| European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2025:T207817.20250612 | ||||||||
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| Datum der Entscheidung: | 12 Juni 2025 | ||||||||
| Aktenzeichen: | T 2078/17 | ||||||||
| Anmeldenummer: | 09007605.0 | ||||||||
| IPC-Klasse: | B65G 1/00 | ||||||||
| Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
| Verteilung: | D | ||||||||
| Download und weitere Informationen: |
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| Bezeichnung der Anmeldung: | Vorrichtung zum Ein- und Auslagern von Gütern und zur Reinigung des Lagers, und Verfahren zum Betrieb einer solchen Vorrichtung | ||||||||
| Name des Anmelders: | KNAPP Smart Solutions GmbH | ||||||||
| Name des Einsprechenden: | Becton Dickinson Rowa Germany GmbH | ||||||||
| Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
| Leitsatz: | - | ||||||||
| Relevante Rechtsnormen: |
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| Schlagwörter: | Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus Änderungen - Hauptantrag (ja) Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs Änderungen - Hilfsantrag (nein) Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus Änderungen - Hilfsantrag (nein) Nicht zugelassener Antrag - Antrag hätte bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden können Patentansprüche - Klarheit Patentansprüche - Hilfsantrag (ja) Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag (ja) Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja) |
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| Orientierungssatz: |
- |
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| Angeführte Entscheidungen: |
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| Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Patentinhaberin und die Einsprechende erhoben jeweils frist- und formgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der diese feststellte, dass unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen (damals Hilfsantrag 1) das europäische Patent Nr. 2 133 289 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 100 a) EPÜ, unzureichender Offenbarung gemäß Artikel 100 b) EPÜ und unzulässiger Erweiterung gemäß Artikel 100 c) EPÜ.
III. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 11. März 2021 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zu den Erfolgsaussichten mit, wonach beide Beschwerden voraussichtlich zurückzuweisen sein dürften.
Am 2. Dezember 2022 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer in ihrer damaligen Besetzung statt, in der die Einsprechende gegen die gesamte Kammer einen Antrag auf Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit einreichte. Die Kammer in ihrer damaligen Besetzung befand den Antrag auf Ablehnung wegen Befangenheit für zulässig. Es wurde ein Verfahren nach Artikel 24 (3) EPÜ vor einer nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen Ersatzkammer eröffnet.
Mit Zwischenentscheidung vom 7. Februar 2023 wurde der Antrag der Einsprechenden und Antragstellerin vom 16. Januar 2023 auf Ablehnung der Ersatzkammer in der Besetzung gemäß Verfügung vom 8. Dezember 2022 wegen Besorgnis der Befangenheit als unzulässig zurückgewiesen.
Der Antrag der Antragstellerin auf Überprüfung im Sinne von Artikel 112a EPÜ gegen diese Zwischenentscheidung wurde von der Großen Beschwerdekammer mit Entscheidung vom 1. Juli 2024 als offensichtlich unzulässig
verworfen (siehe R 5/23).
IV. Seit dem 14. Januar 2025 wurde das Verfahren auf Grundlage von Artikel 10 (5) VOBK 2020 von Amts wegen beschleunigt geführt, nachdem die durch Verfügung vom 4. September 2024 nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige, geänderte Ersatzkammer in Kenntnis gesetzt wurde, dass das Streitpatent Gegenstand in dem Verletzungsverfahren ACT_68574/2024 vor der Lokalkammer München des Einheitlichen Patentgerichts ist.
V. In dem Verfahren nach Artikel 24 (3) EPÜ gelangte die Ersatzkammer mit Zwischenentscheidung vom 21. März 2025 zu dem Ergebnis, dass der Antrag auf Ablehnung der Mitglieder der Kammer in der ursprünglichen Besetzung wegen Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen wird. Zudem wurde ein Antrag der Patentinhaberin auf Kostenverteilung zurückgewiesen.
Zu Einzelheiten des Verlaufs des Verfahrens nach Artikel 24 (3) EPÜ wird auf die Zwischenentscheidung vom 21. März 2025 verwiesen.
VI. Mit Verfügung vom 31. März 2025 wurde eine geänderte Besetzung der Kammer im Lichte des gültigen Geschäftsverteilungsplan bestimmt.
VII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 12. Juni 2025 statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen. Die Entscheidung wurde am Schluss der Verhandlung verkündet.
VIII. Die Patentinhaberin beantragte zuletzt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben
und
das Patent im erteilten Umfang aufrechtzuerhalten (Hauptantrag)
oder, hilfsweise,
das Patent in der geänderten Fassung gemäß einem der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3 oder gemäß einem der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 4 bis 10 aufrechtzuerhalten, wobei Hilfsantrag 3 der im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Fassung des Anspruchssatz entspricht.
IX. Die Einsprechende beantragte zuletzt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
X. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag) lautet:
"Vorrichtung (1) zum Ein- und Auslagern von Gütern (6), insbesondere von Arzneimittelpackungen,
mit mindestens einem Bereitstellungsplatz, auf dem die Güter (6) bereitgestellt werden,
mit mindestens einem Regal (2) mit Lagerplätzen (4) zur Lagerung der Güter (6),
mit einem Reinigungsmittel (10) zur Reinigung der Güter (6) und/oder der Vorrichtung (1), insbesondere des Regals (2),
mit mindestens einem Regalbediengerät (8) zum Anfahren des Bereitstellungsplatzes und der Lagerplätze (4),
wobei das Regalbediengerät (8) mindestens eine Aufnahmevorrichtung zur Aufnahme eines oder mehrerer der Güter (6) aufweist, und mit einer Steuerung
dadurch gekennzeichnet,
dass die Aufnahmevorrichtung als Greifvorrichtung zum Klemmgreifen der Güter (6) ausgebildet ist und
dass die Steuerung zur automatisierten Reinigung der Güter (6) oder der Vorrichtung (1) eingestellt ist,
wobei das Reinigungsmittel (10) von der Greifvorrichtung klemmgegriffen wird,
das Regalbediengerät (8) einem Bereich der Vorrichtung (1) oder einem Gut (6) zugeführt wird, um den Bereich der Vorrichtung (1) oder das Gut (6) zu reinigen,
und die Reinigungsbewegungen von der Greifvorrichtung durchgeführt werden."
