T 1076/18 () of 19.11.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T107618.20191119
Datum der Entscheidung: 19 November 2019
Aktenzeichen: T 1076/18
Anmeldenummer: 11764521.8
IPC-Klasse: F21S 4/00
F21V 19/00
F21V 29/00
F21V 17/16
F21Y 101/02
F21Y 103/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: LEUCHTMODULANORDNUNG MIT EINER LED AUF EINER PLATINE
Name des Anmelders: Zumtobel Lighting GmbH
Name des Einsprechenden: ITZ Innovations- und Technologiezentrum GmbH
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
Schlagwörter: Änderungen - Zwischenverallgemeinerung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin wendet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 1 (eingereicht mit Schreiben vom 3. November 2016 im Einspruchsverfahren).

Die Einspruchsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass Anspruch 1 gemäß dem geänderten Hauptantrag unzulässig erweitert worden sei (Artikel 123(2) EPÜ).

II. Die Kammer lud die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung. In der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK stellte die Kammer fest, dass die Beschwerde sich im Wesentlichen auf den Einwand der unzulässigen Änderung (Artikel 123(2) EPÜ) stützt. Die Kammer teilte dabei in ihrer vorläufigen Meinung die Auffassung der Einspruchsabteilung, wonach der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber der Offenbarung in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen unzulässig geändert wurde.

III. Es wurde am 19. November 2019 mündlich verhandelt.

a) Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents auf Basis des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrags.

b) Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung.

IV. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat den folgenden Wortlaut:

"Leuchtmodulanordnung für eine Leuchte, aufweisend

- wenigstens eine LED (2),

- wenigstens eine Platine (4), wobei die wenigstens eine LED (2) auf der wenigstens einen Platine (4) angeordnet ist,

- ein Trägerelement (6), an dem die wenigstens eine Platine (4) gehaltert ist,

- wenigstens ein Andrückelement (8), das derart angeordnet ist, dass es die wenigstens eine Platine (4) gegen einen Oberflächenbereich (10) des Trägerelements (6) drückt,

- ein optisch wirksames Element (12), das derart angeordnet ist, dass es ein von der wenigstens einen LED (2) abgestrahltes Licht optisch beeinflusst,

wobei das wenigstens eine Andrückelement (8) weiterhin zur Halterung des optisch wirksamen Elements (12) ausgebildet ist, und das Andrückelement (8) das optisch wirksame Element (12) an dem Trägerelement (6) hält,

dadurch gekennzeichnet,

dass das optisch wirksame Element (12) wenigstens eine Ausnehmung (122, 124) aufweist, durch die hindurch wenigstens ein Arm (85, 87) des wenigstens einen Andrückelements (8) greift, so dass hierdurch das optisch wirksame Element (12) an dem Trägerelement (6) gehaltert ist, wobei die wenigstens eine Ausnehmung (122) derart groß gestaltet ist, dass das optisch wirksame Element (12) mit Bewegungsspiel gehaltert ist."

V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin (Inhaberin) lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei offenbart in der ursprünglich eingereichten Beschreibung des einzigen Ausführungsbeispiels, wobei dort die Begriffe "weitere Arme" mit Bezugszeichen 85 und 87 nur zur sprachlichen Unterscheidung von den "Armen" mit Bezugszeichen 84 und 86 verwendet würden.

b) Die beiden Arten von Armen könnten dabei unabhängig voneinander vorhanden sein, da beide nur als optionale Ausbildung in der Beschreibung dargestellt würden.

c) Dabei würden die Arme 84 und 86 an einer anderen, deutlich entfernten Stelle der Beschreibung auf Seite 6 beschrieben werden im Vergleich zu der Stelle, die die weiteren Arme 85 und 87 betrifft auf Seite 11. Auch hieraus würde klar, dass die beiden Arten von Armen nichts miteinander zu tun hätten.

