T 0034/18 () of 10.3.2022

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2022:T003418.20220310
Datum der Entscheidung: 10 März 2022
Aktenzeichen: T 0034/18
Anmeldenummer: 09771828.2
IPC-Klasse: H01F 27/30
H01F 27/33
H01F 37/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Drosselspule für elektrische Energieversorgungsnetze mit reduzierten Schallemissionen
Name des Anmelders: Coil Holding GmbH
Name des Einsprechenden: Siemens Aktiengesellschaft
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 012(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 013(2)
Schlagwörter: Neuheit - offenkundige Vorbenutzung
Neuheit - ausdrückliche Geheimhaltungsverpflichtung (nein)
Neuheit - offenkundige Vorbenutzung
Neuheit - stillschweigende Geheimhaltungsverpflichtung (nein)
Neuheit - Hauptantrag und Hilfsantrag 1
Neuheit - offenkundige Vorbenutzung (ja)
Änderung des Vorbringens - Alle Änderung zugelassen (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0633/97
T 0441/04
T 1686/06
T 1914/08
T 1798/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin betrifft die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 304 744 in geänderter Fassung.

II. Die folgenden Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:

Vorbenutzung "Asea Inc.":

- Dokumentenkonvolut "T"

- Dokumente T2, T3 und T4

- Protokoll über die Vernehmung des Herrn Sharp als Zeuge vor der Einspruchsabteilung vom 20. April 2017

- Protokoll über die Vernehmung des Herrn Lau als Zeuge vor der Einspruchsabteilung vom 20. April 2017

- "Affidavit" des Herrn Jönsson vom 13. September 2018

- "Affidavit" des Herrn Bogren vom 21. September 2018

- Verhandlungsprotokoll über die mündliche Verhandlung vom 26. September 2018 vor der Technischen Abteilung 3 des Österreichischen Patentamts (Aktenzeichen: A 1035/2008)

- Urteil des Oberlandesgerichts Wien (Aktenzeichen: 133 R 84/19d)

- Urteil des Obersten Gerichtshofs der Republik Österreich (Aktenzeichen: 4 Ob 167/20t)

III. In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung unter anderem zu dem Schluss gelangt, dass eine offenkundige Vorbenutzung durch Verkauf von Drosselspulen mit den Merkmalen des Anspruchs 1 des erteilten Patents, im Wesentlichen basierend auf den Aussagen der Zeugen Lau und Sharp in Verbindung mit den Dokumenten D bis K (betreffend die Verkäufe der Drosselspulen an Los Angeles Department of Water and Power, Nissin und Siemens USA), als erwiesen anzusehen sei und der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber diesen offenkundig vorbenutzten Drosselspulen sei.

Der Gegenstand des Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 wurde für nicht neu gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung "Asea Inc." (betreffend den Verkauf einer Drosselspule durch die Firma Trench Electric Ltd. an die seinerzeitige Firma Asea Inc. im Jahr 1988) angesehen.

IV. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit, wonach die Beschwerde der Patentinhaberin voraussichtlich keinen Erfolg haben würde.

V. Eine mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 10. März 2022 in Anwesenheit der Parteien als Videokonferenz statt.

Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung des Hilfsantrags 1, eingereicht mit der Beschwerdebegründung vom 26. Februar 2018.

Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

VI. Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung gemäß Hauptantrag hat den folgenden Wortlaut:

"Drosselspule, insbesondere Drosselspule ohne Eisenkern zur Verwendung in elektrischen Energieversorgungsnetzen, mit zumindest zwei zylindrischen, in Bezug auf eine Spulenmittelachse (7) konzentrisch angeordneten und elektrisch parallel geschalteten Wicklungslagen (1), und mit wenigstens einem Mittel zur Reduzierung oder Minimierung von während des Betriebs der Drosselspule entstehenden Schallemissionen, dadurch gekennzeichnet, dass zumindest die äußerste Wicklungslage (1) als stromführende, akustische Schirmwicklung (18) gegenüber der in Richtung zur Spulenmittelachse (7) benachbarten Wicklungslage (1) ausgebildet ist, wobei diese akustische Schirmwicklung (18) eine höhere elektrische Impedanz als die in Richtung zur Spulenmittelachse (7) benachbarte Wicklungslage (1) aufweist, derart dass die akustische Schirmwicklung (18) im aktiven Betrieb eine Stromstärke überträgt, die zwischen 0,1% bis maximal 50% jener Stromstärke beträgt, welche von der in Richtung zur Spulenmittelachse (7) benachbarten Wicklungslage (1) zu übertragen ist."

VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 weist gegenüber dem Hauptantrag das folgende zusätzliche Merkmal auf:

", und dass eine zylindrische Mantelfläche (19, 19') der akustischen Schirmwicklung (18, 18') gegenüber einer zylindrischen Mantelfläche (20) der benachbarten Wicklungslage (1) mechanisch entkoppelt oder schwingungsisoliert ist."

VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie für diese Entscheidung relevant sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die angebliche offenkundige Vorbenutzung durch Verkauf von Drosselspulen von Trench Electric Limited (nunmehr Siemens Canada, nachfolgend "Trench") an Asea Inc., sei weder lückenlos nachgewiesen worden noch wiesen die betreffenden Drosselspulen sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 auf. Allerdings werde der Umstand der Lieferung einer Drosselspule nicht bestritten, wohl aber, welche Spulen, mit welchen Eigenschaften geliefert worden seien.

Die gesamte Seite 8 des Dokumentenkonvoluts "T" sei in sich unstimmig und könne in dieser Form nicht zutreffen. Insbesondere würden die in der unteren Tabelle in der letzten Spalte handschriftlich eingetragenen Werte eine Änderung der Impedanz zur Folge haben, was zwangsläufig auch zu einer von der in dieser Spalte angegebenen Stromverteilung abweichenden Stromverteilung führen würde.

Da sich die Aussagen der Zeugen Lau und Sharp hinsichtlich der Ströme und Stromverteilungen ausschließlich auf die Angaben auf Seite 8 des Dokumentenkonvoluts "T" stützten, seien diese nicht geeignet, den Wahrheitsgehalt des Dokumentenkonvoluts "T" zu bestätigen und oben dargelegte Zweifel auszuräumen.

Im Übrigen handele es sich bei dem Dokumentenkonvolut "T" um eine Loseblattsammlung, sodass nicht auszuschließen sei, dass relevante Unterlagen, welche im Widerspruch zu den Behauptungen der Beschwerdegegnerin stehen könnten, bewusst nicht vorgelegt wurden.

Es sei nicht zweifelsfrei erwiesen, dass keine ausdrückliche oder stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung bestand und die Vorbenutzung somit offenkundig war. Die Zeugen Sharp und Lau hätten über das Nichtbestehen einer ausdrücklichen Geheimhaltungsvereinbarung keine sichere Aussage treffen können.

Die Seiten 14 bis 22 des Dokumentenkonvoluts "T" trügen jedenfalls einen Geheimhaltungsvermerk. Ferner sei klar, dass eine vertragliche Vereinbarung zwischen Trench und Asea Inc. bestanden habe. Dies ergebe sich auch aus Seite 2 des Dokumentenkonvoluts "T", welche auf die Regelung einer Vertragsstrafe ("Penalty") hinweise.

Weiterhin ergebe sich aus den mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 neu vorgelegten Beweismitteln, insbesondere aus der Zeugenaussage des Herrn Jönsson, dass eine Geheimhaltungsvereinbarung zwischen Trench und Asea Inc. bestanden habe (siehe Seiten 6 und 9 des Verhandlungsprotokolls der mündlichen Verhandlung vom 26. September 2018 vor dem Österreichischen Patentamt).