XI. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in aufrechterhaltener Fassung (Hilfsantrag 3) lautet, wobei die Änderungen gegenüber der erteilten Fassung durch die Kammer gekennzeichnet sind:
"Vorrichtung (1) zum Ein- und Auslagern von Gütern (6), insbesondere von Arzneimittelpackungen,
mit mindestens einem Bereitstellungsplatz, auf dem die Güter (6) bereitgestellt werden,
mit mindestens einem Regal (2) mit Lagerplätzen (4) zur Lagerung der Güter (6),
mit einem Reinigungsmittel (10) zur Reinigung [deleted: der Güter (6) und/oder] der Vorrichtung (1), insbesondere des Regals (2),
mit mindestens einem Regalbediengerät (8) zum Anfahren des Bereitstellungsplatzes und der Lagerplätze (4),
wobei das Regalbediengerät (8) mindestens eine Aufnahmevorrichtung zur Aufnahme eines oder mehrerer der Güter (6) aufweist, und mit einer Steuerung [deleted: dadurch gekennzeichnet,]
[deleted: dass ]wobei die Aufnahmevorrichtung als Greifvorrichtung zum Klemmgreifen der Güter (6) ausgebildet ist und [deleted: dass]
wobei die Steuerung zur automatisierten Reinigung [deleted: der Güter oder] der Vorrichtung (1) eingestellt ist,
wobei das Reinigungsmittel (10) von der Greifvorrichtung klemmgegriffen wird,
das Regalbediengerät (8) einem Bereich der Vorrichtung (1) [deleted: oder einem Gut (6)] zugeführt wird, um den Bereich der Vorrichtung (1) [deleted: oder das Gut (6)] zu reinigen,
und die Reinigungsbewegungen von der Greifvorrichtung durchgeführt werden,
wobei beim Durchführen der Reinigungsbewegungen das Reinigungsmittel (10) mittels der Greifvorrichtung fixiert wird."
XII. Eine Wiedergabe der weiteren Hilfsanträge erübrigt sich angesichts der vorliegenden Entscheidung, insbesondere auch zur Nichtzulassung der Hilfsanträge 1 und 2 ins Beschwerdeverfahren.
XIII. Im Weiteren wird auf die folgenden Dokumente Bezug genommen:
D1: JP 2007 168968 A;
D2: WO 2008/061951 A1;
D5: JP H 06-61814 U
D11: JP H 03-111307 A
E3: DE 10 2009 042 572 A1;
E4: Screenshots eines Youtube Videos;
wobei die Beweismittel E3 und E4 von der Einsprechenden mit Schriftsatz vom 9. November 2022 vorgelegt wurden.
XIV. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beteiligten wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
Entscheidungsgründe
1. Überarbeitete Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) - Übergangsbestimmungen
Das Beschwerdeverfahren unterliegt der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, die am 1. Januar 2020 in Kraft trat (Artikel 24 und 25 (1) VOBK 2020), einschließlich Artikel 12 und 13 VOBK 2020, jedoch für die vor dem Inkrafttreten der neuen revidierten Fassung eingereichten Beschwerdebegründungen und fristgerecht eingereichten Erwiderungen mit der Ausnahme von Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020, anstelle dessen Artikel 12 (4) VOBK 2007 weiterhin anwendbar ist (Artikel 25 (2) VOBK 2020).
Beschwerde der Patentinhaberin
2. Unzulässige Erweiterung (Artikel 100 c) und 123 (2) EPÜ)
2.1 Die Patentinhaberin wendete sich unter anderem gegen die Feststellung in Punkt 19 der Entscheidungsgründe, dass im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag eine unerlaubte Änderung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ vorliege.
2.2 Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass die in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegebene Alternative, wonach die Steuerung derart eingestellt ist, dass das Reinigungsmittel von der Greifvorrichtung klemmgegriffen wird und das Regalbediengerät einem Gut zugeführt wird, nicht in den ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbart sei.
2.3 Die Patentinhaberin trug vor, dass die genannte Alternative zumindest implizit aus den ursprünglichen Unterlagen zu entnehmen sei. Die Fachperson erkenne und verstehe unmittelbar, dass das Reinigen des Lagers, insbesondere das Reinigen der Lagerplätze in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen an mehreren Stellen mit dem Reinigen der Güter gleichbehandelt werde. Die Patentinhaberin verwies diesbezüglich insbesondere auf Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Unterlagen, der eine "Reinigung des Lagers, der Güter und der Kommissioniervorrichtung" beanspruche und dem dazu entsprechenden Absatz [0008] der ursprünglichen Unterlagen (A1-Schrift). Es sei zudem in Absatz [0031] der A1-Schrift auch erwähnt, dass das Reinigungsmittel durch das Regalbediengerät aufgenommen und freien Lagerplätzen zugeführt werde, um diese zu reinigen. Auch wenn der Absatz [0031] der A1-Schrift das Reinigen eines freien Lagerplatzes betreffe, erscheine es angesichts der Lehre des Absatzes [0012] der A1-Schrift, dass die Reinigungsbewegungen mittels der Greifvorrichtung und damit mittels des Regalbediengeräts durchgeführt werden, widernatürlich, dass die Fachperson dem nicht auch entnehme, dass einem zu reinigenden Gut das von der Greifvorrichtung klemmgegriffene Reinigungsmittel mittels des Regalbediengeräts zugeführt werde.
2.4 Dieser Argumentation folgt die Kammer nicht und schließt sich der Feststellung in Punkt 19.2 der angefochtenen Entscheidung an.
