T 1236/18 () of 15.2.2023

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2023:T123618.20230215
Datum der Entscheidung: 15 Februar 2023
Aktenzeichen: T 1236/18
Anmeldenummer: 07721945.9
IPC-Klasse: B29C 49/78
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR BLASFORMUNG VON BEHÄLTERN UNTER VERWENDUNG VON WANDDICKENMESSUNG DES GEFORMTEN GEGENSTANDES
Name des Anmelders: KHS GmbH
Name des Einsprechenden: Krones AG
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 100(b)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 015(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
vorrangiges Ziel des Beschwerdeverfahrens - Beschwerdevorbringen ist auf Einwände gerichtet die Entscheidung zugrunde liegen (nein)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
R 0006/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 998 950 zurückzuweisen.

II. Mit dem Einspruch griff die Einsprechende das Patent in vollem Umfang an unter Geltendmachung der Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und erfinderische Tätigkeit) und 100 b) EPÜ (mangelnde Offenbarung). Die Einspruchsabteilung entschied, dass kein Einspruchsgrund der Aufrechterhaltung des Patents entgegensteht.

III. In einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK vom 24. März 2022 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde voraussichtlich zurückzuweisen sein dürfte.

IV. Die Einsprechende reagierte auf diese Mitteilung mit Schriftsatz vom 12. Januar 2023 und die Patentinhaberin antwortete darauf mit Schriftsatz vom 3. Februar 2023.

V. Am 15. Februar 2023 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Zu den Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen. Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.

VI. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte zuletzt

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und

den Widerruf des europäischen Patents

Nr. 1 998 950.

VII. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte zuletzt

die Beschwerde zurückzuweisen, d.h. das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten,

oder hilfsweise,

bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Streitpatent in geänderter Fassung auf der Basis eines der im Einspruchsverfahren vorgelegten Hilfsanträgen 1 bis 3, erneut eingereicht mit Schriftsatz vom 10. September 2019, aufrechtzuerhalten.

VIII. In dieser Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

E1: WO 2005/000588 A;

E5: US 3950459 A;

E7: DE 101 166 65;

E9: EP 1 175 990;

E10: JP H11-42702;

E13: Agr TopWave LLC, "PETWall plus TM", September

2005;

E15: Krones AG, "It's magic", Krones Magazin

Drinktec 2005;

E20: JP S 6034827;

E28: DE 196 085 70 A1;

E29: DE 18 16 489.

IX. Der unabhängige Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet:

"Verfahren zur Blasformung von Behältern (2), bei dem ein Vorformling (1) aus einem thermoplastischem Material nach einer thermischen Konditionierung entlang eines Transportweges im Bereich einer Heizstrecke (24) innerhalb einer Blasform (4) gereckt und durch Blasdruckeinwirkung in den Behälter (2) umgeformt wird, sowie bei der die thermische Konditionierung von mehreren übereinander positionierten Heizstrahlern (41) durchgeführt wird, dadurch gekennzeichnet, dass im Anschluss an die Blasformung des Behälters (2) auf mindestens einem Höhenniveau des Behälters (2) eine Wanddicke gemessen wird und dass ein diesem Höhenniveau zugeordneter Heizstrahler (41) hinsichtlich seiner Heizleistung geregelt wird und dass der Regelung als Sollwert ein Vorgabewert für die Wandstärke und als Istwert die gemessene Wanddicke zugeführt wird."

X. Der unabhängige Anspruch 14 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) lautet:

"Vorrichtung zur Blasformung von Behältern (2) aus einem thermoplastischen Material, die mindestens eine entlang eines Transportweges eines Vorformlings (1) angeordnete Heizstrecke (24) und eine mit einer Blasform (4) versehene Blasstation aufweist, sowie bei der die Heizstrecke (24) mindestens ein Heizelement mit mindestens zwei übereinander angeordneten Heizstrahlern (41) aufweist und dass die Heizstrahler (41) an eine Regelung angeschlossen sind, die mit mindestens einem Sensor (45) zur Erfassung einer Wanddicke des Behälters (2) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Sensor (42) auf einem Höhenniveau angeordnet ist, das einem Höhenniveau von einem der mindestens zwei Heizstrahler (41) unter Einbeziehung eines Reckfaktors entspricht, der durch das Verhältnis der Länge des versteckten Bereiches des Behälters (2) zur Länge des zugehörigen Bereiches des Vorformlings (1) gebildet ist und dass ein diesem Höhenniveau zugeordneten Heizstrahler (41) hinsichtlich seiner Heizleistung durch die Regelungregelbar ist und dass der Regelung als Sollwert ein Vorgobewert für die Wandstärke und als Istwert die gemessene Wanddicke zu führbar ist."