Die neu vorgelegten Dokumente das österreichische Verfahren betreffend seien im Übrigen zum Verfahren zuzulassen, da sie prima facie hoch relevant für die Beurteilung der Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzung "Asea Inc." seien. Es sei der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen, die Dokumente früher vorzulegen, da sie erst im August 2018 durch Zufall erfahren habe, dass der Zeuge Jönsson mit der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung "Asea Inc." in enger Verbindung stand. Weiterhin habe das Protokoll des Österreichischen Patentamts über die Zeugenvernehmungen zum Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerdebegründung noch nicht vorgelegen.

Zumindest ergebe sich hieraus eine stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung im Hinblick auf den nicht-öffentlich zugänglichen Aufstellungsort der Drosselspulen, die Teil einer kritischen Infrastruktur gewesen seien, sodass eine stillschweigende Geheimhaltungsverpflichtung zwischen Asea Inc. und dem Endkunden Hydro Québec bestanden habe, die über das Innenverhältnis zu Trench hinausgegangen sei. Es werde auf die Beschwerdekammerentscheidung T 0633/97 verwiesen, die diese Auffassung bestätige.

Die Entwicklung der Drosselspulen sei jedenfalls Gegenstand einer gemeinsamen Entwicklung gewesen, da diese von Trench gemäß den Anforderungen des Kunden Asea Inc. hergestellt wurden. Es sei daher zumindest von einer impliziten Geheimhaltungsverpflichtung auszugehen.

Das Zustandekommen einer impliziten Geheimhaltungsvereinbarung ergebe sich bereits aus der Tatsache, dass eine Geschäftsbeziehung zwischen Trench und Asea Inc. bestanden habe. In solchen Fällen sei regelmäßig von der Existenz einer stillschweigenden bzw. konkludenten Geheimhaltungsvereinbarung auszugehen. Hierbei komme es nicht auf die subjektive Wahrnehmung der Zeugen Lau und Sharp an. Es werde auf die Beschwerdekammerentscheidung T 1686/06 verwiesen, die diese Auffassung bestätige.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei zudem neu gegenüber der geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung "Asea Inc.". Insbesondere gehe aus Seite 3 des Dokumentenkonvoluts "T" nicht eindeutig hervor, dass es sich bei der äußersten Wicklungslage um eine, wie von Anspruch 1 gefordert, stromführende Wicklungslage handele. Vielmehr könne es sich auch nur um einen elektrisch inaktiven Zylinder handeln, der möglicherweise nur zum Zwecke des Potenzialausgleichs an seinem unteren Ende mit einem Draht mit dem "Bottom Spider" verbunden sei.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei im Übrigen neu gegenüber der Drosselspule gemäß offenkundiger Vorbenutzung "Asea Inc.", weil diese ein äußeres Wicklungspaket aufweise, welches mit dem oberen Wicklungsstern mechanisch fest verbunden sei. Mechanische Schwingungen würden somit von den inneren Wicklungslagen an die äußerste Wicklungslage übertragen, sodass diese keine Schallbarriere und somit auch keine akustische Schirmwicklung im Sinne des Anspruchs 1 bilden würde. Im Streitpatent werde das Fehlen einer mechanischen Kopplung zwischen der äußersten Wicklungslage und der benachbarten Wicklungslage impliziert, weil die äußerste Wicklungslage als stromführende, akustische Schirmwicklung gegenüber der in Richtung zur Spulenmittelachse benachbarten Wicklungslage ausgebildet sei.

Des Weiteren sei nicht offenbart, dass es sich bei der Stromstärke der äußersten Wicklungslage gemäß Seite 8 des Dokumentenkonvoluts "T" um die im aktiven Betrieb gemessene Stromstärke handele.

IX. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, soweit sie für diese Entscheidung relevant sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die offenkundige Vorbenutzung "Asea Inc." durch Verkauf von Drosselspulen mit den Merkmalen des Anspruchs 1, sowohl des Hauptantrags als auch des Hilfsantrags 1, von Trench an Asea Inc., sei durch das Dokumentenkonvolut "T" in Verbindung mit den Aussagen der Zeugen Lau und Sharp lückenlos nachgewiesen worden.

Der handschriftliche Eintrag auf Seite 8 des Dokumentenkonvoluts "T" bezüglich der äußersten Wicklungslage sei dem Umstand geschuldet, dass das damalige Programm nicht in der Lage gewesen sei, die Drosselspule mit unterschiedlichen Parametern und Abständen der Wicklungslagen zueinander zu berechnen.

Der Einsatz von Drillleitern anstelle von Leitern aus Vollmaterial habe die handschriftlichen Änderungen des Gewichts in der unteren Tabelle auf Seite 8 bedingt (siehe Spalte "Cond WT"). Am Ort der akustischen Schirmwicklung sei das Magnetfeld geringer, sodass die Verwendung eines teuren Drillleiters dort nicht notwendig sei. Dementsprechend sei für die äußerste Wicklungslage kein handschriftlich geändertes Gewicht in der letzten Zeile und Spalte auf Seite 8 von dem Dokumentenkonvolut T eingetragen worden, im Gegensatz zu den anderen Wicklungslagen. Die nachträglichen Berechnungen gemäß Dokument T4 zeigten, dass die Art des Leiters im wesentlichen keinen Einfluss auf die Stromverteilung in den einzelnen Wicklungslagen habe.

Es habe keine Geheimhaltungsvereinbarung gegeben. Die Zeugen Sharp und Lau hätten übereinstimmend ausgesagt, keine Kenntnis von der Existenz einer Geheimhaltungsvereinbarung gehabt zu haben. Der Zeuge Sharp habe des Weiteren bestätigt, dass es sich bei der in Rede stehenden Drosselspule nicht um eine gemeinsame Entwicklung mit dem Kunden gehandelt habe. Die Tatsache, dass die Zeugen keine Kenntnis von einer ausdrücklichen Geheimhaltungsvereinbarung hatten, belege im Übrigen seine Nicht-Existenz. Dies sei entsprechend entschieden worden in T 1798/14.

Nach der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern müsse die Beschwerdebegründung das vollständige Beschwerdevorbringen enthalten. Die nachträglich von der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 eingereichten Beweismittel seien vor diesem Hintergrund verspätet und somit nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

Die neu vorgebrachten Beweismittel überzeugten auch in der Sache nicht. Aus dem Vernehmungsprotokoll des Österreichischen Patentamts gehe hervor, dass der Zeuge Jönsson keine konkreten Aussagen bezüglich des Vorliegens einer ausdrücklichen Geheimhaltungsvereinbarung machen konnte. Etwaige schriftliche Belege seien auch nicht vorgelegt worden. Da die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweismittel außerhalb der Sphäre der Beschwerdegegnerin lägen, hätte diese einen lückenlosen Nachweis erbringen müssen, was allerdings nicht geschehen sei.

Die Beschwerdegegnerin stütze sich auf die Aussagen der Zeugen Lau und Sharp, welche jeweils ein eigenständiges und vollwertiges Beweismittel darstellten, und welche durch Bezugnahme auf das Dokumentenkonvolut "T" gestützt würden. Die Zeugen Lau und Sharp hätten dargelegt, dass Drosselspulen mit den Merkmalen des Anspruchs 1 des Hauptantrags und des Hilfsantrags 1 Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung "Asea Inc." waren. Einzig die konkrete Stromstärke hätten die Zeugen der Seite 8 des Dokumentenkonvoluts "T entnommen.

