T 1337/18 () of 14.7.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T133718.20210714
Datum der Entscheidung: 14 Juli 2021
Aktenzeichen: T 1337/18
Anmeldenummer: 13157622.5
IPC-Klasse: A47B 81/00
A47B 88/04
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Seitenauszug mit Schubkastenführungen und Stützlager
Name des Anmelders: Vauth-Sagel Holding GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: Kesseböhmer Beschlagsysteme GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 107
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde (ja)
Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/12
T 0097/98
T 0875/06
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Gegen das europäische Patent Nr. 2 774 508 legte die Firma Kesseböhmer Beschlagsysteme GmbH & Co. KG Einspruch durch ihren zugelassenen Vertreter ein.

II. Der Einspruch wurde mit der am 23. März 2018 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung zurückgewiesen.

III. Dagegen wurde vom zugelassenen Vertreter, der die Einsprechende vertreten hatte, namens und in Auftrag dessen Mandantin Kesseböhmer Holding KG am 18. Mai 2018 Beschwerde eingelegt.

Im Betreff dieses Beschwerdeschriftsatzes wurde als Einsprechende ebenfalls die Firma Kesseböhmer Holding KG genannt. Als Adresse wurde dieselbe Adresse angegeben, wie diejenige der Einsprechenden, d.h. Mindener Str. 208, 49152 Bad Essen.

Die am 1. August 2018 eingereichte Beschwerdebegründung erwähnte im Betreff die Firma Kesseböhmer Holding KG.

IV. Folgende Dokumente werden in dieser Entscheidung zitiert:

E1 (EP-A1-2 526 823);

E2 (EP-A1-1 479 316);

E3 (EP-A1-0 806 163);

E4 (DE-A1-38 34 581);

E5 (DE-A1-103 17 311);

E9 (DE-U1-20 2007 013 448).

V. Es fand am 14. Juli 2021 eine mündliche Verhandlung statt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Des Weiteren beantragte sie die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag) hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage eines der Hilfsanträge I bis VI (eingereicht mit der Einspruchserwiderung vom 7. Februar 2017).

VI. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:

"Seitenauszugbeschlag (1) mit

-einem Ausziehrahmen (2), der mindestens zwei vertikal übereinander anzuordnende und starr miteinander verbundene Horizontalträger (5) aufweist, und

-mindestens zwei Linearführungen (15), die Schubkastenführungen sind und die jeweils ein erstes Anschlusselement (16) zur Befestigung an einer Seitenwand eines Korpus eines Ausziehschranks und ein gegenüber dem ersten Anschlusselement (16) linear geführtes zweites Anschlusselement (14) zur Befestigung an einem der Horizontalträger (5) aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens ein Stützlager zur Abstützung von auf den Ausziehrahmen (2) einwirkenden horizontalen Querkräften an der Seitenwand vorgesehen ist, wobei das Stützlager eine Stützrolle (21) umfasst, die an einem an der Seitenwand zu befestigenden Sockelelement (20) um eine vertikal auszurichtende Drehachse drehbar gelagert ist und bei montiertem Seitenauszugbeschlag (1) in eine oben oder unten offene U-Schiene (6) an einem der Horizontalträger (5) eingreift, wobei sich der jeweilige Horizontalträger (5) zusätzlich zu der zwischen ihm und der Seitenwand vorgesehenen Linearführung (15) an der Stützrolle (21) und damit an der Seitenwand abstützt, so dass das Stützlager die Linearführung (15) von Querkräften entlastet."

VII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) führte aus, dass die Beschwerde zulässig sei, da im Beschwerdeschriftsatz vom 18. Mai 2018 die Beschwerde "namens und im Auftrag der Einsprechenden" erhoben werde. Die Einsprechende sei immer nur die Firma Kesseböhmer Beschlagsysteme GmbH & Co. KG gewesen und die im Beschwerdeschriftsatz angegebene Adresse sei auch die korrekte Adresse der Einsprechenden. Die Firma Kesseböhmer Holding KG sei nie Einsprechende gewesen und auch keine am Verfahren beteiligte Partei. Es handle sich damit um einen offensichtlichen Fehler dessen Berichtigung mit Schreiben vom 17. Januar 2019 bereits beantragt sei und die nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe G 1/12, T97/98) gerechtfertigt und wohl begründet sei.

