T 1957/17 () of 16.9.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T195717.20200916
Datum der Entscheidung: 16 September 2020
Aktenzeichen: T 1957/17
Anmeldenummer: 09755877.9
IPC-Klasse: C08K5/00
C08K5/17
C08K5/3465
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VULKANISIERBARE KAUTSCHUKMISCHUNG, INSBESONDERE AUF BASIS ACM ODER AEM, UND VULKANISAT, INSBESONDERE EIN SCHLAUCHMATERIAL
Name des Anmelders: ContiTech Schlauch GmbH
Name des Einsprechenden: LANXESS Deutschland GmbH
Kammer: 3.3.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54 (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1) (2007)
Schlagwörter: Neuheit - (Hauptantrag: ja)
Erfinderische Tätigkeit - (Hauptantrag: nein)
Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (ja)
Spät eingereichte Hilfsanträge - eingereicht mit der Beschwerdebegründung
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die am 4. Juli 2017 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Europäische Patent Nr. 2 376 565 widerrufen wurde.

II. Der strittigen Entscheidung lag ein einziger Antrag, nämlich der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte Hauptantrag, zu Grunde. Relevant für die vorliegende Entscheidung ist lediglich der Anspruch 1 dieses Hauptantrags, welcher wie folgt lautete:

"1. Vulkanisat, welches das elastische Material eines Schlauches ist, wobei der Schlauch ein Ölschlauch, Turboladerschlauch oder Kraftstoffschlauch ist, hergestellt durch Vulkanisieren einer vulkanisierbaren Kautschukmischung, enthaltend:

- eine Kautschukkomponente oder einen Kautschukkomponentenverschnitt sowie

- Mischungsingredienzienzien, beinhaltend wenigstens ein Vernetzungssystem, das wiederum einen Vernetzer und einen Co-Vernetzer umfasst,

dadurch gekennzeichnet, dass der Vernetzer Hexamethylendiamincarbamat (HMDAC) und der Co-Vernetzer 1,8-Diazabicyclo [5.4.0] undec-7-en (DBU) ist und dass das DBU als Salz vorliegt und dass die Kautschukkomponente ein Acrylat-Kautschuk (ACM) oder ein Ethylen-Acrylat-Kautschuk (AEM) ist."

III. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:| |

D1: JP-11 80488

D1a: Englische Übersetzung der D1

D3: WO 2008/069218

D3a: EP 2 098 567 A1

D4: US 2002/0037970

D7: Versuchsdaten der Patentinhaberin

IV. Gemäß der strittigen Entscheidung wurde unter anderem D7 in das Verfahren zugelassen. Die Einspruchsabteilung befand ferner unter anderem, dass der während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte Hauptantrag die Erfordernisse der Artikel 123(2), 123(3) und 100(b) EPÜ erfülle. Dieser Hauptantrag sei ferner neu gegenüber D1/D1a, D3/D3a und D4, jedoch nicht erfinderisch ausgehend von D3/D3a als nächstliegendem Stand der Technik (Begründung der angefochtenen Entscheidung: Abschnitte 2.3 und 2.4).

Was die Neuheit gegenüber D3/D3a betrifft, war die Einspruchsabteilung aufgrund der in D3a angegebenen Information nicht der Auffassung, dass in den Beispielen 17 und 18 der D3a ein DBU-Salz durch Reaktion von DBU und Stearinsäure zwangsläufig in-situ entstehe. Ferner finde sich in der D3a keine Passage, die einen gleichwertigen Austausch von DBU mit einem der in Absatz 23 genannten DBU-Salze beschreibe.

In Bezug auf die erfinderische Tätigkeit war die Einspruchsabteilung der Meinung, dass:

- die Beispiele 17 und 18 der D3 den nächstliegenden Stand der Technik darstellten;

- der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 von dem im Beispiel 17 oder 18 vorbereiteten Vulkanisat sich dadurch unterscheide, dass ein DBU-Salz in der zu vulkanisierenden Kautschukmischung vorliege;

- aus D7 keine einheitliche Ergebnislage aus der Verwendung eines beliebigen DBU-Salzes sich ableiten lasse (Begründung der Entscheidung: Absatz 2.4). Somit liege die objektiv zu lösende Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Vulkanisats;

- es sei naheliegend, diese Aufgabe, zum Beispiel durch Auswahl des Phenolats des DBU aus der Liste von alternativen Komponenten in Absatz 23 der D3a, zu lösen.

Aus diesen Gründen sei der geltende Hauptantrag nicht erfinderisch.

V. Gegen diese Entscheidung legte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags, welcher mit dem während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten und in der strittigen Entscheidung behandelten Hauptantrag identisch war. Hilfsweise beantragte die Beschwerdeführerin, dass das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 aufrechterhalten wird.

Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das DBU-Salz zusätzlich wie folgt definiert wurde:

"wobei die salzbildende Verbindung eine organische Carbonsäure ist".

Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass das DBU-Salz zusätzlich wie folgt definiert wurde:

"wobei die salzbildende Verbindung eine organische Carbonsäure ist, wobei die organische Carbonsäure eine organische Monocarbonsäure oder eine organische Dicarbonsäure ist".

Zusammen mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin ferner folgendes Dokument ein:

D7a: Versuchsdaten der Patentinhaberin

VI. Mit der Beschwerdeerwiderung beantragte die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) die Zurückweisung der Beschwerde. Ferner beantragte die Beschwerdegegnerin, dass die Hilfsanträge 1 und 2 nicht in das Verfahren zugelassen werden und reichte folgendes Dokument ein:

D9: EP 0 767 205

Schließlich beantragte die Beschwerdegegnerin, dass weder D7, noch D7a in das Verfahren zugelassen werden.

VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung mit.

VIII. Mit Schreiben vom 14. August 2020 reichte die Beschwerdeführerin eine korrigierte Fassung von D7a (welches Dokument als D7b in der vorliegenden Entscheidung gekennzeichnet wird) sowie das Dokument D10 (welches für die vorliegende Entscheidung nicht relevant ist) ein.

IX. Während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, die am 16. September 2020 als Videokonferenz unter Zustimmung beider Parteien stattfand, bestätigte die Beschwerdeführerin, dass sie keinen Einwand bezüglich der Zulassung von D9 ins Verfahren habe und, dass D10 ausschließlich für die Frage der ausreichenden Offenbarung, jedoch nicht für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevant sei. Ferner beantragte die Beschwerdegegnerin, dass D7b nicht zugelassen wird.

X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Zulassung von D7, D7a und D7b

a) D7 sei fristgerecht eingereicht worden und bereits von der Einspruchsabteilung ins Verfahren zugelassen worden.

Dokument D7a sei lediglich eine Ergänzung der D7 und enthalte genau die gleichen Daten wie D7, wobei zusätzlich noch die relevanten Parameter Scorch-Zeit, Druckverformungsrest (DVR nach DIN) und Bruchdehnung in Wichtung zueinander gesetzt worden seien, um die Beurteilung der Ergebnisse zu erleichtern. Die Interpretation der D7 bleibe gleich, unabhängig davon, ob die in D7a angegebene Wichtung berücksichtigt werde oder nicht. Da die ersten zwei von diesen drei Eigenschaften gemäß Streitpatent als wesentlichere Kriterien betrachtet würden, hätten sie in der vorliegenden Betrachtungsweise einen etwas höheren Wichtungsfaktor erhalten.

Das Einreichen von D7a (und D7b) sei notwendig geworden, nachdem es klar wurde, dass die Versuchsdaten aus D7 in Bezug auf die Bruchdehnung und die Scorch-Zeit von der Einspruchsabteilung missverständlich interpretiert worden seien (für beide Parameter seien die Werte besser, je größer sie sind, und nicht kleiner, wie in der Begründung der Streitentscheidung von der Einspruchsabteilung ausgeführt).

Dokument D7b sei eine korrigierte Fassung von D7a, worin geändert wurde, dass die Werte für die Bruchdehnung nur dann besser seien, wenn sie größer seien (und nicht kleiner, wie in D7a betrachtet). Diese Änderung sei auf einen klassischen copy/paste Fehler zurückzuführen. Es sei jedoch für den Fachmann offensichtlich, dass die Werte für die Bruchdehnung nur dann besser seien, je größer sie seien. So würde der Fachmann D7 interpretieren. Auch ändere die Korrektur an den in D7 vorhandenen absoluten Werten und an der Interpretation der Ergebnisse auf der Basis der gewichteten Parameter nichts.

Aus diesen Gründen sei D7 bereits im Verfahren und seien D7a und D7b zuzulassen.

Hauptantrag

Artikel 54 EPÜ

b) D3a offenbare in ihren Beispielen keinen Einsatz von DBU-Salzen, wie sie gemäß Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags notwendig seien. Zwar werde in D3a in einer langen Liste in Absatz 23 auf einzelne DBU-Salze verwiesen, diese ließen sich aber nicht in Kombination mit den zu verwendenden Komponenten in den jeweiligen Beispielen (z.B. Beispiel 18 der D3a) sehen. Auch finde sich in der D3a keine Passage, die einen gleichwertigen Austausch von DBU mit einem der in Absatz 23 genannten DBU-Salze beschreibe. Die Beschwerdegegnerin habe zudem keine Nachweise über das in-situ Entstehen des DBU-Salzes vorgelegt. Wie im Einspruchsverfahren bereits dargelegt, sei es aufgrund von der im Absatz 47 der D3a beschriebenen Verfahrensstufe nicht möglich zu schließen, was von der Beschwerdeführerin bestritten werde, dass in dem in den Beispielen 17 und 18 hergestellten Vulkanisat ein DBU-Salz entstehe.

c) Im Gegensatz zu D3/D3a sei in den Beispielen von D7 ein DBU-Salz direkt eingesetzt und nicht, entgegen der Behauptung der Beschwerdegegnerin, in-situ hergestellt.

d) Aus diesen Gründen sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber D3/D3a neu.

Artikel 56 EPÜ

e) Die Beispiele 17 und 18 der D3/D3a stellten den nächstliegenden Stand der Technik dar.

f) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheide sich von den in den Beispielen 17 und 18 vorbereiteten Vulkanisaten durch die Anwesenheit eines DBU-Salzes anstelle eines reinen DBU.

g) Um die Vorteile des DBU-Salzes in Bezug auf die Vulkanisationsgeschwindigkeit (höhere Scorch-Zeit), Druckverformungsreste (niedrigere DVR-Werte) und Bruchdehnung (höhere Werte seien - gemäß des letzen Schreibens und wie während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebracht - vorteilhaft) zu belegen, sei D7 fristgerecht während des Einspruchsverfahrens eingereicht worden. In diesem Zusammenhang sei aus der ursprünglichen Anmeldung zu entnehmen, dass die Aufgabe des Streitpatents darin liege, diese drei Eigenschaften zu verbessern.