Aus der unteren Tabelle auf Seite 8 des Dokumentenkonvoluts "T" gehe eindeutig hervor, dass die vierte, äußerste Wicklungslage eine stromführende Wicklungslage im Sinne des Anspruchs 1 sei. Die Drosselspule, welche Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung "Asea Inc." sei, offenbare somit das Merkmal des Anspruchs 1, wonach es sich um eine stromführende äußerste Wicklungslage handele.

Eine vollständige mechanische Entkopplung zwischen der äußersten Wicklungslage und der benachbarten Wicklungslage sei im Übrigen nicht Gegenstand des Anspruchs 1. Die Tatsache, dass die äußerste Wicklungslage der in dem Dokumentenkonvolut "T" gezeigten Drossel fest mit dem Wicklungsstern verbunden sei, sei somit für die Frage der Neuheit unbeachtlich.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Auslegung des Anspruchs 1

2.1 Gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sowie des Hilfsantrags 1 ist die äußerste Wicklungslage als stromführende, akustische Schirmwicklung gegenüber der in Richtung zur Spulenmittelachse benachbarten Wicklungslage ausgebildet.

2.2 Obiges Merkmal des Anspruchs 1 impliziert entgegen dem Argument der Beschwerdeführerin nicht bereits das Fehlen einer mechanischen Kopplung zwischen der äußersten Wicklungslage und der benachbarten Wicklungslage.

2.3 Anspruch 1 des Hauptantrags spezifiziert lediglich allgemein die Funktion der äußersten Wicklungslage als akustische Schirmung. Ein konkretes Maß einer solchen akustischen Schirmwirkung wird in Anspruch 1 jedoch weder explizit noch implizit angegeben. Lediglich mittelbar wird die Schirmwirkung über die in Anspruch 1 angegebene relative Stromstärke der äußersten Wicklungslage im aktiven Betrieb definiert. Hieraus folgt jedoch keineswegs, dass die Qualifikation der äußersten Wicklungslage als akustische Schirmwicklung zwingend eine teilweise oder vollständige mechanische Entkopplung von der benachbarten Wicklungslage erfordert. Sie impliziert insbesondere keine mechanische Entkopplung von dem Wicklungsstern.

2.4 Die von der Beschwerdeführerin vertretene restriktive Auslegung des betreffenden Merkmals im Hinblick auf eine akustische Schirmwicklung, insbesondere im Sinne einer spezifisch wirkenden "Schallbarriere", entbehrt somit jeder Grundlage.

3. Zulassung neuen Vorbringens (Artikel 12 (4) 2007, Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020)

3.1 Dokumente T2, T3 und T4 eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung

3.1.1 Nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 (anwendbar unter Artikel 25 (2) VOBK 2020) steht es im Ermessen der Kammer, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können.

3.1.2 Mit der Beschwerdeerwiderung hat die Beschwerdegegnerin neue Dokumente T2, T3 und T4 vorgelegt.

Bei dem Dokument T2 handelt es sich um eine Zusammenstellung von Fotos von am Bestimmungsort ("Poste de Radisson") aufgestellten Spulen mit der Auftragsnummer 106746.

Bei dem Dokument T3 handelt es sich um einen Auszug aus einem technischen Handbuch mit Informationen zu den Spulen mit der Auftragsnummer 106746.

Bei dem Dokument T4 handelt es sich um eine Zusammenstellung von eigenen, mittels eines Computerprogramms durchgeführten Berechnungen der Beschwerdegegnerin.

3.1.3 Die Beschwerdegegnerin hat vorgetragen, dass die neuen Dokumente der Untermauerung der bereits im Verfahren befindlichen Beweismittel dienten und eine Reaktion auf von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Argumente darstellten. Die neuen Dokumente brächten im Übrigen keinen neuen Sachverhalt ein, sondern bezögen sich lediglich auf bereits im Verfahren befindliche Tatsachen und Beweismittel.

3.1.4 Die Beschwerdeführerin hat sich zu keinem Zeitpunkt gegen die Zulassung der Dokumente T2, T3 und T4 gewendet. Ganz im Gegenteil hat sie sich in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausdrücklich für die Zulassung aller im Beschwerdeverfahren neu eingereichten Dokumente ausgesprochen.

3.1.5 Angesichts des Vorstehenden sowie im Lichte der Tatsache, dass die Dokumente T2, T3 und T4 nach der Überzeugung der Kammer keine neuen Sachverhalte einbringen, sondern die bereits im Verfahren befindlichen Argumente der Beschwerdegegnerin im Hinblick auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin lediglich untermauern, hat die Kammer das ihr nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 zustehende Ermessen dahingehend ausgeübt, die Dokumente T2, T3 und T4 nicht vom Beschwerdeverfahren auszuschließen.

3.2 Verhandlungsprotokoll und "Affidavits" (Jönsson und Bogren)

3.2.1 Nach Artikel 13 (1) VOBK 2020 (anwendbar unter Artikel 25 (1) VOBK 2020) bedürfen Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung rechtfertigender Gründe seitens des Beteiligten und ihre Zulassung steht im Ermessen der Kammer. Bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigt die Kammer insbesondere den Stand des Verfahrens, die Eignung der Änderung zur Lösung der von einem anderen Beteiligten im Beschwerdeverfahren in zulässigerweise aufgeworfenen Fragen oder der von der Kammer selbst aufgeworfenen Fragen, ferner ob die Änderung der Verfahrensökonomie abträglich ist.

3.2.2 Nach Einreichung ihrer Beschwerdebegründung, jedoch vor Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer, hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 neue Beweismittel in Form des Verhandlungsprotokolls der Technischen Abteilung 3 des Österreichischen Patentamts in dem Einspruchsverfahren gegen das parallele österreichische Patent Nr. 507024, sowie schriftliche Erklärungen (nachfolgend "Affidavit") der Zeugen Jönsson und Bogren, vorgelegt.

Diese neuen Beweismittel sollen insbesondere das Argument der Beschwerdeführerin belegen, wonach zwischen den Parteien der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung "Asea Inc." eine Geheimhaltungsvereinbarung bestanden habe. Insbesondere stützt sich die Beschwerdeführerin auf das Verhandlungsprotokoll des Österreichischen Patentamts, welches unter anderem die Vernehmung der Zeugen Sharp, Jönsson und Bogren zum Gegenstand hat.

3.2.3 Die Beschwerdegegnerin beantragt die Nichtzulassung der mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 neu vorgelegten Beweismittel.

3.2.4 Die Kammer hält das Interesse der Beschwerdeführerin an der Zulassung der neuen Beweismittel im vorliegenden Beschwerdeverfahren für legitim, insbesondere um ihr Vorbringen zum Vorliegen einer Geheimhaltungsvereinbarung zu stützen. In der angefochtenen Entscheidung (vgl. Punkt II.5.1 der Entscheidung) vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass keine Geheinhaltungsverpflichtung bestanden habe, sodass die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweismittel einen zentralen Punkt der Entscheidung betreffen und somit prima facie relevant sind.

Es ist auch nicht ersichtlich, und die Beschwerdegegnerin hat nichts vorgetragen, was darauf hindeutet, dass die Zulassung der neuen Beweismittel der Verfahrensökonomie abträglich wäre.

Die Kammer hält den Vortrag der Beschwerdeführerin im Übrigen für überzeugend, wonach die neuen Beweismittel nicht früher hätten vorgelegt werden können, da insbesondere das Verhandlungsprotokoll des Österreichischen Patentamts zum Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerdebegründung noch nicht vorlag. Vielmehr fand die Verhandlung vor dem Österreichischen Patentamt am 26. September 2018 statt und das zugehörige Protokoll wurde von der Beschwerdeführerin zeitnah, nämlich mit Schreiben vom 20. Dezember 2018, eingereicht.