XI. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.

Entscheidungsgründe

Verfahrensrechtliche Aspekte - Zulassungsfragen

1. Berücksichtigung im Verfahren der Dokumenten E28 und E29 und der auf diese Dokumente basierende Argumentation der fehlenden erfinderischen Tätigkeit

1.1 Die Dokumente E28 und E29 wurden erstmalig mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Ihre Berücksichtigung im Verfahren steht gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 im Ermessen der Kammer.

1.2 Die Einsprechende argumentiert im Wesentlichen, dass E28 und E29 erstmals im Beschwerdeverfahren eingereicht wurden, weil erst in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zu erkennen gewesen wäre, dass die Einspruchsabteilung von der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumentation nicht überzeugt war (siehe die Beschwerdebegründung, Seite 3, letzte zwei Absätze).

1.3 Die Kammer stellt fest, dass es in der Natur eines streitigen Verfahrens liegt, dass eine der Parteien die Entscheidungsinstanz von ihrem Standpunkt überzeugen kann, und die andere nicht, und dass die Parteien grundsätzlich auf eine solche Entwicklung im Verfahren vorbereitet sein müssen.

1.4 Dass die Einspruchsabteilung von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt war, ist an sich kein rechtfertigender Grund, neues Vorbringen erst im Beschwerdeverfahren vorzulegen.

1.5 Die Kammer ist der Auffassung, dass die Dokumente D28 und D29 im Einspruchsverfahren hätten vorgebracht werden können und sollen, um der Einspruchsabteilung die Möglichkeit zu geben, über die Zulassung der Dokumente sowie über die auf diesen Dokumenten basierende Argumentationslinie zu entscheiden.

1.6 Im Hinblick auf das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen (siehe Artikel 12 (2) VOBK 2020), hält die Kammer es für angemessen, die Dokumente D28 und D29 sowie die auf diesen Dokumenten basierende Argumentation der fehlende erfinderischen Tätigkeit in Anwendung des ihr aus Artikel 12 (4) VOBK 2007 zustehenden Ermessens unberücksichtigt zu lassen.

2. Berücksichtigung im Verfahren der Argumentation der fehlenden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes der Ansprüche 1 und 14 gegenüber E15 in Kombination mit E10 oder E1 und gegenüber E10 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen.

2.1 Die Argumentationslinien der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E15 in Kombination mit E10 oder E1, sowie ausgehend von E10 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, wurden im Einspruchsverfahren nicht vorgetragen (siehe das Protokoll, Seite 2, letzter Absatz, bis Seite 3, siebter Absatz, sowie die Entscheidungsgründe, Seite 8, dritter Absatz, bis Seite 11, zweiter Absatz).

2.2 Eine Rechtfertigung dafür, diese Einwände erstmals im Beschwerdeverfahren zu erheben, wurde von der Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung nicht vorgebracht. Im Schriftsatz vom 12. Januar 2023 argumentierte die Einsprechende, dass E15 im Einspruchsverfahren zur Neuheit diskutiert wurde und dass die Argumentation in Folge auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung entsprechend nunmehr auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit angepasst wurde. Die Kammer ist allerdings der Auffassung, dass diese in der Sache anderen und damit neuen Einwände im Einspruchsverfahren, insbesondere und zumindest in der mündlichen Verhandlung nach der Diskussion zur Neuheit, hätten vorgebracht werden können und sollen, um der Einspruchsabteilung die Möglichkeit zu geben, darüber zu entscheiden.

2.3 Im Hinblick auf das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen (siehe Artikel 12 (2) VOBK 2020), hält die Kammer es für angemessen, ähnlich zu Punkt 1.6 oben, diese Argumentationslinien gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 unberücksichtigt zu lassen.

3. Berücksichtigung im Verfahren der Argumentation der fehlenden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 und 14 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) ausgehend von E5 in Kombination mit E20.