d) Des Weiteren verweist die Beschwerdeführerin darauf, dass im erteilten Anspruchssatz in den Ansprüchen 10 und 11 die Halterung des optisch wirksamen Elements am Trägerelement definiert wird, während im Anspruch 12 die Arme 84 und 86 zur Fixierung der Platine auf dem Trägerelement mittels Andrücken genannt werden. Nachdem Anspruch 12 sich nicht zwingend auf die Ansprüche 10 und 11 bezieht, sondern auf alle vorstehend genannten Ansprüche, würde auch hieraus deutlich werden, dass das Konzept der Halterung des optisch wirksamen Elements unabhängig ist vom Konzept der Halterung der Platine und daher auch die Arme 84 und 86 unabhängig von den Armen 85 und 87 seien.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Eine Offenbarung des Gegenstandes nach Anspruch 1 sei allenfalls in der Beschreibung des Ausführungsbeispiels gegeben, da an keiner anderen Stelle weitere Arme genannt würden. Dort seien die weiteren Arme 85 und 87 aber nur in Kombination mit den Armen 84 und 86 offenbart, was sich bereits aus der Bezeichnung ,,weitere Arme" ergäbe.

b) Die beiden relevanten Passagen der ursprünglich eingereichten Beschreibung auf Seite 6 und 11 betreffen dabei ein und dasselbe Ausführungsbeispiel.

Entscheidungsgründe

1. Im ursprünglichen Anspruchssatz wird in keinem Anspruch ein (weiterer) Arm des Andrückelements genannt, der der Halterung des optisch wirksamen Elements am Trägerelement dient. Auch im allgemeinen Teil der Beschreibung wird kein derartiger Arm genannt.

2. Die Kammer sieht daher als einzige mögliche Offenbarungsstelle des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag in den ursprünglichen Unterlagen die Beschreibung des Ausführungsbeispiels, das in den Figuren 1 - 4 gezeigt und auf Seite 5, Zeile 17 der ursprünglich eingereichten Beschreibung beginnend beschrieben wird.

2.1 Dabei ist in der Explosionsdarstellung der Figur 2 zu sehen, dass das Andrückelement mit Bezugszeichen 8 vier Arme mit den Bezugszeichen 84, 85, 86 und 87 aufweist.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

2.2 In der Beschreibung wird auf Seite 6, letzter Absatz beschrieben, dass die Arme 84 und 86 Druckflächen zum Drücken gegen die Platine 4 aufweisen, so dass diese am Trägerelement gehaltert wird. Auf Seite 11, dritter Absatz wird zudem ausgeführt, dass das Andrückelement 8 wenigstens einen weiteren Arm 85 bzw. Arme 85 und 87 aufweist, um das optisch wirksame Element am Trägerelement zu haltern.

2.3 Diese zweite Passage auf Seite 11 betrifft aber nach wie vor das gleiche Ausführungsbeispiel wie die erste Passage auf Seite 6, da in der Beschreibung und den Figuren nur auf ein einziges Ausführungsbeispiel Bezug genommen wird.

2.4 Dies wird unter anderem auch klar durch die Verwendung der Formulierung "Vorzugsweise ist dabei das wenigstens eine Andrückelement 8 außerdem zur Halterung des optisch wirksamen Elements ... ausgebildet" (Unter-streichungen hinzugefügt) auf Seite 11 der Beschreibung bei der einzigen Erwähnung der weiteren Arme 85 und 87 in der Figurenbeschreibung.

2.5 Durch das Wort "dabei" wird ein Bezug auf die Befestigung des weiteren optischen Elements 14 hergestellt, das erstmals auf Seite 9, Zeile 29 - 31 als Teil des Ausführungsbeispiels genannt wird. Dieses Ausführungsbeispiel ist das ab Seite 5, Zeile 17 beschriebene (einzige) Ausführungsbeispiel, auf das sich auch die Passage auf Seite 6, Zeilen 23 - 31 bezieht.

2.6 Eine Verbindung der beiden Passagen wird aber auch dadurch klar, dass in Zeile 10 auf Seite 11 der Ausdruck "außerdem" verwendet wird. Durch den Begriff "außerdem" wird deutlich, dass das hier beschriebene Andrückelement nicht nur die originäre Funktion hat, die Platine am Trägerelement zu haltern, sondern gleichzeitig auch dazu dient, das optisch wirksame Element am Trägerelement zu haltern. Dies setzt jedoch zwingend sowohl die Arme 84 und 86, als auch die weiteren Arme 85 und 87 voraus.

