T 2039/17 () of 29.6.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T203917.20200629
Datum der Entscheidung: 29 Juni 2020
Aktenzeichen: T 2039/17
Anmeldenummer: 13173479.0
IPC-Klasse: E04G27/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 426 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Modulartig aufgebauter Treppengerüstturm und Treppengerüstmodul
Name des Anmelders: Wilhelm Layher Verwaltungs-GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56 (2007)
RPBA2020 Art 013 (2020)
Schlagwörter: Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 13173479.0 (im Folgenden: Anmeldung) betrifft einen modulartig aufgebauten Treppengerüstturm bzw. ein zum Aufbau eines Treppengerüstturms in modulartiger Bauweise ausgebildetes Treppengerüstmodul.

II. Die Prüfungsabteilung hat die Anmeldung wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen. Die Entscheidung erging ohne mündliche Verhandlung nach Aktenlage durch Verweis auf den früheren Bescheid vom 19. Januar 2017.

III. Die Anmelderin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat gegen diese Zurückweisungsentscheidung Beschwerde eingelegt.

IV. Die Beschwerdeführerin beantragte mit ihrer Beschwerdebegründung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der mit Schreiben vom 9. Mai 2016 eingereichten Ansprüche zu erteilen. Außerdem beantragte die Beschwerdeführerin hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

V. Die Beschwerdeführerin wurde zu einer mündlichen Verhandlung am 30. April 2020 geladen.

VI. In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2007) vom 26. Juli 2019 hat die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mitgeteilt. Insbesondere hat die Kammer ihre vorläufige Meinung kundgetan, dass der Gegenstand von Anspruch 1 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht und dass Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt, weil er nicht alle wesentlichen Merkmale der Erfindung wiedergibt (Artikel 84 Satz 1 in Verbindung mit Regel 43 (1) und (3) EPÜ) und von der Beschreibung unzureichend gestützt ist (Artikel 84 Satz 2 EPÜ).

VII. In Erwiderung auf diese Mitteilung hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2019 einen neuen Hauptantrag und einen Hilfsantrag eingereicht und ausgeführt, dass und warum der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag sowie gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

VIII. Aufgrund der Vorsichtsmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) wurde die anberaumte mündliche Verhandlung aufgehoben und auf einen noch zu bestimmenden späteren Termin verlegt.

IX. In einer telefonischen Rücksprache am 3. Juni 2020 hat der Berichterstatter der Kammer der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass die mündliche Verhandlung kurzfristig auf den 22. Juni 2020 verlegt wird. Die Beschwerdeführerin hat ihr Einverständnis damit erklärt. Zudem hat der Berichterstatter die vorläufige Meinung der Kammer bezüglich des neuen Hauptantrags und des Hilfsantrags mitgeteilt und die Zurückweisung der Beschwerde in Aussicht gestellt, allerdings im Weiteren verfahrensleitend darauf hingewiesen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag als neu und erfinderisch angesehen werden könnte, sofern im Anspruch klargestellt wäre, dass die dort definierten Vertikalstielanbindungsorgane als Lochscheiben ausgebildet sind.

X. Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2020 hat die Beschwerdeführerin einen neuen Hilfsantrag mit angepasster Beschreibung eingereicht. Außerdem hat sie erklärt, dass eine mündliche Verhandlung nur für den Fall beantragt werde, dass dem neuen Hilfsantrag im schriftlichen Verfahren nicht stattgegeben werden könne.

XI. Anspruchssätze

a) Hauptantrag

Anspruch 1 lautet folgendermaßen (die Änderung am ursprünglichen Anspruch 6 sind wie folgt kenntlich gemacht: Gestrichene Passagen erscheinen im Text als durchgestrichen und neue Passagen erscheinen im Fettdruck; die Nummerierung der Merkmale wurde durch die Kammer hinzugefügt):

a) Treppengerüstmodul[deleted: , insbesondere] für einen

modulartig aufgebauten Treppengerüstturm

[deleted: nach einem der vorhergehenden Ansprüche],

umfassend:

b) - in jedem Moduleckbereich (24, 26, 28, 30) des

mit viereckiger Umfangskontur ausgebildeten

Treppengerüstmoduls (M1 , M2 , M3) einen

Vertikalstiel (32, 34, 36, 38) mit einem oberen

Stielendbereich (44) und einem unteren

Stielendbereich (46),

c) - in den oberen Stielendbereichen (44) der

Vertikalstiele (32, 34, 36, 38), eine obere Gruppe

(Go) von damit verbundenen Horizontalriegeln (60,

62, 64, 66),

d) - in den unteren Stielendbereichen (46) der

Vertikalstiele (32, 34, 36, 38), eine untere

Gruppe (Gu) von damit verbundenen

Horizontalriegeln (52, 54, 56, 58),

e) - eine Treppeneinheit (16) mit einem oberen

Treppeneinheitendbereich (20) und einem unteren

Treppeneinheitendbereich (22), wobei der obere

Treppeneinheitendbereich (20) mit einem

Horizontalriegel (62) der oberen Gruppe (Go) von

Horizontalriegeln (60, 62, 64, 66) lösbar

verbunden ist und der untere

Treppeneinheitsendbereich (22) mit einem

Horizontalriegel (58) der unteren Gruppe (Gu) von

Horizontalriegeln (52, 54, 56, 58) lösbar

verbunden ist,

f) wobei die obere Gruppe (Go) von Horizontalriegeln

(60, 62, 64, 66) an einer Seite der viereckigen

Umfangskontur einen Horizontalriegel (62) zur

lösbaren Verbindung mit dem oberen

Treppeneinheitendbereich (20) umfasst und die

untere Gruppe (Gu) von Horizontalriegeln (52, 54,

56, 58) an einer der einen Seite der viereckigen

Umfangskontur gegenüberliegenden anderen Seite der

viereckigen Umfangskontur einen Horizontalriegel

(58) zur lösbaren Verbindung mit dem unteren

Treppeneinheitendbereich (20) umfasst,

dadurch gekennzeichnet,g) dass die obere Gruppe (Go) von Horizontalriegeln (60, 62, 64, 66) in Zuordnung zu allen Seiten der viereckigen Umfangskontur jeweils einen mit zwei der in den vier Moduleckbereichen (24, 26, 28, 30) vorgesehenen Vertikalstiele (32, 34, 36, 38) lösbar verbundenen Horizontalriegel (60, 62, 64, 66) umfasst,h) dass die untere Gruppe (Gu) von Horizontalriegeln (52, 54, 56, 58) in Zuordnung zu allen Seiten der viereckigen Umfangskontur jeweils einen mit zwei der in den vier Moduleckbereichen (24, 26, 28, 30) vorgesehenen Vertikalstiele (32, 34, 36, 38) lösbar verbundenen Horizontalriegel (52, 54, 56, 58) umfasst,i) [deleted: wobei] dass an den oberen Stielendbereichen (44) [deleted: und den unteren Stielendbereichen (46)] der Vertikalstiele (32, 34, 36, 38) Vertikalstielanbindungsorgane (40) vorgesehen sind zur lösbaren Verbindung mit den Horizontalriegeln (60, 62, 64, 66) der oberen Gruppe (Go) von Horizontalriegeln (60, 62, 64, 66) [deleted: und den] [deleted: Horizontalriegeln (52, 54, 56, 58) der unteren] [deleted: Gruppe (Gu) von Horizontalriegeln (52, 54, 56, 58)] und an den unteren Stielendbereichen (46) der Vertikalstiele (32, 34, 36, 38) Vertikalstielanbindungsorgane (40) vorgesehen sind zur lösbaren Verbindung mit den Horizontalriegeln (52, 54, 56, 58) der unteren Gruppe (Gu) von Horizontalriegeln (52, 54, 56, 58),j) bei die an den oberen Stielendbereichen (44) der Vertikalstiele (32, 34, 36, 38) vorgesehenen Vertikalstielanbindungsorgane (40) zu einem jeweiligen oberen Vertikalstielende (50) einen ersten Abstand (A1) aufweisen und die an den unteren Stielendbereichen (48) der Vertikalstiele (32, 34, 36, 38) vorgesehenen Vertikalstielanbindungsorgane (40) zu einem jeweiligen unteren Vertikalstielende (48) einen zweiten Abstand (A2) aufweisen undk) alle Horizontalriegel (60, 62, 64, 66) der oberen Gruppe (Go) von Horizontalriegeln (60, 62, 64, 66) mit den Vertikalstielen (32, 34, 36, 38) in der gleichen Höhenposition lösbar verbunden sind und alle Horizontalriegel (52, 54, 56, 58) der unteren Gruppe (Gu) von Horizontalriegeln (52, 54, 56, 58) mit den Vertikalstielen (32, 34,36, 38) in der gleichen Höhenposition lösbar verbunden sind.

Anspruch 9 ist auf einen modulartig aufgebauten Treppengerüstturm gerichtet, umfassend eine Mehrzahl übereinander angeordneter und voneinander lösbarer Treppengerüstmodule nach Anspruch 1.

b) Hilfsantrag

Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag darin, dass in Merkmal i) die Beschränkung aufgenommen wurde, dass die an den oberen und unteren Stielendbereichen der Vertikalstiele vorgesehenen Vertikalstielanbindungsorgane "in Form von Lochscheiben (42)" sind.

