T 0100/18 () of 18.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T010018.20200918
Datum der Entscheidung: 18 September 2020
Aktenzeichen: T 0100/18
Anmeldenummer: 08849006.5
IPC-Klasse: E05F15/00
E05F3/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: TÜRANTRIEB
Name des Anmelders: DORMA Deutschland GmbH
Name des Einsprechenden: GEZE GmbH
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56 (2007)
RPBA2020 Art 012(1) (2020)
RPBA2020 Art 012(3) (2020)
RPBA2020 Art 013(2) (2020)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Spät vorgebrachte Argumente - Änderungen nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 13. Oktober 2017 zur Post gegebenen Entscheidung befand die Einspruchsabteilung, dass das Patent in der Fassung gemäß erstem Hilfsantrag aufrechechterhalten werden könne.

II. Die Einsprechende legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.

III. Am 18. September 2020 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen. Außerdem beantragte sie den Inhalt des Briefes der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) vom 18. August 2020 nicht zu berücksichtigen.

V. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

E2: DE 10 2005 001 314 A1

E3: EP-A-1 801 339 A2

VII. Anspruch 1 in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung lautet wie folgt:

"Türantrieb zum Antrieb eines Drehflügels in einer Türanordnung, wobei der Türantrieb zur Montage an einem Aufnahmekörper wie einem Türsturz, einer Wand oder dergleichen ausgebildet ist, aufweisend ein Anschlussmodul (1) zum Anschluss wenigstens einer Anschlussleitung (2),

wobei

• das Anschlussmodul (1) aus Richtung (3) des Aufnahmekörpers und aus wenigstens einer Seitenrichtung (4) zumindest eine Öffnung aufweist, durch die die Anschlussleitung (2) wahlweise dem Anschlussmodul (1) zugeführt ist, und

• der Türantrieb ferner eine Antriebseinheit (21) aufweist, mit der das Anschlussmodul (1) über wenigstens einen Aufschiebevorsprung (22) an der Antriebseinheit (21) mechanisch selbsthaltend verbunden ist, indem am Anschlussmodul (1) wenigstens eine Aufschiebeausnehmung (23) vorhanden ist, in die der Aufschiebevorsprung (22) eingeschoben ist, dadurch gekennzeichnet, dass (4.0) eine Signalanschlussplatine (16) vorgesehen ist, (4.1) die zur haltenden Aufnahme oberseitig auf dem Anschlussmodul (1) mittels zugeordneter Rastmittel (17) aufgeklipst ist."

(Fett gedruckte Merkmalsbezeichnung von der Kammer eingefügt)

VIII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Änderungen des Vorbringens der Beschwerdegegnerin

Die Beschwerdegegnerin habe keine Erwiderung auf die Beschwerdebegründung eingereicht. Nach Artikel 12(3) VOBK müsse die Erwiderung das vollständige Vorbringen der Beschwerdegegnerin enthalten. Alles was danach eingereicht werde, sei demzufolge eine Änderung des Vorbringens. Der Brief vom 18. August 2020 sei nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht und müsse daher grundsätzlich unberücksichtigt bleiben.

Die erst in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos seien ebenfalls nicht in das Verfahren zuzulassen.

b) Erfinderische Tätigkeit

E2 offenbare einen Türantrieb, der mindestens die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 aufweise.

Außerdem offenbare E2 eine Leiterplatine 30 (Merkmal 4.0).

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von dem aus E2 bekannten Türantrieb dadurch, dass die Signalanschlußplatine zur haltenden Aufnahme oberseitig auf dem Anschlussmodul mittels zugeordneter Rastmittel aufgeklipst sei.

Dieses Merkmal sei so zu verstehen, dass nur die eigentlichen Rastmittel oberseitig angeordnet sein müssten. Die Signalanschlussplatine selbst könne dagegen in dem Modul angeordnet sein.

"Aufklipsen" sei - wie sowohl der E2 als auch der E3 zu entnehmen - eine fachübliche Befestigungsmaßnahme, die der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zur Befestigung der Leiterplatine aus E2 verwenden würde, um eine gut zugängliche, werkzeuglose Befestigung zu erreichen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe ausgehend von E2 daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

IX. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Änderungen des Vorbringens der Beschwerdegegnerin

Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos dienten lediglich illustrativen Zwecken.

Der Brief vom 18. August 2020 gehe nicht über den Inhalt der angefochtenen Entscheidung hinaus und stelle daher keine Änderung des Vorbringens dar.

b) Erfinderische Tätigkeit

E2 sei der nächstliegende Stand der Technik und offenbare einen Türantrieb gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1.

Merkmal 4.1 sei nicht aus E2 bekannt. Merkmal 4.0 gehe ebenfalls nicht aus E2 hervor.

