwar unabhängig davon, ob im vorliegenden Fall eine der in der Entscheidung G 1/99 genannten begrenzten
Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot in Betracht kommen würde oder nicht.
4. 2. Hilfsantrag - Verschlechterungsverbot und Ausnahmen
4.1 Die Ansprüche gemäß 2. Hilfsantrag wurden mit der Beschwerdeerwiderung vom 27. März 2019 als Hilfsantrag 1 eingereicht. Die Beschwerdegegnerin vertrat die Auffassung, dass die Ansprüche gemäß 2. Hilfsantrag bis auf eine Präzisierung bereits im Einspruchsverfahren vorgelegen hätten. Anspruch 1 unterscheidet sich aber inhaltlich von dem Anspruch 1 der während des erstinstanzlichen Verfahrens eingereichten Anträge. Insbesondere unterscheidet sich der vorliegende Anspruch 1 von dem Anspruch 1 gemäß dem mit Schreiben vom 12. April 2018 eingereichten Hilfsantrag 1 durch das Hinzufügen des Ausdrucks "binären" und des Merkmals "sodass die Meldungscodes die gleiche Anzahl von Binärzeichen aufweisen".
Daraus folgt, dass die geänderten Ansprüche gemäß dem vorliegenden 2. Hilfsantrag erstmals mit Schreiben vom 27. März 2019 eingereicht wurden und dass sie bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgelegt werden können. Es stellt sich daher die Frage, ob der 2. Hilfsantrag nach Artikel 12 (4) VOBK 2007, der im vorliegenden Fall gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020 anzuwenden ist, zuzulassen sind. Weiter stellt sich, wie auch hinsichtlich der Berücksichtigung bzw. Zulassung des 1. Hilfsantrags (siehe oben Nr. 3.2), die Frage, ob der 2. Hilfsantrag gegen das Verschlechterungsverbot im Sinne der Entscheidungen G 9/92 and G 4/93 verstößt und gegebenenfalls, ob ausnahmsweise in Anwendung der Entscheidung G 1/99 vom Verschlechterungsverbot abgewichen werden kann.
4.2 Anspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Merkmal F gestrichen wurde und ein weiteres Merkmal, das die binäre Struktur der Meldungscodes und die Übertragungsrate der Meldungen betrifft, hinzugefügt wurde. Durch eine Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis des 2. Hilfsantrags würde daher die Beschwerdeführerin, wie von ihr vorgetragen, schlechter gestellt als ohne die Beschwerde, sodass der 2. Hilfsantrag gegen das Verschlechterungsverbot verstoßen würde.
Nach den Entscheidungen G 9/92 und G 4/93 (vgl. Entscheidungsformel, Nr. 2 und Entscheidungsgründe Nr. 16) und auch nach der Entscheidung G 1/99 (vgl. Entscheidungsformel) gilt das Verschlechterungsverbot in der Verfahrenssituation, in der die Einsprechende alleinige Beschwerdeführerin ist, nicht uneingeschränkt, denn es kann gemäß der Entscheidung G 1/99 von dem Grundsatz des Verschlechterungsverbots ausnahmsweise abgewichen werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind und die Änderungen bestimmte Kriterien erfüllen (vgl. Entscheidungsformel).
Es stellt sich daher die Frage, ob unter den Umständen des vorliegenden Falls die in der Entscheidung G 1/99 genannten Voraussetzungen und Kriterien erfüllt sind und, wenn nicht, ob im vorliegenden Fall möglicherweise andere Umstände vorliegen, die aus Gründen der Billigkeit eine Abweichung von dem Grundsatz des Verschlechterungsverbots rechtfertigen würden.
4.3 Die Voraussetzung für die Anwendbarkeit der in der Entscheidung G 1/99 vorgesehenen Ausnahmeregelung besteht darin, dass die vorgeschlagenen Änderungen darauf gerichtet sind, "einen im Beschwerdeverfahren vom Einsprechenden/Beschwerdeführer oder von der Kammer erhobenen Einwand auszuräumen, wenn andernfalls das in geändertem Umfang aufrechterhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen Änderung, die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung für gewährbar erachtet hatte, widerrufen werden müßte" (G 1/99, Entscheidungsformel).
