T 2493/17 () of 31.3.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T249317.20200331
Datum der Entscheidung: 31 März 2020
Aktenzeichen: T 2493/17
Anmeldenummer: 11733642.0
IPC-Klasse: F02G 5/02
F01K 23/06
F01N 3/04
F01N 5/02
F28D 7/16
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: SYSTEM ZUR NUTZUNG VON ABWÄRME EINES VERBRENNUNGSMOTORS
Name des Anmelders: MAHLE Behr GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 123(2)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Änderungen - zulässig (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, zur Post gegeben am 17. Mai 2017, die europäische Patentanmeldung Nr. 11733642.0 nach Artikel 97 (2) EPÜ zurückzuweisen.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Patentanmelderin als Beschwerdeführerin am 13. Juni 2017 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 27. September 2017 eingereicht.

III. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des ursprünglich eingereichten Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1-3 nicht neu ist, und dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, so dass die Anmeldung und die Erfindung, die sie zum Gegenstand hat, nicht den Erfordernissen des EPÜ genügen.

In ihrer Entscheidung hat die Prüfungsabteilung die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:

D1: WO 2007/115579 A2

D2: US 6 119 457 A

IV. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf Basis des mit Schreiben vom 24. März 2020 vorgelegten Hauptantrags, oder hilfsweise in der Fassung eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 4.

V. Mit dem schriftlichen Vermerk der Kammer vom 24. Januar 2020 über eine telefonische Rücksprache wurde die Anmelderin dazu aufgefordert, die Dokumente D1 und D2 in der Beschreibung zu würdigen sowie Klarheitsmängel in den Ansprüchen 3, 4, 7 und 11 sowie auf den Seiten 4, 7 und 9-11 der Beschreibung zu beseitigen. Daraufhin reichte die Anmelderin mit Schreiben vom 24. März 2020 einen geänderten Hauptantrag sowie eine angepasste Beschreibung ein.

VI. Die für diese Entscheidung relevanten unabhängigen Ansprüche 1 und 8 des Hauptantrags haben folgenden Wortlaut:

"1. System zur Nutzung von Abwärme eines Verbrennungsmotors mittels des Clausius-Rankine-Kreisprozesses, umfassend

- einen Kreislauf mit Leitungen mit einem Arbeitsmedium, insbesondere Wasser,

- eine Pumpe zum Fördern des Arbeitsmediums,

- einen Verdampferwärmeübertrager zum Verdampfen des flüssigen Arbeitsmediums mit Abwärme des Verbrennungsmotors mit einer Einlassöffnung zum Einleiten des Arbeitsmediums in einen Strömungskanal und eine Auslassöffnung zum Ausleiten des Arbeitsmediums aus dem Strömungskanal und der Strömungskanal in mehrere hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle unterteilt ist,

- eine Expansionsmaschine,

- einen Kondensator zum Verflüssigen des dampfförmigen Arbeitsmediums,

- einen Auffang- und Ausgleichsbehälter für das flüssige Arbeitsmedium,

dadurch gekennzeichnet, dass

der Verdampferwärmeübertrager einen Mischkanal aufweist und in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums wenigstens zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle in den Mischkanal münden und in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums der Mischkanal in wenigstens zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle mündet."

"8. Verfahren zum Betreiben eines System zur Nutzung von Abwärme eines Verbrennungsmotors mittels des Clausius-Rankine-Kreisprozesses, eines Systems gemäß einem oder mehrerer der Ansprüche 1 bis 7, mit den Schritten:

- Fördern eines Arbeitsmediums in einem Kreislauf durch Leitungen mittels einer Pumpe,

- Verdampfen des Arbeitsmediums in einem Verdampferwärmeübertrager mit Abwärme des Verbrennungsmotors,

- Expandieren des Arbeitsmediums an einer Expansionsmaschine und Leisten von mechanischer Arbeit,