3.1 Dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung und den Entscheidungsgründen ist nicht zu entnehmen, dass in der mündlichen Verhandlung die erfinderisch Tätigkeit ausgehend von E5 in Kombination mit E20 diskutiert wurde, anders als von der Beschwerdeführerin argumentiert (siehe die Beschwerdebegründung, Seite 4, erster Absatz und Seite 28, fünfter Absatz).

3.2 Da die Beschwerdeführerin eine Berichtigung des Protokolls nicht beantragt hat, muss die Kammer gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern davon ausgehen, dass das Protokoll den Verlauf der Verhandlungen korrekt wiedergibt (siehe z.B. R6/14, Punkt 7 der Entscheidungsgründe) und dementsprechend der obige Einwand während der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht oder zumindest nicht substantiiert wurde.

3.3 Die von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebrachte Argumentation, dass es im Zeitpunkt der Verhandlung vor der Einspruchsabteilung gemäß der damaligen Rechtsprechung nicht erforderlich gewesen wäre, eine Berichtigung des Protokolls zu beantragen, ist nicht überzeugend, da die oben erwähnte Entscheidung R6/14 aus dem Jahr 2015 stammt, d.h. fast drei Jahre vor der Verhandlung, und sich auch auf frühere ähnliche Entscheidungen bezieht.

3.4 Die Kammer hält es daher für angemessen, in ähnlicher Weise wie zu Punkt 2.3 oben, den Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit ausgehend von E5 in Kombination mit E20 gemäß Artikel 12 (4) 2007 unberücksichtigt zu lassen.

4. Berücksichtigung im Verfahren der Argumentation der fehlenden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 und 14 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) ausgehend von E1 und E9 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, sowie der fehlender Neuheit gegenüber E5 und von Anlage C

4.1 Die Einsprechende hat erstmalig mit Schriftsatz vom 12. Januar 2023 die Einwände der fehlenden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 und 14 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) ausgehend von E1 und E9 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, sowie den Einwand der fehlender Neuheit gegenüber E5 erhoben und ein neues Dokument, Anlage C, eingereicht.

4.2 Da dieses Vorbringen noch nie im Verfahren vor der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung gemacht wurde, fällt es unter die Bestimmung von Artikel 13 (2) VOBK 2020, der besagt, dass Änderungen des Vorbringens einer Partei nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

4.3 Da die Einsprechende überhaupt keinen Grund für das verspätete Vorbringen angegeben hat, entscheidet die Kammer in Anwendung von Artikel 13 (2) VOBK 2020 die obigen Einwände und die Anlage C nicht zu berücksichtigen.

5. Berücksichtigung im Verfahren des Einwands der unausreichenden Offenbarung des Anspruchs 14 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag)

5.1 Mit dem Schriftsatz vom 21. Mai 2019 argumentierte die Einsprechende, dass Anspruch 14 die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht erfülle (siehe Seite 2, letzter Absatz - Seite 3, zweiter Absatz).

Dieser Einwand wurde weder im Einspruchsverfahren noch mit der Beschwerdebegründung vorgebracht, und die Kammer hält es für angemessen, in ähnlicher Weise zu Punkt 2.3 und 3.4 oben, gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 diesen Einwand unberücksichtigt zu lassen.

5.2 In der mündlichen Verhandlung hat die Einsprechende erstmalig argumentiert, dass, sollte der von der Patentinhaberin angegebenen Auslegung des Anspruchs 14 gefolgt werden, diese Auslegung zu einem Einwand unausreichender Offenbarung führte. Dieser erstmalig in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Einwand impliziert eine Änderung des Vorbringens der Einsprechenden und unterliegt dann Artikel 13 (2) VOBK 2020.

Die Auslegung des Anspruchs 14 seitens der Patentinhaberin hat sich während des Verfahrens indes nicht geändert. Somit hätte dieser Einwand früher im Verfahren vorgebracht werden können und müssen.

Da die Einsprechende überhaupt keinen Grund für dieses verspätete Vorbringen angegeben hat, entscheidet die Kammer, in ähnlicher Weise wie zu Punkt 4.3 oben, in Anwendung von Artikel 13 (2) VOBK 2020 diesen Einwand unberücksichtigt zu lassen.