Der Gegenstand des erteilten unabhängigen Anspruchs 1 (Hauptantrag) sei im Hinblick auf E1, E2 und E3 nicht neu.

Aus E1 seien sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 bekannt, insbesondere auch die strittigen Merkmale M1.3.3 (d.h. "[zwei Linearführungen] ein gegenüber dem ersten Anschlusselement (16) linear geführtes zweites Anschlusselement (14) zur Befestigung an einem der Horizontalträger (5) aufweisen", M5 (d.h. "die Stützrolle (21) greift bei montiertem Seitenauszugbeschlag (1) in eine oben oder unten offene U-Schiene (6) an einem der Horizontalträger (5) ein;") und M6 (d.h. "der jeweilige Horizontalträger (5) stützt sich zusätzlich zu der zwischen ihm und der Seitenwand vorgesehenen Linearführung (5) an der Stützrolle (21) und damit an der Seitenwand ab;").

Zu Merkmal M1.3.3 werde festgestellt, dass E1 einen Querträger (Horizontalträger) 14 und ein Anschlusselement 16 offenbare, die integral, als U-Profil 20 ausgebildet und miteinander befestigt seien, und die Bestandteil der oberen Linearführung 8 seien (siehe E1, Figur 4, Absatz [0022]). Damit sei das besagte Merkmal erfüllt, da im montierten Zustand auch der Seitenauszugbeschlag gemäß Anspruch 1 einen mit dem Querträger befestigten Anschlusselement aufweise. Gleiches gelte für die untere Linearführung in Figur 4 von E4.

Merkmal M5 sei aus der unteren Linearführung von E1 bekannt, da der untere (integral mit dem ersten Anschlusselement 31 geformte) Querträger 15 als U-Profil (Schiene) 31 ausgebildet sei, wobei dessen der Seitenwand gegenüberliegend angeordnete Schenkel zusammen mit dem an der Seitenwand festgemachten Schenkel 27 des zweiten Anschlusselements 19 eine nach oben offene U-schiene bilde, in die eine Stützrolle 39 eingreife. Merkmal M5 sei unstreitig auch aus der oberen Linearführung in Figur 4 von E1 bekannt.

Merkmal M6 sei ebenfalls aus der oberen Linearführung bekannt, da in der weitesten Auslegung der Begrifflichkeiten des Anspruchs 1 dortige Teile gleichzeitig Linearführung und Horizontalführung bilden könnten und die Stützrolle 22 sowohl Teil der (oberen) Linearführung als auch des Stützlagers sein könne, da das Wort "zusätzlich" zu dem Begriff "abstützen" im Teilmerkmal M6 nicht fordere, dass es sich um zusätzliche, separate Bauteile handle. Dies sei nämlich sowieso nur eine Funktionsangabe und kein Teil des Seitenauszugbeschlages. Merkmal M6 sei unstreitig auch aus der unteren Linearführung in Figur 4 von E1 bekannt.

Merkmal M7 ergebe sich zwingend aus Merkmal M6.

Damit ergebe sich insgesamt, dass die Gesamtheit der Merkmale des Anspruchs 1 sowohl im Hinblick auf die obere (erste Angriffslinie) als auch auf die untere (zweite Angriffslinie) Linearführung in Figur 4 von E1 bekannt seien.

E2 offenbare sämtliche Merkmale des Anspruchs 1, insbesondere die strittigen Merkmale M2 (d.h. "mindestens ein Stützlager ist zur Abstützung von auf den Ausziehrahmen (2) einwirkenden horizontalen Querkräften an der Seitenwand vorgesehen"), M4 (d.h. "die Stützrolle (21) ist an einem an der Seitenwand zu befestigenden Sockelelement (2) um eine vertikal auszurichtenden Drehachse drehbar gelagert"), M5 und M6. Dies sei aus der unteren Linearführung der Figur 4 von E2 ersichtlich. Tatsächlich sei ein eine Stützrolle 21 umfassendes Stützlager zu entnehmen, das an einem an der Seitenwand zu befestigenden Sockelelement 16, 17 zu befestigen sei, wobei die Stützrolle 21 in die nach unten offene Schiene 19 eingreife. Damit sei die Linearführung 19 durch das Stützlager von Querkräften entlastet.