Außerdem verlangt Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag im Unterschied zu Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zusätzlich,

l) dass in Zuordnung zu wenigstens zwei unmittelbar

benachbarten Vertikalstielen (32, 34, 36, 38) ein

an die daran zur Verbindung mit den Horizontal-

riegeln (60, 62, 64, 66) der oberen Gruppe (Go) von

Horizontalriegeln (60, 62, 64, 66) und den

Horizontalriegeln (52, 54, 56, 58) der unteren

Gruppe (Gu) von Horizontalriegeln (52, 54, 56, 58)

vorgesehenen Vertikalstielanbindungsorgane (40)

angebundener und dadurch mit diesen lösbar

verbundener Diagonalriegel (72, 74, 76, 78)

vorgesehen ist.

XII. Stand der Technik

a) Im Recherchenbericht bzw. im Laufe des Prüfungsverfahrens wurden folgende Druckschriften genannt:

D1: JPH08199799 A;

D2: FR 2 914 671 A1;

D3: FR 2 644 497 A1;

D4: Prospekt der Fa. PERI GmbH, "PD 8 - Treppenturm -

Aufbau- und Verwendungsanleitung für die

Regelausführung", Ausgabe 04/2008, Deckblatt,

Inhaltsverzeichnis, Seiten 1 bis 9 und 11 bis 27

und Rückseite; und

D5: DE 25 56 365 A1.

b) Auf Beschreibungsseite 1 ist folgende Druckschrift genannt:

D6: DE 201 05 346 U1.

XIII. Das schriftsätzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Hauptantrag

Entgegen der angefochtenen Entscheidung ergebe sich der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D4 als nächstliegendem Stand der Technik nicht in naheliegender Weise aus D2. Der beanspruchte Gegenstand unterscheide sich von dem in D4 offenbarten Treppengerüstmodul durch Merkmale g) bis k). Ausgehend von D4 liege die objektiv zu lösende Aufgabe darin, ein Treppengerüstmodul vorzuschlagen, welches einerseits den Anforderungen an die angestrebte Stabilität gerecht werde, andererseits aber unter Berücksichtigung von eben diesen Stabilitätsanforderungen eine hohe Flexibilität im Aufbau ebenso wie einen leicht zu realisierenden Aufbau gewährleiste. Das Dokument D2 biete keinen Hinweis für eine Weiterentwicklung des Treppengerüstmoduls gemäß D4 in Richtung auf die beanspruchte Lösung. Es betreffe keinen modulartig aufgebauten Treppenturm und befasse sich nicht mit der strukturellen Stabilität einerseits bzw. einem leicht zu realisierenden, variablen Aufbau andererseits, sondern sei darauf gerichtet, Maßnahmen vorzuschlagen, die eine erhöhte Sicherheit gegen Herabfallen insbesondere beim Aufbau eines Treppenturms gewährleisten.

Entgegen der Auffassung der Kammer in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2007 vom 26. Juli 2019 sei der Gegenstand von Anspruch 1 durch eine Zusammenschau der Druckschriften D4 und D5 nicht nahegelegt.

Die von der Kammer genannten Teilaufgaben ausgehend von D4, einerseits eine möglichst gute Stapelbarkeit zu gewährleisten und andererseits einen stabilen Aufbau zu gewährleisten, stünden in enger Wechselwirkung miteinander. Bei dem in D4 bekannten Aufbau führe der Einsatz der in sich starr verschweißten Rahmen R 150 zu einem außerordentlich stabilen Aufbau. Das Auflösen dieser Rahmen in Einzelteile, wie dies beispielsweise aus D5 bekannt sei, beeinträchtige die Stabilität grundsätzlich, so dass mit der Übernahme dieser baulichen Maßnahme in den Aufbau gemäß D4 zur verbesserten Stapelbarkeit eine der gemäß dem anderen Aufgabenaspekt grundsätzlich angestrebten erhöhten Stabilität abträgliche Ausgestaltung erhalten werde. Es sei fraglich, ob der Fachmann in naheliegender Art und Weise eine bauliche Maßnahme übernehmen würde, durch welche die bei derartigen Gerüsten bzw. Gerüstmodulen immer mit oberster Priorität zu betrachtende Stabilität beeinträchtigt sei. Davon abgesehen offenbare D5, dass zum Erreichen der angestrebten Stabilität nicht nur die in den vertikalen Flächen eines jeweils als Modul zu betrachtenden und aus mehreren Gerüstelementen aufgebauten Würfels liegenden Vertikalstiele, Horizontalriegel und Diagonalriegel vorgesehen seien, sondern dass auch in den horizontalen Flächen dieser Würfel angeordnete diagonal-horizontale Verbände 5 (Figuren 3 und 4). Dies führe unweigerlich dazu, dass beim Stapeln einer Mehrzahl derartiger Würfel übereinander in Höhenrichtung aufeinanderfolgende diagonal-horizontale Verbände einander kreuzten. Sollte der Fachmann den in D5 offenbarten Aufbau eines Turms mit einer Vielzahl von Einzelteilen in Betracht ziehen, würde er erkennen, dass bei Integration derartiger stabilisierender diagonal-horizontaler Verbände in die aus D4 bekannten Module ein Konflikt mit den im Inneren der einzelnen Module verlaufenden Treppeneinheiten entstehen würde.

