T 2342/17 () of 16.4.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T234217.20200416
Datum der Entscheidung: 16 April 2020
Aktenzeichen: T 2342/17
Anmeldenummer: 10706992.4
IPC-Klasse: F03D7/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: WINDENERGIEANLAGE UND ENERGIEÜBERTRAGUNGSEINRICHTUNG FÜR EINE WINDENERGIEANLAGE
Name des Anmelders: Siemens Gamesa Renewable Energy A/S
Name des Einsprechenden: ENERCON GmbH
Schleifring GmbH
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a) (2007)
European Patent Convention Art 100(b) (2007)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - mangelhafte Offenbarung (nein)
Einspruchsgründe - mangelnde Patentierbarkeit (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 8. August 2017, die Einsprüche gegen das europäische Patent Nr. 2 419 629 nach Artikel 101(2) EPÜ zurückzuweisen.

II. Die Einsprüche gegen das Patent waren auf die Gründe Artikel 100 (a) i.V.m. den Artikeln 54 und 56 EPÜ und Artikel 100 (b) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass keiner dieser Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehe.

In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen zitiert:

E1 DE 202 04 584 U1 (in der angegriffenen

Entscheidung als E2-E1 bezeichnet),

E2 DE 103 35 575 A1 (in der angegriffenen

Entscheidung als E2-E2 bezeichnet).

III. Gegen diese Entscheidung hat die Einsprechende 2 als Beschwerdeführerin am 17. Oktober 2017 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung wurde am 15. Dezember 2017 eingereicht. Eine mündliche Verhandlung hat die Beschwerdeführerin nicht beantragt.

Mit der Beschwerdebegründung hat sie die folgende Entgegenhaltung eingereicht:

E9 DE 198 21 887 B4

IV. Die Beschwerdeführerin Einsprechende 2 beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

V. Die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und damit die Aufrechterhaltung des Patents im erteilten Umfang (Hauptantrag). Hilfsweise beantragt sie die Aufrechterhaltung gemäß einem der erstinstanzlich bereits vorgelegten und erneut eingereichten Hilfsanträge 1-3.

VI. Die Verfahrensbeteiligte Einsprechende 1 hat weder Stellung zur Beschwerde genommen noch Anträge gestellt.

Nur die Beschwerdegegnerin hat hilfsweise eine mündliche Verhandlung beantragt.

VII. Die unabhängigen Ansprüche des für diese Entscheidung relevanten Hauptantrags (Patent wie erteilt) haben den folgenden Wortlaut:

"1. Windenergieanlage mit

- einem Rotor (1), der eine an einer Gondel (2) gelagerte Rotornabe (11) und eine Mehrzahl von mittels jeweils einer elektrischen Antriebseinrichtung verstellbaren Rotorblättern (12) umfaßt,

- einem mit dem Rotor (1) verbundenen elektrischen Generator (3),

- einem konzentrisch zu einem Rotorlager angeordneten Drehübertrager zur Energieversorgung einer Mehrzahl von in der Rotornabe angeordneten elektrischen Verbrauchern,

- einem mit der Gondel (2) verbundenen Primärteil (41) des Drehübertragers,

- einem in der Rotornabe (11) angeordneten und mit dieser drehbaren Sekundärteil (42) des Drehübertragers,

- einem ersten Frequenzumrichter (43) zur Erzeugung einer hochfrequenten Erregerspannung aus einer niederfrequenten Versorgungsspannung, der zwischen dem Primärteil (41) und einer Versorgungsspannungsquelle angeschlossen ist,

- einem zweiten Frequenzumrichter (44) zur Erzeugung einer niederfrequenten Verbraucherspannung aus einer hochfrequenten transformierten Erregerspannung, der zwischen dem Sekundärteil (42) und den elektrischen Verbrauchern in der Rotornabe angeschlossen ist."