Die Kammer ist daher überzeugt, dass die Beschwerdeführerin die Einreichung der neuen Beweismittel nicht verzögert hat, sondern diese zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, insbesondere nach Erhalt des Verhandlungsprotokolls des Österreichischen Patentamts, eingereicht hat.

3.2.5 Im Lichte der obigen Erwägungen hat die Kammer das ihr nach Artikel 13 (1) VOBK 2020 zustehende Ermessen dahingehend ausgeübt, die mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 eingereichten Beweismittel in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

3.3 Urteile des OLG Wien und OGH Österreich

3.3.1 Mit Schreiben vom 9. Februar 2022, eingegangen am selben Tag, hat die Beschwerdegegnerin Kopien der Urteile des Oberlandesgerichts Wien (Aktenzeichen: 133 R 84/19d) sowie des Obersten Gerichtshofs der Republik Österreich (Aktenzeichen: 4 Ob 167/20t) in dem Einspruchsverfahren gegen das österreichische Patent Nr. 507024 eingereicht.

3.3.2 Nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 (anwendbar unter Artikel 25 (1) VOBK 2020) bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, außergewöhnliche Umstände rechtfertigen die Zulassung.

3.3.3 Die Kammer ist im vorliegenden Fall zu der Überzeugung gelangt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, welche die Zulassung der in dem parallelen Einspruchsverfahren gegen das österreichische Patent Nr. 507024 ergangenen Urteile, in das vorliegende Beschwerdeverfahren rechtfertigen.

Nach Ansicht der Kammer stehen beide Urteile in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einreichung des Verhandlungsprotokolls vor der Technischen Abteilung 3 des Österreichischen Patentamts in dem betreffenden Einspruchsverfahren durch die Beschwerdeführerin (siehe Punkt 3.2 oben).

Die Vorlage des Rekursurteils sowie des Revisionsurteils stellt nach der Überzeugung der Kammer eine legitime Reaktion der Beschwerdegegnerin auf das Argument der Beschwerdeführerin dar, die Aussage des Zeugen Jönsson in dem parallelen österreichischen Einspruchsverfahren hätte das Vorliegen einer Geheimhaltungsvereinbarung belegt. Die Vorlage der betreffenden Urteile soll dem Eindruck entgegenwirken, dass in dem parallelen österreichischen Einspruchsverfahren die Existenz einer Geheimhaltungsvereinbarung im Rahmen der offenkundigen Vorbenutzung "Asea Inc." gerichtlich festgestellt worden sei.

Die Kammer sieht daher insbesondere die Zulassung des in einem späten Verfahrensstadium eingereichten Verhandlungsprotokolls aus dem österreichischen Einspruchsverfahren als außergewöhnlichen Umstand an, welcher die Zulassung der sachlich in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Urteile der Überprüfungsgerichte in dem besagten österreichischen Einspruchsverfahren rechtfertigt.

3.3.4 Die Kammer hat daher entschieden, das ihr nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 zustehende Ermessen dahingehend auszuüben, die mit Schreiben vom 9. Februar 2022 eingereichten Urteile zu dem parallelen österreichischen Einspruchsverfahren im vorliegenden Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.

4. Vorbenutzung "Asea Inc."

Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, Drosselspulen mit der Auftragsbezeichnung 106746 seien im April 1988 durch Verkauf von Trench Electric Limited (nachfolgend "Trench") an Asea Inc. der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.

4.1 Verkauf und Lieferung von Drosselspulen mit der Auftragsbezeichnung 106746

4.1.1 Die Beschwerdegegnerin hat die Existenz eines Vertrages zwischen Trench und Asea Inc. betreffend den Auftrag über die Herstellung und den Verkauf in Rede stehender Drosselspulen nicht grundsätzlich bestritten, wohl aber, welche Spulen, mit welchen Eigenschaften geliefert worden seien und dass die Lieferung ohne Geheimhaltungsvereinbarung erfolgt sei.

4.1.2 Die Kammer erachtet die von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Zweifel im Hinblick auf das konkrete Datum des Verkaufs für nicht entscheidungserheblich, denn jedenfalls hat sie anerkannt, dass ein Verkauf vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents (30. Juni 2008) stattgefunden hat. Auf das konkrete Datum des Verkaufs kommt es, im Hinblick auf den Umstand, dass die Lieferung etwa 20 Jahre vor dem Prioritätsdatum stattgefunden hat, nicht an.

4.2 Offenkundigkeit der Vorbenutzung

4.2.1 Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass die Vorbenutzungshandlung, einer ausdrücklichen Geheimhaltungsvereinbarung, zumindest jedoch einer stillschweigenden Geheimhaltungsvereinbarung unterlag.

4.2.2 Nach Überzeugung der Kammer bestand weder eine ausdrückliche noch eine stillschweigende ("konkludente") Geheimhaltungsvereinbarung zwischen Trench und Asea Inc. im Hinblick auf die Offenbarung der gelieferten Spulen.

4.2.3 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, die Beschwerdegegnerin habe nicht lückenlos nachgewiesen, dass keine Geheimhaltungsvereinbarung vorgelegen habe.

Die Kammer erachtet die Aussagen der Zeugen Sharp und Lau jedoch für ausreichend, um die Beweislast der Beschwerdegegnerin für das Nichtvorliegen einer ausdrücklichen Geheimhaltungsvereinbarung zu erfüllen. Zweifel, die geeignet wären, die Glaubwürdigkeit der Zeugen oder die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen in Frage zu stellen, bestehen nicht. Insoweit wird auf die nachfolgende Beweiswürdigung und ergänzend auch auf die ausführliche Beweiswürdigung in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (dort Seite 24 ff).

Die Beschwerdeführerin konnte ihre Behauptung, die Zeugen Lau und Sharp hätten federführend an der Ausarbeitung des Einspruchs mitgewirkt und hätten des Weiteren ein massives Interesse am Widerruf des Patents, nicht mit fundierten Belegen untermauern. Es ist ihr demnach nicht gelungen, die diesbezüglichen gegenteiligen Aussagen der Zeugen Lau und Sharp zu entkräften, wonach keine persönlichen oder wirtschaftlichen Interessen am Ausgang des Verfahrens bestanden (siehe insbesondere Seite 1 des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Lau vom 20. April 2017).

Die Beschwerdeführerin hat insgesamt keine stichhaltigen Gründe dargelegt, welche Anlass geben würden, an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen Lau und Sharp zu zweifeln. Der Zeuge Sharp war als technischer Kontrolleur des Designteams, der Zeuge Lau als R&D Manager bei der Firma Trench tätig. Der Zeuge Sharp hat bekundet, es habe keine Verpflichtung zur Geheimhaltung gegeben, und auch der Zeuge Lau hat bestätigt, dass er keine Kenntnis vom Bestehen einer Geheimhaltungsvereinbarung in Bezug auf die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung "Asea Inc." hat (siehe insbesondere die Seiten 4 und 5 des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Sharp vom 20. April 2017 sowie die Seiten 4 und 5 des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Lau vom 20. April 2017).