b) Hilfsantrag

Der mit den ergänzenden Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag definierte Gegenstand sei durch eine Zusammenschau der Druckschriften D4 und D5 nicht nahegelegt. Dort sei weder offenbart noch angeregt, sowohl die Horizontalriegel der oberen und unteren Gruppe als auch der wenigstens eine Diagonalriegel mittels Lochscheiben an die Vertikalstiele zu verbinden. Dank dieser zusätzlichen Maßnahme seien nicht nur alle Horizontalriegel einer jeweiligen Gruppe in der gleichen Höhenposition lösbar an einen jeweiligen Vertikalstiel angebunden, sondern auch der wenigstens eine Diagonalriegel. Damit seien auf diese jeweilige Höhenposition zentrierte Knotenpunkte definiert, in welchen sowohl über Horizontalriegel, als auch zumindest einen Diagonalriegel Kräfte eingeleitet und gegeneinander abgestützt werden. Das Auftreten von durch Krafteinleitung in verschiedenen Höhenpositionen entstehenden und die Stabilität der Gesamtstruktur beeinträchtigenden Momenten werde somit vermieden.

Entscheidungsgründe

1. Die revidierte Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) ist am 1. Januar 2020 in Kraft getreten. Vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen (Artikel 25 VOBK 2020) ist die revidierte Fassung auch auf die vorliegende Beschwerde anwendbar, die am Tag des Inkrafttretens bereits anhängig war.

2. Hauptantrag - Zulassung in das Beschwerdeverfahren

2.1 Die Zulassung des nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2019 eingereichten Hauptantrags in das Beschwerdeverfahren steht im Ermessen der Kammer.

2.2 Da diese Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Inkrafttreten der VOBK 2020 zugestellt wurde, ist gemäß Artikel 25 (1) und (3) VOBK 2020 für diese Frage Artikel 13 (1) VOBK 2020 und Artikel 13 (1) VOBK 2007 anzuwenden, nicht aber Artikel 13 (2) VOBK 2020. Dabei ist die Kammer der Auffassung, dass die in Artikel 13 (1) VOBK 2020 enthaltenen Kriterien der Ermessensausübung bei der Zulassung von Änderungen einer Patentanmeldung oder eines erteilten Patents im Wesentlichen auf der ständigen Rechtsprechung im Hinblick auf Artikel 13 (1) VOBK 2007 beruhen.

2.3 Der neue Hauptantrag unterscheidet sich vom bisherigen Hauptantrag darin, dass in Merkmal a) von Anspruch 1 das Wort "insbesondere" gestrichen wurde.

2.4 Diese Anspruchsänderung stellt eine direkte Reaktion auf den Einwand nach Artikel 84 EPÜ dar, den die Kammer zum ersten Mal in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2007 vom 26. Juli 2019 erhoben hat (Punkt 9).

2.5 Die Kammer kommt daher unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 VOBK 2020 zu dem Schluss, den neuen Hauptantrag in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

3. Hauptantrag - Änderungen

3.1 Die Kammer ist der Ansicht, dass die Änderungen der Ansprüche den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ entsprechen. Insbesondere entspricht Anspruch 1 - abgesehen von Anpassungen der Satzstruktur - einer Kombination der Ansprüche 6, 7, 9, 11 und 12 in der ursprünglich eingereichten Fassung.

4. Durch die neue Änderung in Anspruch 1 wurde der von der Kammer erhobene Einwand nach Artikel 84 EPÜ ausgeräumt, da nunmehr klargestellt ist, dass das Treppengerüstmodul zum Einsatz bei einem modulartig aufgebauten Treppengerüstturm vorgesehen ist.

5. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

5.1 Die Beschwerdeführerin begründet ihren Antrag damit, dass - entgegen der angefochtenen Entscheidung - der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von D4 als nächstliegendem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ).