Materiell-rechtliche Aspekte - Patentierbarkeitsfragen

6. Ausreichende Offenbarung von Anspruch 3 des Patents in der erteilten Fassung (Artikel 100 b) and 83 EPÜ)

6.1 Die Kammer kann der Einsprechenden nicht folgen (siehe die Beschwerdebegründung, Seite 31, Punkt VI; Schriftsatz vom 21. Mai 2019, Seite 3, Punkt II), dass der Anspruch 3 die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllt, weil das gesamte Streitpatent keinerlei Hinweise darauf gebe, wie zwei Messeinrichtungen und zwei Wanddickenregler in einem Regelkreis kombiniert werden können.

6.2 Denn die Kammer kann sich der von der Einsprechenden angegebenen Interpretation des Wortlauts des Anspruchs 3 nicht anschließen und teilt vielmehr die Auffassung der Patentinhaberin und die Feststellungen der Einspruchsabteilung (siehe die Beschwerdeerwiderung, Seite 6, zweiter Absatz, und die Entscheidungsgründe, Seite 12, fünfter Absatz), dass ein Fachmann den Anspruch 3 so versteht, dass dieser nicht eine Kombination von zwei Messeinrichtungen und zwei Wanddickenreglern in einem Regelkreis, sondern eine Kombination von mindestens zwei Messeinrichtungen und zwei Wanddickenreglern in jeweils einem Regelkreis betrifft. Die Argumentation der Beschwerdeführerin könnte höchstens die Klarheit im Sinne vom Artikel 84 EPÜ des Anspruchs 3 betreffen, dessen Erfordernisse an sich aber keinen Einspruchsgrund darstellen und zudem für erteilte Ansprüche im Einspruchsverfahren nicht überprüft werden (siehe G 3/14).

6.3 Die Kammer teilt daher die Auffassung der Einspruchsabteilung, dass Anspruch 3 die Erfordernisse des Artikel 83 EPÜ erfüllt.

7. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) gegenüber E7 (Artikel 100 a) und 54 EPÜ)

7.1 Die Kammer kann sich der Einsprechenden nicht anschließen (siehe Seite 15, erster Absatz, der Beschwerdebegründung), dass Dokument E7, insbesondere Absatz [0031], das Merkmal 1h des Anspruchs 1 offenbart (siehe die von der Einsprechenden angegebene Merkmalsgliederung der Ansprüche, Seiten 4 und 5 der Beschwerdebegründung), nämlich:

"dass der Regelung als Sollwert ein Vorgabewert für die Wandstärke und als Istwert die gemessene Wanddicke zugeführt wird".

Absatz [0031] der E7 lautet:

"Mit der Messeinrichtung 13 wird bevorzugt ein Profil der Wandstärke in axialer Richtung bestimmt. Die Messeinrichtung 13 ist mit der Steuer- und Regeleinrichtung 15 verbunden, in der die Messwerte verarbeitet werden, d.h. mit behälterspezifischen Sollwerten verglichen werden. In Abhängigkeit von der Differenz zwischen Messwert und Sollwert regelt die Steuer- und Regelvorrichtung die Erwärmung der bzw. das Temperaturprofil für die Vorformlinge und/oder für den Formungsvorgang relevante Parameter derart, dass diese Differenz in Richtung einer Verringerung beeinflusst wird."

7.2 Eine Regelung nach Merkmal 1h wird im Absatz [0031] eindeutig und unmittelbar nicht offenbart, dort ist nur eine Bestimmung des Profils der Wandstärke und eine Regelung des Temperaturprofils ausdrücklich erwähnt.

7.3 Der Argumentation der Einsprechenden, dass auch in der E7 ein individuell ansteuerbarer Heizstrahler vorhanden sei, der dem Höhenniveau des Sensors in irgendeiner Weise zugeordnet werden kann, und dass mehr vom Anspruch 1 nicht gefordert werde (siehe Beschwerdebegründung, Seite 15, erster Absatz, letzte drei Zeile), kann nicht gefolgt werden.