4.3.1 Im vorliegenden Fall wurden während des Beschwerdeverfahrens mehrere Einwände im Hinblick auf den Disclaimer (Merkmal F) im Anspruch 1 des Hauptantrags berücksichtigt (vgl. Nr. 2.2 oben). Der konkrete Einwand betreffend den technischen Beitrag des Disclaimers wurde von der Beschwerdeführerin bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens erhoben und im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt. Er wurde auch von der Kammer als stichhaltig angesehen (Nr. 2.2 oben zweiter Absatz, dritter Unterabsatz, und Nr. 2.4 oben), und zwar aus denselben Gründen und aufgrund derselben Fakten wie von der Beschwerdeführerin bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens vorgetragen. Während des Beschwerdeverfahrens stellte sich die Frage, ob dieser Einwand einen "im Beschwerdeverfahren vom Einsprechenden/Beschwerdeführer [...] erhobenen Einwand" darstellt, der eine der in der Entscheidung G 1/99 genannten Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot erfüllt.
4.3.2 Von der Beschwerdegegnerin wurde geltend gemacht, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzung der Ausnahmeregelung der Entscheidung G 1/99 erfüllt sei, da das Merkmal F in Anspruch 1 des Hauptantrags von der Einspruchsabteilung als zulässiger Disclaimer erachtet worden sei, jedoch aufgrund des von der Beschwerdeführerin und der Kammer im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwands betreffend den technischen Beitrag des Disclaimers von der Kammer als unzulässig erachtet worden sei. Die Beschwerdeführerin hat auch vorgetragen, dass die erwähnte Voraussetzung nicht auf Einwände begrenzt sei, die erst im Beschwerdeverfahren erhoben würden. Dies folge sowohl aus dem Wortlaut der Voraussetzung in der Entscheidungsformel der Entscheidung G 1/99 als auch aus den Entscheidungsgründen, insbesondere aus den unter Nr. 13.3 und 14 dargelegten Erwägungen, die keine solche Einschränkung vorsehen, und eine andere Auslegung lasse auch die Entscheidung T 1843/09 (ABl. EPA 2013, 508, Entscheidungsgründe, Nr. 2.4.4) nicht zu. Diese Entscheidungsgründe erwähnten zwar Fälle, in denen der entsprechende Einwand nicht im erstinstanzlichen Verfahren, sondern erst im Beschwerdeverfahren erhoben worden sei. Diese Fälle stellten aber nur Beispiele bzw. Sonderfälle dar, auf die die Ausnahmeregelung jedoch nicht beschränkt sei. Der vorliegende Fall entspreche dem in der Entscheidung G 1/99 zugrunde liegenden Ausnahmefall, nämlich eine Fehleinschätzung der Einspruchsabteilung aus Gründen der Billigkeit zu korrigieren. Die Frage, ob die Gründe, aus denen das Merkmal F des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht zulässig sei, bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen worden seien, spiele daher keine Rolle.
Die Beschwerdeführerin brachte u.a. vor, dass die in der Entscheidung G 1/99 genannte Ausnahmeregelung eng auszulegen sei und nur auf die unter Nr. 12 der Entscheidungsgründe dargelegten Sonderfälle anwendbar sei, und dass die Beschwerdebegründung nichts Neues hinsichtlich der gegen den Disclaimer des Anspruchs 1 erhobenen Einwände enthalte. Außerdem sei im vorliegenden Fall keine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot aus Gründen der Billigkeit gerechtfertigt. Während des erstinstanzlichen Verfahrens seien mehrere Einwände in Bezug auf die Zulässigkeit eines Disclaimers im Anspruch 1 erhoben worden. Der Disclaimer sei von der Beschwerdeführerin mehrmals umformuliert worden, bis eine Fassung des Disclaimers von der Einspruchsabteilung in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung als zulässig angesehen und der entsprechende Anspruchssatz von der Beschwerdegegnerin als Hauptantrag gestellt worden sei. Die Situation, in der sich die Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren befinde, sei die unmittelbare Folge der Verfahrensführung der Beschwerdegegnerin und deshalb auch nicht überraschend. Daher könne sich die Beschwerdegegnerin in diesem Kontext nicht auf eine unerwartete Fehleinschätzung der Einspruchsabteilung hinsichtlich der erhobenen Einwände oder auf eine überraschende neue Situation im Beschwerdeverfahren stützen, die aus Gründen der Billigkeit eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot rechtfertigen könnten.