- Verflüssigen des dampfförmigen Arbeitsmediums an einem Kondensator,

dadurch gekennzeichnet, dass

das Arbeitsmedium in dem Verdampferwärmeübertrager eingeleitet wird und durch einen Strömungskanal strömt, hydraulisch nach dem Strömungskanal in wenigstens zwei Strömungsteilkanäle als Parallelbereich eingeleitet wird und durch die wenigstens zwei Strömungsteilkanäle hydraulisch parallel geleitet wird, hydraulisch nach den wenigstens zwei Strömungsteilkanälen in einen Mischkanal eingeleitet wird und sich in dem Mischkanal das aus den wenigstens zwei Strömungsteilkanälen eingeleitete Arbeitsmedium durchmischt wird und hydraulisch nach dem Mischkanal das Arbeitsmedium in wenigstens zwei Strömungsteilkanäle als Parallelbereich eingeleitet wird und durch die wenigstens zwei Strömungsteilkanäle hydraulisch parallel geleitet wird und hydraulisch nach den wenigstens zwei Strömungsteilkanälen in den Strömungskanal eingeleitet wird."

VII. Die Beschwerdeführerin hat zu den entscheidungs-erheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sei neu gegenüber der Offenbarung jedes der Dokuments D1 und D2. Zudem werde er durch diese Dokumente weder alleine noch in Zusammenschau nahegelegt. Daher solle die Zurückweisung der Patentanmeldung durch die Prüfungsabteilung aufgehoben werden und ein Patent auf Grundlage des Hauptantrags erteilt werden.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Anwendungsgebiet der Erfindung

Die Patentanmeldung betrifft ein System zur Nutzung von Abwärme eines Verbrennungsmotors mittels des Clausius-Rankine-Kreisprozesses. Das System weist einen Kreislauf mit Leitungen mit einem Arbeitsmedium (z.B. Wasser), eine Pumpe zum Fördern des Arbeitsmediums, einen Verdampferwärmeübertrager zum Verdampfen des flüssigen Arbeitsmediums mit Abwärme des Verbrennungsmotors, eine Expansionsmaschine, einen Kondensator zum Verflüssigen des dampfförmigen Arbeitsmediums sowie einen Auffang- und Ausgleichsbehälter für das flüssige Arbeitsmedium auf. Ein Strömungskanal für das Arbeitsmedium ist im Verdampferwärmeübertrager in mehrere hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle unterteilt. Der Verdampferwärmeübertrager weist einen Mischkanal auf, wobei in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums wenigstens zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle in den Mischkanal münden und in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums der Mischkanal in wenigstens zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle mündet. Durch die erfindungsgemäße Anordnung eines Mischkanals zwischen einem ersten Satz von hydraulisch parallel geschalteten Strömungsteilkanälen und einem zweiten Satz von hydraulisch parallel geschalteten Strömungsteilkanälen können Ungleichmäßigkeiten in der Temperaturverteilung oder der Verdampfung zwischen den parallel geschalteten Strömungsteilkanälen ausgeglichen werden (Anmeldung, Seite 6, Zeilen 23-25).

3. Änderungen

Der mit Schreiben vom 24. März 2020 eingereichte unabhängige Anspruch 1 unterscheidet sich von dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 dadurch, dass im vormals optionalen Merkmal "vorzugsweise einen Auffang- und Ausgleichsbehälter für das flüssige Arbeitsmedium" der Bestandteil "vorzugsweise" gestrichen wurde. Der mit Schreiben vom 24. März 2020 eingereichte unabhängige Anspruch 8 unterscheidet sich von dem ursprünglich eingereichten Anspruch 8 dadurch, dass im vormals optionalen Merkmal "insbesondere eines Systems gemäß einem oder mehrerer der Ansprüche 1 bis 7" der Bestandteil "insbesondere" gestrichen wurde.

Diese Änderungen entsprechen den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.

4. Neuheit

4.1 Bis auf das vormals optionale Merkmal "einen Auffang- und Ausgleichsbehälter für das flüssige Arbeitsmedium" ist Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags mit Anspruch 1 des in der angegriffenen Entscheidung behandelten Hauptantrags identisch. Hierzu befand die angegriffene Entscheidung mangelnde Neuheit gegenüber D1 und D2. Die Beschwerdeführerin Patentanmelderin bestreitet diesen Befund für den neuen Hauptantrag.