Selbst wenn die Leiterplatine 30 als "Signalanschlussplatine" angesehen werde (Merkmal 4.0), so müsse diese Platine anspruchsgemäß zur haltenden Aufnahme oberseitig auf dem Anschlussmodul mittels zugeordnetem Rastmittel aufgeklipst sein. Das Rastmittel sei lediglich der Signalanschlussplatine zugeordnet. Damit unterscheide sich der Gegenstand nicht nur durch die Art der Befestigung und die Position des Rastmittels von der Lehre der E2, sondern insbesondere durch die Positionierung der Platine selbst. Die aus E2 bekannte, in die Aufnahmeschächte des Trägers 50 eingesetzte Platine sei gerade nicht oberseitig angeordnet. Es gebe im Stand der Technik auch keinen Hinweis darauf, die Signalanschlussplatine oberseitig auf dem Anschlussmodul anzuordnen.

Damit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsgründe

1. Änderungen des Vorbringens der Beschwerdegegnerin

Artikel 12(1) VOBK 2020 listet die dem Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Elemente auf. Darunter befindet sich insbesondere die angefochtene Entscheidung.

Der Brief vom 18. August 2020 wurde nach der Frist zur Erwiderung auf die Beschwerde eingereicht. Er ist daher nicht Teil des Beschwerdeverfahrens gemäß Artikel 12(1)c) VOBK 2020. Da jedoch sein Inhalt nicht über die Anträge, Tatsachen, Argumente und Beweismittel hinausgeht, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, erfüllt das dortige Vorbringen die Erfordernisse nach Artikel 12(2) VOBK und ist auf das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, nämlich die gerichtliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung, gerichtet. Es handelt sich bei dem im Schreiben vom 18. August 2020 enthaltenen Vortrag somit nicht um eine Änderung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhalts. Der von der Beschwerdeführerin genannte Artikel 12(3) VOBK 2020 nennt zwar Anforderungen an Beschwerdebegründung und Beschwerdeerwiderung, er definiert jedoch nicht, was als Änderung des Beschwerdevorbringens anzusehen ist. Der im Schreiben vom 18. August 2020 enthaltene Vortrag wird daher zugelassen.

Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Fotos stellen dagegen eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdegegnerin dar, die gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, es sei denn, der betreffende Beteiligte hätte stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorlägen. Der Wunsch die bereits im Patent bzw. im Stand der Technik durch Zeichnungen offenbarte Lehre zusätzlich durch Fotos zu illustrieren, stellt jedoch keine derartigen außergewöhnlichen Umstände dar, so dass die Kammer die Fotos nicht in das Beschwerdeverfahren zulässt.

2. Erfinderische Tätigkeit

E2 ist nächstliegender Stand der Technik und offenbart unstreitig die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1.

Die Beschwerdegegnerin erklärte während der mündlichen Verhandlung, dass in E2 allenfalls eine Platine, nicht aber eine Signalanschlussplatine im Sinne des Anspruchs 1 gezeigt sei. Die Beschwerdeführerin beanstandete, dass dies ein neuer Sachvortrag sei, der bisher so nicht vorgetragen und dementsprechend nicht zuzulassen sei. Die Beschwerdegegnerin erwiderte, dass sie diese Argumentation dann lediglich hilfsweise einbringe. Die Entscheidung über diese Frage kann angesichts der folgenden Argumentation dahingestellt bleiben.

Merkmal 4.1, gemäß dem die Signalanschlussplatine zur haltenden Aufnahme oberseitig auf dem Anschlussmodul mittels zugeordneter Rastmittel aufgeklipst ist, ist unstreitig nicht aus E2 bekannt.

Die Parteien sind jedoch uneinig, ob das Merkmal 4.1 definiert, dass die Signalanschlussplatine selbst oberseitig angeordnet sein muss, oder nur die Rastmittel.

Gemäß dem Wortlaut des Anspruchs sind die Rastmittel lediglich zugeordnet. Es ist daher die Signalanschlussplatine selbst, die anspruchsgemäß oberseitig auf dem Anschlussmodul aufgeklipst ist. Dazu steht auch die Aussage in Spalte 11, Zeilen 12-15 des Patents nicht in Widerspruch wonach "sämtliche Bauteile ... in und am Anschlussmodul aufgeklipst werden...", da die gemäß Anspruch der Signalanschlussplatine zugeordnete oberseitige Anordnung zu berücksichtigen ist. Daher liegt der Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und dem Türantrieb nach E2 nicht nur in der Art der Befestigung oder in der Befestigungsstelle. Die Signalanschlussplatine nach E2 ist nicht oberseitig, sondern in dem Modul angeordnet.

Auch wenn der Fachmann "aufklipsen" als offensichtliche Maßnahme betrachten würde, gelangte er somit nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1, da die Signalanschlussplatine immer noch im Anschlussmodul angeordnet sein würde und nicht oberseitig.

Damit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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