4.3.3 Die Entscheidungsformel der Entscheidung G 1/99 ist unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe auszulegen (siehe dazu auch die Entscheidung G 1/99, Entscheidungsgründe, Nr. 5, erster Satz in Bezug auf die Auslegung der Entscheidung G 4/93).
Es wird in dieser Hinsicht zunächst darauf hingewiesen, dass der Fall, mit dem die Große Beschwerdekammer in der Sache G 1/99 befasst wurde, "ein[en] im Beschwerdeverfahren erhobene[n] Einwand" (siehe Sachverhalt und Anträge, Nr. II) betraf, und zwar einen Einwand, der erstmalig von der vorlegenden Kammer im Beschwerdeverfahren erhoben wurde (vgl. Vorlageentscheidung T 315/97 vom 17. Dezember 1998, Entscheidungsgründe, Nr. 2.2, und Nr. 3.2, zweiter Absatz). Außerdem wurden bei der Berücksichtigung der möglichen Ausnahmen vom Grundsatz des Verschlechterungsverbots, die gemäß den Entscheidungen G 9/92 und G 4/93 zugelassen werden können (siehe Entscheidungsformel, Nr. 2, letzter Satz: "Änderungen, die der Patentinhaber als Beteiligter nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ vorschlägt, können von der Beschwerdekammer abgelehnt werden, wenn sie weder sachdienlich noch erforderlich sind."), ausschließlich Fälle betrachtet, "in denen die vom Patentinhaber vorgeschlagenen Änderungen tatsächlich durch die Beschwerde veranlaßt sind" (G 1/99, Entscheidungsgründe, Nr. 10). Auch die Begründung dieser Entscheidungen, insbesondere hinsichtlich der Billigkeitserwägungen, bezog sich ausschließlich auf Fälle, bei denen sich die Grundlage, auf der Beschränkungen während des erstinstanzlichen Verfahren vorgenommen wurden, während des Beschwerdeverfahrens geändert hat, z.B. aufgrund eines neuen, erst im Beschwerdeverfahren erhobenen Einwands oder aufgrund neuer Fakten, durch die ein im erstinstanzlichen Verfahren bereits erhobener Einwand untermauert wurde (siehe G 1/99, Entscheidungsgründe, Nr. 12: "Im Beschwerdeverfahren können nämlich Einwände, die in der ersten Instanz erhoben wurden, durch neue Fakten untermauert sowie neue Einwände vorgebracht werden, so daß sich die Grundlage, auf der Beschränkungen vorgenommen wurden, durchaus noch ändern kann, und es unbillig wäre ...").
In diesem Kontext bezieht sich der Wortlaut der Voraussetzung für eine Ausnahmeregelung in der Entscheidungsformel der Entscheidung G 1/99 (vgl. "um einen im Beschwerdeverfahren [...] erhobenen Einwand auszuräumen") nach Auffassung der Kammer nicht bloß auf Einwände, die im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden, sondern es muss sich dabei um Einwände handeln, die entweder als solche erst im Beschwerdeverfahren erhoben werden oder zumindest mit neuen Gründen bzw. neuen Fakten im Beschwerdeverfahren untermauert werden. Eine Anwendung der Ausnahmeregelung der Entscheidung G 1/99 setzt daher voraus, dass im Beschwerdeverfahren ein neuer Einwand eingeführt wird oder dass ein bereits im erstinstanzlichen Verfahren erhobener Einwand auf neue Gründe bzw. neue Tatsachen gestützt wird oder dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem zu streichenden einschränkenden Merkmal und einem im Beschwerdeverfahren neu eingetretenen Sachverhalt besteht (siehe dazu auch z.B. die Entscheidungen T 61/10, Entscheidungsgründe, Nr. 1.4 und T 1033/08, Entscheidungsgründe, Nr. 3, insbesondere fünfter bis siebter Absatz).
Diese Auffassung der Kammer wird im Übrigen durch die folgende Aussage in der Entscheidung G 1/99 bestätigt:
"Doch insbesondere wenn der Aufrechterhaltung des Patents Gründe entgegenstehen, die in der ersten Instanz nicht vorgebracht wurden, verdient der nicht beschwerdeführende Patentinhaberin aus Gründen der Billigkeit Schutz." (Entscheidungsgründe, Nr. 12, letzter Satz).
Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin ist "insbesondere wenn" in diesem Satz in der deutschen Fassung (Übersetzung der Entscheidung) nicht im Sinne von "zum Beispiel wenn" zu verstehen. Dieser Ausdruck ist im Zusammenhang mit den vorstehenden Ausführungen unter Nr. 12 der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb im Sinne von "gerade wenn" zu verstehen. Diese Auslegung des betreffenden Satzes in der deutschen Fassung durch die Kammer hält auch einem Vergleich mit der entsprechenden Textstelle in der englischen Fassung (Verfahrenssprache der Entscheidung) und in der französischen Fassung (Übersetzung) der Entscheidung stand.
Außerdem basiert die Begründung der Entscheidung G 1/99 darauf, dass die Patentinhaberin in den oben dargestellten konkreten Fällen aus Gründen der Billigkeit Schutz verdient (Entscheidungsgründe, Nr. 12 bis 14). In der Begründung deutet nichts darauf hin, dass die Größe Beschwerdekammer auch andere Situationen als die in den von ihr angeführten Fällen einbeziehen wollte. Zudem stellte die Größe Beschwerdekammer klar, dass die in ihrer Entscheidung dargelegte Ausnahmeregelung nur eng ausgelegt werden darf (siehe G 1/99, Entscheidungsgründe, Nr. 15, erster Absatz, vierter Satz). Deshalb sieht die Kammer in der Entscheidung G 1/99 keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Ausnahmeregelung auf Fälle, in denen der Einwand bereits im erstinstanzlichen Verfahren erhoben wurde und im Beschwerdeverfahren lediglich weiterverfolgt wird, ohne dass dabei der Einwand mit neuen Fakten bzw. neuen Gründen untermauert wurde, aus Gründen der Billigkeit anzuwenden wäre. Insbesondere beziehen sich die Ausführungen unter Nr. 13.3 und Nr. 14 der Entscheidungsgründe entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin nicht auf irgendwelche Einwände, sondern in ihrem Kontext auf die Einwände, die den unter Nr. 12 angeführten Fällen zugrunde lagen, und insbesondere auf den konkreten Fall, der die Vorlageentscheidung betraf (siehe Nr. 13.3: "[...] machte die vorlegende Kammer hingegen geltend, daß [...], weil damit ein im Beschwerdeverfahren erhobener Einwand ausgeräumt werden sollte." i.V.m. Nr. 4.3.3 oben, zweiter Absatz).
4.3.4 Im vorliegenden Fall wurde der Einwand betreffend den technischen Beitrag des Disclaimers von der Beschwerdeführerin bereits im erstinstanzlichen Verfahren erhoben und entsprechend begründet, jedoch von der Einspruchsabteilung als nicht stichhaltig angesehen. Dieser Einwand, den die Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung weiterverfolgt hat, wurde von der Kammer in ihrer vorläufigen Meinung als stichhaltig angesehen. Im Beschwerdeverfahren wurde dieser Einwand jedoch nicht auf neue Gründe bzw. neue Fakten gestützt. Daher ist die im Anspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag vorgenommene Änderung nicht "tatsächlich durch die Beschwerde veranlasst", denn sie ist nicht auf einen neuen Angriff bzw. Einwand oder auf einen vorhandenen Einwand, der mit neuen Gründen bzw. neuen Fakten untermauert ist, zurückzuführen (siehe G 1/99, Entscheidungsgründe, Nr. 10 und 12).
Unter Berücksichtigung der oben unter Nr. 4.3.3 gemachten Ausführungen ist die Kammer daher der Auffassung, dass ein solcher Einwand keinen "im Beschwerdeverfahren vom Einsprechenden/Beschwerdeführer oder von der Kammer erhobenen Einwand" im Sinne der Entscheidung G 1/99 darstellt, sodass die Voraussetzung für die in dieser Entscheidung dargelegte und eng auszulegende Ausnahmeregelung nicht erfüllt ist.