Ein besseres Vulkanisat ergebe sich in der Gesamtschau dieser drei Eigenschaften, d.h. ein Vulkanisat werde nicht über die Betrachtung ihrer Einzelparameter bewertet, sondern über einen Gesamtindikator ermittelt, wobei die für den jeweiligen Anwendungsfall relevanten Parameter zueinander in Wichtung gestellt worden seien. Dies sei in D7a und D7b erläutert, wobei der Gesamtindikator auf der Basis von Scorch-Zeit, DVR nach DIN, Bruchdehnung in einer Wichtung von 40%/40%/20% verwendet worden sei. Es sei aus D7b ersichtlich, dass die anspruchsgemäßen Zusammensetzungen zu höheren Gesamtindikator-Werten als das Vergleichsbeispiel 2 (gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik) führten.

Somit liege die gegenüber den Beispielen 17 und 18 der D3 gelöste Aufgabe in der Bereitstellung eines Vulkanisats mit einer verbesserten Gesamtschau von Vulkanisationsgeschwindigkeit-, Druckverformungsreste- und Bruchdehnung-Eigenschaften.

Es sei aus D3/D3a nicht zu entnehmen, dass diese Aufgabe durch Verwendung eines DBU-Salzes (gemäß dem geltenden Anspruch 1) anstelle eines reinen DBU zu lösen sei.

h) Aus diesen Gründen sei der geltende Anspruch 1 erfinderisch.

Hilfsanträge 1 und 2 - Zulassung

i) Die Hilfsanträge 1 und 2 seien zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden, so dass die Beschwerdegegnerin genügend Zeit hätte, diese zu betrachten.

Aufgrund der nicht zutreffenden Interpretation der Daten seitens der Einspruchsabteilung sei eine Einreichung dieser Hilfsanträge während der Einspruchsverhandlung nicht erfolgsversprechend und somit zu diesem Zeitpunkt auch nicht verfahrensökonomisch.

Wie in der Beschwerdebegründung angegeben, gälten die für den Anspruch 1 des Hauptantrags vorgebrachten Argumente bezüglich erfinderischer Tätigkeit gleichermaßen für den jeweils entsprechenden Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2, wobei zusätzlich zu betrachten sei, dass durch die Eingrenzung der Definition des DBU-Salzes ein besonders guter Gesamtindikator erreicht werde.

Aus diesen Gründen seien die Hilfsanträge 1 und 2 zuzulassen.

XI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:

Zulassung von D7, D7a und D7b

a) D7 enthalte die Versuche 1 bis 11, die erst im Rahmen des Einspruchsverfahrens von der Beschwerdeführerin nachgereicht worden seien, da der Patenttext kein Beispiel enthalte.

Da diese Versuche erst zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegt worden seien, habe die Beschwerdegegnerin nicht genügend Zeit gehabt, sie zu überprüfen. Außerdem fehle in D7 jede Angabe bezüglich der Natur von vielen der eingesetzten Komponenten und des verwendeten Herstellungsverfahrens. Somit könnte die Beschwerdegegnerin die Daten der D7 weder nacharbeiten, noch überprüfen. Somit sei das rechtliche Gehör nach Artikel 113 EPÜ verletzt worden.

D7 enthalte ferner keinen direkten Vergleich mit dem nächstliegenden Stand der Technik und hätte, wegen mangelnder Relevanz, nicht zugelassen werden sollen. Die Tatsache, dass D7 zwar zugelassen worden sei, jedoch bei der Patentfähigkeit nicht überzeugen konnte, zeige, dass D7 keine Relevanz für den Fall habe.

b) Die in D7a angegebene Wichtung von Parametern sei aus dem Streitpatent nicht zu entnehmen und würde von der Beschwerdeführerin durch gezielte Auswahl von Daten, die von Vorteil seien, willkürlich ausgesucht.

c) Die Argumentation der Beschwerdeführerin bezüglich der Bruchdehnung und basierend auf D7 im Licht von entweder D7a oder D7b habe sich erst zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geändert. Es gäbe keinen Grund, warum diese Argumentation nicht früher vorgelegt werden konnte. Ferner habe die Beschwerdegegnerin nicht ausreichend Zeit gehabt, zu reagieren.

Die Interpretation der Daten von D7a in Bezug auf die Bruchdehnung sei von den in der Beschwerdebegründung angegebenen Erläuterungen unterstützt. Somit sei es nicht glaubhaft, dass die in D7b durchgeführte Änderung bezüglich der Bruchdehnung auf einen klassischen copy/paste-Fehler zurückzuführen sei.

d) Aus diesen Gründen sollten weder D7, noch D7a, noch D7b ins Verfahren zugelassen werden.

Hauptantrag

Artikel 54 EPÜ

e) Angesichts der in den Beispielen 17 und 18 eingesetzten Komponenten und Verfahrensschritte und aufgrund der Lehre von D9 und/oder des allgemeinen Fachwissens sei davon auszugehen, dass sich DBU-Salze bilden werden. Ferner sei DBU die stärkste Base unter den aufgeführten Basen in den Tabellen der D3a. Somit sei es dem Fachmann bewusst, dass diese Base schwächere Basen bei der Salzbildung mit der Stearinsäure verdrängen würde.

f) Gemäß Absatz 23 der D3a seien DBU-Salze als gleichwertige Alternative zu DBU anzusehen. Somit ergebe sich ein Vulkanisat gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags durch einfachen Austausch des in den Beispielen 17 und 18 eingesetzten DBU durch ein im Absatz 23 angegebenes DBU-Salz. Allein die Möglichkeit, dass dem Fachmann bei der Betrachtung der Beispiele 17 und 18 zweifelsfrei sichtbar werde, dass DBU-Satze vorliegen könnten (wie im vorherigen Absatz erläutert), sei ausreichend, um DBU durch DBU-Salze ersetzen zu können.

g) Keine Versuchsbeschreibung sei zusammen mit D7/D7a/D7b angegeben worden. Ferner sei aus der Eingabe im D7 "DBU+(organische Säure)" zu entnehmen, dass in D7 wie in D3a gearbeitet worden sei, d.h., dass auch in D7 ein DBU-Salz in-situ hergestellt worden sei. Somit sei zu erwarten, dass auch in den Beispielen 17 und 18 der D3/D3a ein DBU-Salz entstehe.

h) Aus diesen Gründen sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber den Beispielen 17 und 18 der D3/D3a nicht neu.