E3 offenbare auch sämtliche Merkmale des Anspruchs 1, insbesondere die Merkmale M4, M5, M6 und M7. Dies ergebe sich daraus, dass die Stützrollen (siehe Figuren 1 bis 5) 17, 18 an einem oberen Horizontalträger vorgesehen seien und die Stützrollen 23, 24 an einem Sockelelement abzurollen seien, das an der Seitenwand befestigt sei und um eine vertikal auszurichtende Drehachse drehbar gelagert seien. Merkmal M5 sei "ebenfalls verwirklicht, da das Sockelelement für die Rolle an dem Teil 10 U-förmig mit einem langen U-Schenkel und einem kurzen U-Schenkel eingreift". Diese U-Schiene sei auch nach unten offen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei für den von E1 ausgehenden Fachmann im Hinblick auf E2, E3, E4 oder E5 nicht erfinderisch.

Der beanspruchte Gegenstand unterscheide sich von der Vorrichtung gemäß E1 lediglich dadurch, dass der Horizontalträger (Querträger) getrennt und separat vom Anschlusselement der jeweiligen Linearführung ausgebildet sei und die U-Schiene, in die die Stützrolle eingreife, (im Gegensatz zur mehrteiligen, durch den einen Schenkel des U-Profils 15, 31 und den einen Schenkel 27 des Anschlusselements 19 gebildeten U-Schiene; siehe E1, Figur 4, untere Linearführung) einteilig ausgebildet und am Horizontalträger (Querträger) angeordnet sei. Somit bestehe für den Fachmann die Aufgabe, unter Beibehaltung der durch die Stützfunktion der Stützrolle bewirkten Vorteile, durch eine alternative Bauweise der genannten Konstruktionsteile der unteren Linearführung (siehe Figur 4 in E1), eine montagefreundlichere Vorrichtung anzustreben. Auf die naheliegende Lösung dieser Aufgabe werde durch das in den Dokumenten E2 bis E5 belegte Fachwissen hingewiesen, da dieses Fachwissen Linearführungen mit Stützrollen (mit vertikalen oder horizontalen Drehachsen) umfasse, die in einteilig geformten offenen U-Schienen eingriffen, wobei der Querträger (Horizontalträger) und das jeweilige Anschlusselement separat und getrennt ausgebildet seien. Damit gelange der Fachmann unmittelbar zum beanspruchten Gegenstand.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei für den von E9 ausgehenden Fachmann im Hinblick auf E1 nicht erfinderisch.

E9 offenbare unstreitig den Oberbegriff des Anspruchs 1 und die aus den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs resultierende Aufgabe bestehe darin, die Linearführung in der Vorrichtung gemäß E9 zu entlasten um ein verbessertes Laufverhalten zu erzielen.

Der Fachmann werde in naheliegender Weise erkennen, dass dies z.B. durch die Stützrolle 39 in der unteren Linearführung von E1 (siehe Figur 4) bewerkstelligt werde. Die dort vorgesehene Stützrolle 39 in eine nach unten offene Schiene an den Horizontalträger zu verlegen sei für den Fachmann mehr als naheliegend. Dazu sei bei der Vorrichtung gemäß E9 hinreichend Platz vorhanden und dadurch werde die Linearführung zusätzlich seitlich entlastet.

Gleiches gelte, ausgehend von E9, für die naheliegende Kombination mit jedem der Dokumente E2 bis E5, da durch diese Dokumenten (ähnlich zu E1) lediglich das Fachwissen nachgewiesen werde, wonach in eine (oben oder unten) offene U-Schiene eingreifende Stützrollen mit vertikalen Drehachsen allgemein bekannt seien (siehe z.B. E2, Stützrolle 2; E3 , Stützrollen 23,24; E4, Stützrollen 9; E5, Stützrollen 9, 13), insbesondere zur seitlichen Entlastung von Linearführungen.