"10. Energieübertragungseinrichtung für eine Windenergieanlage mit

- einem konzentrisch zu einem Rotorlager der Windenergieanlage anordenbaren Drehübertrager zur Energieversorgung einer Mehrzahl von in einer Rotornabe angeordneten elektrischen Verbrauchern,

- einem mit einer Gondel (2) verbindbaren Primärteil (41) des Drehübertragers,

- einem in der Rotornabe (11) anordenbaren und mit dieser drehbaren Sekundärteil (42) des Drehübertragers,

- einem ersten Frequenzumrichter (43) zur Erzeugung einer hochfrequenten Erregerspannung aus einer niederfrequenten Versorgungsspannung, der zwischen dem Primärteil (41) und einer Versorgungsspannungsquelle anschließbar ist,

- einem zweiten Frequenzumrichter (44) zur Erzeugung einer niederfrequenten Verbraucherspannung aus einer hochfrequenten transformierten Erregerspannung, der zwischen dem Sekundärteil (42) und den elektrischen Verbrauchern in der Rotornabe anschließbar ist."

VIII. Die Beschwerdeführerin Einsprechende 2 hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der in Figur 4 der E1 offenbarten Anordnung mit zwei Invertern 26 und 31 bzw. mit zwei Frequenzumrichtern 27 und 32. Der Gegenstand jedes der Ansprüche 1 und 10 wie erteilt werde zudem ausgehend von E2 in Zusammenschau mit E1 nahegelegt, da der Fachmann die Schaltung nach Figur 1 der E2 an den Klemmstellen 37 auftrennen und dort die Schaltung nach Figur 4 der E1 einfügen würde. Außerdem werde der Gegenstand jedes der Ansprüche 1 und 10 ausgehend von E1 in Zusammenschau mit E9 nahegelegt, da der Fachmann die E1 auf naheliegende Weise für den Betrieb mit Wechselspannung ertüchtigen würde, indem er die aus E9 bekannten Umrichter verwende, die zudem zu den Standardbauteilen in der Elektrotechnik gehörten. Zudem sei die in den Ansprüchen 3, 6 und 7 beanspruchte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

IX. Die Beschwerdegegnerin Patentinhaberin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:

Der Gegenstand jedes der Ansprüche 1 und 10 sei neu gegenüber E1 und beruhe ausgehend von E1 oder E2 auf erfinderischer Tätigkeit. Zudem sei die in den Ansprüchen 3, 6 und 7 beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Anwendungsgebiet der Erfindung

Das Streitpatent betrifft eine Windenergieanlage mit einem konzentrisch zu einem Rotorlager angeordneten Drehübertrager zur Energieversorgung einer Mehrzahl von in der Rotornabe angeordneten elektrischen Verbrauchern. Dazu ist ein erster Frequenzumrichter zur Erzeugung einer hochfrequenten Erregerspannung aus einer niederfrequenten Versorgungsspannung zwischen einem mit der Gondel der Windenergieanlage verbundenen Primärteil des Drehübertragers und einer Versorgungs-spannungsquelle angeschlossen. Zudem ist ein zweiter Frequenzumrichter zur Erzeugung einer niederfrequenten Verbraucherspannung aus einer hochfrequenten transformierten Erregerspannung zwischen einem in der Rotornabe angeordneten Sekundärteil des Drehübertragers und den elektrischen Verbrauchern in der Rotornabe angeschlossen. Ein solcher Drehübertrager erlaubt eine verschleiß- und störarme Energieversorgung der Verbraucher (Absatz 6 der Patentschrift). Außerdem betrifft das Streitpatent eine Energieübertragungs-einrichtung für eine Windenergieanlage mit solchen Frequenzumrichtern.

3. Auslegung

Für die nachfolgende Diskussion von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit ist es unerlässlich, zunächst die Bedeutung der Merkmale "Frequenzumrichter zur Erzeugung einer hochfrequenten Erregerspannung/niederfrequenten Verbraucherspannung aus einer niederfrequenten Versorgungsspannung/hochfrequenten transformierten Erregerspannung" in Anspruch 1 zu klären.