4.3.5 Außerdem stellen weder die bloße Weiterverfolgung eines Einwands durch die Beschwerdeführerin noch die Tatsache, dass die Kammer, anders als die Einspruchsabteilung, diesen Einwand als stichhaltig angesehen hat, per se eine Veranlassung dar, die im vorliegenden Fall eine solche Änderung eines Anspruchs aus Billigkeitsgründen rechtfertigen würde. Der hier angesprochene Einwand wurde wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen zusammen mit anderen Einwänden während des erstinstanzlichen Verfahrens in Bezug auf verschiedene Fassungen des Disclaimers, die im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht wurden, erhoben, Unter diesen Umständen musste die Beschwerdegegnerin damit rechnen, dass, auch wenn die Einspruchsabteilung keinen dieser Einwände gegen die während der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vorgelegte endgültige Fassung des Disclaimers als stichhaltig betrachtet hatte, diese Einwände im Fall einer Beschwerde durch die Einsprechende im Beschwerdeverfahren weiterverfolgt werden könnten. Anstatt z.B. das Patent in der erteilten Fassung als Hauptantrag zu belassen, beschloss die Beschwerdeführerin aber, die Fassung des Anspruchs 1, die nach Auffassung der Einspruchsabteilung gewährbar war, im Rahmen eines Hauptantrags vorzulegen. Mit dieser Vorgehensweise hat die Beschwerdeführerin bewusst auf die Möglichkeit, eine Beschwerde einzureichen, verzichtet und auch die möglichen verfahrensrechtlichen Folgen einer Beschwerde seitens der Einsprechenden als alleinige Beschwerdeführerin in Kauf genommen. Sie musste auch damit rechnen, dass im Falle einer solchen Beschwerde die Einwände von der Beschwerdeführerin weiterverfolgt werden könnten und dass zumindest einer der Einwände von der Kammer als stichhaltig angesehen werden könnte. In diesem Kontext ist die hier beschriebene Situation wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen eine unmittelbare Folge der Verfahrensführung der Beschwerdegegnerin, ohne dass - anders als in den in der Entscheidung G 1/99 dargelegten Fällen - besondere Umstände vorlägen, die unter Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot rechtfertigen könnten.
Insbesondere stellt die Tatsache, dass die Kammer die Einschätzung der Einspruchsabteilung in Bezug auf einen Einwand der Beschwerdeführerin als Fehleinschätzung bewertet, ohne dabei neue Fakten bzw. neue Gründe anzuführen, objektiv gesehen keine besonderen und vor allem keine überraschenden neuen Umstände dar, die eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot aus Billigkeitsgründen rechtfertigen würden.
Aus diesen Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass die in der Entscheidung G 1/99 behandelte Ausnahmeregelung im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.
4.3.6 Die Beschwerdegegnerin hat auf die Entscheidung T 1843/09 verwiesen, in der festgestellt wurde, dass Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot nicht auf die spezielle, in G 1/99 behandelte Situation beschränkt sind, wo der Einspruchsabteilung eine Fehleinschätzung bezüglich einer Änderung unterlaufen war, die in die mit der angefochtenen Entscheidung aufrechterhaltene Fassung des Patents eingeführt worden war (siehe Leitsatz, zweiter Absatz, und Entscheidungsgründe, Nr. 2.4.4). Allerdings kommt es auch hier darauf an, ob der Patentinhaber durch das Verschlechterungsverbot daran gehindert würde, sein Patent angemessen "gegen im Beschwerdestadium neu in das Verfahren eingeführte Tatsachen und Einwände" zu verteidigen (siehe auch T 1843/09, Entscheidungsgründe, Nr. 2.4.4, letzter Satz).
4.3.7 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass die Änderung gemäß Anspruch 1 des 2. Hilfsantrags nicht als Ausnahme vom Grundsatz des Verschlechterungsverbots zuzulassen ist.
4.4 In Anbetracht der obigen Ausführungen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass Anspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag gegen das Verschlechterungsverbot verstößt und dass der 2. Hilfsantrag aus diesem Grund nicht zulässig ist. Somit kann es dahingestellt bleiben, ob der 2. Hilfsantrag unter Artikel 12 (4) VOBK 2007 zugelassen werden könnte.
5. 3. Hilfsantrag - Verschlechterungsverbot
5.1 Die Ansprüche gemäß 3. Hilfsantrag wurden mit der Beschwerdeerwiderung vom 27. März 2019 als Hilfsantrag 2 eingereicht und sie entsprechen, abgesehen von der Ersetzung des Ausdrucks "sodass" durch "wobei", inhaltlich den Ansprüchen gemäß dem während des erstinstanzlichen Verfahrens mit Schreiben vom 12. April 2018 eingereichten Hilfsantrag 2.