4.2 Das Dokument D1 offenbart im Zusammenhang mit den Seiten 12-14 und den Figuren 1-3 unbestritten ein System zur Nutzung von Abwärme eines Verbrennungsmotors, umfassend einen Kreislauf mit Leitungen (22, 24) mit einem Arbeitsmedium sowie einen Verdampferwärmeübertrager (23) zum Verdampfen des flüssigen Arbeitsmediums mit Abwärme des Verbrennungsmotors mit einer Einlassöffnung zum Einleiten des Arbeitsmediums in einen Strömungskanal und eine Auslassöffnung zum Ausleiten des Arbeitsmediums aus dem Strömungskanal (Bezugsziffern beziehen sich auf das in Figur 3 offenbarte System).

Die Patentanmelderin bestreitet jedoch insbesondere, dass D1 einen in mehrere hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle unterteilten Strömungskanal offenbart, und dass der Verdampfer-wärmeübertrager einen Mischkanal aufweist und in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums wenigstens zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle in den Mischkanal münden und in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums der Mischkanal in wenigstens zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle mündet.

Die Kammer muss daher prüfen, wie genau in D1 der im Verdampferwärmeübertrager 23 angeordnete Strömungskanal ausgestaltet ist.

4.2.1 Innerhalb eines zylindrischen Gehäuses 42 befindet sich ein Verdampferwärmeübertrager 23, der zwei symmetrisch angeordnete Wärmeübertrager 50a und 50b enthält. Jeder der beiden Wärmeübertrager besitzt ein erstes Wärmeübertragungselement 57a, 57b und ein zweites Wärmeübertragungselement 58a, 58b. Jedes der Wärmeübertragungselemente wiederum weist eine Mehrzahl von Rohren auf, die Teil eines Strömungskanals sind (Seite 12, Zeilen 4 bis 29 und Figur 2).

Da sich die Merkmale "Strömungs(teil)kanal" und "Mischkanal" in Anspruch 1 auf Leitungen für das beispielsweise in Form von Wasser vorliegende Arbeitsmedium beziehen, ist entscheidungserheblich, ob in den Rohren der D1 - wie in der angegriffenen Entscheidung behauptet - bei Verwendung des Verdampferwärmeübertragers 23 Wasser bzw. Dampf enthalten ist (Entscheidungsgründe, Seite 5, drittletzter Absatz: "in den Rohre enthaltenen Wasser/Dampf").

4.2.2 Nach ständiger Rechtsprechung muss sich der beanspruchte Gegenstand "unmittelbar und eindeutig aus dem Stand der Technik ergeben", damit auf fehlende Neuheit geschlossen werden kann (RdBK, 9. Auflage 2019, I.C.4.1).

In Bezug auf Wasser bzw. Dampf in den Rohren des Verdampferwärmeübertragers 23 ist das nicht der Fall. Die angegriffene Entscheidung nennt keine Stelle in D1, an welcher das explizit offenbart ist, und auch die Kammer kann in diesem Dokument keine entsprechende Offenbarung finden. D1 offenbart auch nicht implizit, dass sich Wasser bzw. der daraus erzeugte Dampf in den Rohren befindet, da die Rohre nach Auffassung der Kammer von den Abgasen des Verbrennungsmotors durchströmt werden. Die Abgase strömen nämlich im Verdampferwärmeübertrager 23 in horizontaler Richtung von den Randbereichen 71a, 71b zum zentralen Auslass 52 des Kanals, welcher die ersten und zweiten Wärmeübertragungselemente 57a, 58a, 57b, 58b enthält (Seite 13, Zeilen 14-16). Daher versteht ein Fachmann die Aussage, wonach die Abgase entlang der mit durchgehenden Linien gezeichneten Pfeile durch die Wärmeübertragungselemente strömen, in dem Sinne, dass die Abgase dabei durch die Rohre fließen, wie auch aus Seite 14, Zeilen 8-14 hervorgeht: "The exhaust gases that leave the manifold pipes 40 ...". Das wird zudem durch die Darstellung dieser Pfeile in Figur 2 bestätigt, da sie in der Mitte eines Rohres angeordnet sind (in Figur 1 mit kleinem Durchmesser bzw. in Figur 2 mit kleinem Abstand der horizontalen Linien dargestellt). Ein Abgasstrom in den Rohren wird auch von den Aussagen in der Beschreibung bestätigt, dass der Druckverlust im Wärmetauscher dreimal höher als bisher sein kann, und dass die Gasgeschwindigkeit erhöht werden soll (Seite 2, Zeilen 30-35). Der alternativ mögliche Verlauf des Abgasstroms durch den Zwischenraum zwischen den Rohren würde stattdessen wegen des größeren freien Volumens zu einem geringeren Druckverlust und einer geringeren Gasgeschwindigkeit führen.