3.1 Nach ständiger Rechtsprechung sind die in den Patentdokumenten verwendeten Begriffe so zu interpretieren, dass ihnen die im einschlägigen Stand der Technik übliche Bedeutung zu geben ist (RdBK, 9. Auflage 2019, II.A.6.3.3.).

3.1.1 Aus Sicht der Kammer wird im allgemeinen Sprachgebrauch, und auch auf dem Gebiet der Energieübertragungseinrichtungen, unter den Begriffen "Wechselspannung" bzw. "Wechselstrom" eine elektrische Spannung bzw. ein Strom verstanden, wobei Stärke und Richtung sich periodisch ändern (siehe Duden), und sich somit mit einer Nicht-Null Frequenz ändern. Der Fachmann versteht unter diesen Begriffen keine Gleichspannung bzw. keinen Gleichstrom, die ja konstanter Polarität sind. Diese Auslegung wird durch den Inhalt des Streitpatents bestätigt, das auf die Energieübertragung mittels Wechselspannung gerichtet ist (Anspruch 1: "...frequenz"; Absatz 18: "Anstelle eines zweiten Frequenzumrichters kann auch ein Gleichrichter zur Erzeugung einer Gleichspannung vorgesehen sein", wobei "anstelle" impliziert, dass ein Frequenzumrichter keine Gleichspannung abgibt).

3.1.2 Insbesondere die Funktionsweise des Umrichters wurde von der Beschwerdegegnerin in Abschnitt 3(B) ihrer Erwiderung vom 17. April 2018 hervorgehoben. Diese Funktionsweise wird von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten (Beschwerdebegründung, Seiten 7 und 8). Die Kammer sieht das nicht anders, und fügt hinzu, dass es zum allgemeinen Fachwissen auf dem breiten Gebiet der Elektrizität, insbesondere auch auf dem Untergebiet von Energieübertragungseinrichtungen, gehört, dass ein Inverter bzw. Wechselrichter eine Gleichspannung in eine Wechselspannung umwandelt, dass ein Gleichrichter eine Wechselspannung in eine Gleichspannung umwandelt, und dass ein Umrichter bzw. AC/AC-Konverter - was von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird - aus einer Wechselspannung eine in der Frequenz und Amplitude unterschiedliche Wechselspannung erzeugt.

3.2 Aus diesen Gründen sieht die Kammer die beiden beanspruchten Frequenzumrichter als Umrichter an, die jeweils aus einer an ihrem Eingang anliegenden Wechselspannung eine Wechselspannung am Ausgang des Umrichters erzeugen.

4. Neuheit

4.1 Die Beschwerdeführerin bestreitet den Befund der Entscheidung, wonach die Windenergieanlage nach Anspruch 1 neu gegenüber der E1 sei, weil dort nicht zwei Frequenzumrichter offenbart werden. Insbesondere hat sie argumentiert, dass die beiden Bauteile 26 und 31 oder die beiden Bauteile 27 und 32 als Frequenz-umrichter anzusehen seien (Beschwerdebegründung, Seite 10).

4.2 Im Hinblick auf Anspruch 1 offenbart E1 eine Windenergieanlage mit einem Drehübertrager mit Frequenzerhöhung zur Energieversorgung einer Mehrzahl von in der Rotornabe angeordneten elektrischen Verbrauchern mittels eines Leistungsstromübertragers 20 (Seite 6, Zeilen 17-23; Figur 4). Die Kammer ist aber nicht davon überzeugt, dass E1 unmittelbar und eindeutig offenbart, dass dieser Leistungsstromübertrager 20 zwei Frequenzumrichter zur Energieversorgung einer Mehrzahl von in der Rotornabe angeordneten elektrischen Verbrauchern aufweist:

4.2.1 Wie bereits in der Entscheidung, Seite 7, drittletzter Absatz befunden und von der Beschwerdegegnerin in Absatz 5.2.2 ihrer Erwiderung vom 17. April 2018 bestätigt, sind die Bauteile 26 und 31 des Leistungsstromübertragers 20 ein Wechselrichter (26) und ein Gleichrichter (31). Die Kammer sieht das nicht anders, denn Ersteres geht für einen Fachmann aus der Bezeichnung "Inverter (26)" hervor, und Letzteres aus der in E1 genannten Funktion des Bauteils 31 (Seite 8, Zeilen 28 und 29: "Konverter (31) ... der den Wechselstrom wieder gleichrichtet"). Sowohl die Funktion der Bauteile 26 und 31 als auch ihre Darstellung im Schaltplan zeigt, dass es sich nicht um Frequenzumrichter handelt. Im Hinblick auf die Funktion hat bereits die Beschwerdegegnerin in Absatz 5.1 ihrer Erwiderung vom 17. April 2018 betont, dass an beiden Bauteilen jeweils eine Gleichspannung als Erregerspannung anliegt. Die Kammer sieht das genauso und verweist auf Seite 8 der E1, Zeilen 10 und 29. Im Hinblick auf ihre Darstellung im Schaltplan werden in Figur 4 der E1 für die Bauteile 26 und 31 Symbole für einen Wechsel- bzw. Gleichrichter verwendet, wobei der Fachmann die Gleichheitszeichen "=" in der linken bzw. rechten Hälfte der Symbole als einen Hinweis auf die dort anliegende Gleichspannung versteht.

4.2.2 Die als "Inverter Signalstrom" bzw. "Konverter Signalstrom" bezeichneten Bauteile 27 und 32 bilden Teile eines Signalübertragers 18,19,19', der zwischen Seite 9, Zeile 18 und Seite 10, Zeile 22 der E1 beschrieben wird. Wie bereits in der Entscheidung, Seite 8, erster Absatz ausgeführt und von der Beschwerdegegnerin in Absatz 5.1 ihrer Erwiderung vom 17. April 2018 bestätigt, überträgt dieser Signalübertrager auch aus Sicht der Kammer lediglich Signalströme für die Steuer- und Regeleinrichtung der Windenergieanlage oder für die Stellmotoren der Rotorblätter (Seite 10, Zeilen 20 bis 23). Da die Signalübertragung gesondert von der Leistungsversorgung durch den Leistungsstromübertrager erfolgt, dienen die Bauteile 27 und 32 nicht zur Energieversorgung dieser Verbraucher.

4.2.3 Im Hinblick auf die Neuheit des Vorrichtungsanspruchs 1 ist es unerheblich, ob ein Frequenzumrichter eingangsseitig mit Gleichspannung oder Wechselspannung betrieben werden könnte, oder ob der Anspruch einen Betrieb mit Gleichspannung nicht ausschließt (Beschwerdebegründung, Seite 7, vorletzter Absatz; Seite 8, erster Absatz). Da der Anspruch auf eine Windenergieanlage mit zwei Frequenzumrichtern, die eine Wechselspannung in eine andere Wechselspannung umwandeln, zur Energieversorgung einer Mehrzahl von in der Rotornabe angeordneten elektrischen Verbrauchern gerichtet ist, muss eine Entgegenhaltung auch zwei zu diesem Zweck geeignete Frequenzumrichter offenbaren, um neuheitsschädlich zu sein.

4.3 Die Kammer ist auch von der allgemeinen Behauptung, dass eine niederfrequente Versorgungsspannung keinen technischen Effekt habe, nicht überzeugt (Beschwerdebegründung, Seite 9, erster Absatz). Zwar können Neuheit und erfinderische Tätigkeit nur auf technische Merkmale gestützt werden, und nicht-technische Merkmale "als solche" werden bei der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit nicht berücksichtigt (RdBK, 9. Auflage 2019, I.C.5.2.8). Im vorliegenden Fall betrifft die niederfrequente Versorgungsspannung jedoch die Versorgung der als Drehübertrager ausgebildeten Energieübertragungseinrichtung bzw. der elektrischen Verbraucher in der Rotornabe. Aus den in Absatz 3.1.1 genanten Gründen handelt es sich wegen der Frequenz um eine Wechselspannung, so dass mögliche technische Effekte darin bestehen, eine andere Versorgungsquelle (Patentschrift, Absatz 18) oder andere elektrische Verbraucher in der Rotornabe verwenden zu können (E1, Seite 9, Zeilen 6-12). Somit sieht die Kammer sehr wohl in der niederfrequenten Versorgungsspannung ein technisches Merkmal, das sie bei der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit berücksichtigen muss.