5.2 Der Vortrag der Beschwerdeführerin überzeugt aus folgenden Gründen nicht.

5.3 Das Dokument D4 stellt einen realistischen Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar.

5.4 Es offenbart, in den Worten von Anspruch 1, ein Treppengerüstmodul (Aufstockeinheit in Abbildung 7) für einen modulartig aufgebauten Treppengerüstturm (Abbildung 9), umfassend:

- in jedem Moduleckbereich des mit viereckiger Umfangskontur ausgebildeten Treppengerüstmoduls einen Vertikalstiel mit einem oberen Stielendbereich und einem unteren Stielendbereich (siehe Vertikalstiele der zwei Stirnrahmen R 150);

- in den oberen Stielendbereichen der Vertikalstiele, eine obere Gruppe von damit verbundenen Horizontalriegeln (siehe die oberen Horizontalriegel der zwei Stirnrahmen R 150 und die zwei oberen Horizontalriegel HS 292);

- in den unteren Stielendbereichen der Vertikalstiele, eine untere Gruppe von damit verbundenen Horizontalriegeln (siehe untere Horizontalriegel der zwei Stirnrahmen R 150);

- eine Treppeneinheit mit einem oberen Treppeneinheitendbereich und einem unteren Treppeneinheitendbereich, wobei der obere Treppeneinheitendbereich mit einem Horizontalriegel der oberen Gruppe von Horizontalriegeln lösbar verbunden ist und der untere Treppeneinheitsendbereich mit einem Horizontalriegel der unteren Gruppe von Horizontalriegeln lösbar verbunden ist (siehe Rohrkupplungen in Abbildung 7 und in den Abbildungen auf Seite 21 unten);

- wobei die obere Gruppe von Horizontalriegeln an einer Seite der viereckigen Umfangskontur einen Horizontalriegel zur lösbaren Verbindung mit dem oberen Treppeneinheitendbereich umfasst (siehe oberen Horizontalriegel des linken Stirnrahmens) und die untere Gruppe von Horizontalriegeln an einer der einen Seite der viereckigen Umfangskontur gegenüberliegenden anderen Seite der viereckigen Umfangskontur einen Horizontalriegel zur lösbaren Verbindung mit dem unteren Treppeneinheitendbereich umfasst (siehe untere Horizontalriegel des rechten Stirnrahmens).

5.5 Damit sind in D4 die im Oberbegriff von Anspruch 1 aufgeführten Merkmale a) bis f) ihrem Wortlaut nach verwirklicht.

5.6 In Abbildung 7 von D4 ist gezeigt, dass obere Horizontalriegel an den Längs- und Stirnseiten des Moduls vorgesehen sind, während untere Horizontalriegel nur an den Stirnseiten vorgesehen sind. Die stirnseitigen Horizontalriegel sind jeweils Teil eines Rahmens R 150 und mithin fest mit den Vertikalstielen des Rahmens verbunden (Seite 18 oben), während die längsseitigen Horizontalriegel HS 292 mit den Vertikalstielen der Rahmen lösbar verbunden sind. Damit sind in D4 auch die Merkmale g) und h) verwirklicht, mit Ausnahme der Teilmerkmale, dass die Horizontalriegel "lösbar" mit den Vertikalstielen verbunden sind und dass untere Horizontalriegel an "allen Seiten der viereckigen Umfangskontur" vorgesehen sind. Die Merkmale i) bis k) sind in D4 nicht offenbart. Insbesondere ist in Abbildung 7 ersichtlich, dass die Vertikalstiele an verschiedenen Höhenpositionen durch die oberen bzw. unteren Horizontalriegel miteinander verbunden sind.

5.7 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich von diesem in D4 offenbarten Treppengerüstmodul daher darin, dass

1) an den Längsseiten des Moduls untere

Horizontalriegel vorgesehen sind, die jeweils mit

zwei der Vertikalstiele verbunden sind (siehe

Merkmale g) und h);

2) an den oberen und unteren Stielendbereichen der

Vertikalstiele Anbindungsorgane vorgesehen sind zur

lösbaren Verbindung mit den oberen und unteren

Horizontalriegeln (siehe Merkmale g), h) und i));

und

3) die oberen Anbindungsorgane zu einem jeweiligen

oberen Vertikalstielende einen ersten Abstand

aufweisen und die unteren Anbindungsorgane zu einem

jeweiligen unteren Vertikalstielende einen zweiten

Abstand aufweisen (siehe Merkmal j)), wobei alle

oberen bzw. unteren Horizontalriegel mit den

Vertikalstielen in der gleichen Höhenposition

verbunden sind (siehe Merkmal k)).