Die Kammer verweist in diesem Zusammenhang auch auf die Aussage des Zeugen Sharp im Rahmen der Vernehmung vor der Technischen Abteilung 3 des Österreichischen Patentamts (siehe Seiten 15 und 24 des Verhandlungsprotokolls). Dort hatte der Zeuge Sharp in Übereinstimmung mit den Aussagen der Zeugenvernehmung vor der Einspruchsabteilung dargelegt, seinem Wissen nach habe keine Geheimhaltungsvereinbarung bestanden. Der Zeuge Sharp hat zudem bekundet, dass die Spule nach Lieferung in das Eigentum des Kunden übergegangen sei und dieser damit habe machen können, was er will, da ihm keine Beschränkungen auferlegt worden seien (Seite 18 des Verhandlungsprotokolls vom 26. September 2018 vor dem Österreichischen Patentamt). Schließlich hat der Zeuge Sharp auch ausgesagt, dass auch eine Durchsuchung der archivierten Akten keinen Hinweis auf die Dokumentation einer entsprechenden ausdrücklichen Vereinbarung ergeben habe.

Die Beschwerdegegnerin hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass das Nichtvorliegen einer Geheimhaltungsvereinbarung auch im Einklang steht mit den Aussagen der Zeugen Lau und Sharp, wonach zum damaligen Zeitpunkt seitens Trench kein Interesse am Schutz von Entwicklungen bestanden habe, die im Rahmen der Herstellung von Drosseln für Asea Inc. getätigt wurden.

Ein weitergehender Nachweis über das Nichtvorliegen einer expliziten Geheimhaltungsvereinbarung kann vernünftigerweise nicht von der Beschwerdegegnerin gefordert werden. Die Beschwerdegegnerin hat in diesem Zusammenhang zutreffend auf die Entscheidung in der Beschwerdesache T 1798/14 verwiesen. Die Beschwerdekammer hatte dort festgestellt, dass die Nicht-Existenz einer Tatsache in der Regel nicht positiv bewiesen werden könne (siehe Punkt 1.3 der Gründe). Dieses Prinzip ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar, in dem es keine zureichenden Anhaltspunkte dafür gibt, dass einzelne Unterlagen gezielt verändert oder nicht vorgelegt wurden. Insbesondere hätte auch die Vorlage von weiteren im Zusammenhang mit dem Dokumentenkonvolut "T" stehenden Dokumenten nicht abschließend belegen können, dass es keine weiteren Unterlagen mit etwaigen Geheimhaltungsvereinbarungen gab. Vorliegend war es daher als ausreichend anzusehen, dass die in den Verkauf involvierten Zeugen bestätigt haben, dass ihnen eine Geheimhaltungsvereinbarung weder bekannt noch in den Unterlagen auffindbar sei und sie zudem nachvollziehbar dargelegt haben, dass die Vertragsparteien auch kein Interesse an der Geheimhaltung der gelieferten Spule hatten.

4.2.4 Die Kammer ist demgegenüber nicht überzeugt von der Behauptung der Beschwerdeführerin, die geltend gemacht hat, es habe eine ausdrückliche Geheimhaltungsvereinbarung zwischen dem Verkäufer Trench und der Käuferin Asea Inc. existiert, welche sich auch auf technische Details der Drosselspulen erstreckt habe.

Die Beschwerdeführerin hat sich zum Nachweis ihres Arguments maßgeblich auf die schriftliche Erklärung ("Affidavit") des Zeugen Jönsson sowie das Protokoll über dessen Vernehmung als Zeuge vor der Technischen Abteilung 3 des Österreichischen Patentamts in dem österreichischen Einspruchsverfahren gegen das österreichische Patent Nr. 507024 (nachfolgend "Verhandlungsprotokoll") gestützt.

Die Aussagen des Herrn Jönsson gemäß Protokoll über die Zeugenvernehmung sind nach der Überzeugung der Kammer lediglich allgemeiner Natur und daher nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen Lau und Sharp in Frage zu stellen.

Ausweislich des Verhandlungsprotokolls und seines "Affidavits" vom 13. September 2018 hat der Zeuge Jönsson zwar dargelegt, dass eine schriftliche Geheimhaltungsvereinbarung zwischen Trench und Asea Inc. existiert habe. Eine solches Dokument konnte jedoch nicht vorgelegt werden. Nach seinen eigenen Angaben hat der Zeuge zwar nach schriftlichen Unterlagen bezüglich einer Geheimhaltungsvereinbarung gesucht, jedoch keine "gefunden" (vgl. Seite 5 des Verhandlungsprotokolls).

Die Aussagen des Zeugen Jönsson lassen insgesamt erkennen, dass seine Erinnerung ungenau und teilweise spekulativ war. Seine Aussage erweckt daher nicht den Eindruck, dass er sich konkret an eine spezifische Vereinbarung erinnern konnte, sondern, dass er lediglich davon ausging, dass es eine solche Vereinbarung gab, weil üblicherweise derartige Vereinbarungen geschlossen wurden. Darüber hinaus konnte der Zeuge nicht konkret den Umfang der angeblichen Geheimhaltungsvereinbarung beschreiben. Vielmehr hat er selbst bekundet, keine Details zu kennen. Er gab lediglich allgemein an, die Geheimhaltungsvereinbarung habe wirtschaftliche und technische Informationen bzw. das "technische Design" betroffen (siehe insbesondere die Seiten 5 und 6 des Verhandlungsprotokolls, vgl. auch "Affidavit" des Zeugen Jönsson). Zudem hat er mehrfach betont, dass das "Eigentum an den Erfindungen" beim Endkunden liegen sollte (Verhandlungsprotokoll Seite 7). Schließlich hat er auf die Frage, ob es der Endkundin (Hydro Quebec) verboten war, Details der gelieferten Produkte zu veröffentlichen, bekundet, dass das bei den Spulen kein Thema gewesen sei, sondern bei der Software (Verhandlungsprotokoll Seite 9). Aus der Aussage lässt sich daher gerade nicht schließen, dass es eine Geheimhaltungsvereinbarung gab, die sich auf das gesamte Geschäft, einschließlich der Offenbarung der gelieferten Spulen bezog. Vielmehr lässt die Aussage lediglich den Schluss zu, dass bestimmte Dokumente, wie z.B. Zeichnungen oder technische Datenblätter, der Vertraulichkeit unterlagen. Dies steht im Einklang mit den lediglich vereinzelten Vertraulichkeitsvermerken auf einigen Dokumenten des als Beweismittel eingereichten Dokumentenkonvoluts "T". Die Aussage des Zeugen Jönsson, dass es auf allen Dokumenten eine Vertraulichkeitsklausel gegeben habe (Verhandlungsprotokoll Seite 6), wird demgegenüber widerlegt durch das Anlagenkonvolut "T", dessen Dokumente eben nicht alle, sondern nur vereinzelt eine Vertraulichkeitsklausel tragen. Auch dieser Umstand lässt erkennen, dass eben nicht das gesamte Geschäft mit allen Unterlagen und gelieferten Gegenständen vertraulich war, sondern lediglich einzelne Dokumente (näher s.u. Ziffer 4.2.8).

Auch die Aussagen des Zeugen Bogren erscheinen zu vage, um die detailreichen Aussagen der Zeugen Lau und Sharp in Frage zu stellen. Informationen über eine Geheimhaltungsvereinbarung bezüglich der konkreten Vorbenutzung hatte er jedenfalls nicht (vgl. Seite 14 des Verhandlungsprotokolls).

Dem steht auch nicht entgegen, dass eine Vertragsstrafe für die Verletzung bestimmter vertraglicher Pflichten Gegenstand einer entsprechenden vertraglichen Regelung gewesen sein mag, im Sinne des auf Seite 2 des Dokumentenkonvoluts "T" vorhandenen Vermerks ("Penalty"). Auch hieraus lässt sich nämlich weder eine umfassende noch eine ausdrückliche Geheimhaltungsverpflichtung im Hinblick auf die konkreten technischen Details der betreffenden Drosselspule ableiten.