4.4 Wie oben dargelegt offenbart E1 nicht, dass die Windenergieanlage einen ersten Frequenzumrichter zur Erzeugung einer hochfrequenten Erregerspannung aus einer niederfrequenten Versorgungsspannung und einen zweiten Frequenzumrichter zur Erzeugung einer niederfrequenten Verbraucherspannung aus einer hochfrequenten transformierten Erregerspannung aufweist, die jeweils zur Energieversorgung einer Mehrzahl von in der Rotornabe angeordneten elektrischen Verbrauchern geeignet sind. Dieser Befund gilt für den unabhängigen Anspruch 10 mutatis mutandis. Daher ist der Gegenstand jedes der Ansprüche 1 und 10 neu gegenüber E1.

5. Erfinderische Tätigkeit

Die erfinderische Tätigkeit wurde ausgehend von E2 und E1 angegriffen. Zu diesen Angriffslinien entscheidet die Kammer Folgendes:

5.1 Ausgehend von E2

5.1.1 Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wird das Dokument E2 als geeigneter Ausgangspunkt angesehen, da es unbestritten eine Windenergieanlage offenbart, die eine Mehrzahl von in der Rotornabe angeordneten elektrischen Verbrauchern mit Energie versorgt (Absatz 32, Figur 2). Diese Windenergieanlage weist keine Drehübertrager mit Frequenzumrichter auf, da die Energieversorgung nicht berührungslos, sondern mittels der Schleifringe 74 erfolgt. Das wird von der Beschwerdeführerin nicht bestritten (Schreiben vom 11. Juni 2018, Seite 9, zweiter Absatz).

5.1.2 Dem Unterscheidungsmerkmal "Drehübertrager mit eine ersten Frequenzumrichter und einem zweiten Frequenzumrichter" liegt aus Sicht der Beschwerdeführerin die objektive technische Aufgabe zugrunde, die Schleifringeinheit 74 durch einen weniger verschleißanfälligen berührungslosen Drehübertrager zu ersetzen (Beschwerdebegründung, Seite 12, Absatz unterhalb der Aufzählung). Die Kammer sieht das anders, da eine solche Aufgabenformulierung wegen des Verweises auf einen berührungslosen Drehübertrager bereits Lösungsansätze enthält. Im Hinblick auf die objektive technische Aufgabe gilt jedoch, dass die Aufgabe so zu formulieren ist, dass sie keine Lösungsansätze enthält oder teilweise die Lösung vorwegnimmt (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.4.3.1).

Die aus E2 bekannten Schleifringe sind mechanischem Verschleiß unterworfen und stellen eine potentielle Störungsquelle in einer Windenergieanlage dar (Patentschrift, Absatz 6). Daher besteht die objektive technische Aufgabe ausgehend von E2 aus Sicht der Kammer darin, eine verschleiß- und störarme Energieversorgung der elektrischen Verbraucher in der Rotornabe zu ermöglichen, bzw. - wie von Beschwerdeführerin in ihrem Antwortschreiben vom 11. Juni 2018 formuliert, die Betriebssicherheit der Leistungsübertragung zu erhöhen (siehe Seite 9, zweiter Absatz des Antwortschreibens).