Im Übrigen führe auch die naheliegende Kombination von E2 mit E3, oder von E2 oder E3 mit E4 und/oder E5 unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) behauptete, dass die Beschwerde unzulässig sei, weil die Beschwerde "namens und im Auftrag der Einsprechenden Kesseböhmer Holding KG, Mindener Strasse 208, 49152 Bad Essen" eingelegt sei. Die Firma Kesseböhmer Holding KG sei jedoch keine Verfahrensbeteiligte und auch keine Rechtsvorgängerin der Einsprechenden, sie sei auch im Handelsregister des Amtsgerichts Osnabrück unter HRA 4013 eingetragen, während die Firma Kesseböhmer Beschlagsysteme GmbH & Co. KG dort unter HRA 202291 eingetragen sei.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf E1, E2 und E3 sei neu, da keines dieser Dokumente insbesondere die Gesamtheit der genannten Merkmale M4, M5 und M6 (siehe oben) zeige.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei für den von E1 ausgehenden Fachmann im Hinblick auf E2, E3, E4 oder E5 erfinderisch, da die Kombination von E1 mit jedem dieser Dokumente nicht naheliegend sei und auch nicht zum beanspruchten Gegenstand führe. Insbesondere werde der Fachmann, in der unteren Linearführung des Seitenauszugbeschlags, zur seitlichen Abstützung nicht in naheliegender Weise eine die Linearführung in beiden seitlichen Richtungen abstützende U-Schiene einsetzen, da es hierfür keinen Hinweis, sowie keine Notwendigkeit oder Veranlassung gebe.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei für den von E9 ausgehenden Fachmann im Hinblick auf E1 bis E5 nicht naheliegend, weil sich insbesondere die Merkmale M5 und M6 nicht in naheliegender Weise aus den besagten weiteren Dokumenten ergäben.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerdekammer folgt der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe T 0875/06, T 97/98, G 1/12), die davon ausgeht, dass eine inkorrekte oder irrtümliche Angabe zur Person der Beschwerdeführerin korrigiert oder berichtigt werden kann. Voraussetzung einer solchen Berichtigung ist, dass aus der Beschwerdeschrift und dem übrigen Akteninhalt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entnommen werden kann, dass die Absicht bestand, die Beschwerde im Namen dieser Person einzulegen (siehe T 875/06, Entscheidungsgründe, Punkt 3.).

Da die Beschwerde "namens und im Auftrag der Einsprechenden Kesseböhmer Holding KG" durch denselben Vertreter eingelegt wurde, der auch die Einsprechende Kesseböhmer Beschlagsysteme GmbH & Co. KG vertreten hat, ist sowohl für die Beschwerdekammer als auch für die Beschwerdegegnerin oder die sonstige Öffentlichkeit offensichtlich gewesen, dass dem Aussteller der Beschwerdeschrift hinsichtlich des Namens der Einsprechenden ein Fehler unterlaufen ist.

Die Beschwerdekammer ist auch davon überzeugt, dass der Vertreter schon bei Einlegung der Beschwerde die Absicht hatte, für die Einsprechende Kesseböhmer Beschlagsysteme GmbH & Co. KG die Beschwerde einzulegen, da er in der Beschwerdeschrift auf die Person der Einsprechenden Bezug nimmt und auch keine neue Vollmacht eingereicht hat.

Auch angesichts dessen, dass der Vertreter der Beschwerdeführerin zudem schon, ohne eine Aufforderung der Beschwerdekammer nach Regel 101 (2) EPÜ erhalten zu haben, mit Schreiben vom 17. Januar 2019 einen Antrag auf Korrektur des Namens der beschwerdeführenden Einsprechenden als Firma Kesseböhmer Beschlagsystem GmbH & Co. KG stellte, sieht die Beschwerdekammer keinen Grund die Zulässigkeit der Beschwerde nun in Frage zu stellen. Die Berichtigung wurde in der Folge von der Geschäftsstelle der damals zuständigen Beschwerdekammer vorgenommen und der korrekte Name eingetragen (siehe T 875/06, Entscheidungsgründe, Punkt 4.).

Die Beschwerde ist daher rechtlich im Namen der Einsprechenden Kesseböhmer Beschlagsysteme GmbH & Co. KG eingelegt.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 (Hauptantrag) ist im Hinblick auf E1, E2 und E3 neu (Artikel 54 EPÜ).