7.4 Anspruch 1 mit Merkmal 1h in Verbindung mit Merkmal 1g, nämlich:

"dass ein diesem Höhenniveau zugeordneter Heizstrahler (41) hinsichtlich seiner Heizleistung geregelt wird"

fordert, dass der Regelung eines Heizstrahlers ein Istwert der gemessenen Wanddicke zugeführt wird und damit die Heizleistung des Heizstrahlers geregelt wird. Dies ist der E7, insbesondere im Absatz [0031], eindeutig und unmittelbar nicht zu entnehmen. Dort wird das Temperaturprofil als ganzes geregelt; dass dieses nur gemäß Anspruch 1 des Streitpatents stattfinden kann, ist nicht in überzeugender Weise dargelegt worden.

7.5 Wie von der Patentinhaberin argumentiert, kann das Temperaturprofil in E7 wohl in seiner Gesamtheit in Abhängigkeit von der Differenz zwischen Messwert und Sollwert der Wandstärke geregelt werden, ohne dass die Regelung mit einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen einer Messung der Wanddicke an einem bestimmten Höhenniveau und einem bestimmten Heizstrahler stattfindet (siehe die Beschwerdeerwiderung, Seite 12, Punkte 1.2.1 und 1.2.2, und den Schriftsatz vom 10. September 2019, Seite 5, dritter Absatz, bis Seite 6, zweiter Absatz).

7.6 Dass die Infrarot-Strahler der E7 einzeln und unabhängig angesteuert werden können, wie im Absatz [0024] der E7 angedeutet, dass die Differenz zwischen Messwert und Sollwert in Richtung einer Verringerung beeinflusst wird (siehe Absatz [0031] der E7) sowie dass es sich in E7 ausdrücklich um eine "echte Regelung" handelt (siehe Spalte 2, letzte zwei Zeile), ändert diese Tatsache nicht.

7.7 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass das Merkmal 1h des Anspruchs 1 von E7 nicht offenbart wird und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu ist.

8. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) gegenüber E1

8.1 Die Kammer kann sich der Einspruchsabteilung (siehe die Entscheidungsgründe, Seite 7, vorletzter Absatz) und der Einsprechenden (siehe die Beschwerdebegründung, Seite 16, erster Absatz und das Schriftsatz vom 21. Mai 2019, Seite 6, zweiter Absatz) nicht anschließen, dass Dokument E1 ein Verfahren gemäß Merkmal 1e offenbart, nämlich,

"(sowie) bei der die thermischen Konditionierung von mehreren übereinander positionierten Heizstrahlern durchgeführt wird".

8.2 Die Kammer schließt sich der Patentinhaberin an (siehe die Beschwerdeerwiderung, Seite 14, Punkt 3.2, und den Schriftsatz vom 10. September 2019, Seite 7, dritter Absatz), dass aus der von der Einsprechenden angegebenen Passage der E1, nämlich Seite 8, Zeilen 16 bis 20, und Seite 9, Zeilen 25 bis 28, mehrere übereinander angeordnete Heizstrahler nicht zu entnehmen sind.

8.3 Aus der Seite 8, Zeilen 16 bis 20, ist nur zu entnehmen, dass mehrere Heizkörper vorhanden sind, diese sind aber nicht unbedingt übereinander positioniert. Aus Seite 9, Zeilen 25 bis 28, ist nur zu entnehmen, dass Sensoren entlang des Vorformlingsprofils angeordnet sind, aber nicht unbedingt die Heizkörper. Eine eindeutige und unmittelbare Offenbarung von übereinander positionierten Heizstrahlern ist nicht vorhanden.

8.4 Die Passage auf Seite 9, Zeilen 18 und 19, der E1, in der angegeben wird, dass

"the system 100 may only acquire thickness data and use it for feedback control of the temperature profile",

gibt ebenfalls entgegen der Auffassung der Einsprechenden (siehe Schriftsatz vom 12. Januar 2023, Seite 7, vierter Absatz) keine eindeutige und unmittelbare Offenbarung von übereinander positionierten Heizstrahlern.

8.5 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber E1 neu ist.

9. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) gegenüber E9

9.1 Die Kammer schließt sich der Einsprechenden nicht an, dass Dokument E9 das Merkmal 1f des Anspruchs 1 offenbart, nämlich dass:

"im Anschluss an die Blasformung des Behälters auf mindesten einem Höhenniveau des Behälters eine Wanddicke gemessen wird".