Auch wenn die Fachperson, wie die Patentinhaberin in zutreffender Weise vortrug, bei der Ermittlung des Inhalts der ursprünglich eingereichten Unterlagen deren Gesamtheit heranzieht, bedarf es - ggf. auch unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens der Fachperson - einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung des entsprechenden Merkmals ("Goldstandard", vgl. G 3/89, G 11/91 und G 2/10).
Die Beteiligten waren sich einig, dass den ursprünglichen Unterlagen keine explizite Offenbarung der strittigen Merkmalsalternative zu entnehmen ist, insbesondere dazu, in welcher Art eine Reinigung der Güter erfolgt. Die ursprüngliche Beschreibung des in Bezug auf die Figuren 1 und 2 alleinigen Ausführungsbeispiels in den Absätzen [0029] bis [0032] der A1-Schrift bezieht sich jedenfalls nur auf ein Reinigen von Lagerplätzen.
Fraglich ist somit, ob die Merkmalsalternative, wonach die Steuereinrichtung derart eingestellt ist, dass das Reinigungsmittel von der Greifvorrichtung klemmgegriffen wird und das Regalbediengerät einem Gut zugeführt wird, in den ursprünglich eingereichten Unterlagen implizit offenbart ist.
Eine angebliche Offenbarung kann jedoch nur als implizit angesehen werden, wenn für die Fachperson sofort erkennbar ist, dass nichts anderes als das angebliche implizite Merkmal Teil des offenbarten Gegenstands war (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern [RdB], 10. Auflage 2022, Kapitel I.C.4.3).
Die Einspruchsabteilung stellte in Punkt 19.2 der Entscheidungsgründe zutreffend fest, dass die einzige Stelle der ursprünglichen Unterlagen, die ein Zuführen des Regalbediengeräts bzw. des Reinigungsmittels erwähnt, der erste Satz des Absatzes [0031] der A1-Schrift ist, der wie folgt lautet: "Zur Reinigung der Lagerplätze 4 wird das Reinigungsmittel 10 durch das Regalbediengerät 8 aufgenommen und freien Lagerplätzen 12 zugeführt, um diese zu reinigen".
Diese Passage steht jedoch nicht in einem notwendigen Zusammenhang mit einer Reinigung von Gütern, denn sie betrifft ein konkretes Ausführungsbeispiel, bei dem zur Reinigung die zu reinigenden Lagerplätze zunächst von Gütern geleert sind. Dass eine Fachperson die Steuerung der Vorrichtung ebenfalls in gleicher Weise so ausgestaltete, dass diese der Merkmalskombination der betroffenen Alternative des Anspruchs 1 entspräche, ergibt sich damit nicht unmittelbar und zweifelsfrei. Um einen Bezug zur Reinigung von Gütern herzustellen, bedarf es vielmehr weiterer Überlegungen der Fachperson, etwa in Form eines gedanklichen Transfers einer offenbarten Ausgestaltung zur Reinigung der Lagerplätze auf eine nicht beschriebene Ausgestaltung zur Reinigung der gelagerten und zudem wechselnden Güter. Ein solcher gedanklicher Transfer ist jedoch eine Frage des Naheliegens und nicht Gegenstand einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung.
Die Kammer gelangt folglich zu dem Schluss, dass zumindest das Merkmal, dass "das Regalbediengerät (8) [...] einem Gut (6) zugeführt wird", weder an sich noch in Kombination mit den anderen Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist.
2.5 Damit steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag) entgegen. Die entsprechende Feststellung der Einspruchsabteilung in Punkt 19 der Entscheidungsgründe ist nicht zu beanstanden.
3. Zulassung der Hilfsanträge 1 und 2
3.1 Im Rahmen ihrer Beschwerde legte die Patentinhaberin die Hilfsanträge 1 und 2 vor.
Diese beiden Hilfsanträge waren Bestandteil des Einspruchsverfahrens und wurden jeweils frühzeitig mit der Einspruchserwiderung vorgelegt. Hilfsantrag 1 wurde mit Schriftsatz vom 23. September 2015 eingereicht und Hilfsantrag 2 als "Neuer 3. Hilfsantrag" mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2016.
3.2 Hilfsantrag 1 wurde jedoch im Verlauf der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung von der Patentinhaberin ausdrücklich zurückgenommen und wurde damit nicht Teil der angefochtenen Entscheidung (siehe Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Blatt 4 sowie Punkt 15 der angefochtenen Entscheidung).
3.3 Anstelle des Hilfsantrags 1 legte die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung einen neuen Hilfsantrag vor, den jetzigen Hilfsantrag 3, der vorrangig zum Hilfsantrag 2 (damaligem "Neuer 3. Hilfsantrag") gestellt wurde und schließlich zur Aufrechterhaltung des Patents führte.
Es war der Patentinhaberin dabei offenkundig, dass bei Erfolg des Hilfsantrags 3 keine Entscheidung zu Hilfsantrag 2 ergehen würde, denn Hilfsantrag 2 stand im Einspruchsverfahren zuletzt unter der Bedingung, dass die Patentinhaberin mit Hilfsantrag 3 nicht durchdringt.
Diese Wahl der Reihenfolge der Hilfsanträge erfolgte bei der Antragstellung aus eigener Veranlassung im Rahmen der der Patentinhaberin zustehenden Verfahrensdisposition.
Die im Einspruchsverfahren gestellte Bedingung hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Hilfsantrags 3 ist nunmehr bei der Antragstellung im Beschwerdeverfahren durch die Änderung der Rangfolge der Hilfsanträge 2 und 3 weggefallen.
3.4 Insgesamt ergibt sich damit gegenüber den der Einspruchsabteilung zur Entscheidung gestellten materiellen Anträgen eine neue Antragslage, sodass eine Berücksichtigung der Hilfsanträge 1 und 2 im Beschwerdeverfahren in Anwendung des Artikels 12 (4) VOBK 2007 zu beurteilen ist.