Zu E1 ist festzustellen, dass die obere Linearführung 8 (erste Angriffslinie der Beschwerdeführerin) zumindest die Merkmale M6 (d.h. "der jeweilige Horizontalträger (5) stützt sich zusätzlich zu der zwischen ihm und der Seitenwand vorgesehenen Linearführung (5) an der Stützrolle (21) und damit an der Seitenwand ab;") und M1.3.3 (d.h. "[zwei Linearführungen] ein gegenüber dem ersten Anschlusselement (16) linear geführtes zweites Anschlusselement (14) zur Befestigung an einem der Horizontalträger (5) aufweisen") nicht offenbart.

E1 zeigt nämlich nicht, dass die Stützrolle 21 "zusätzlich" zu der Linearführung 8 den Horizontalträger 14,16 an der Seitenwand abstützt, weil die Stützrolle 21 selbst ein Teil der Linearführung 8 ist, wie eindeutig aus Figur 4 hervorgeht. Somit ist die durch Merkmal M6 implizierte Funktionsangabe in E1 nicht erfüllt.

Es ist auch unstreitig, dass das jeweilige zweite Anschlusselement der oberen und unteren Linearführung gemäß E1 einstückig mit dem jeweiligen Horizontalträger ausgebildet ist (E1, Figur 4; Absatz [0022], [0025]). Damit kann auch Merkmal M1.3.3 nicht erfüllt sein, da dieser eine getrennte Ausbildung von Horizontalträger und Anschlusselement verlangt, die selbst im montierten Zustand des Seitenauszugbeschlags (nach der Befestigung) festgestellt werden kann.

Zu der unteren Linearführung 9 (zweite Angriffslinie der Beschwerdeführerin) ist festzustellen, dass diese zumindest die Merkmale M1.3.3 und M5 nicht aufweist, weil der Horizontalträger 15 mit dem zweiten Anschlusselement 31 einstückig geformt ist (siehe oben) und weil der eine Schenkel vom zweiten Anschlusselement 31 und der eine Schenkel 27 vom ersten Anschlusselement 19 getrennte Bauteile sind, die keine am Querträger 15 angeordnete offene U-Schiene bilden, in die die Stützrolle eingreift.

Zu E2 ist festzustellen, dass die dortige Vorrichtung keine Stützrolle und kein Sockelelement im Sinne der Merkmale M4, M5 und M6 offenbart, da (entgegen den Behauptungen der Beschwerdeführerin) die Linearführung gemäß Figur 4 von E2 lediglich bspw. als Rollen (E2, Absatz [0022]) ausgebildete Führungsstücke 20, 21 (siehe z.B. untere Linearführung) aufweist, die jedoch Teil der Linearführung und nicht drehbar um eine vertikale, an einem an der Seitenwand befestigten Sockelelement angebrachten Achse gelagert sind.

Zu E3 ist festzustellen, dass dieses Dokument zumindest die Merkmale M4 bzw. M5 nicht offenbart, da einerseits die Stützrollen 17, 18 (siehe Figuren 1 bis 5) am Horizontalträger 3 (E3, Spalte 3, Zeilen 44-55) befestigt sind und in eine an der Seitenwand angebrachten U-Schiene eingreifen. Damit sind in diesem Fall beide Merkmale M4 und M5 nicht erfüllt. Andererseits greifen die Stützrollen 23, 24 nicht in eine oben oder unten offene U-Schiene an dem Horizontalträger ein, da sie lediglich entlang einer Seitenwand des Horizontalträgers 3 rollen (E3, Spalte 4, Zeilen 22-33). Damit ist auch in diesem Fall zumindest Merkmal M5 nicht erfüllt.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist für den von E1 ausgehenden Fachmann im Hinblick auf E2, E3, E4 oder E5 und auf das durch diese Dokumente vermittelte Fachwissen nicht naheliegend (Artikel 56 EPÜ).

Die Argumentation der Beschwerdeführerin basiert im Kern darauf, dass es für den Fachmann naheliegend sei, in der unteren Linearführung 9 der Vorrichtung von E1 (siehe Figur 4) eine am Horizontalträger 15 angeordnete, (unten) offene U-Schiene vorzusehen, in die die Stützrolle 39 eingreife. Dies entspreche dem Merkmal M5 des Anspruchs 1, welches in der unteren Linearführung 9 der Vorrichtung von E1 nicht verwirklicht ist.