9.2 Die Kammer kann dem Argument der Einsprechenden nicht folgen (siehe die Beschwerdebegründung, Seite 18, zweiter Absatz, bis Seite 19, dritter Absatz, und den Schriftsatz vom 21. Mai 2019, Seite 5, dritter Absatz, bis Seite 6, erster Absatz), dass die in E9 erwähnten Materialverteilung der Wanddicke entspricht.

9.3 Wie von der Patentinhaberin argumentiert, ist es die Masse, die als Materialverteilung im Dokument E9 zu verstehen ist, siehe E9, Spalte 8, Zeilen 44-46,:

"The material distribution, that is the mass, of each section is determined by weighing the section on a scale".

Die Wanddicke wird daher in E9 nicht gemessen.

Es ist dann unerheblich, dass in dem allgemeinen Teil der Beschreibung der E9 angegeben wird, dass E9 die Herstellung von Artikeln mit bestimmten Eigenschaften, wie z.B. der Materialdickenverteilung erlaubt (siehe Schriftsatz vom 12. Januar 2023, Seite 8, dritter und vierter Absatz und Absatz [0015], der E9).

9.4 Es ist ferner irrelevant, was in E13 bezüglich der Materialverteilung gesagt wird, sowie was in dem in E9 zitierten Stand der Technik erwähnt wird (siehe die Beschwerdebegründung Seite 19, vierter Absatz - Seite 20, dritter Absatz), da es für einen Fachmann klar ist, dass in E9 als Materialverteilung die Masse bzw. das Gewicht zu verstehen ist (siehe Spalte 8, Zeilen 44 bis 46).

9.5 Dass aus der Materialverteilung die Wanddicke durch Berechnungen entnehmbar sei, ist ebenfalls unerheblich, weil es die Wanddicke ist, die gemäß Anspruch 1 erfasst werden soll. Eine solche Erfassung ist in E9 nicht eindeutig und unmittelbar offenbart.

9.6 Die Kammer ist daher von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt, dass E9 neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 ist.

10. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 14 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) gegenüber E7

10.1 Die Kammer kann sich der Einsprechenden nicht anschließen, dass Dokument E7 das Merkmal 14j offenbart (siehe die Beschwerdebegründung, Seite 13, fünfter Absatz), nämlich dass

"der Regelung als Sollwert ein Vorgabewert für die Wandstärke und als Istwert die gemessene Wanddicke zuführbar ist".

10.2 Dieses Merkmal entspricht dem Merkmal 1h des Anspruchs 1, so dass die Kammer aus ähnlichen Gründen wie bei Anspruch 1 keinen Grund sieht, von der Auffassung der Einspruchsabteilung abzuweichen, dass der Gegenstand des Anspruchs 14 neu gegenüber E7 ist.

11. Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 14 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) gegenüber E9

11.1 Die Kammer kann sich der Einsprechenden nicht anschließen (siehe die Beschwerdebegründung, Seite 20, fünfter Absatz und Seite 21, dritter Absatz), dass Dokument E9 das Merkmal 14f offenbart, nämlich dass:

"die mit mindestens einem Sensor zur Erfassung einer Wanddicke des Behälters verbunden ist",

weil, wie für Anspruch 1 ausgeführt (siehe Punkt 9 oben), die Materialverteilung mit der Wanddicke nicht gleichzusetzen ist.

11.2 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 14 neu gegenüber E9 ist.

12. Erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes der Ansprüche 1 und 14 des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag) ausgehend von E5 in Kombination mit E10

12.1 Die Kammer kann der Argumentation der einsprechenden nicht folgen, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung unrichtig sei und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von E5 in Kombination mit E10 nicht erfinderisch sei.

12.2 Zunächst hat die Einsprechende nicht gezeigt, dass die begründete Feststellung der Einspruchsabteilung (siehe die angefochtene Entscheidung, Seite 11, zweiter Absatz), dass die Regelanforderungen der Verfahren gemäß E5 und E10 gegensätzlich sind, so dass die Lehren dieser Dokumente ungeeignet sind, kombiniert zu werden, fehlerhaft ist. Schon aus diesem Grund kann die Argumentationslinie der Einsprechenden im Sinne einer Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gemäß Artikel 12(2) VOBK 2020 nicht erfolgreich sein.

12.3 Ferner, selbst wenn der Fachmann die Lehre von E5 mit der Lehre von E10 kombinieren könnte, bleibt offen, aus welchem Grund der Fachmann in der von der Einsprechenden angegebenen Weise vorginge.