Die Formulierung der materiellen Antragslage vor der Einspruchsabteilung erfolgte in Kenntnis der bereits mit den Einspruchsgründen formulierten Einwänden der Einsprechenden gegen das erteilte Patent, wobei die Einspruchsabteilung ferner bereits in der mündlichen Verhandlung zumindest kursorisch ihre Entscheidung erläuterte und die Patentinhaberin anschließend über eine Stunde verfügte, um die Antragslage zu überdenken und nach eigenem Willen einen neuen Hilfsantrag zu formulieren oder bestehende Anträge weiter aufrechtzuerhalten. Entgegen der von der Patentinhaberin geltend gemachten Rechtfertigung bestand kein Grund, mit einer Reaktion die Entscheidungsbegründung der Einspruchsabteilung abzuwarten.
Das galt umso mehr, als dass die Hilfsanträge 1 und 2 im Einspruchsverfahren bereits vorlagen. In Reaktion auf die Feststellungen der Einspruchsabteilung zum Hauptantrag und den dazu bereits in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung gegebenen Erläuterungen des Vorsitzenden der Einspruchsabteilung nahm die Patentinhaberin jedoch Hilfsantrag 1 zurück und stellte mit Hilfsantrag 3 einen neuen vorrangigen Antrag, der inhaltlich auf die beiden Hilfsanträge 1 und 2 durch eine Kombination der jeweiligen Einschränkungen aufbaut.
Nachdem das Beschwerdeverfahren in erster Linie dem Recht der Beteiligten auf Überprüfung der Entscheidung der ersten Instanz dient, ist der faktische und rechtliche Rahmen des Einspruchsverfahrens im Wesentlichen für das Beschwerdeverfahren bestimmend (vgl. RdB, supra, Kapitel V.A.5.2.1). Demzufolge obliegt es den Beteiligten, ihre Anträge so früh und vollständig zu stellen, dass nach Möglichkeit eine erstinstanzliche Entscheidung hierüber ergehen kann und somit eine erstmalige Behandlung neuer Anträge im Beschwerdeverfahren vermieden wird. Die Patentinhaberin war vorliegend im Einspruchsverfahren objektiv gesehen nicht daran gehindert, die Hilfsanträge 1 und 2 im Einspruchsverfahren weiterhin prozessual wirksam aufrechtzuerhalten bzw. vorzubringen und vorrangig zu Hilfsantrag 3 zu stellen. Wäre ihr an einer vorrangigen Behandlung der Hilfsanträge 1 und 2 gelegen gewesen, hätte sie ihre Anträge entsprechend weiter vorrangig zu Hilfsantrag 3 aufrechterhalten bzw. zu einer von der Einspruchsabteilung zu treffenden Entscheidung vorbringen können und müssen, die dann einer Überprüfung im Beschwerdeverfahren unterlegen hätte.
Die Kammer sieht keine Rechtfertigung dafür, dass die Hilfsanträge 1 und 2 nunmehr im Beschwerdeverfahren vorrangig zu Hilfsantrag 3 zu behandeln sind.
3.5 Hilfsanträge 1 und 2 werden folglich von der Kammer unter Ausübung ihres Ermessens aus Artikel 12 (4) VOBK 2007 nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen und bleiben unberücksichtigt.
Beschwerde der Einsprechenden
4. Klarheit des Anspruchs 1 des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung (Hilfsantrag 3)
4.1 Die Einsprechende wendete sich gegen die Feststellung in Punkt 27 der angefochtenen Entscheidung, dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 dem Erfordernis des Artikels 84 EPÜ genüge.
Die für die Erörterung dieses Einwands relevanten Merkmale g) bis l) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 lauten:
g) wobei die Aufnahmevorrichtung als Greifvorrichtung zum Klemmgreifen der Güter ausgebildet ist und
h) wobei die Steuerung zur automatisierten Reinigung der Vorrichtung eingestellt ist, wobei
i) das Reinigungsmittel von der Greifvorrichtung klemmgegriffen wird,
j) das Regalbediengerät einem Bereich der Vorrichtung zugeführt wird, um den Bereich der Vorrichtung zu reinigen,
k) und die Reinigungsbewegungen von der Greifvorrichtung durchgeführt werden,
l) wobei beim Durchführen der Reinigungsbewegungen das Reinigungsmittel mittels der Greifvorrichtung fixiert wird.
Die Einsprechende trug vor, dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 durch das Hinzufügen des Merkmals l) unklar sei, denn es seien zwei unterschiedliche Auslegungen des Anspruchs denkbar.
Nach einer ersten Auslegung (Auslegung A) sei die Steuerung zur automatisierten Reinigung der Vorrichtung so ausgestaltet (Merkmal h), dass zuerst das Reinigungsmittel von der Greifvorrichtung klemmgegriffen werde (Merkmal i), dann das Regalbediengerät mit dem klemmgegriffenen Reinigungsmittel dem zu reinigenden Bereich zugeführt werde (Merkmal j) und dann die Reinigungsbewegungen von der Greifvorrichtung mit dem klemmgegriffenen Reinigungsmittel durchgeführt würden (Merkmal k), wobei das Reinigungsmittel durch dieses Klemmgreifen fixiert sei (Merkmal l). In dieser Auslegung verdeutliche Merkmal l) lediglich eine sich implizit bereits aus der Abfolge der Merkmale i) bis k) ergebende Funktion des Fixierens.