2.7 Daran ändert auch nichts, dass die beiden Passagen auf Seite 6 und 11 die jeweiligen Arme als jeweils optionale Ausgestaltungen darstellen. Der Fachmann liest die Beschreibung des Ausführungsbeispiels immer in Kombination mit den Figuren, die dieses Ausführungsbeispiel zeigen und hier ist nur ein Andrückelement mit Armen 84 und 86 sowie mit weiteren Armen 85 und 87 offenbart.

2.8 Daher findet sich in der Beschreibung des Ausführungsbeispiels nur eine Offenbarung für ein Andrückelement, das sowohl Arme 84 und 86, als auch weitere Arme 85 und 87 aufweist.

3. Erst die Kombination der beiden Arten von Armen ermöglicht es dabei, die in Anspruch 1 verlangte Funktionen einerseits der Halterung der Platine am Trägerelement und andererseits der Halterung des optisch wirksamen Elements am Trägerelement bereitzustellen.

3.1 Entsprechend ist das Vorhandensein der Arme 84 und 86 sowohl funktional, als auch strukturell untrennbar mit den weiteren Armen 85 und 87 verbunden.

3.2 Das Aufnehmen der weiteren Arme 85 und 87 bei gleichzeitigem Nicht-Aufnehmen der Arme 84 und 86 in den unabhängigen Anspruch 1 des Hauptantrags stellt somit eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung des (einzigen) Ausführungsbeispiels dar und somit einen Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ.

4. Die Beschwerdeführerin argumentiert zwar, dass die beiden Passagen auf Seite 6 und 11 an verschiedenen Stellen der Beschreibung genannt werden, die nicht miteinander in zwingender Verbindung stünden.

Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, da die Beschreibung auf den Seiten 6 und 11 wie vorstehend dargelegt ein und dasselbe Ausführungsbeispiel beschreibt.

5. Auch dem Argument der Beschwerdeführerin, dass der Ausdruck ,,weiterer Arm" auf Seite 11 keinen Bezug zu den Armen auf Seite 6 der Beschreibung herstellen würde kann nicht gefolgt werden.

5.1 Hätte die Formulierung tatsächlich nur dazu gedient, die beiden Arten von Armen unterscheidbar zu machen, hätte es ausreichende sprachliche Möglichkeiten gegeben, die beiden Arten von Armen zu unterscheiden. Beispielsweise hätte man die Arme zur Befestigung der Platine am Trägerelement als "Befestigungsarme der Platine" und die Arme zur Befestigung des optisch wirksamen Elements als "Befestigungsarme des optisch wirksamen Elements" bezeichnen können. Der Verfasser der ursprünglich eingereichten Anmeldung hat aber bewusst die Begriffe "Arm" und "weiterer Arm" gewählt.

5.2 Der Ausdruck "weiterer Arm" setzt logisch zwingend einen ersten Arm voraus, da nur dann ein weiterer Arm existieren kann. Diese Formulierung stellt eine Art Aufzählung von vergleichbaren Elementen dar, wobei eine Aufzählung aber immer mit dem ersten Element und nicht mit einem Element höherer Nummer beginnt.

6. In diesem Zusammenhang ist auch unerheblich, dass der ursprünglich eingereichte Anspruch 12 sich nicht nur auf Anspruch 10 und 11 bezieht, sondern auf alle vorstehenden Ansprüche.

6.1 Anspruch 12 nennt zwar Arme zur Halterung der Platine, aber die Ansprüche 10 und 11 erwähnen keine (weiteren) Arme zur Halterung des optisch wirksamen Elements am Trägerelement, sondern lediglich die Funktion des Andrückelement, das optisch wirksame Element am Trägerelement zu haltern. Entsprechend kann dem Anspruchssatz keine Information entnommen werden, ob die "weiteren Arme" unabhängig von den "Armen" zur Halterung der Platine als Teil des Andrückelement offenbart werden hätten sollen, da keine "weiteren Arme" genannt werden.

6.2 Diese Argumentation stellt allenfalls eine Spekulation zur Absicht des Verfassers der Anmeldeunterlagen dar, kann aber nicht konkret am vorliegenden Text nachgewiesen werden. Konkrete Mittel, wie die in Anspruch 10 und 11 definierte Halterung durch das Andrückelement erfolgt bzw. Bauteile, die diese Funktion übernehmen, werden im Anspruchssatz letztendlich nicht genannt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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