Artikel 56 EPÜ

i) Die Beispiele 17 und 18 der D3/D3a stellten den nächstliegenden Stand der Technik dar.

j) Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 unterscheide sich von den in den Beispielen 17 und 18 vorbereiteten Vulkanisaten durch die Anwesenheit eines DBU-Salzes anstelle eines reinen DBU.

k) Die Zusammensetzung gemäß dem Beispiel 2 der D7/D7a/D7b unterscheide sich in mehreren Aspekten von den Zusammensetzungen gemäß dem nächstliegenden Stand der Technik (Beispiele 17 oder 18 der D3/D3a). Somit enthielten D7/D7a/D7b keinen direkten Vergleich zum nächstliegenden Stand der Technik.

Die Scorch-Zeit sei eine Eigenschaft der Kautschukmischung und der Vulkanisation, jedoch keine Eigenschaft des erhaltenen Vulkanisats. Daher könnten nur die Bruchdehnung und der Druckverformungsrest herangezogen werden, um die angeblichen verbesserten Eigenschaften des beanspruchten Vulkanisats zu beschreiben.

Die in D7a von der Beschwerdeführerin eingeführte Wichtung von Parametern (Bruchdehnung 20 % Anteil am Gesamtindikator, Druckverformungsrest 40 % Anteil am Gesamtindikator und Scorch-Zeit 40 % Anteil am Gesamtindikator), finde weder eine Basis in der Anmeldung, noch sei sie auf die beiden Parameter Bruchdehnung und Druckverformungsrest gerichtet, die alleine zur Beschreibung des beanspruchten Vulkanisates herangezogen werden dürften.

Somit belegten weder D7, noch D7a/D7b einen verbesserten Effekt gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik. Unter solchen Umständen liege die tatsächlich gelöste Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines weiteren Vulkanisats als Alternative zu dem Vulkanisat gemäß den Beispielen 17 und 18 der D3/D3a.

Die Verwendung von DBU-Salzen gemäß geltendem Anspruch 1 anstatt von DBU sei aus D3/D3a selbst bekannt. Somit sei es naheliegend, die oben angegebene Aufgabe durch Verwendung eines DBU-Salzes anstatt von DBU in den Beispielen 17 oder 18 der D3/D3a zu lösen.

l) Aus diesen Gründen sei der geltende Anspruch 1 nicht erfinderisch.

Hilfsanträge 1 und 2 - Zulassung

m) Es gäbe keine Rechtfertigung für die Einreichung der Hilfsanträge 1 und 2 erst im Beschwerdeverfahren.

Die für den Anspruch 1 des Hauptantrags vorgebrachten Argumente bezüglich erfinderischer Tätigkeit gälten gleichermaßen für den jeweils entsprechenden Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2.

Sollten die Hilfsanträge 1 und 2 zugelassen werden, wären neue Einwände, insbesondere in Bezug auf Artikel 123(2) EPÜ, erstmalig im Beschwerdeverfahren zu besprechen.

Somit seien die Hilfsanträge 1 und 2 nicht zuzulassen.

XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 und 2.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung von D7, D7a und D7b

1.1 Die Beschwerdegegnerin beantragt, dass D7, D7a und D7b nicht in das Verfahren zugelassen werden.

1.2 Das vorliegende Verfahren wird durch die revidierte Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) geregelt, die am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist (Artikel 24 und 25, Absatz 1, VOBK 2020), mit Ausnahme von Artikel 12, Absätze 4 bis 6 VOBK 2020 und Artikel 13, Absatz 2 VOBK 2020, anstelle derer Artikel 12, Absatz 4 und Artikel 13 VOBK 2007 weiterhin anwendbar bleiben (Artikel 25, Absätze 2 und 3, VOBK 2020).

1.3 Dokument D7

1.3.1 D7 wurde ca. zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vorgelegt. Die Einspruchsabteilung hat ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, dieses verspätet vorgebrachte Beweismittel in das Einspruchsverfahren zuzulassen (Begründung der angefochtenen Entscheidung: Absatz 1.2).

1.3.2 Es wird von der Beschwerdegegnerin nicht behauptet, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen in unkorrekter Weise in Anwendung falscher Ermessenskriterien ausgeübt hat. Zwar hat die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebracht, dass ihr rechtliches Gehör verletzt wurde, hat jedoch dabei lediglich materiell-rechtliche Argumente dargelegt, welche mit der Relevanz der D7 zu tun haben (mangelnder Information bezüglich der Komponenten und das Verfahren; kein fairer Vergleich zum nächstliegendem Stand der Technik; Formulierung der gelösten Aufgabe), jedoch nicht mit der formellen Frage der Zulassung der D7 in das Verfahren. Da D7 fristgerecht eingereicht wurde und die Beschwerdegegnerin die Möglichkeit hatte, sich bezüglich der Zulassung der D7 ins Einspruchsverfahren zu äußern (wobei nicht gezeigt wurde oder dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung oder der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen ist, dass die Beschwerdegegnerin z.B. während des Einspruchsverfahrens einen Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung gestellt und begründet hat), ist für die Kammer nicht ersichtlich, dass ihr rechtliches Gehör in Bezug auf die Zulassung der D7 verletzt wurde und somit ein wesentlicher Verfahrensfehler vorliegt. Dieses Argument wird daher zurückgewiesen.