5.8 Das Unterscheidungsmerkmal 1) bewirkt offensichtlich, dass die Stabilität des Moduls erhöht wird (in den ursprünglichen eingereichten Anmeldungsunterlagen siehe Seite 7, Absatz 3). Dank dem Unterscheidungsmerkmal 2) können die Stirnrahmen des Moduls in Einzelteile zerlegt und mithin raumsparender transportiert und gelagert werden (siehe den die Seiten 2 und 3 überbrückenden Absatz und Seite 5, Absatz 2). Im Vergleich zu D4 ergibt das Unterscheidungsmerkmal 3) einen stabileren und symmetrischeren Aufbau (siehe den die Seiten 5 und 6 überbrückenden Absatz und Seite 6, Absatz 3).

5.9 Die Kammer kann der Prüfungsabteilung folgen, dass zwischen den Unterscheidungsmerkmalen 1) und 3) einerseits und dem Unterscheidungsmerkmal 2) andererseits kein synergetischer Zusammenhang erkennbar ist. Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, inwiefern diese Merkmale sich gegenseitig zur Erreichung eines über die Summe ihrer jeweiligen Einzelwirkungen hinausgehenden Effekts beeinflussen. Es ist nicht ausreichend, dass die Merkmale 1) und 3) einerseits und das Merkmal 2) entgegenwirken. Deshalb ist eine unabhängige Erörterung der erfinderischen Tätigkeit anhand von Teilaufgaben zulässig.

5.10 Im Hinblick auf Merkmale 1) und 3) ist die Prüfungsabteilung der Auffassung, dass die damit objektiv gelöste Teilaufgabe darin liegt, die Stabilität des Treppengerüstmoduls zu erhöhen (im Folgenden: erste Teilaufgabe). Die Kammer teilt diese Ansicht.

5.11 Im Hinblick auf Merkmal 2) vertritt die Prüfungsabteilung ferner die Auffassung, dass die damit objektiv gelöste Teilaufgabe darin liege, einen flexiblen Aufbau zu ermöglichen. Dem kann die Kammer nicht folgen, da diese Formulierung der Teilaufgabe die technische Wirkung des Merkmals 2) außer Acht lässt (Punkt 5.8 vorstehend). Die objektive Teilaufgabe besteht eher darin, das in D4 offenbarte Treppengerüstmodul im Hinblick auf Lagerung und Transport zu verbessern (im Folgenden: zweite Teilaufgabe).

5.12 Soweit die Prüfungsabteilung behauptet, dass es sich bei den Unterscheidungsmerkmalen jeweils nur um eine von mehreren naheliegenden Möglichkeiten handle, aus denen der Fachmann ohne erfinderisches Zutun den Umständen entsprechend auswählen würde (Punkte 1.4.2 und 1.4.3 des Bescheids vom 19. Januar 2017), fehlt dafür der Nachweis. Diesbezüglich verweist die Prüfungsabteilung beispielhaft auf Figur 5 von D2. Es ist aber nicht ohne Weiteres ersichtlich, warum der Fachmann bei der Weiterentwicklung des in D4 offenbarten Treppengerüstmoduls die Lehre von D2 heranziehen würde. D2 betrifft einen Treppenturm, der nicht modulartig aufgebaut wird, sondern sukzessive von oben nach unten, wobei die nacheinander übereinander befestigten Vertikalstiele mit Horizontalriegeln verbunden werden. Zur Sicherung gegen Absturz beim Aufbau des Treppenturms schlägt D2 im Wesentlichen ein Geländer vor, das von einer Etage aus an einer Seite der nächst höher liegenden Etage montiert werden kann.

5.13 Nichtsdestotrotz ist die Kammer der Ansicht, dass es zur Lösung der zweiten Teilaufgabe nahe liegt, die in D4 offenbarten Stirnrahmen R 150 aus lösbar miteinander verbundenen stangenartigen Einzelteilen zusammenzusetzen, nämlich aus zwei Vertikalstielen, zwei Horizontalriegeln und einem Diagonalriegel. Diese Maßnahme ist nämlich für den gleichen Zweck bei einem ähnlichen Gerüstturmmodul mit rechteckiger Umfangskontur angewendet worden (siehe D5, Seite 3, Absatz 2 und Seite 4, Absatz 3 und Figuren 1 bis 4, Modul 1, Vertikalstiele 2 mit Anbindungsorganen 9, Horizontalriegel 4, Diagonalriegel 3). Der Fachmann erkennt den Vorteil dieser bekannten Maßnahme und hat keinerlei praktische Schwierigkeiten, sie bei den in D4 offenbarten Stirnrahmen anzuwenden, selbst wenn sie dadurch weniger starr und stabil werden könnten. Der Fachmann gelangt mithin in naheliegender Weise zu Merkmal 2) von Anspruch 1.