In diesem Zusammenhang ist ferner zu bemerken, dass die konstruktiven Details der in Auftrag gegebenen Drosselspulen von der Käuferin Asea Inc. nicht vorgegeben wurden, sondern neben dem Grunddesign nur funktionale Anforderungen an die Drosselspule, insbesondere Induktivität sowie Nennstrom bei der Grundfrequenz mit allen Oberschwingungen etc. festgelegt wurden (siehe insbesondere Seite 5, letzter Absatz des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Sharp vom 20. April 2017).

Vor diesem Hintergrund hätte allenfalls die Herstellerin und Verkäuferin Trench, nicht dagegen die Käuferin ein Interesse an der Geheimhaltung von technischen Details haben können und folglich über das Vorliegen einer etwaigen Geheimhaltungsvereinbarung informiert sein können und müssen. Dies ist jedoch nach den Aussagen der Zeugen Sharp und Lau nicht der Fall gewesen.

Insgesamt hat der Zeuge Sharp zur Überzeugung der Kammer glaubhaft dargelegt, dass es keine ausdrückliche Geheimhaltungsvereinbarung betreffend die technischen Details der betroffenen Drosselspule gab, was der Zeuge Lau dahingehend bestätigt hat, dass auch er - trotz seiner Funktion bei der Firma Trench - keine Kenntnis von einer solchen Vereinbarung hat. Sie haben zudem glaubhaft angegeben, dass trotz einer entsprechenden Recherche keine Unterlagen im Unternehmen auffindbar gewesen sind. Die Aussagen des Zeugen Jönsson und Bogren sind demgegenüber lediglich allgemeiner Natur und somit insgesamt objektiv nicht geeignet, die Aussagen der Zeugen Lau und Sharp in Frage zu stellen.

Die Kammer ist daher überzeugt, dass eine vertragliche Vereinbarung zwischen Trench und Asea Inc. existiert hat. Weiterhin mag es zutreffen, dass dieser Vertrag Regelungen über die Weitergabe bestimmter Informationen enthalten hat. Die Details einer derartigen Regelung lassen sich allein anhand der Aussagen des Zeugen Jönsson und Bogren jedoch nicht hinreichend genau rekonstruieren. Sie sind aufgrund ihrer Allgemeinheit auch nicht geeignet, die Glaubhaftigkeit der detailgenauen Aussagen der Zeugen Lau und Sharp in Frage zu stellen.

Im Rahmen einer Gesamtwürdigung der eingereichten Beweismittel ist die Kammer daher zu der Überzeugung gelangt, dass es keine ausdrückliche Geheimhaltungsvereinbarung zwischen Trench und Asea Inc. im Hinblick auf die Offenbarung der gelieferten Spulen gab.

4.2.5 Die Frage, ob eine stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung bestand, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab.

Jedoch ergibt sich aus den Umständen des vorliegenden Falles nach der Überzeugung der Kammer, dass keine stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung zwischen Trench und Asea Inc. existiert hat.

Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Geschäftbeziehung zwischen Trench und Asea Inc. solcher Art war, dass vom Zustandekommen einer stillschweigenden Geheimhaltungsvereinbarung auszugehen ist. Das bloße Bestehen einer Geschäftsbeziehung ist hierfür jedenfalls nicht ausreichend, sondern es kommt auf die konkreten Umstände der geschäftlichen Beziehung an. Etwas anderes ergibt sich nach dem Verständnis der Kammer auch nicht aus der von der Beschwerdeführerin zitierten Beschwerdekammerentscheidung T 1686/06.

Die von der Beschwerdekammer in der Entscheidung T 1686/06 gezogenen Schlüsse lassen sich nicht ohne Weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen. Insbesondere lag dieser Entscheidung ein abweichender Sachverhalt zugrunde, nämlich die Offenlegung von firmeninternen Informationen über ein Verfahren zur Bohrerherstellung, von denen der Kunde durch den bloßen Kauf des Produkts unter normalen Umständen keine Kenntnisse erlangt hätte.

Der vorliegende Fall ist jedoch anders gelagert, denn hier wurde das Produkt, das Gegenstand eines Kaufvertrages war, nach kundenspezifischen Vorgaben hergestellt und an den Käufer bzw. dessen Endkunden geliefert. Damit ging das Produkt in das Eigentum der Käuferin Asea Inc. über. Es handelt sich insoweit um ein herkömmliches Verkaufsgeschäft, bei welchem das Produkt nach kundenspezifischen Vorgaben hergestellt wurde.

Im Falle eines herkömmlichen Verkaufsgeschäftes kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien einem gesteigerten Bedürfnis nach Vertraulichkeit unterlagen. Die Umstände des vorliegenden Falles legen vielmehr nahe, und die Zeugen Lau und Sharp haben diese Auffassung mit ihren Aussagen bestätigt, dass die Herstellerin und Verkäuferin Trench kein weitergehendes Interesse an einer vertraulichen Behandlung von technischen Details der verkauften Drosselspulen hatte. Vielmehr bestand eine Interesse der Verkäuferin entsprechende Produkte auch an andere Kunden zu verkaufen, d.h. ein Interesse an der Verbreitung entsprechender Produktinformationen.

4.2.6 Ferner ist die Kammer nicht überzeugt, dass eine über eine Geschäftsbeziehung im Rahmen eines herkömmlichen Verkaufsgeschäfts hinausgehende, gemeinsame Entwicklungstätigkeit vorlag, welche ein beidseitiges Interesse an der Geheimhaltung der Entwicklungsergebnisse hätte begründen können. Die Zeugen Sharp und Lau haben in diesem Zusammenhang übereinstimmend ausgesagt, dass Drosselspulen nach den Spezifikationen des Kunden Asea Inc., jedoch ohne detaillierte konstruktive Vorgaben hergestellt wurden (siehe insbesondere Seite 5, letzter Absatz des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Sharp vom 20. April 2017). Zudem sind die Produkte auch bei Vorgabe der technischen Anforderungen durch den Kunden meist unter Verwendung von Standardkomponenten hergestellt worden (vgl. ebd. Seite 9). Dementsprechend hatte die Käuferin auch keine Kenntnis von den spezifischen technischen Ausgestaltungen, die die Verkäuferin zur Umsetzung der von der Käuferin bestimmten Vorgaben, z.B. bestimmte Grenzwerte für Lärmemissionen, vorgenommen hatte.

Nach der Überzeugung der Kammer handelt es somit um eine gewöhnliche Auftragsarbeit auf der Grundlage von Spezifikationen im Sinne von technischen Anforderungen an die geforderten Drosselspulen. Allein aus dem Umstand, dass es sich um eine Auftragsarbeit gehandelt hat, kann jedoch noch nicht auf eine gemeinsame Entwicklung wie etwa im Rahmen eines "Joint Venture" geschlossen werden, bei der beide Seiten zum Gelingen eines gemeinsamen Projekts einen Entwicklungsbeitrag leisten. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Herstellerin und Verkäuferin ihre bestehende Produktlinie lediglich im Hinblick auf die konkreten technischen Anforderungen des Kunden angepasst hat, was jedoch nicht als eine gemeinsame Entwicklung eines Produkts durch die Vertragspartner angesehen werden kann.