1.3.3 Unter solchen Umständen ist es für die Kammer nicht klar, unter welcher Bestimmung des EPÜs dem Antrag auf Nicht-Zulassung der D7 stattgegeben werden könnte. Obwohl diese Schlussfolgerung bereits im Bescheid der Kammer angegeben wurde (Absatz 4.3) hat die Beschwerdegegnerin, insbesondere während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, keine Rechtsgrundlage zur Unterstützung ihres Einwands angegeben.

1.3.4 Da D7 Teil des Einspruchsverfahrens war und die Entscheidung auf D7 beruht (Begründung der angefochtenen Entscheidung: Seite 7, letzter Absatz), ist D7 somit Teil des Beschwerdeverfahrens (Artikel 12 (2) VOBK 2020). In Anbetracht des vorrangigen Zieles des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen (Artikel 12 (2) VOBK 2020), und angesichts des Hauptantrags der Beschwerdeführerin auf Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form gemäß dem in der angefochtene Entscheidung behandelten Hauptantrag, erfordert die vorliegende Beschwerde eine Überprüfung der Entscheidung im Hinblick auf unter anderem die auf der Grundlage von D7 gezogene Schlussfolgerung. Gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 hat zwar die Kammer die Befugnis, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden sollen oder dort nicht zugelassen worden sind. Jedoch findet Artikel 12 (4) VOBK 2007 keine Anwendung auf Beweismittel, die im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht und zugelassen worden sind. Die VOBK bietet daher auch keine rechtliche Grundlage für eine (rückwirkende) Nichtzulassung der D7.

1.3.5 Aus diesen Gründen muss die Kammer D7 berücksichtigen (Artikel 12 (2) VOBK 2007).

1.4 Dokumente D7a und D7b

1.4.1 Das Dokument D7a wurde erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht und liegt dem Beschwerdeverfahren daher grundsätzlich gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2020 zugrunde. Somit ist zu entscheiden, ob D7 gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 nicht zuzulassen ist.

1.4.2 Nach Meinung der Kammer ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass D7a lediglich einer Ergänzung von D7 entspricht. Insbesondere beinhaltet D7a keine neuen Versuche, sondern dient dazu, den Gegenstand der D7 zu interpretieren, da die Beschwerdeführerin der Meinung ist, dass die Einspruchsabteilung ihre Argumentation basierend auf den Daten von D7 nicht richtig verstanden habe. In diesem Zusammenhang wurde es von der Beschwerdegegnerin nicht gezeigt, dass D7a irgendwelche zusätzliche technische Information im Vergleich zu D7 beinhaltet.

1.4.3 Darüber hinaus wird D7a nicht dazu verwendet, einen neuen Fall aufzubauen, sondern wird lediglich zur Untermauerung der gleichen Argumentation bezüglich der erfinderischen Tätigkeit wie im Einspruchsverfahren bereits vorgelegt, verwendet, nämlich um zu zeigen, dass die beanspruchten Vulkanisate einen besseren Kompromiss von Eigenschaften als der Stand der Technik aufweisen.

1.4.4 Unter solchen Umständen ist es nicht gerechtfertigt, dass die Kammer ihre Befugnis unter Artikel 12 (4) VOBK 2007 dahingehend ausübt, D7a nicht in das Verfahren zuzulassen.

1.4.5 D7b wurde mit dem letzten Schreiben der Beschwerdeführerin eingereicht, wobei eine andere Interpretation der Daten von D7a bezüglich der Bruchdehnung gemacht wurde.

Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Rechtfertigung in Bezug auf einen copy/paste-Fehler für die in D7b vorgenommenen Korrekturen ist für die Kammer nicht glaubhaft, da die Beschwerdeführerin selbst in ihrer Beschwerdebegründung die in D7a angegebene Interpretation explizit untermauert hat (Seite 6, erster Absatz, letzter Satz). Auch sprechen die in D7a angegebenen Werte in Bezug auf die Bruchdehnung im Vergleich zum Beispiel 2 dagegen.

Jedoch stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin zu, dass es für den Fachmann offensichtlich ist, dass die Bruchdehnungswerte nur dann besser sind, je größer sie sind. Somit wäre es für den Fachmann sofort ersichtlich, dass die Bruchdehnung-Daten der D7 wie im D7b zu interpretieren sind und dass die im D7a gegebene Interpretation dieser Daten auf einen naheliegenden Fehler zurückzuführen ist.

Aus diesen Gründen hält die Kammer es im vorliegenden Fall für angebracht, ihr Ermessen gemäß Artikel 13 (1) VOBK 2020 sowie Artikel 13 (1) VOBK 2007 und ihre Befugnis nach Artikel 13 (3) VOBK 2007 so auszuüben, D7b ins Verfahren zuzulassen.

1.4.6 Somit sind D7, D7a und D7b im Verfahren.

Hauptantrag

2. Neuheit

2.1 Der einzige von der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Einwand bezüglich Artikel 54 EPÜ betrifft die Beispiele 17 und 18 von D3, wobei, wie während des Einspruchsverfahrens (siehe Absatz II.2.3.2 der angefochtenen Entscheidung), von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wird, dass der Inhalt von D3 (auf Japanisch) identisch mit dem Inhalt von D3a (auf Englisch) ist. Somit wird D3 auf der Grundlage der Offenbarung von D3a in der vorliegenden Entscheidung analysiert.