5.14 D5 lehrt zudem, dass die dort offenbarten Anbindungsorgane (9) an den oberen und unteren Endbereichen der Vertikalstiele (2) zur lösbaren Verbindung mit den Horizontalriegeln (4) es ermöglichen, weitere Horizontal- bzw. Diagonalriegel (3, 5) an allen Seiten des Gerüstturmmoduls anzuschließen, um es weiter zu verstärken (siehe den die Seiten 5 und 6 überbrückenden Absatz). Diese Lehre wird den mit der ersten Teilaufgabe befassten Fachmann ebenfalls dazu anregen, derartige Anbindungsorgane zu verwenden sowie weitere Horizontal- bzw. Diagonalriegel an allen Seiten des Treppengerüstmoduls gemäß D4 anzuschließen. Der Fachmann gelangt mithin in naheliegender Weise zu Merkmalen 1) und 3) von Anspruch 1.

5.15 Die Tatsache, dass im Unterschied zu D4 der in D5 offenbarte Gerüstturm keine Treppe aufweist und der Abstand zwischen den Horizontalriegeln zweier direkt benachbarten Module die Anbringung einer Treppeneinheit offensichtlich nicht zulässt, wird den Fachmann nicht daran hindern, die genannte Lehre von D5 heranzuziehen und aufgrund der unmittelbar zu erreichenden Vorteile mit D4 zu kombinieren. Auch die Tatsache, dass in D5 vorzugsweise diagonal-horizontale Verbände zur Verbindung der sich diagonal gegenüberliegenden Stiele vorgesehen sind (Seite 5, Absatz 2 und Verbände 5 in Figuren 3 und 4), wird den Fachmann nicht daran hindern, die Lehre von D5 mit D4 zu kombinieren. Insbesondere sind diese diagonal-horizontalen Verbände in D5 nicht als unerlässlich beschrieben, sondern als fakultatives Merkmal. Sie dienen dazu, das dort offenbarte Gerüstturmmodul weiter zu verstärken bzw. versteifen. Bei der beschriebenen Weiterentwicklung des Treppengerüstmoduls gemäß D4 im Hinblick auf die Lehre von D5 würde der Fachmann auf Anhieb erkennen, dass diagonal-horizontale Verbände wegzulassen sind, weil ansonsten ein Konflikt mit der im Inneren des Treppengerüstmoduls angeordneten Treppeneinheit samt Geländer entstehen würde.

5.16 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgehend von D4 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht.

6. Hilfsantrag - Zulassung in das Beschwerdeverfahren

6.1 Die Zulassung des nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2019 eingereichten Hilfsantrags in das Beschwerdeverfahren steht im Ermessen der Kammer.

6.2 Der Hilfsantrag unterscheidet sich vom bisherigen Hauptantrag darin, dass in Anspruch 1 das zusätzliche Merkmal l) aufgenommen wurde und in Merkmal i) die zusätzliche Beschränkung aufgenommen wurde, wonach die an den oberen und unteren Stielendbereichen der Vertikalstiele vorgesehenen Anbindungsorgane in Form von Lochscheiben sind.

6.3 Die erste Anspruchsänderung stellt eine direkte Reaktion auf den auf D4 und D5 basierten Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit, den die Kammer zum ersten Mal in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2007 erhoben hatte (Punkte 8.13 und 8.14). Die zweite Anspruchsänderung stellt eine direkte Reaktion den Einwand der mangelnden Klarheit bezüglich des mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2019 eingereichten Hilfsantrags, den der Berichterstatter der Kammer zum ersten Mal in der Rücksprache am 3. Juni 2020 erhoben hatte. Schließlich erscheint der Kammer dieser neue Antrag als prima facie gewährbar, weil er alle noch offenen Einwände auszuräumen scheint, ohne neue Fragen aufzuwerfen.

6.4 Die Kammer kommt daher unter Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 VOBK 2020 zu dem Schluss, den neuen Hilfsantrag in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.

7. Hilfsantrag - Änderungen

7.1 Die Kammer ist der Ansicht, dass die Änderungen der Ansprüche den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ entsprechen. Insbesondere entspricht Anspruch 1 - abgesehen von Anpassungen der Satzstruktur - einer Kombination der Ansprüche 6, 7 und 9 bis 13 in der ursprünglich eingereichten Fassung, wobei klargestellt wurde, dass die dort definierten Vertikalstielanbindungsorgane in Form von Lochscheiben ausgebildet sind (Seite 6, Zeile 32 und Seite 12, Zeile 20 in der ursprünglich eingereichten Anmeldung).

8. Durch die neue Änderung in Anspruch 1 wurde der von der Kammer erhobene Einwand nach Artikel 84 EPÜ ausgeräumt, da nunmehr klargestellt ist, dass die im Anspruch angesprochenen Anbindungsorgane in Form von Lochscheiben sind.