4.2.7 Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin spricht auch der Umstand, dass die Drosselspulen letztlich als Teil einer Stromversorgungsanlage in Kanada zum Einsatz kamen, nicht per se für das Bestehen einer stillschweigenden Geheimhaltungsverpflichtung. Durch das festgestellte Fehlen sowohl einer ausdrücklichen als auch einer impliziten Geheimhaltungsvereinbarung zwischen Trench und Asea Inc., stellt nämlich bereits der Verkauf an Asea Inc. eine offenkundige Vorbenutzungshandlung dar, sodass es nicht mehr auf die Frage ankommt, ob zwischen Asea Inc. und dem Endkunden Hydro Québec eine ausdrückliche oder eine stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung bestand.

Selbst unter der Annahme, dass der weitere Verkauf der Produkte an die Hydro Québec relevant sei, erscheint die Argumentation der Beschwerdeführerin, wonach eine stillschweigende Geheimhaltungsvereinbarung im Hinblick auf nationale Sicherheitsinteressen anzunehmen sei, nicht überzeugend. Zwar ist der Aufstellungsort der Drosselspulen nicht zuletzt auch aufgrund der durch Hochspannung bestehenden Gefahren eingezäunt und somit nicht für jedermann ohne Weiteres zugänglich. Ferner mag zwar die Anlage als solche von erheblicher Bedeutung für die Stromversorgung im Sinne einer "kritischen Infrastruktur" gewesen sein. Nationale Sicherheitsinteressen im Sinne der von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidung T 0633/97 sieht die Kammer hiervon jedoch nicht berührt. In diesem Zusammenhang ist insbesondere nicht ersichtlich, dass den technischen Details der Drosselspulen eine über ihre eigentliche Funktion im Gesamtkonzept der Stromversorgungsanlage hinausgehende Bedeutung zukam, welche ein besonderes Interesse an einer Vertraulichkeit dieser technisch konstruktiven Details vermuten lassen könnte.

4.2.8 Weiterhin tragen zumindest die Seiten 15 bis 22 ("Inspection and Test Plan") des Dokumentenkonvoluts "T" einen Vertraulichkeitsvermerk, welcher das Vervielfältigen und Verbreitung dieser Dokumente untersagt. Dieser Vertraulichkeitsvermerk bezieht sich jedoch nur auf das Dokument selbst, nicht dagegen auf die betreffende Drosselspule.

Deshalb kann auch der Vertraulichkeitsvermerk auf den Seiten 15 bis 22 des Dokumentenkonvoluts "T" weder als expliziter noch als impliziter Nachweis für das Bestehen einer Geheimhaltungsvereinbarung zwischen den beteiligten Parteien bezüglich der technischen Details der vorbenutzten Drosselspulen gewertet werden.

Im Übrigen bemerkt die Kammer der Vollständigkeit halber, dass auf den für die Frage der Neuheit besonders relevanten Seiten 3 und 8 des Dokumentenkonvoluts "T" kein entsprechender Vertraulichkeitsvermerk vorhanden ist.

4.2.9 Weiterhin kann der im erstinstanzlichen Verfahren vor der Einspruchsabteilung durch die Beschwerdegegnerin gestellte Antrag auf Ausschluss des Dokumentenkonvoluts "T" von der Akteneinsicht nicht als mittelbarer Beleg für das Bestehen einer Geheimhaltungsvereinbarung im Rahmen der konkreten Vorbenutzungshandlung gelten. Die Beschwerdegegnerin hat in diesem Zusammenhang zu Recht vorgetragen, aus dem allgemeinen Interesse eines Unternehmens, firmeninterne Unterlagen nicht öffentlich zu machen, könne nicht auf eine Geheimhaltungsvereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer, hier also Trench und Asea Inc., im Hinblick auf die technischen Details des verkauften Gegenstandes, hier der verkauften Drosselspulen, geschlossen werden könne.

Dem ist zuzustimmen. Zum einen würde die Vereinbarung, den verkauften Gegenstand geheim zu halten - anders als eine Vereinbarung, die sich nur auf die Geheimhaltung bestimmter Unterlagen bezieht -, den Käufer weitgehenden Beschränkungen unterwerfen, die dessen Interessen in der Regel zuwiderlaufen, weil sie ihn in seiner Verfügungsbefugnis beschränken würden. Zum anderen ist die Veröffentlichung von Unterlagen in einem öffentlich zugänglichen Register nicht gleichzusetzen mit der Weitergabe von Unterlagen an einen bestimmten Kunden, auch wenn dieser die Dokumente ohne Geheimhaltungsvereinbarung theoretisch weiterreichen könnte.

Dem Antrag auf Ausschluss der betreffenden Unterlagen von der Akteneinsicht kommt daher keine Bedeutung für die Frage der Existenz einer Geheimhaltungsvereinbarung im konkreten Fall zu.

4.3 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass der Verkauf von Drosselspulen gemäß geltend gemachter Vorbenutzung weder einer ausdrücklichen noch einer stillschweigenden Geheimhaltungsvereinbarung unterlag.

Die Vorbenutzung "Asea Inc." ist somit offenkundig und bildet damit Stand der Technik unter Artikel 54 (2) EPÜ.

5. Hauptantrag - Neuheit (Artikel 100 a) in Verbindung Artikel 54 EPÜ)

5.1 Die Kammer ist zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht neu ist gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung "Asea Inc.".

5.2 Die Beschwerdegegnerin stützt ihr Vorbringen maßgeblich auf die Aussagen der Zeugen Lau und Sharp als eigenständiges und vollwertiges Beweismittel. Diese Aussagen werden durch das Dokumentenkonvolut "T" gestützt.

Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang vorgetragen, die Aussage der Zeugen Lau und Sharp genügten nicht zum lückenlosen Nachweis der technischen Details der Drosselspulen. Insbesondere stützten sich die Zeugen in ihren Aussagen erkennbar nicht auf ihre Erinnerung, sondern maßgeblich auf das Dokumentenkonvolut "T".

Wie bereits unter Punkt 4.2.3 festgestellt wurde, hat die Kammer keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit der Zeugen Lau und Sharp zu zweifeln. Dies gilt auch für die Angaben der Zeugen in Bezug auf die technischen Details der offenkundig vorbenutzten Drosselspulen mit der Auftragsbezeichnung 106746 gemäß Dokumentenkonvolut "T". Zwar liegt die Vorbenutzungshandlung lange Zeit zurück. Insbesondere der Zeuge Lau hat jedoch glaubhaft dargelegt, dass er sich an die Vorbenutzungshandlung erinnern könne, da sie zum ersten Mal ein aktives Schallschutzelement in einer Drosselspule beinhaltete (siehe Seite 3 des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Lau vom 20. April 2017).

Weiterhin hat die Beschwerdeführerin zwar zutreffend ausgeführt, dass vorliegend der Grundsatz des lückenloses Nachweises greift und eine behauptete offenkundigen Vorbenutzung daher derart nachzuweisen ist, dass vernünftige Zweifel ausgeschlossen sind, da sich die wesentlichen Beweismittel ausschließlich in der Sphäre der Einsprechenden finden lassen (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, III.G.4.3.2).

Auch wenn jedoch der hohe Beweismaßstab des zweifelsfreien Nachweises zugrunde gelegt wird, gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Zeugenaussagen stellen insoweit ein eigenständiges Beweismittel im Rahmen von Artikel 117 EPÜ dar, das im Rahmen der freien Beweiswürdigung gegebenenfalls im Kontext mit weiteren Beweismitteln, zu bewerten ist. Deshalb gibt es keinen allgemeinen Grundsatz, dass ein mittels Zeugenaussagen zur Überzeugung des Spruchkörpers zweifelsfrei nachgewiesener Sachverhalt zusätzlich durch weitere Beweismittel, insbesondere durch die Vorlage von Zeichnungen, Rechnungen oder Liefernachweisen belegt werden müsste (siehe T 0441/04, insbesondere Punkt 2.17 der Entscheidungsgründe, sowie T 1914/08, insbesondere Punkt 4.7.1 der Entscheidungsgründe, sowie die Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, III.G.4.3.2c)).