12.4 Dokument E10 offenbart ein Verfahren und eine Vorrichtung, in der keine Regelung vorhanden ist.

Wie von der Patentinhaberin argumentiert (siehe die Beschwerdeerwiderung, Seite 20, Punkt VI.2.6), scheint eine Regulierung der Heizstrahlern der E10 nach der Grundeinstellung nicht erforderlich bzw. vorgesehen zu sein. Anderseits findet in E5 eine Regelung statt.

12.5 Die Kammer teilt die Auffassung der Einspruchsabteilung (siehe die angefochtene Entscheidung, Seite 11, zweiter Absatz), dass kein Hinweis für den Fachmann vorhanden ist, die Heizelemente von E5 mit den Heizelementen von E10 zu ersetzen oder die Heizelementen von E10 in E5 zusätzlich hinzufügen. Das Argument kann nur als das Ergebnis einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung angesehen werden.

12.6 Dass der Fachmann in Erwartung eines Vorteils, insbesondere in Vertikalrichtung zusätzlich zu erwärmen um unterschiedliche Dicken zu erzeugen, zusätzlich weitere Heizstrahler übereinander anordnen würde, bleibt eine unbewiesene Behauptung.

Die von der Einsprechenden zitierten Absätze [0037], [0038] und [0047] der E10 (siehe Seite 26, vierter Absatz, der Beschwerdebegründung) geben ebenfalls keinen Hinweis, die Lehre der E10 mit der Lehre der E5 so zu kombinieren, dass man zum beanspruchten Gegenstand käme.

Das gleiche gilt für Absatz [0020] der E10 (siehe Schriftsatz vom 12. Januar 2023, Seite 10, dritter Absatz), dessen Übersetzung auf English lautet:

"...By providing multiple infrared lamps provided with the aforementioned coating layer, the range of choice of the output of each infrared lamp can be expanded, and output adjustement can be performed still more easily...",

und damit kein Hinweis gibt, in E5 übereinander positionierten Heizelementen zu versehen.

12.7 Die Passage der E5 (siehe Spalte 2, Zeilen 59 bis 62):

"The irradiation elements comprising irradiation zone 12 can be located around, above, or below pick point 8 (for example at location 8 and 16 as noted in Fig. 4)",

bietet ebenfalls entgegen die Auffassung der Einsprechenden diesbezüglich keine eindeutigen Hinweise in Richtung des beanspruchten Gegenstandes an (siehe Schriftsatz vom 12. Januar 2023, Seite 10, vierter Absatz).

12.8 Die Kammer ist daher von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von E5 in Kombination mit E10 nicht nahegelegt wird, unrichtig ist.

12.9 Die Einsprechende argumentiert in ähnlicher Weise für die erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 14 (siehe die Beschwerdebegründung Punkt V.2.2, insbesondere Seite 27, letzter Absatz - Seite 28, zweiter Absatz) und die Kammer ist in ähnlicher Weise wie zu Anspruch 1 von der Argumentation der Einsprechenden nicht überzeugt, so dass sie daher zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 14 ausgehend von E5 in Kombination mit E10 nicht nahegelegt wird.

13. Weitere Einwände der Beschwerdeführerin bezüglich der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag)

13.1 Die Kammer stellt fest, dass auch wenn der Ausgangspunkt für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit von der Einspruchsabteilung falsch gewählt worden wäre, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert (siehe die Beschwerdebegründung, Seite 30, erster Absatz), es immer noch der Beschwerdeführerin obliegt, die Kammer in substantiierter Weise davon zu überzeugen, dass der beanspruchte Gegenstand nicht erfinderisch ist.

13.2 Die Argumentation der Beschwerdeführerin, dass verschiedene Merkmale des beanspruchten Gegenstands in mehreren Dokumenten zu finden wären (siehe die Beschwerdebegründung, Seite 30, letzter Absatz, bis Seite 31, vierter Absatz), ist unerheblich, weil der Kammer keine genaue und strukturierte Argumentation vorgelegt wird. Damit mangelt es einem substantiierten und im Beschwerdeverfahren prüffähigen Vorbringen.

14. Schlussfolgerung

Da die Einsprechende nicht überzeugend dargetan hat, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung unrichtig ist, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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