2.2 Gemäß den Beispielen 17 und 18 der D3a werden die Vulkanisate in zwei Stufen hergestellt (D3a: Absätze 46-47). In einer ersten Stufe wird ein Carboxylgruppen-enthaltender Acrylgummi durch Vermischen eines Acrylgummis, Stearinsäure, 4,4-bis(alpha,alpha-Dimethylbenzyl)Diphenylamin, Ruß, Stearylamin und flüssiges Paraffin hergestellt. In einer zweiten Stufe werden ferner 2,2-bis[4-(4-Aminophenoxy)Phenyl]Propan, Trioctylamin und DBU zu der in der ersten Stufe erhaltenen Zusammensetzung zugegeben und vulkanisiert (D3a: Absätze 48 and 50).

2.3 Die Entscheidung der Einspruchsabteilung in Bezug auf Artikel 54 EPÜ gegenüber D3/D3a stützte sich inter alia auf folgende Argumente (siehe Absatz zwischen der Seiten 6 und 7), welche von der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren weiterhin bestritten werden (Antwort zur Beschwerdebegründung: Absätze II.2.1-2 und II.2.1.3):

a) Es liege kein Nachweis vor, welcher das Argument der Beschwerdegegnerin, dass in den Beispielen 17 und 18 der D3 ein DBU-Salz in situ entstehen würde, stütze und dieses Argument sei angesichts des in diesen Beispielen durchgeführten Verfahrens nicht einleuchtend.

b) Die Kombination der Beispiele 17 und 18 mit einzelnen, aus der langen Liste in Absatz 23 ausgesuchten, DBU-Salzen, sei nicht als offenbart anzusehen.

2.4 Bezüglich Argument a)

Die Beschwerdegegnerin hat keinen Beweis vorgelegt, um zu zeigen, dass am Ende der Verfahrensstufe gemäß Absatz 46 oder 47 von D3a, Stearinsäure zwangsläufig noch vorhanden ist. Somit ist von der Beschwerdegegnerin immer noch nicht gezeigt worden, dass in den Zusammensetzungen der Beispiele 17 und 18 der D3/D3a, Stearinsäure zusammen mit DBU zwingend anwesend ist. Somit kann auch die Lehre von D9, nachdem unter Vulkanisationsbedingungen Amine mit einer zugefügten Säure wie Stearinsäure zum Salz reagieren (D9: Seite 1, Zeilen 10-15), die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung nicht ändern.

Auch hat die Beschwerdegegnerin ihre Aussage, dass in den Beispielen 17 und 18 der D3/D3a DBU-Salze entstehen würden, da DBU die stärkste der unter der in den Beispielen von D3a eingesetzten Base sei, nicht mit Fakten untermauert. Daher hat die Beschwerdegegnerin nicht gezeigt, dass eine solche Reaktion unter den Bedingungen des in den Beispielen 17 und 18 der D3a Herstellungsverfahrens tatsächlich stattfindet und dazu führt, dass ein DBU-Salz zwangsläufig in dem so entstandenen Vulkanisat vorhanden ist.

Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer brachte die Beschwerdegegnerin vor, dass die in D7/D7a/D7b angegebene Indikation "DBU+(organische Säure)" auf eine in-situ Herstellung eines DBU-Salzes hinweisen würde. Jedoch wurde im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 18. April 2017 explizit angegeben (Seite 3, erster Absatz, zweiter Satz), dass die in D7 verwendeten Kautschukmischungen entweder flüssiges DBU oder "DBU-Salz" enthalten. Dies würde ferner während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer von der Beschwerdeführerin bestätigt. Somit ist die von der Beschwerdegegnerin vorgeschlagene Interpretation der D7 nicht überzeugend und wird von der Kammer zurückgewiesen.

2.5 Bezüglich Argument b)

Die Beschwerdegegnerin hat kein Argument vorgebracht, um zu zeigen, dass die spezifische Kombination von einem der Beispiele 17 oder 18 mit einem der auf Seite 5, Zeilen 4-7 von D3a offenbarten DBU-Salze dem Dokument D3a direkt und unmittelbar zu entnehmen ist. Insbesondere enthält D3a keinen Hinweis, die Beispiele 17 und 18 abzuändern, wobei eines dieser spezifischen DBU-Salze anstatt von DBU eingesetzt wird.

2.6 Unter solchen Umständen geben die Einwände der Beschwerdegegnerin bezüglich Artikel 54 EPÜ der Kammer keinen Anlass, die Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich der Neuheit gegenüber D3/D3a, zu ändern.

3. Erfinderische Tätigkeit

3.1 Nächstliegender Stand der Technik

Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin sind im Einklang mit der Einspruchsabteilung der Auffassung, dass die Beispiele 17 und 18 der D3/D3a den nächstliegenden Stand der Technik darstellen. Die Kammer sieht keinen Grund, davon abzuweichen.

3.2 Unterscheidungsmerkmal(e)

Aus den oben angegeben Gründen (Sektion 2), unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 von dem im Beispiel 17 oder 18 vorbereiteten Vulkanisat dadurch, dass ein DBU-Salz in der zu vulkanisierenden Kautschukmischung vorliegt.

3.3 Die gegenüber den Beispielen 17 oder 18 der D3 gelöste Aufgabe

3.3.1 Die Parteien waren sich nicht einig, wie die gegenüber den Beispielen 17 oder 18 der D3 tatsächlich gelöste Aufgabe formuliert werden soll. In diesem Zusammenhang ist bei der objektiven Ermittlung dieser Aufgabe zunächst von der im Streitpatent formulierten Aufgabe auszugehen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage, 2019, I.D.4.3.2).