Nach einer zweiten Auslegung (Auslegung B) sei die Steuerung zur automatisierten Reinigung der Vorrichtung so ausgestaltet (Merkmal h), dass das Reinigungsmittel von der Greifvorrichtung klemmgegriffen (Merkmal i) und das Regalbediengerät mit seiner Greifvorrichtung dem zu reinigenden Bereich zugeführt werde (Merkmal j). Das Klemmgreifen erfolge hier vor und während des Zuführens zu dem zu reinigenden Bereich. Dort brauche das Reinigungsmittel nicht mehr klemmgegriffen zu bleiben, könne also losgelassen, beispielsweise abgelegt werden. Dann würden (später) die Reinigungsbewegungen von der Greifvorrichtung durchgeführt (Merkmal k), wobei das Reinigungsmittel dabei durch die Greifvorrichtung fixiert werde (Merkmal l). Bei dieser Auslegung könne das Fixieren wiederum durch Klemmgreifen erfolgen, müsse aber nicht. Auch könne das Klemmgreifen durchgehend vom Zeitpunkt vor dem Zuführen zu dem zu reinigenden Bereich bis zum Ende der Reinigungsbewegungen erfolgen, ohne loszulassen. Aber auch dies sei nicht zwingend erforderlich, sondern nur eine von mehreren Möglichkeiten, die der so ausgelegte Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 umfasse.
4.2 Die Kammer teilt die Meinung der Einsprechenden, dass für den Fachmann aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 eine Reihenfolge von Schritten zu entnehmen ist. Sie kann sich allerdings nicht der Einsprechenden anschließen, dass zwei unterschiedliche Auslegungen des Anspruchs 1 möglich sind, und ist vielmehr der Auffassung, dass die Fachperson aus dem Wortlaut des Anspruchs 1 eindeutig versteht, dass Schritt l) nur eine weitere Präzisierung der Ablauf der automatisierten Reinigung ist, sodass der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 nicht im Sinne der Auslegung B verstanden werden kann.
Die Kammer schließt sich dabei der Meinung der Einsprechenden an, dass die Begriffe "Fixieren" und "Klemmgreifen" ohne weiteren Kontext nicht als Synonyme zu verstehen sind. Vielmehr ist "Fixieren" ein allgemeinerer Begriff als ein konkretes Festhalten durch ein "Klemmgreifen", d.h. es existieren Möglichkeiten, bei denen das Reinigungsmittel fixiert, nicht aber klemmgegriffen ist.
Für eine zutreffende Auslegung von Anspruchsmerkmalen muss jedoch gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern stets deren technischer Wortsinn im technischen Gesamtzusammenhang aller Merkmale aus Sicht der Fachperson maßgeblich sein und nicht eine rein linguistische Analyse des Wortlaufs einzelner Begriffe (vgl. RdB, supra, II.A.6.1, insbesondere mit Bezug zu T 1354/18). Für eine Auslegung heranzuziehen sind zudem grundsätzlich lediglich das Patent mit seinen Ansprüchen und der Beschreibung sowie das Verständnis der Fachperson auf dem jeweiligen technischen Gebiet, wie es sich etwa aus dem allgemeinen Fachwissen ergibt. Entsprechend sind auch die Beweismittel E3 und E4, mit denen die Einsprechende darzulegen suchte, dass die Patentinhaberin selber ein gewisses Verständnis von dem Begriff "Klemmgreifen" in Bezug auf den Begriff "Fixieren" habe, für das vorliegende Verfahren nicht relevant, sodass über eine Zulassung derselben nicht zu entscheiden war.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 weist der Greifvorrichtung, mittels der das Reinigungsmittel einem Bereich der Vorrichtung zugeführt wird, und mittels der die Reinigungsbewegungen ausgeführt werden, eine einzige technische Funktion in Bezug auf die Bewegung von Gütern oder dem Reinigungsmittel zu, nämlich dass diese dazu von der Greifvorrichtung zum Bewegen der Güter und der Reinigungsmittel klemmgegriffen werden. Die Möglichkeit, das Reinigungsmittel auf eine andere Art festzuhalten oder an das Greifmittel zu befestigen, ist hingegen weder dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 noch der übrigen Patentschrift zu entnehmen oder dort angedeutet. Die Fachperson wird angesichts des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 somit zu dem Ergebnis gelangen, dass sich das Fixieren des Reinigungsmittels, das als Begriff allein in einem konkreten Zusammenhang bei Durchführung der Reinigungsbewegung verwendet wird, darauf bezieht, dass das Reinigungsmittel von der Greifvorrichtung weiter festgeklemmt wird und dadurch fixiert bleibt. Andere ihr aus dem Fachwissen bekannte technische Möglichkeiten des Fixierens bleiben hingegen für die Fachperson, auch vor dem Hintergrund der übrigen Merkmalskombination, der gesamten technischen Lehre des Patents und vor dem Hintergrund ihres Fachwissens bestenfalls spekulativ und werden nicht als Teil der beanspruchten Lehre erfasst. Der Fachperson ist somit deutlich, dass das Merkmal des Fixierens während der Reinigungsbewegung bedeutet, dass das Reinigungsmittel weiterhin klemmgegriffen bleibt.
Die Kammer schließt sich daher im Ergebnis der Feststellung in Punkt 27.1 der Entscheidungsgründe an, dass aus dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 klar wird, dass die beanspruchte Fixierung durch Klemmgreifen zustande kommt, was auch durch Absatz [0015] der Patentschrift bestätigt wird.
4.3 Im Ergebnis fällt die Auslegung B nicht unter den Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3.
4.4 Somit überzeugt der Einwand der Einsprechenden aus Artikel 84 EPÜ nicht, denn er beruht wesentlich darauf, dass es die beiden möglichen Auslegungen A und B des Anspruchs gäbe.
4.5 Die Einspruchsabteilung hat folglich in zutreffender Weise festgestellt, dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ genügt.
5. Erweiterung des Schutzbereichs des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung (Artikel 123 (3) EPÜ)
5.1 Die Einsprechende trug zusätzlich vor, dass aufgrund der denkbaren Auslegung B des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 das Hinzufügen des Merkmals l) zu einer gegen Artikel 123 (3) EPÜ verstoßenden Schutzbereichserweiterung führe.