9. Hilfsantrag - Erfinderische Tätigkeit

9.1 In Abbildung 7 von D4 ist gezeigt, dass zwischen zwei unmittelbar benachbarten Vertikalstielen eines stirnseitigen Rahmens R 150 ein Diagonalriegel vorgesehen ist, der mit den oberen und unteren Horizontalriegeln fest verbunden ist.

9.2 Zusätzlich zu den oben erörterten Unterscheidungsmerkmalen 1) bis 3) des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag von dem in Abbildung 7 von D4 gezeigten Treppengerüstmodul also darin,

4) dass der zwischen zwei unmittelbar benachbarten

Vertikalstielen angeordnete Diagonalriegel mit den

an den oberen und unteren Stielendbereichen der

Vertikalstiele vorgesehenen Anbindungsorganen

lösbar verbunden ist (siehe Merkmal l)),

5) dass die an den oberen und unteren

Stielendbereichen der Vertikalstiele vorgesehenen

Anbindungsorgane zur lösbaren Verbindung mit den

oberen und unteren Horizontalriegeln und dem

Diagonalriegel als Lochscheiben ausgebildet sind

(siehe Merkmal i)).

9.3 Die Unterscheidungsmerkmale 2) und 4) bewirken, dass die Stirnrahmen des Moduls in Einzelteile zerlegt und mithin raumsparender transportiert und gelagert werden können. Die Unterscheidungsmerkmale 1), 3) und 5) ergeben im Vergleich zu D4 einen symmetrischeren und stabileren Aufbau, wie die Beschwerdeführerin überzeugend dargelegt hat (siehe Punkt XIII-b) vorstehend). Insbesondere werden mittels der als Lochscheiben ausgebildeten Anbindungsorgane zentrierte Knotenpunkte definiert, in welchen sowohl über Horizontalriegel, als auch zumindest den Diagonalriegel Kräfte eingeleitet und gegeneinander abgestützt werden, wodurch das Auftreten von Momenten vermieden wird, die die Stabilität der Gesamtstruktur beeinträchtigen.

9.4 Wie bereits im Hinblick auf den Hauptantrag ausgeführt, kann die objektive technische Aufgabe in der Aneinanderreihung zweier "Teilaufgaben" gesehen werden, nämlich die Stabilität des Treppengerüstmoduls zu erhöhen (Merkmale 1), 3) und 5)) bzw. das Treppengerüstmodul im Hinblick auf Lagerung und Transport zu verbessern (Merkmal 2) und 4)) zu ermöglichen.

9.5 Der mit diesen Aufgaben befasste Fachmann gelangt auch unter Berücksichtigung des entgegengehaltenen Stands der Technik und seiner allgemeinen Fachkenntnisse nicht in naheliegender Weise zur beanspruchten Lösung. Insbesondere wird in D5 weder offenbart noch angeregt, sowohl die oberen und unteren Horizontalriegel als auch den Diagonalriegel mittels Lochscheiben mit den Vertikalstielen zu verbinden, geschweige denn den Diagonalriegel an die für die oberen und unteren Horizontalriegel vorgesehenen Lochscheiben anzubinden. Dort erfolgt die Verbindung der Horizontal- und Diagonalriegel mit den Vertikalstielen über separate und senkrecht verlaufende Platten (10, 12). Das Dokument D2 offenbart zwar Lochscheiben (42a, 42b) zur lösbaren Verbindung von Gerüstteilen an die Vertikalstiele (30, 32). Der Fachmann hat aber keine Veranlassung, bei der Weiterentwicklung des in D4 offenbarten Treppengerüstmoduls die Lehre von D2 heranzuziehen (Punkt 5.12 vorstehend). Gleiches gilt für die Lehre von D6, denn dieses Dokument betrifft ebenfalls einen Treppenturm, der nicht modulartig aufgebaut wird, sondern sukzessive von oben nach unten, wobei die nacheinander übereinander befestigten Vertikalstiele (12) mit Horizontalriegeln (16, 18) und Diagonalriegeln (20) verbunden werden.

9.6 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf den entgegengehaltenen Stand der Technik (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).

10. Die Kammer hat sich vergewissert, dass die Änderungen in der Beschreibung letztere lediglich an die geänderten Ansprüche anpassen.

11. Die Kammer kommt deshalb zu dem Schluss, dass die geänderten Anmeldungsunterlagen den Erfordernissen des EPÜ genügen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

- geänderte Ansprüche 1 bis 11 gemäß Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 4. Juni 2020;

- geänderte Beschreibungsseiten 1 bis 9 und 12 gemäß Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 4. Juni 2020, sowie Beschreibungsseiten 10, 11 und 13 bis 20 in der ursprünglich eingereichten Fassung; und

- Figuren 1 bis 4 wie ursprünglich eingereicht.

Quick Navigation