3.3.2 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass es in D7 und D7b gezeigt wird, dass die gegenüber den Beispielen 17 oder 18 der D3 gelöste technische Aufgabe in der Bereitstellung eines Vulkanisats mit einem verbesserten Kompromiss von Eigenschaften besteht, wobei dieser Kompromiss in Form einer Wichtung von drei Parametern (20% Bruchdehnung, 40% Druckverformungsfest, 40% Scorch-Zeit) definiert ist, welche von der Beschwerdeführerin als "Gesamtindikator" benannt wurde (Beschwerdebegründung: Seite 6, unten bis Seite 7, Mitte).

Jedoch wurde es nicht bestritten, dass eine solche Definition der zu lösenden Aufgabe aus der ursprünglichen Offenbarung nicht zu entnehmen ist, wie im Bescheid der Kammer bereits angegeben (Absatz 6.3.2). Es ist insbesondere anzumerken, dass das Streitpatent gar keine Beispiele enthält und keine explizite Basis für die Definition eines solchen Gesamtindikators enthält.

Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass aus den Absätzen 5 und 11 des Streitpatents hervorgehe, dass die Aufgabe der vorliegenden Erfindung in der Verbesserung dieser drei Eigenschaften bestehe. Jedoch betrifft der Absatz 5 des Streitpatents Vorteile, welche auf dem Ersatz des Co-Vernetzers DOTG (Di-ortho-Tolylguanidin) und somit auf einem Vergleich von DBU, sowohl in flüssiger Form oder als Salz (gemäß dem Streitpatent könnten beide Formen verwendet werden: siehe Anspruch 1 und Absätze 6, 8 und 9) gegenüber DOTG und nicht auf einem Vergleich zwischen flüssiges DBU und DBU-Salzen (gemäß D7/D7B) beruhen. Darüber hinaus werden in den Absätzen 5 und 11 des Streitpatents Eigenschaften wie Vulkanisationsgeschwindigkeit (wobei von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten wird, dass dies mit der Scorch-Zeit zusammen hängt) und Druckverformungsrest (DVR) zwar erwähnt, jedoch werden dort auch andere Eigenschaften angegeben (Lagerstabilität, Wärmealterung, physikalische Eigenschaften), welche in der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Formulierung der gelösten Aufgabe nicht aufgenommen wurden. Insbesondere ist die Bruchdehnung gar nicht im Streitpatent offenbart.

Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die drei Eigenschaften Bruchdehnung, Druckverformungsfest und Scorch-Zeit für die im geltenden Anspruch 1 angegebenen Schläuche von besonderer Bedeutung seien. Somit würde das Streitpatent auf diese Kombination hinweisen. Jedoch sei aus der Patentschrift selbst zu entnehmen, dass andere Eigenschaften, wie Lagerstabilität, (andere) physikalische Eigenschaften, Wärmealterungsprozess auch von Bedeutung sein können. Somit ist die von der Beschwerdeführerin betrachtete Kombination von Eigenschaften rein willkürlich. Diese Schlussfolgerung wird durch die Tatsache verstärkt, dass die Beschwerdeführerin vorgebracht hat, dass für die Definition des sogenannten Gesamtindikators die für den jeweiligen Anwendungsfall relevanten Parameter zueinander in Wichtung gestellt wurden (Beschwerdebegründung: Seite 6, siebte und achte unteren Zeilen): somit ist die Definition dieses Gesamtindikators rein subjektiv und könnte auch von dem Fachmann, anhand der Patentschrift, auf der Basis von anderen Eigenschaften definiert werden (z.B. Lagerstabilität, Wärmealterung, andere physikalische Eigenschaften wie z.B. die in D7 ebenfalls untersuchten Module, Zugfestigkeit oder Härte).

Auch die von der Beschwerdeführerin verwendete Wichtung (20%/40%/40%) der für die Formulierung der gelösten Aufgabe verwendeten Eigenschaften erscheint für die Kammer aus den gleichen Gründen rein willkürlich und ist auf jeden Fall nicht aus dem Streitpatent bzw. der ursprünglichen Offenbarung zu entnehmen.

Somit ist die von der Beschwerdeführerin betrachtete Formulierung der tatsächlich gelösten technischen Aufgabe nicht zulässig.

3.3.3 Ferner ist die Formulierung der zu lösenden Aufgabe in Form der Bereitstellung eines besseren Kompromisses von Eigenschaften, ohne diesen Kompromiss genau zu definieren (wie im Erstinstanzverfahren) auch nicht zulässig, da mit einer solchen relativen Definition, die Aufgabe nicht eindeutig definiert wäre.

3.3.4 Darüber hinaus ist der Einspruchsabteilung zuzustimmen, dass sich aus D7 keine einheitliche Ergebnislage aus der Verwendung eines beliebigen DBU-Salzes anstatt von DBU ableiten lässt. Insbesondere kann nicht darauf geschlossen werden, dass irgendwelche Eigenschaften für die Beispiele 1, 5, 6 und 7, welche gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 sind, besser als für das Vergleichsbeispiel 2, welches laut Beschwerdeführerin dem nächstliegenden Stand der Technik entspricht (was von der Beschwerdegegnerin bestritten ist), sind. Ferner zeigen die Beispiele 1 und 6 der D7/D7b, welche beide mit unterschiedlichen Dicarbonsäuresalzen des DBU durchgeführt wurden, unterschiedliche Eigenschaftsprofile, wobei sogar die drei Eigenschaften Bruchdehnung, Druckverformungsfest und Scorch-Zeit in entgegensetzte Richtungen variieren.