5.1.3 Zur Lösung dieser Aufgabe wird der Fachmann durchaus die E1 heranziehen, da sie aus den im Zusammenhang mit der Neuheit genannten Gründen ebenfalls die Energieversorgung von elektrischen Verbrauchern in der Rotornabe einer Windenergieanlage betrifft. Der Fachmann könnte auch die in Figur 1 der E2 gezeigte Schaltung des Umrichters 3 zwischen den Klemmstellen 37 auftrennen, und dort weitere Bauelemente vorsehen, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen (Beschwerdebegründung, Seite 13, erster Absatz). Jedoch befindet sich der Umrichter 3 in E2 - wie von der Beschwerdegegnerin in Absatz 5.2.1(B) ihrer Erwiderung vom 17. April 2018 dargelegt - bereits im Rotor der Windenergieanlage (Absätze 28, 33), so dass für den Fachmann keine Veranlassung dazu besteht, an den Klemmstellen 37 einen Drehübertrager vorzusehen. In ihrem Antwortschreiben vom 11. Juni 2018 geht die Beschwerdeführerin hierauf nicht ein.

Dessen ungeachtet gelangt der Fachmann aus Sicht der Kammer, selbst wenn er in Figur 1 der E2 zwischen den Klemmstellen 37 des Umrichters 3 die aus Figur 4 der E1 bekannte Schaltung einsetzen würde, nicht zur beanspruchten Lösung. E1 offenbart nämlich aus den bereits genannten Gründen keine Frequenzumrichter (siehe Absatz 4 dieser Entscheidung). Dieser Befund gilt für den unabhängigen Anspruch 10 mutatis mutandis.

5.2 Ausgehend von E1

5.2.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich aus den in Absatz 4 dieser Entscheidung genannten Gründen von der Offenbarung der E1 darin, dass die Windenergieanlage einen ersten Frequenzumrichter zur Erzeugung einer hochfrequenten Erregerspannung aus einer niederfrequenten Versorgungsspannung und einen zweiten Frequenzumrichter zur Erzeugung einer niederfrequenten Verbraucherspannung aus einer hochfrequenten transformierten Erregerspannung aufweist, die jeweils zur Energieversorgung einer Mehrzahl von in der Rotornabe angeordneten elektrischen Verbrauchern geeignet sind.

5.2.2 Diesen Unterscheidungsmerkmalen liegt aus Sicht der Beschwerdeführerin die objektive technische Aufgabe zugrunde, die E1 für den Betrieb mit Wechselspannung zu ertüchtigen (Schreiben vom 11. Juni 2018, Seite 5, letzter Absatz). Die Kammer sieht das anders, da eine solche Aufgabenformulierung wegen des Verweises auf Wechselspannung wiederum Lösungsansätze enthält.

Daher muss die Kammer nun die objektive technische Aufgabe in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes formulieren.

5.2.3 Laut dem Streitpatent ist die Windenergieanlage aufgrund der Verwendung einer hochfrequenten Erregerspannung für den Drehübertrager robust gegenüber durch Windkräfte auf Rotor und Gondel ausgeübte Biegemomente ohne nachteilige Auswirkungen auf eine Variation einer Luftspaltbreite zwischen Primär- und Sekundärteil (Patentschrift, Absatz 12). Diese Wirkung der doppelten Frequenzumrichtung wird bereits in der angegriffenen Entscheidung hervorgehoben. Dort wird das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit ausgehend von E1 damit begründet, dass die Frequenzumrichtung unter Verwendung einer hochfrequenten Erregerspannung eine durch den Wind bedingte Variation der Luftspaltbreite nicht nachteilig/problematisch für die Energieübertragung werden lässt (Entscheidungsgründe, Seite 9, vierter Absatz). Auch die Beschwerdegegnerin bezieht sich in Absatz 5.2.2 ihrer Erwiderung vom 17. April 2018 auf eine eingangsseitige Frequenz-erhöhung und eine ausgangsseitige Frequenzreduzierung, also die in Absatz 12 der Patentschrift genannte doppelte Frequenzumrichtung.

Ausgehend von den in Absatz 12 der Patentschrift genannten Wirkungen könnte daher die objektive technische Aufgabe darin gesehen werden, die Windenergieanlage robust gegenüber durch Windkräfte auf Rotor und Gondel ausgeübte Biegemomente zu machen ohne nachteilige Auswirkungen auf eine Variation einer Luftspaltbreite zwischen Primär- und Sekundärteil.