Es wird zunächst festgestellt, dass der von E1 ausgehende Fachmann im Hinblick auf E2 oder E3 nicht in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen würde, weil in E2 und E3 das Merkmal M5 gerade nicht offenbart ist (siehe obige Diskussion zur Neuheit) und auch nicht suggeriert wird. In E2 und E3 wird als technische Lehre allgemein die seitliche Abstützung des Horizontalträgers offenbart, wobei die Stützfunktion durch Stützrollen übernommen wird, die jedoch Merkmal M5 nicht erfüllen.

Ausgehend von E1 würde der Fachmann auch im Hinblick auf Dokumente E4 und E5 nicht in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen, und dies selbst in der Annahme dass E4 und E5 (sowie z.B. auch E1, E2 und E3), allgemeines Fachwissen darstellen. In der Tat, würde der Fachmann keine Anregung und keinen Grund haben, in der Vorrichtung gemäß E1 die technische Maßnahmen entsprechend Merkmal M5 zu implementieren. Dies aus mehreren Gründen.

Zum einen würde dies (entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin) den Seitenauszugbeschlag gemäß E1 nicht montagefreundlicher machen, im Gegenteil, das Hinzufügen einer U-Schiene würde die untere Linearführung 9 nicht nur schwerer, sondern auch sperriger und klobiger machen, und damit schwieriger zum Handhaben. Gleichzeitig würde dies auch deren Herstellung aufwendiger machen und sich kostenerhöhend auswirken.

Zum anderen würde der Fachmann auch feststellen, dass in der oberen Linearführung 8 (siehe Figur 4) bereits eine in eine U-Schiene eingreifende Stützrolle 21 zur seitlichen Abstützung der Linearführung eingesetzt wird, während in der unteren Linearführung 9 von einer solchen Maßnahme gerade abgesehen wurde. Dies trägt nicht nur zur Vereinfachung und zur Kostenreduzierung bei (siehe oben), sondern steht offensichtlich direkt in Relation zur spezifischen Struktur und Konfiguration des Seitenauszugbeschlags gemäß E1, welcher nicht symmetrisch gebaut ist (siehe z.B. Lage der Linearführungen und des Vertikalträgers in Figur 4 und 5). Es wird dort eine lediglich (in einer Richtung) einseitig erfolgende Abstützung durch eine Stützrolle 39 vorgesehen, die auf einem an der Wand befestigten Sockelelement 27,28 um eine vertikale Achse drehbar gelagert ist und mit dem besagten Schenkel 15, 31 der unteren Linearführung 9 abstützend in Berührung steht. Diese einseitige Abstützung ist jedoch der Offenbarung von E1 zufolge völlig ausreicheichend, da laut E1 "diese Rolle 39 ..die gegen die Seitenwand 3 gerichtete Flanke des ersten U-Profils während des Einschiebens und Ausziehens des Schrankauszuges zusätzlich zu der Linearführung ab[stützt], was eine optimale Funktionsweise gewährleistet, auch bei grosser Belastung" (siehe E1, [0025]).

Die Beschwerdekammer folgt damit den Argumenten der Beschwerdegegnerin, wonach ausgehend von E1 eine Abstützung der Linearführung in beiden seitlichen Richtungen (durch die Verwendung einer U-Schiene entsprechend dem Merkmal M5) für den Fachmann im Hinblick auf das besagte Fachwissen nicht in Betracht kommen und nicht naheliegen würde.

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist für den von E9 ausgehenden Fachmann im Hinblick auf E1, E2, E3, E4 oder E5 und auf das durch diese Dokumente vermittelte Fachwissen nicht naheliegend (Artikel 56 EPÜ).