5.2 Diese Argumentation kann angesichts der oben dargelegten Schlussfolgerung der Kammer zur Auslegung des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 in Punkt 4.3 oben gleichfalls nicht überzeugen.
5.3 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 genügt vielmehr den Erfordernissen des Artikels 123 (3) EPÜ.
6. Zulassung der Einwände nach Artikel 123 (2) und 83 EPÜ
6.1 Die Einsprechende erhob erstmals mit ihrer Beschwerdebegründung einen begründeten Einwand mangelnder Ausführbarkeit der Erfindung gemäß der aufrechterhaltenen Fassung, d.h. dem Hilfsantrag 3, aus Artikel 83 EPÜ und einen begründeten Einwand unzulässiger Änderungen gegen Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 aus Artikel 123 (2) EPÜ.
6.2 Der Einwand aus Artikel 83 EPÜ wurde im Einspruchsverfahren nicht zu Hilfsantrag 3 vorgebracht. Der Einwand aus Artikel 123 (2) EPÜ wurde im Einspruchsverfahren zu Hilfsantrag 3 nur insoweit vorgebracht, als dass die Einsprechende argumentierte, dass der jetzige Hilfsantrag 3 "prima facie nicht den Erfordernissen der Artikel 123 (2) EPÜ und (3), sowie [Artikel] 84 EPÜ entspreche" (vgl. Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Blatt 4, letzter Satz). Damit war nicht klar, auf welcher Grundlage der Einwand aus Artikel 123 (2) EPÜ gegenüber Hilfsantrag 3 beruhen sollte.
6.3 Die nunmehr erhobenen Einwände aus den Artikeln 83 und 123 (2) EPÜ entsprechen jedoch im Wesenskern der ihnen zugrundeliegenden Argumentation nach den Einwänden aus Artikeln 100 b) und 100 c) EPÜ gegenüber dem erteilten Patent. Diese letzteren Einwände wurden in den Punkten 16 bis 18 sowie 22 und 23 der Entscheidungsgründe behandelt.
6.4 Die Kammer erkennt an, dass die Einsprechende sich in der mündlichen Verhandlung nach Abschluss der zum damaligen Hauptantrag abschließend erfolgten Diskussion zu diesen Aspekten nicht erneut mit den in wesentlichen gleichen Argumenten gegen einen erstmalig in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag 3 wenden musste. Aufgrund der Zurückweisung des Hauptantrags auf Grundlage eines anderen Einspruchsgrunds konnte sie sich gegen die für sie im Ergebnis jeweils nachteiligen Feststellungen der Einspruchsabteilung vernünftigerweise erst mit ihrer Beschwerde gegen die Aufrechterhaltung des Patents, also gegen Hilfsantrag 3, wenden.
6.5 Die Kammer übt daher das ihr nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 gegebene Ermessen dahin aus, die Einwände nach Artikel 123 (2) und 83 EPÜ gegen Hilfsantrag 3 ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.
7. Änderungen des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung (Artikel 123 (2) EPÜ)
7.1 Ihren Einwand aus Artikel 123 (2) EPÜ gegen Anspruch 1 des Hilfsantrag 3 gründete die Einsprechende auf drei Argumentationslinien.
7.1.1 Erstens sei den ursprünglich eingereichten Unterlagen das Merkmal, dass die Steuerung zur automatisierten Reinigung der Vorrichtung eingestellt sei, wobei das Reinigungsmittel von der Greifvorrichtung klemmgegriffen werde, auch nicht unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.
Diese Argumentationsline beruht im Wesentlichen darauf, dass zwischen den Begriffen "Fixieren" und "Klemmgreifen" zu unterscheiden sei. Die ursprünglichen Unterlagen zeigten kein Klemmgreifen der Reinigungsmittel, sondern lediglich ein Fixieren derselben mittels der Greifvorrichtung. Damit ergebe sich aus den ursprünglichen Unterlagen lediglich, dass die Reinigungsmittel mittels der Greifvorrichtung fixiert werden (können), um von der Greifvorrichtung die Reinigungsbewegung durchzuführen.
Die Kammer folgt dieser Argumentation bereits deshalb nicht, weil sie, wie oben in Punkt 4.2 dargelegt zu der Überzeugung gelangte, dass der Begriff "Fixieren" im Kontext des Streitpatents von der Fachperson als ein fortgesetztes "Klemmgreifen" verstanden wird, was auch bereits auf die ursprünglich eingereichten Unterlagen zutrifft. Insbesondere in Absatz 12, letzter Satz, der veröffentlichen Anmeldung wird klargestellt, dass "die Reinigungsmittel mittels dieser [Aufnahmevorrichtung] zu fixieren und von dieser [Aufnahmevorrichtung] die Reinigungsbewegungen durchführen zu lassen", wobei im ersten Satz des selben Absatzes die Aufnahmevorrichtung als Greifvorrichtung zum Klemmgreifen angesprochen wird. Damit ist das Merkmal, dass das Reinigungsmittel von der Greifvorrichtung klemmgegriffen wird, ursprünglich offenbart.
7.1.2 Der zweite Einwand der Einsprechenden aus Artikel 123 (2) EPÜ, dass die Merkmalskombination i), k) und l) aus Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3, dass das Reinigungsmittel beim Ausführen der Reinigungsbewegungen mittels der Greifvorrichtung durch Klemmgreifen fixiert ist, schließt unmittelbar an den oben diskutierten Einwand zum Klemmgreifen des Reinigungsmittels an, wie es auch die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer einräumte.
Auch dieser Einwand beruht im Ergebnis auf der Frage, wie die Fachperson die Begriffe "Fixieren" und "Klemmgreifen" aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen versteht. Er kann aus den in den Punkten 4.2 und 7.1.1 angegebenen Gründen nicht überzeugen.