Die Beschwerdeführerin bestreitet das mit dem Argument, dass diese Aufgabe bereits in E1 gelöst werde (Antwortschreiben vom 11. Juni 2018, Seite 5, dritter Absatz). Die Kammer sieht das anders, da E1 keinen Hinweis auf die Wirkungen einer eingangsseitigen Frequenzerhöhung und ausgangsseitigen Frequenz-reduzierung enthält. Die Leistungsübertragungsstrecke der E1 wird nämlich aus Sicht der Beschwerdeführerin mit Gleichspannung versorgt (Beschwerdebegründung, Seite 12, Absatz vor Figur 4). Das sieht die Kammer genauso, da am Wechselrichter 26 und am Gleichrichter 31 jeweils eine Gleichspannung anliegt (E1, Seite 8, Zeilen 10 und 29), siehe hierzu Abschnitt 3.1.1 dieser Entscheidung. Ohne eine solche doppelte Frequenzumrichtung kann jedoch die darauf basierende Aufgabe nicht bereits in E1 gelöst werden.

Aus diesen Gründen besteht die bereits oben formulierte objektive technische Aufgabe, die anhand der in Absatz 12 der Patentschrift genannten Wirkungen der doppelten Frequenzumrichtung formuliert wird, darin, die Windenergieanlage robust gegenüber durch Windkräfte auf Rotor und Gondel ausgeübte Biegemomente zu machen ohne nachteilige Auswirkungen auf eine Variation einer Luftspaltbreite zwischen Primär- und Sekundärteil.

5.2.4 Ungeachtet der Frage der Zulassung der verspätet eingereichten E9 ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass der von E1 ausgehende Fachmann auf naheliegende Weise zur beanspruchten Lösung gelangt:

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Frage, ob der beanspruchte Gegenstand eine naheliegende Lösung für eine objektive technische Aufgabe darstellt, danach zu fragen, ob der Fachmann in der Erwartung, die Aufgabe zu lösen, die Lehre der nächstliegenden Entgegenhaltung angesichts anderer Lehren des Stands der Technik so abgewandelt hätte, dass er zu der beanspruchten Erfindung gelangt wäre (RdBK, 9. Auflage 2019, I.D.5 "Could-would approach").

Im vorliegenden Fall teilt die Kammer die - auch von der Beschwerdegegnerin nicht bestrittene - Sichtweise der Beschwerdeführerin, dass dem Fachmann anhand seines Fachwissens Umrichter als Standardbauteile in der Elektrotechnik bekannt sind. Die Beschwerdeführerin hat nicht vorgetragen, dass E9 eine Windenergieanlage betrifft, und das wird von der Beschwerdegegnerin bestritten (Erwiderung, Seite 2 letzter Absatz). Auch aus Sicht der Kammer wird dort keine Windenergieanlage offenbart, da E9 auf die Abführung von zurückgespeister Energie eines Elektromotors in das elektrische Netz gerichtet ist (Absatz 8).

In Anwendung des "Could-would"-Ansatzes ist nicht danach zu fragen, ob der Fachmann die aus E1 bekannte Windenergieanlage mit Umrichtern hätte ausrüsten können, sondern ob er diese Änderung vorgenommen hätte, um die Windenergieanlage robust gegenüber durch Windkräfte auf Rotor und Gondel ausgeübte Biegemomente zu machen ohne nachteilige Auswirkungen auf eine Variation einer Luftspaltbreite zwischen Primär- und Sekundärteil. Die Kammer ist davon nicht überzeugt, da E9 nicht auf eine Windenergieanlage gerichtet ist, wie die Beschwerdegegnerin in ihrer Erwiderung, Seite 2, letzter Absatz auch argumentiert. Zudem offenbart die E9 nicht, dass eine solche Windenergieanlage robust gegenüber durch Windkräfte auf Rotor und Gondel ausgeübte Biegemomente gemacht wird ohne nachteilige Auswirkungen auf eine Variation einer Luftspaltbreite zwischen Primär- und Sekundärteil. Letzteres ist eine logische Folge davon, dass E9 keine Windenergieanlage betrifft. Aus diesen Gründen wird der Fachmann nicht auf naheliegende Weise durch E9 dazu veranlasst, die Bauteile 26 und 31 der E1 jeweils durch einen Frequenzumrichter zu ersetzen. Dieser Befund gilt für den unabhängigen Anspruch 10 mutatis mutandis.