3.3.5 Unter solchen Umständen gibt es für die Kammer keinen Grund, eine andere Formulierung der tatsächlich gelösten Aufgabe als die gemäß Seite 8, Absatz 2 der angefochtenen Entscheidung anzuwenden, nämlich die Bereitstellung eines weiteren Vulkanisats als Alternative zu den Vulkanisaten gemäß den Beispielen 17 und 18 von D3.

3.4 Naheliegen der Lösung

3.4.1 Die Frage ist zu beantworten, ob es für den Fachmann naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, dass man zum beanspruchten Gegenstand kommt, mit dem Zweck, die oben definierte Aufgabe zu lösen.

3.4.2 Um lediglich zu einem weiteren Vulkanisat als Alternative zu den Vulkanisaten gemäß Beispiele 17 und 18 von D3/D3a zu gelangen, ist es nach Meinung der Kammer naheliegend, irgendwelche Komponenten der im Absatz 23 der D3a angegebene Liste von möglichen Alternativen zu DBU zu verwenden, insbesondere ein Salz wie 2-Ethylhexanoat DBU (D3a: Seite 5, Zeilen 4-5) oder, wie bereits von der Einspruchsabteilung angenommen, das Phenolat des DBU (Seite 8 der strittigen Entscheidung, dritter Absatz).

3.5 Aus diesen Gründen ist der Anspruch 1 des Hauptantrags nicht erfinderisch und der Hauptantrag nicht gewährbar.

Hilfsanträge 1 und 2

4. Zulassung

4.1 Die Beschwerdeführerin beantragt, dass die Hilfsanträge 1 und 2 nicht in das Verfahren zugelassen werden.

4.2 Die Frage der Nichtzulassung der Hilfsanträge 1 und 2 ins Verfahren, welche von der Beschwerdeführerin gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2007 zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden, ist nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 zu beurteilen (siehe Absatz 1.2 oben). Somit ist die Frage zu beantworten, ob es gerechtfertigt wäre, diese Anträge nach Artikel 12 (4) VOBK nicht zuzulassen, weil diese bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung hätten eingereicht werden können und müssen.

4.3 In diesem Zusammenhang ist es für die Kammer nicht ersichtlich, warum diese Hilfsanträge nicht früher vorgelegt worden sind. Insbesondere wurde der Einwand, dass der Hauptantrag gegenüber D3/D3a nicht erfinderisch sei, bereits im Erstinstanzverfahren erfolgreich vorgebracht.

Es wurde auch nicht gezeigt, dass es nach dieser Entscheidung der Einspruchsabteilung eine überraschende Entwicklung der Sachlage gegeben hat, die rechtfertigen könnte, dass diese Anträge erst mit der Beschwerdebegründung eingereicht worden sind. Es ist aus der strittigen Entscheidung und dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung sogar zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin auf das Einreichen von Hilfsanträgen verzichtet hat (siehe insbesondere Punkt 1 und 6 des Protokolls).

4.4 Die Beschwerdeführerin legte dar, dass diese Hilfsanträge erst zusammen mit der Beschwerdebegründung aus verfahrensökonomischen Gründen, angesichts der nicht zutreffenden Interpretation der Daten der D7/D7a seitens der Einspruchsabteilung, eingereicht wurden. Die Beschwerdeführerin erklärte schriftlich, dass die gleiche Argumentationslinie basierend auf D7/D7a(D7b) wie für den Hauptantrag gelte, wobei die Verwendung von mehr spezifischen DBU-Salzen anstatt von reinem DBU zu dem Erreichen von besonders guten Gesamtindikatorwerten führe (Beschwerdebegründung: Absatz zwischen den Seiten 9 und 10; Seite 12, zweiter Absatz).

Unabhängig davon, ob diese Hilfsanträge tatsächlich den Einwand der fehlenden erfinderischen Tätigkeit gegenüber D3/D3a ausräumen können oder nicht, ist es jedoch aus den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumenten für die Kammer nicht ersichtlich, warum diese Hilfsanträge und diese Argumentation nicht vor der Einspruchsabteilung vorgebracht werden konnten. Da dies nicht gemacht wurde, hatte die Einspruchsabteilung keine Möglichkeit, eine Entscheidung bezüglich dieser Hilfsanträge zu treffen. Somit würde die Zulassung dieser Hilfsanträge gegen das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen (Artikel 12 (2) VOBK 2020), sprechen. Ferner würde die Zulassung dieser Hilfsanträge, falls - wie in der mündlichen Verhandlung angekündigt - neue Argumente von der Beschwerdeführerin vorgebracht würden, die erstmalig im Beschwerdeverfahren zu besprechen wären, gegen die gebotene Verfahrensökonomie sprechen (Artikel 13 (1) VOBK 2020). Aus diesen Gründen hätten die Hilfsanträge 1 und 2 vor der Einspruchsabteilung vorgelegt werden müssen, wenn die Beschwerdeführerin die Absicht hatte, sie zu verteidigen.

4.5 Unter solchen Umständen hält die Kammer es für angebracht, ihre Befugnis nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 auszuüben und die Hilfsanträge 1 und 2 nicht in das Verfahren zuzulassen.

5. Da der Hauptantrag nicht gewährbar ist und die Hilfsanträge 1 und 2 nicht zugelassen werden, ist die Beschwerde zurückzuweisen und die Kammer braucht über weitere Einwände nicht zu entscheiden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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