Der Anspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Merkmal F gestrichen wurde und ein weiteres Merkmal, das die Struktur der Meldungscodes und die Übertragungsrate der Meldungen betrifft, hinzugefügt wurde. Die Überlegungen und Schlussfolgerungen in Nr. 4.2 bis 4.4 oben gelten daher mutatis mutandis für den Anspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag. Ähnlich wie bei dem 2. Hilfsantrag würde die Beschwerdeführerin durch die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis des 3. Hilfsantrags schlechter gestellt als ohne die Beschwerde und die Kammer sieht im vorliegenden Fall auch keine besonderen Umstände, die aus Billigkeitsgründen eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot rechtfertigen würden.
5.2 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass Anspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag gegen das Verschlechterungsverbot verstößt und dass der 3. Hilfsantrag daher nicht zulässig ist.
6. 4. Hilfsantrag - Verschlechterungsverbot
6.1 Die Ansprüche gemäß 4. Hilfsantrag wurden mit der Beschwerdeerwiderung vom 27. März 2019 als Hilfsantrag 3 eingereicht. Anspruch 1 gemäß 4. Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Merkmal F gestrichen wurde und im Wesentlichen dieselben Merkmale wie in Anspruch 1 gemäß 2. Hilfsantrag und in Anspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag nach Streichung des Merkmals F hinzugefügt wurden.
Die Überlegungen und Schlussfolgerung in Nr. 4.2 bis 4.4 oben gelten daher auch hier mutatis mutandis für den Anspruch 1 gemäß 4. Hilfsantrag. Ähnlich wie bei dem 2. Hilfsantrag würde die Beschwerdeführerin durch die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis des 4. Hilfsantrags daher schlechter gestellt als ohne die Beschwerde und die Kammer sieht im vorliegenden Fall auch keine besonderen Umstände, die aus Billigkeitsgründen eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot rechtfertigen würden.
6.2 Somit verstößt Anspruch 1 gemäß 4. Hilfsantrag ebenfalls gegen das Verschlechterungsverbot und der 4. Hilfsantrag ist deshalb nicht zulässig.
7. 5. Hilfsantrag - Artikel 13 (1) und 13 (2) VOBK 2020
7.1 Die Ansprüche gemäß 5. Hilfsantrag wurden von der Beschwerdegegnerin nach der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht. Ihre Zulassung in das Beschwerdeverfahren unterliegt daher Artikel 13 (2) VOBK 2020.
Anspruch 1 gemäß 5. Hilfsantrag unterscheidet sich inhaltlich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das Merkmal, das in Anspruch 1 gemäß 3. Hilfsantrag hinzugefügt wurde, im Anspruch 1 hinzugefügt wurde.
Anspruch 1 gemäß 5. Hilfsantrag beinhaltet daher auch das Merkmal F, sodass er nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt (siehe Nr. 2 oben). Daher sind die Änderungen gemäß Anspruch 1 des 5. Hilfsantrags nicht geeignet, den oben unter Nr. 2 gegen den Anspruch 1 des Hauptantrags nach Artikel 123 (2) EPÜ erhobenen Einwand auszuräumen. Dementsprechend erfüllen diese Änderungen - ähnlich wie bei dem 1. Hilfsantrag - nicht die Kriterien des Artikels 13 (1) VOBK 2020 für eine Zulassung des 5. Hilfsantrags (vgl. Nr. 3.3.2 oben, zweiter und dritter Absatz).
Aus diesen Gründen entschied die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 unter Heranziehung der Kriterien nach Artikel 13 (1) VOBK 2020, den 5. Hilfsantrag nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
8. Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass
- der Hauptantrag nicht gewährbar ist, und dass
- die Hilfsanträge 1 bis 5 entweder im Hinblick auf Artikel 13 (2) VOBK nicht zuzulassen oder wegen des Verschlechterungsverbot nicht zulässig sind, sodass sowohl der hilfsweise gestellte Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 5 zurückzuverweisen, als auch der hilfsweise gestellte Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 5 aufrechtzuerhalten, gegenstandlos sind bzw. nicht stattgegeben werden können.
Unter diesen Umständen ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.