Aus diesen Gründen offenbart D1 nicht unmittelbar und eindeutig, dass Wasser bzw. Dampf in den Rohren innerhalb der Wärmeübertragungselemente 57a, 58a, 57b, 58b enthalten ist.

4.2.3 Die Kammer teilt zwar den Befund der angegriffenen Entscheidung, wonach die vertikalen Pfeile in Figur 2 der D1 den Weg des Wassers bzw. Dampfes darstellen (Entscheidungsgründe, Seite 5, vorletzter Absatz). Mangels einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung von Wasser bzw. Dampf in den Rohren kann die Kammer aus diesem Befund jedoch nicht folgern, dass die Umfahrung des Abstandshalters 49 einen anspruchsgemäßen Mischkanal bildet. Wenn nämlich das Abgas in den Rohren enthalten ist, kann das Wasser bzw. der Dampf innerhalb eines Wärmeübertragungselementes 57a, 58a, 57b, 58b nur durch den Zwischenraum zwischen den Rohren strömen. In der angegriffenen Entscheidung wurde nicht dargelegt, dass dieser Zwischenraum mehrere hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle enthält. Das ist auch aus Sicht der Kammer nicht der Fall, da ein Kanal nach fachmännischem Verständnis eine rohrförmige Leitung ist. Bei dieser Auslegung kann lediglich das Gehäuse jedes Wärmeübertragungselements 57a, 58a, 57b, 58b als Kanal angesehen werden, das einen von Rohren durchsetzten Strömungskanal bildet. Folglich enthält jedes der Wärmeübertragungselemente nur einen einzigen Strömungskanal, so dass weder zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle aus einem der Wärmeübertragungselemente 57a, 57b in eine der beiden Umfahrungen der Abstandshalter 49 münden, noch diese Umfahrungen in zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle der Wärmeübertragungselemente 58a, 58b münden.

4.2.4 Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zum Ergebnis, dass D1 zumindest nicht das Merkmal von Anspruch 1 offenbart, wonach in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums wenigstens zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle in den Mischkanal münden und in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums der Mischkanal in wenigstens zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle mündet.

Wegen dieses Unterschieds ist es für die Frage der Neuheit unerheblich, ob der in D1 offenbarte Kreisprozess (Seite 17, Zeilen 19-23: "steam circuit") ein Clausius-Rankine-Kreisprozess ist, ob das System eine Pumpe zum Fördern des Arbeitsmediums und einen Auffang- und Ausgleichsbehälter für das flüssige Arbeitsmedium enthält, oder ob die Dampfturbine 37 als anspruchsgemäße Expansionsmaschine anzusehen ist.

4.3 Das Dokument D2 offenbart im Zusammenhang mit den Figuren 1-4 unbestritten ein System zur Nutzung von Abwärme eines Verbrennungsmotors, umfassend einen Kreislauf mit Leitungen (9, 11, 12, 18) mit Wasser als Arbeitsmedium (W) sowie einen Verdampferwärmeübertrager (3) zum Verdampfen des flüssigen Arbeitsmediums mit Abwärme des Verbrennungsmotors mit einer Einlassöffnung zum Einleiten des Arbeitsmediums in einen Strömungskanal und eine Auslassöffnung zum Ausleiten des Arbeitsmediums aus dem Strömungskanal (alle Bezugsziffern beziehen sich auf das in Figur 4 offenbarte System).