Zunächst ist festzustellen (analog zu der von E1 ausgehenden, die weiteren Dokument E2 und E3 berücksichtigende Argumentation der Beschwerdeführerin), dass auch der von E9 ausgehende Fachmann im Hinblick auf E2 oder E3 nicht in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen würde, weil in E2 und E3 das Merkmal M5 gerade nicht offenbart ist (siehe obige Diskussion zur Neuheit) und auch nicht suggeriert wird. In E2 und E3 wird als technische Lehre allgemein die seitliche Abstützung des Horizontalträgers offenbart, wobei die Stützfunktion durch Stützrollen übernommen wird, die jedoch Merkmal M5 nicht erfüllen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird weiterhin, ausgehend von E9, durch E1 nicht nahegelegt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, würde angesichts der Struktur und Konfiguration der unteren Linearführung 9 in E1 (Figur 4) der Fachmann nicht zum besagten Merkmal M5 gelangen, weil es hierfür weder in E9 noch in E1 (wie vorangehend diskutiert) eine Anregung oder einen Hinweis gibt, und in E1 sogar die Vorteile der dort offenbarten praktischen Umsetzung und Ausgestaltung des Stützlagers besonders hervorgehoben werden (siehe vorangehende Diskussion).

Die obere Linearführung 8 in E1 (Figur 4) würde dem Fachmann ebenfalls nicht das Merkmal M6 nahelegen, da die Stützrolle 21 Teil der Linearführung selbst ist und es sich hierbei nicht (wie bereits vorangehend festgestellt) um eine zusätzliche Abstützung der Linearführung durch die Stützrolle handelt.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird dem Fachmann auch nicht durch E9 und die weiteren Dokumente E4 und E5 nahegelegt, dies selbst in der Annahme, dass E4 und E5 (sowie E1, E2 und E3) allgemeines Fachwissen darstellen.

In der Tat offenbaren E4 und E5 nicht einen Seitenauszugbeschlag gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1, da sie nicht einen Ausziehrahmen mit "zumindest zwei vertikal übereinander anzuordnende und starr miteinander verbundene Horizontalträger aufweisen" (siehe Anspruch 1), und somit keinen gattungsgemäßen Seitenauszugbeschlag betreffen, sondern Möbelteile wie z.B. Schubladen oder Arbeitsplatten (siehe E5, Absatz [0002]; E4, Zeilen 1-10). Seitenauszugbeschläge mit Horizontalträger, verbunden durch Vertikalträger und vertikal übereinander liegende Linearführungen aufweisend, unterscheiden sich grundsätzlich aufgrund ihrer Dimensionen, Struktur und Gewicht von einfachen Möbelschubladen und sind somit inhärent eindeutig stabiler als einfache Möbelschubladen. Folglich würde der Fachmann zur Verbesserung des Laufverhaltens und Stabilität von Seitenauszugbeschlägen nicht notwendig und zwingend Linearführungen von Möbelschubladen in Betracht ziehen.

Zudem offenbart E4, dass die Stützrollen 9 mit vertikaler Drehachse (E4, Figur 3) (analog zu Merkmal M5) speziell zur seitlichen Abstützung einer magnetisch gelagerten und deswegen inhärent seitlich instabilen Linearführung eingesetzt werden (E4, Spalte 4, Zeilen 50-62), die jedoch in der Vorrichtung gemäß E9 nicht vorhanden ist. Damit würde die Kombination von E9 und E4 nicht unmittelbar und zwingend zum beanspruchten Gegenstand führen, da E4 die besagte technische Maßnahme nicht zur Stabilisierung von mechanisch (z.B. durch Rollen) gelagerten Linearführungen offenbart.

Bezüglich E5 wird festgestellt, dass dortige Stützrollen oder Wälzkörper lediglich eine vertikale (bzw. horizontale) virtuelle Drehachse besitzen, die damit nicht fest an einem Sockelelement angeordnet ist (im Gegensatz zu Merkmal M5). Demzufolge würde auch die Kombination von E9 und E5 den Fachmann nicht in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand führen.

5. Aus denselben Gründen (siehe Punkt 4.) würde auch der von E2 oder E3 ausgehende Fachmann im Hinblick auf E4 und E5 nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen. Insbesondere offenbaren beide Dokumente E2 und E3 zumindest nicht das Merkmal M5, und dieses wird aus den genannten Gründen (siehe oben) durch E4 und E5 nicht nahegelegt.

Schließlich würde der Fachmann ausgehend von E2 im Hinblick auf E3 nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen, da beide Dokumente zumindest das Merkmal M5 nicht offenbaren und auch nicht nahegelegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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