5.3 In der Sache hat die Beschwerdeführerin bestritten, dass die Drosselspulen, welche Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung waren, eine stromführende äußere Wicklungslage im Sinne des Anspruchs 1 aufweisen.

Die Beschwerdegegnerin hat indes zutreffend dargelegt, dass sich sowohl aus den Aussagen der Zeugen als auch aus Seite 8 des Dokumentenkonvoluts "T" ergibt, dass ein Stromfluss in der äußersten Wicklungslage vorhanden ist (siehe insbesondere Seite 11 des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Sharp vom 20. April 2017 sowie Seite 15 des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Lau vom 20. April 2017).

Für die Kammer steht daher zweifelsfrei fest, dass es sich bei dem äußersten Element der Drosselspule (siehe Seite 3 des Dokumentenkonvoluts "T") nicht um einen bloßen passiven Zylinder handelte, wie von der Beschwerdeführerin behauptet. Vielmehr sieht es die Kammer im Lichte der Zeugenaussagen in Verbindung mit der Offenbarung auf Seite 8 des Dokumentenkonvoluts "T" als zweifelsfrei erwiesen an, dass es sich bei der äußersten Wicklungslage um eine stromführende Wicklungslage im Sinne des Anspruchs 1 handelt.

5.4 Bei der auf Seite 3 abgebildeten und auf Seite 8 in der unteren Tabelle in der letzten Zeile implizierten äußersten Wicklungslage handelt es sich auch um eine akustische Schirmwicklung im Sinne des Anspruchs 1.

Die Kammer verweist in diesem Zusammenhang auf ihre Ausführungen zur Frage der Auslegung des Anspruchs 1 (siehe Punkt 2. oben). Daraus ergibt sich, dass es sich bei der äußersten Wicklungslage der offenkundig vorbenutzten Drosselspule um eine akustische Schirmwicklung im Sinne des Anspruchs 1 handelt, denn sowohl die Zeugenaussagen als auch das Dokumentenkonvolut auf Seite 8 belegen, dass die Definition des Anspruchs 1 im Hinblick auf die Qualifizierung der äußersten Wicklungslage als akustische Schirmwicklung erfüllt sind. Eine weitergehend Beschränkung in Bezug auf die Eigenschaft der äußersten Wicklungslage als akustische Schirmwicklung ergibt sich nicht aus Anspruch 1.

Insbesondere weist die äußerste Wicklungslage der vorbenutzten Drosselspule eine höhere elektrische Impedanz auf als die benachbarte Wicklungslage, und zwar derart, dass die akustische Schirmwicklung im aktiven Betrieb eine Stromstärke überträgt, die 0.1 % bis 50 % der Stromstärke beträgt, die von der benachbarten Wicklungslage übertragen wird (siehe insbesondere Seite 8 des Dokumentenkonvoluts "T").

Die Kammer hält das in diesem Zusammenhang vorgebrachte Argument der Beschwerdeführerin für nicht überzeugend, wonach nicht klar sei, wie eine Strommessung im aktiven Betrieb durchgeführt worden sein soll. Die Kammer stellt fest, dass zum Nachweis des betreffenden Merkmals des Anspruchs 1 keine entsprechende Strommessung im aktiven Betrieb nachzuweisen ist, denn das Verhalten der Drosselspule im aktiven Betrieb lässt sich ohne Weiteres mittels geeigneter (computergestützter) Berechnungen simulieren. Die auf Seite 8 vorhandenen Angaben über die Stromstärke der äußersten Wicklungslage (3.8 A) in Verbindung mit den zugehörigen Aussagen der Zeugen Lau und Sharp belegen daher zur vollen Überzeugung der Kammer, dass es sich bei der äußersten Wicklungslage der vorbenutzten Drosselspule um eine akustische Schirmwicklung mit den in Anspruch 1 definierten Eigenschaften gehandelt hat.

Dieses Ergebnis wird nicht in Frage gestellt durch die lediglich pauschale Angabe des Zeugen Bogren im Verfahren vor dem Österreichischen Patentamt, wonach es keine Anzeichen für eine Lärmverminderung durch den Typ der einzelnen Wicklungslagen gegeben habe (siehe Seite 12 des Verhandlungsprotokolls).

5.5 Die Beschwerdeführerin hat ferner bestritten, dass das Dokumentenkonvolut "T" eine elektrische Parallelschaltung der Wicklungslagen gemäß Anspruch 1 offenbare.

Ungeachtet dessen ist die Kammer der Überzeugung, dass es keine vernünftigen Zweifel daran geben kann, dass die Wicklungslagen elektrisch parallel verschaltet waren. Die Kammer verweist in diesem Zusammenhang beispielhaft auf die Aussage des Zeugen Sharp, aus der eindeutig die Parallelschaltung der Wicklungslagen hervorgeht (siehe insbesondere Seite 18 des Protokolls über die Vernehmung des Zeugen Sharp vom 20. April 2017 und auf Seite 8 des Dokumentenkonvoluts "T").

5.6 Die weiteren von der Beschwerdeführerin behaupteten Widersprüche in dem Dokumentenkonvolut "T" existieren nach der Überzeugung der Kammer nicht. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei die gesamte Seite 8 des Dokumentenkonvoluts "T" in sich widersprüchlich und könne in dieser Form insgesamt nicht stimmen.

Die Beschwerdegegnerin hat in der Beschwerdeerwiderung unter Bezugnahme auf das Dokument T4 jedoch überzeugend dargelegt, dass die Verwendung unterschiedlicher Leitertypen nicht zu einer wesentlichen Veränderung der Ströme führt. Die Einwände der Beschwerdeführerin können somit keinen Zweifel an der grundsätzlichen Richtigkeit der in der unteren Tabelle auf Seite 8 vorhandenen Angaben zu den einzelnen Wicklungslagen aufkommen lassen.

5.7 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass die Drosselspule, welche Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung "Asea Inc." ist, alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags offenbart. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Streitpatents somit entgegen.

6. Hilfsantrag 1 - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

6.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 weist gegenüber dem Hauptantrag das folgende zusätzliche Merkmal auf:

", und dass eine zylindrische Mantelfläche (19, 19') der akustischen Schirmwicklung (18, 18') gegenüber einer zylindrischen Mantelfläche (20) der benachbarten Wicklungslage (1) mechanisch entkoppelt oder schwingungsisoliert ist."

6.2 Die Beschwerdeführerin hat nicht bestritten, dass zwischen der äußersten Wicklungslage und der benachbarten Wicklungslage der offenkundig vorbenutzten Drosselspule, wie auf Seite 3 des Dokumentenkonvoluts "T" ersichtlich, keine Abstandselemente ("duct sticks", "duct spacer") vorhanden sind. Daher liegt keine mechanische Kopplung vor.

6.3 Somit gelten die Feststellungen der Kammer zum Hauptantrag gleichermaßen für den Hilfsantrag 1. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 ist damit nicht neu gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung "Asea Inc." im Sinne von Artikel 54 EPÜ.

7. Ergebnis

Da der Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl des Hauptantrags als auch des Hilfsantrags 1 nicht neu ist gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung "Asea Inc.", war dem Antrag der Beschwerdegegnerin stattzugeben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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