Die Patentanmelderin bestreitet jedoch insbesondere, dass der Verdampferwärmeübertrager (3) einen Mischkanal aufweist und in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums wenigstens zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle in den Mischkanal münden und in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums der Mischkanal in wenigstens zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle mündet.

Die Kammer muss daher prüfen, wie genau in D2 der Strömungskanal ausgestaltet ist.

4.3.1 Laut der angegriffenen Entscheidung bilden der Hochtemperatur-Wärmetauscher 2 und der Niedertemperatur-Wärmetauscher 3 gemeinsam einen Verdampferwärmeübertrager, und die Leitung 18 zwischen den beiden Wärmetauschern bzw. die Leitungen 26 im Hochtemperatur-Wärmetauscher 2 werden als Mischkanäle angesehen (Entscheidungsgründe, Seite 6, zweiter und vierter Absatz). Daher ist entscheidungserheblich, ob insbesondere der Hochtemperatur-Wärmetauscher 2 einen Verdampferwärmeübertrager bildet.

4.3.2 Nach ständiger Rechsprechung der Beschwerdekammern zu Erzeugnisansprüchen mit Zweckmerkmalen ist die Angabe der Zweckbestimmung (mit Ausnahme der medizinischen Verwendung bekannter Stoffe) nur in dem Sinne als Einschränkung anzusehen, dass der Gegenstand für diesen Zweck geeignet sein muss (RdBK, 9. Auflage 2019, I.C.8.1.5). Bei dieser Auslegung ist ein Verdampfer-wärmeüberträger als ein Wärmeüberträger anzusehen, der zum Verdampfen eines Arbeitsmediums geeignet ist.

Es gehört zum allgemeinen Fachwissen, dass Verdampfen den Phasenübergang einer Flüssigkeit in den gasförmigen Aggregatzustand betrifft. Folglich muss sich ein Verdampferwärmeüberträger zum Verdampfen eines flüssigen Arbeitsmediums eignen. Das setzt voraus, dass das flüssige Arbeitsmedium in den Verdampfer-wärmeüberträger hineinfließen kann, um dort durch Wärmetausch verdampft zu werden.

In Bezug auf den Hochtemperatur-Wärmetauscher 2 und das in D2 verwendete flüssige Arbeitsmedium Wasser ist das nicht der Fall. Die angegriffene Entscheidung nennt keine Stelle in D2, an welcher ein Hineinfließen von Wasser in diesen Wärmetauscher explizit offenbart ist, und auch die Kammer kann in diesem Dokument keine entsprechende Offenbarung finden. D2 offenbart das auch nicht implizit, da der Hochtemperatur-Wärmetauscher 2 als Gas-Gas-Wärmetauscher konzipiert ist, um den vom Niedertemperatur-Wärmetauscher 3 durch die Leitung 18 zugeführten Dampf auf niedriger Temperatur ("low temperature steam" LS) durch Wärmetausch mit dem heißen Abgasstrom zu überhitzen und Dampf mit erhöhter Temperatur ("high-temperature steam" HS) zu erzeugen (Spalte 7, Zeilen 29 und 30; 50-53; Spalte 9, Zeilen 46-52; Figur 1,4). Zu diesem Zweck sind die als Dampfpassage bezeichneten Leitungen 26 im Hochtemperatur-Wärmetauscher 2 mit einer porösen Keramik gefüllt, deren Porengröße so gewählt ist, dass Gas durch die Poren hindurchströmen kann (Spalte 7, Zeilen 55 und 58). D2 enthält keinen Hinweis darauf, dass die Poren der Keramik dazu geeignet wären, Wasser - also noch nicht verdampftes Arbeitsmedium - hindurchzulassen. Vielmehr scheint die poröse Keramik überhaupt nicht zur Verwendung mit Wasser geeignet zu sein, da das beispielhaft genannte Material Si3N4 als wasserlöslich beschrieben wird (Spalte 8, Zeile 67 bis Spalte 9, Zeile 3).

