European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T168418.20191021 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 21 October 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1684/18 | ||||||||
Anmeldenummer: | 07016036.1 | ||||||||
IPC-Klasse: | B63H 21/17 B63H 23/24 H02P 3/00 B60L 15/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Schiffsantrieb | ||||||||
Name des Anmelders: | Schniewindt GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Siemens Aktiengesellschaft | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Spät eingereichte Argumentationslinien - Argumentationslinien hätten bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können (ja) | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich der Zurückweisung des Einspruchs.
II. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin erstmalig folgende Druckschriften ein:
E33 EP 0 925 993 A2
E34 US 2 633 541 A1
E35 DE 1 721 276 U.
Dabei handelte es sich nicht um die Dokumente gleicher Nummerierung wie im Einspruchsverfahren.
III. In ihrer Erwiderung beantragte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) unter anderem, die Dokumente E33 bis E35 als verspätet nicht zum Verfahren zuzulassen.
IV. In der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung nach Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) stellte die Kammer fest, dass die Beschwerde sich auf den Einspruchsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit stütze und ausschließlich auf Argumentationslinien (E22 - DE 870 725 A - in Kombination mit E33 oder E34 oder E35) basiere, die Dokumente berücksichtigten (nämlich E33 bis E35), die erstmals mit der Beschwerdebegründung genannt worden seien. Für die Kammer stellte sich die Frage, ob die neuen Argumentationslinien und die neuen Dokumente E33 bis E35 in das Beschwerdeverfahren zuzulassen seien (Artikel 12(4) VOBK). Es gäbe nämlich keinen triftigen und plausiblen Grund dafür, die neuen Argumentationslinien und die neuen Dokumente E33 bis E35 erst im Beschwerdeverfahren einzureichen.
V. Es wurde am 21. Oktober 2019 mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag), hilfsweise das Patent auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 20, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrechtzuerhalten.
VI. Der unabhängige Anspruch 1, der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen wurde, entspricht dem erteilten Anspruch 1 und hat den folgenden Wortlaut:
"Schiffsantrieb, mit einer elektrischen Energieerzeugung, mittels der elektrische Energie in ein Schiffsnetz einspeisbar ist, und einem elektrischen Propulsionsantrieb, der durch das Schiffsnetz mit elektrischer Energie versorgbar ist und der eine Bremseinrichtung (1) aufweist, wobei die Bremseinrichtung (1) des elektrischen Propulsionsantriebs als elektrischer Bremswiderstand (1) ausgebildet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Bremswiderstand ausgestattet ist mit zumindest einen Widerstandsblock (6) bzw. zwei Widerstandsblöcken (6), wobei jeder Widerstandsblock (6) zwei Widerstandszweige (7, 8) aufweist, die an einem Ende bzw. an einem Nullpunkt miteinander verbunden sind, und einem Luft/Wasser-Wärmetauscher (9), der innerhalb eines metallischen Gehäuses (2) des elektrischen Bremswiderstands (1) angeordnet ist."
VII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei ausgehend vom bereits im Einspruchsverfahren als nächstkommenden Stand der Technik angesehenen Dokument E22 nicht erfinderisch, da jedes der Dokumente E33, E34 und E35, die erst in einer Nachrecherche ermittelt wurden, die Verwendung eines im Gehäuse angeordneten Luft/Wasser-Wärmetauschers nahelegen würde. Die Dokumente E33 ? E35 seien somit prima facie relevant und wären daher zur Beurteilung der Neuheit als auch der erfinderischen Tätigkeit heranzuziehen. Weitere Argumentationslinien gegen die Patentfähigkeit des Anspruchs 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung wurden nicht vorgebracht.
VIII. Die Beschwerdegegnerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Einreichung der Dokumente E33 ? E35 mit der Beschwerdeschrift sei ein verspätetes Vorbringen im Sinne von Artikel 114(2) EPÜ und wäre nicht durch eine Änderung des Schutzbegehrens verursacht worden, da das Streitpatent in erteilter Fassung von der Einspruchsabteilung bestätigt wurde. Zudem handle es sich bei E33 ? E35 nicht um prima facie relevante Dokumente, da keines der Dokumente Schiffsantriebe betreffe. Zudem würde keine Kombination der Dokumente E33 ? E35 mit E22 zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 12(4) VOBK
2.1 Gemäß Artikel 12(4) VOBK hat die Beschwerdekammer die Befugnis, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können oder dort nicht zugelassen worden sind.
2.2 Die Beschwerdeführerin hat bereits im Einspruchsverfahren fehlende erfinderische Tätigkeit als Einspruchsgrund geltend gemacht.
Dabei argumentierte sie ausgehend von E22 als nächstkommenden Stand der Technik, der mit der Lehre des Dokuments E2 (EP 0 872 853 A1) kombiniert wurde.
2.3 Diese Argumentationslinie konnte die Einspruchsabteilung im Vorverfahren jedoch nicht überzeugen, so dass die Einspruchsabteilung das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit bestätigte (siehe Absatz 2.3.1 der angegriffenen Entscheidung).
2.4 Die Dokumente E33 ? E35 wurden erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht und für drei neue Argumentationslinien zur erfinderischen Tätigkeit verwendet (jeweils ausgehend von E22 in Kombination mit E33, mit E34 und mit E35). Die auf den neu eingereichten Dokumenten E33 - E35 basierenden Argumentationslinien stellen dabei ein neues Vorbringen dar, mit dem das Patent wie erteilt wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit erstmalig im Beschwerdeverfahren angegriffen wird.
2.5 Die Beschwerdeführerin führte lediglich aus, dass die Dokumente E33 ? E35 bei einer mit der Vorbereitung der Beschwerdeschrift erfolgten Nachrecherche entdeckt wurden.
Eine Nachrecherche bezüglich des Patents wie erteilt hätte jedoch ohne weiteres bereits innerhalb der Einspruchsfrist oder spätestens im weiteren Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens vorgenommen werden können. Auch stellt das Beschwerdeverfahren keine weitere Möglichkeit dar, beim Scheitern einer im Einspruchsverfahren vorgetragenen Argumentation nun einen erneuten Anlauf zu nehmen, mit neuen Beweismitteln und neuen Argumentationslinien das Streitpatent doch noch zu Fall zu bringen.
2.6 Unter diesen Umständen ist die Beschwerdekammer der Auffassung, dass es gerechtfertigt ist, von ihrer in Artikel 12(4) VOBK eingeräumten Befugnis Gebrauch zu machen, die Dokumente E33 ? E35, sowie die darauf beruhenden Argumentationslinien nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
3. Nachdem die Einsprechende außer den drei auf E33 - E35 beruhenden Argumentationslinien keine weiteren Angriffe gegen den Hauptantrag vorgetragen hat, liegt für die Kammer kein Grund vor, die erstinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.