5.3 Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 10 wird aus diesen Gründen ausgehend von E1 oder E2 nicht nahegelegt, Artikel 56 EPÜ. Die Frage der Zulassung der verspätet eingereichten E9 kann folglich dahingestellt bleiben.

6. Hauptantrag - Ausreichende Offenbarung

6.1 Die Beschwerdeführerin bestreitet den Befund der Entscheidung, wonach das Streitpatent die in den Ansprüchen 3, 6 und 7 beanspruchte Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

6.2 Im Hinblick auf die Ansprüche 3 und 6 verweist die Beschwerdeführerin auf ihr schriftsätzliches Vorbringen. Da die Beschwerdebegründung nicht auf die Ansprüche 3 und 6 eingeht, versteht die Kammer darunter das schriftsätzliche Vorbringen vor der Einspruchsabteilung.

Der Einwand mangelnder Ausführbarkeit gegen die Ansprüche 3 und 6 wurde in der Beschwerdebegründung sonst nicht begründet, wie die Beschwerdegegnerin in Abschnitt 4, Absatz 2 ihrer Erwiderung vom 17. April 2018 feststellt. In ihrem Antwortschreiben vom 11. Juni 2018 geht die Beschwerdeführerin hierauf nicht ein. Somit hat die Kammer keinen Grund, vom Befund der Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung abzuweichen.

6.3 Im Hinblick auf Anspruch 7 vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass im Streitpatent nicht offenbart sei, wie der Drehübertrager in einem Getriebe untergebracht wird, wobei der Drehübertrager durch den Rückbezug auf Anspruch 6 gleichzeitig in das Rotorlager integriert ist. Eine Integration sei nicht trivial, und das Getriebeöl würde zu einer Zerstörung des (aus Sicht der Kammer im beanspruchten Drehübertrager implizit vorhandenen) Transformators führen (Beschwerdebegründung, Seiten 14 und 15).

Wie bereits in der Entscheidung, Seite 5, vorletzter und letzter Absatz ausgeführt, hat der Fachmann auf dem Gebiet der Getriebetechnik kein Problem, ein Getriebe entsprechend zu gestalten. Die Kammer sieht das nicht anders, da Aufbau und Abdichtung eines Getriebes zum fachüblichen Wissen eines Ingenieurs gehören, siehe auch das Antwortschreiben der Beschwerdegegnerin, Abschnitt 4, vorletzter Absatz. Die Kammer fügt hinzu, dass es im Rahmen der Kenntnisse des Fachmannes liegt, das Austreten von Getriebeöl durch geeignete Dichtmittel wie z.B. Radial-Wellendichtringe zu verhindern. Mangels weiterer Argumente der Beschwerdeführerin ist die Kammer davon überzeugt, dass es im Rahmen dieser Kenntnisse des Fachmanns liegt, empfindliche Bauteile wie den beanspruchten Drehübertrager auf der dem Getriebeöl abgewandten Seite eines solchen Dichtmittels anzuordnen oder durch eine geeignete Kapselung vor dem Getriebeöl zu schützen.

6.4 Aus diesen Gründen offenbart die Patentschrift die in den Ansprüchen 3, 6 und 7 definierte Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann, Artikel 100 (b) EPÜ.

7. Die Kammer bejaht aus den obengenannten Gründen für den Hauptantrag, Patent wie erteilt, die ausreichende Offenbarung sowie die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit im Lichte der genannten Entgegenhaltungen. Weitere Einwände sind nicht geltend gemacht worden. Somit steht keiner der erhobenen Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents entgegen, Artikel 101(2) EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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