Bei fachmännischer Lesart offenbart D2 daher nicht unmittelbar und eindeutig, dass Wasser in den Hochtemperatur-Wärmetauscher 2 hineinfließen kann. Mithin bildet der Hochtemperatur-Wärmetauscher 2 der D2 keinen Verdampferwärmeübertrager, so dass die darin angeordneten Leitungen 26 nicht als Strömungsteilkanäle eines Verdampferwärmeübertragers angesehen werden können.

4.3.3 Aus diesen Gründen gelangt die Kammer zum Ergebnis, dass D2 zumindest nicht das Merkmal von Anspruch 1 offenbart, wonach der Verdampferwärmeübertrager einen Mischkanal aufweist und in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums der Mischkanal in wenigstens zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle mündet.

Wegen dieses Unterschieds ist es für die Frage der Neuheit unerheblich, ob sich ein Clausius-Rankine-Kreisprozess von dem in D2 offenbarten Rankine-Kreisprozess unterscheidet (Spalte 12, Zeilen 37 oder 67), oder ob das in D2 offenbarte System einen Auffang- und Ausgleichsbehälter für das flüssige Arbeitsmedium enthält, oder ob die Dampfturbine 7 als anspruchsgemäße Expansionsmaschine anzusehen ist.

4.4 Die obigen Überlegungen zur Neuheit gelten wegen des Rückbezugs auf das System gemäß Anspruch 1 analog für das Verfahren nach Anspruch 8.

4.5 Keine der weiteren im Recherchenbericht genannten Druckschriften offenbart alle Merkmale der unabhängigen Ansprüche 1 und 8. Daher ist die Neuheit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 8 gegenüber dem aufgedeckten Stand der Technik gegeben, Artikel 54 EPÜ.

5. Erfinderische Tätigkeit

5.1 Obwohl die Entscheidung nichts zur erfinderischen Tätigkeit der nun festgestellten Unterscheidungsmerkmale aussagt, hält es die Kammer für zweckdienlich, im Interesse der allgemeinen Verfahrensökonomie, im Rahmen der Zuständigkeit der Prüfungsabteilung tätig zu werden und die Erfordernisse der Artikel 52(1) und 56 EPÜ selbst zu prüfen, Artikel 111(1) EPÜ.

5.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheiden sich von dem in D1 oder D2 offenbarten System zumindest dadurch, dass der Verdampferwärmeübertrager einen Mischkanal aufweist und in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums der Mischkanal in wenigstens zwei hydraulisch parallel geschaltete Strömungsteilkanäle mündet. Wegen der schon vorhandenen wenigstens zwei hydraulisch parallel geschalteten Strömungsteilkanäle, die in den Mischkanal münden, werden somit wenigstens ein dritter und vierter hydraulisch parallel geschalteter Strömungskanal beansprucht, in die der Mischkanal in Strömungsrichtung des Arbeitsmediums mündet.

5.3 Die zu lösende Aufgabe kann darin gesehen werden, Ungleichmäßigkeiten in der Temperaturverteilung oder der Verdampfung zwischen den parallel geschalteten Strömungsteilkanälen auszugleichen (Anmeldung, Seite 6, Zeilen 23-25).

5.4 Weder D1 noch D2 oder eine der im Recherchenbericht genannten Druckschriften offenbart dieses Merkmal. Daher können diese Druckschriften weder alleine noch in Kombination miteinander den Gegenstand von Anspruch 1 nahelegen. Diese Überlegungen gelten wegen des Rückbezugs auf das System gemäß Anspruch 1 analog für das Verfahren nach Anspruch 8.

5.5 Aus diesen Gründen beruhen die Gegenstände der Ansprüche 1 und 8 auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ.

5.6 Die vom Patentanmelder nach Aufforderung durch die Kammer durchgeführte Anpassung der Beschreibung trägt den Einwänden der Kammer Rechnung.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

Ansprüche:

Ansprüche 1-11 wie mit Schreiben vom 24. März 2020 eingereicht

Beschreibung:

Seiten 1 bis 18 wie mit Schreiben vom 24. März 2020 eingereicht,

Zeichnungen:

Blätter 1/5 bis 5/5 der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung.

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