7.1.3 Gemäß dem dritten Einwand aus Artikel 123 (2) EPÜ offenbarten die ursprünglich eingereichten Unterlagen keine Vorrichtung zum Ein- und Auslagern von Gütern, bei der das Regalbediengerät einem Bereich der Vorrichtung zugeführt werde, um den Bereich der Vorrichtung zu reinigen. Der Begriff "Bereich der Vorrichtung" sei nicht explizit ursprünglich offenbart, vielmehr sei lediglich angegeben, dass ein freigeräumter Fachboden oder frei Lagerplätze gereinigt werden. Die Fachperson könne der Anmeldung keinen Hinweis entnehmen, dass zur Reinigung das Regalbediengerät einem beliebigen Bereich der Vorrichtung, der nicht notwendigerweise ein Bereich eines Regalbodens sein müsse, zugeführt werden sollte, um ihn zu reinigen.
Die Kammer schließt sich hingegen den Feststellungen der Einspruchsabteilung in Punkt 22 der Entscheidungsgründe an und folgt diesen uneingeschränkt. Die ursprünglich eingereichten Unterlagen offenbaren ausdrücklich, unter anderem im ursprünglichen Anspruch 1, eine Reinigung der gesamten Vorrichtung und nicht nur im Bereich eines Regalbodens. Dies ergibt sich auch aus Absatz [0008] der A1-Schrift, in dem neben der Reinigung der Vorrichtung auch die Reinigung des Regals, also eines Teils bzw. eines Bereichs der Vorrichtung offenbart ist. Die Patentinhaberin verwies zudem in ihrer Beschwerdeerwiderung auf die Offenbarung des Absatzes [0009] der A1-Schrift, die ausdrücklich eine Reinigung der Güter des Lagers und Lagervorrichtung, also nicht ausschließlich der Regalböden, wiedergibt.
7.2 Im Ergebnis überzeugt damit keiner der drei von der Einsprechenden erhobenen Einwände die Kammer von einer Unrichtigkeit der zu Artikel 123 (2) EPÜ getroffenen Feststellungen der Einspruchsabteilung. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 genügt vielmehr den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ.
8. Ausführbarkeit der Erfindung des Patents in der aufrechterhaltenen Fassung (Artikel 83 EPÜ)
8.1 Die Einsprechende stützte ihren Einwand aus Artikel 83 EPÜ im Ergebnis darauf, dass die Fachperson dem Streitpatent keine Lehre zu entnehmen könne, wie die Reinigungsbewegung durchzuführen sei, wenn das Reinigungsmittel durch die Greifvorrichtung nur fixiert, aber nicht klemmgegriffen sei. Darüber hinaus sei dem Patent nicht zu entnehmen, welche Reinigungsbewegungen von der Greifvorrichtung zu dem Zweck einer Reinigung der Regalböden auszuführen sind.
8.2 Dieser Einwand kann aus zwei Gründen nicht überzeugen.
8.2.1 Zunächst trägt gemäß der gefestigten Rechtsprechung die Einsprechende die Beweislast dafür, dass die Fachperson nicht in der Lage ist, die in einem aufrechterhaltenen Patent beanspruchte Erfindung ausführen zu können (vgl. RdB, supra, II.C.9.1, erster Absatz).
Die Einsprechende begründete ihren Einwand jedoch lediglich damit, dass im Streitpatent an keiner Stelle offenbart sei, auf welche Weise die Reinigungsmittel zu fixieren seien, um eine bestimmte Reinigungsbewegung der Greifvorrichtung auf das fixierte Reinigungsmittel zu übertragen.
Die Kammer erkennt hingegen nicht - auch angesichts fehlenden Tatsachenvorbringens oder Beweismittel -weshalb die Fachperson angesichts ihres Fachwissens allein aufgrund angeblich nicht vorhandener Ausführungsbeispiele die Erfindung nicht ausführen können. Der Einwand bleibt vielmehr eine pauschale, nicht durch Tatsachen gestützte Behauptung.
8.2.2 Die oben in Punkt 4.2 angegebene Auslegung der Begriffe "Fixieren" und "Klemmgreifen" lässt zudem keinen Raum für den Einwand der Einsprechenden, da die Fachperson nach Verständnis der Kammer dem Patent gerade zweifelsfrei entnimmt, dass das Reinigungsmittel während der Reinigungsbewegungen durch Klemmgreifen fixiert wird.
8.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 genügt somit den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ.
9. Erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß aufrechterhaltener Fassung (Artikel 56 EPÜ)
9.1 Dokument D2 allein und mit dem allgemeinen Fachwissen
9.1.1 Die Einsprechende trug vor, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 gegenüber Dokument D2 allein bzw. Dokument D2 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und wendete sich damit gegen die gegenteiligen Feststellungen in Punkt 30 der Entscheidungsgründe.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheide sich von der Lehre des Dokuments D2 dadurch, dass die Greifvorrichtung dazu benutzt werde, das Reinigungsmittel durch Einklemmen zu ergreifen.
Ausgehend von diesem Unterscheidungsmerkmal sah die Einsprechende, indem sie den letzten Satz der Zusammenfassung des Dokuments D2 aufgriff, die objektive technische Aufgabe darin, die Vorrichtung wirtschaftlicher zu gestalten, indem für eine automatisierte Reinigung die bei der bekannten Vorrichtung vorhandenen Bestandteile so weitgehend wie möglich genutzt werden.
9.1.2 Bereits die gleichlautende Aufgabenstellung lege es der Fachperson nahe, die in Dokument D2 bekannte Greifvorrichtung zu nutzen, um die Reinigungsmittel zu ergreifen und nicht gesondert an der Greifvorrichtung zu befestigen.
9.1.3 Die Kammer schließt sich dieser Argumentation nicht an.
Die von der Einsprechenden formulierte objektive Aufgabe gibt an, dass zu einer wirtschaftlicheren Gestaltung der Vorrichtung bestimmte Maßnahmen getroffen werden, nämlich die Nutzung bereits vorhandener Bestandteile.
Die Patentinhaberin rügte, dass durch die gewählte Formulierung bereits ein Gedanke der Lösung in der Aufgabe vorgegeben sei. Sie trug vor, dass die objektiv technische Aufgabe angesichts der Unterscheidungsmerkmale zwischen dem Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 und der Lehre des Dokuments D2 allgemeiner darin zu sehen sei, die Vorrichtung wirtschaftlicher zu gestalten, wie es die Einspruchsabteilung in Punkt 30.2 der Entscheidungsgründe feststellte.
Es kommt im Ergebnis auf die Unterschiede in den beiden vorgebrachten Formulierungen der objektiven technischen Aufgabe durch die Beteiligten nicht an, denn selbst für den Fall, dass man die von der Einsprechenden formulierte objektive technische Aufgabe bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zugrunde läge, schließt sich die Kammer jedenfalls der Feststellung in Punkt 30.3 der Entscheidungsgründe an. Das Dokument D2 offenbart zwar auf unabhängige Weise sowohl eine Greifvorrichtung und ein Reinigungsmittel. Es fehlt jedoch jeglicher Hinweis darauf, dass das Reinigungsmittel von der Greifvorrichtung klemmgegriffen wird. Vielmehr findet sich bereits eine Lösung, indem das Reinigungsmittel auf andere Weise, nämlich durch möglicherweise lösbare Montage an der Greifvorrichtung befestigt ist. Im Ergebnis führt die Lehre von Dokument D2 die Fachperson auch unter Berücksichtigung ihres Fachwissens somit vom Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 weg.
In Bezug auf das Fachwissen berief sich die Einsprechende in ihrem Schriftsatz vom 7. November 2022 auf die Dokumente D11, D5 und D1, d.h. nach der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020. Ungeachtet dass die Einsprechende keine stichhaltigen Gründe dargelegt hat, die das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK 2020 rechtfertigen würden, um eine Erörterung dieser Dokumente im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit zuzulassen, stellen diese Dokumente kein allgemeines Fachwissen dar, da es sich bei allen um Patentschriften und nicht um einschlägige Fachliteratur handelt. Das Vorbringen der Einsprechenden ist daher bereits aus diesem Grund nicht überzeugend.
9.1.4 Die Kammer folgt daher der Feststellung der Einspruchsabteilung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 gegenüber der Lehre des Dokuments D2 allein oder in Zusammenschau mit dem allgemeinen Fachwissen auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
9.2 Dokument D2 und Dokument D1
Die Einsprechende trug weiter vor, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 wegen der Kombination der Lehren der Dokumente D2 und D1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
9.2.1 Diese Argumentationslinie wurde im Einspruchsverfahren nicht vorgebracht und war entsprechend auch nicht Teil der angefochtenen Entscheidung. Die Einsprechende rechtfertigte die erstmalige Vorlage des Einwands mit der angeblich überraschenden und neuen Auslegung der Merkmale von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 in der angefochtenen Entscheidung.
Ungeachtet der Zweifel der Kammer an einer Zulässigkeit dieses Einwands angesichts des Artikels 12 (4) VOBK 2007, weil die betroffenen Merkmale und die Frage deren Auslegung sowie die Lehren der Dokumente D2 und D1 von Beginn an Teil des Einspruchsverfahrens waren, ist dieser jedenfalls nicht begründet. Damit erübrigt sich aus Sicht der Kammer eine Entscheidung über eine Zulassung.
9.2.2 Die Einsprechende trug vor, dass aus der Lehre des Dokuments D1 eine separate Reinigungsvorrichtung bekannt sei, die von einer Handhabungsvorrichtung des Regalbediengeräts ergriffen und bewegt werde. Daraus entnehme die Fachperson die Anregung, eine Reinigungseinheit durch dieselbe Handhabungsvorrichtung und auf dieselbe Weise wie die gelagerten Güter zu handhaben. Dies löse ersichtlich die Aufgabe, vorhandene Bestandteile, wie insbesondere die in Dokument D2 vorhandene Handhabungsvorrichtung, d.h. die Greifvorrichtung, so weitgehend wie möglich auszunutzen. Somit gelange die Fachperson zu einer Vorrichtung, bei der das Reinigungsmittel wie die Güter klemmgegriffen werde.
9.2.3 Die Kammer ist von dieser Argumentation nicht überzeugt.
Die Patentinhaberin wendete in ihrer Beschwerdeerwiderung zurecht ein, dass in Dokument D1 eine Lehre wiedergegeben wird, wonach eine Reinigungsvorrichtung mittels der Handhabungsvorrichtung in einen einzelnen Lagerplatz abgesetzt wird, um dort die Reinigung selbsttätig durchführen zu lassen. Die Handhabungsvorrichtung ist neben dem Zuführen der Reinigungsvorrichtung an der Reinigung, insbesondere am Ausführen von Reinigungsbewegungen, nicht beteiligt. Gerade deshalb kann die Reinigungsvorrichtung aber in der Lehre des Dokuments D1 wie ein gelagertes Gut behandelt werden. Dies unterscheidet sich grundsätzlich von der Lehre des Dokuments D2, gemäß deren Lehre die Greifvorrichtung an der Reinigung der Lagerplätze beteiligt ist, indem an ihr ein Reinigungsmittel montiert ist.
Auf Grundlage dieser Überlegungen gelangt die Kammer zu der Überzeugung, dass eine Fachperson bei einer Weiterentwicklung der aus Dokument D2 bekannten Vorrichtung, insbesondere in Hinblick auf die Reinigung von Lagerplätzen, die Lehre des Dokuments D1 nicht in Betracht gezogen hätte.
9.2.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 beruht damit auch ausgehend von Dokument D2 in Zusammenschau mit der Lehre von D1 auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
10. Weitere Anträge, Einwände oder Anmerkungen zur angefochtenen Entscheidung und zum Beschwerdeverfahren wurden von den Beteiligten nicht vorgebracht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.