T 1808/17 (Konservieren von Gegenständen/Altelier Pummer) of 22.5.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T180817.20190522
Datum der Entscheidung: 22 Mai 2019
Aktenzeichen: T 1808/17
Anmeldenummer: 02450176.9
IPC-Klasse: C04B 41/81
B27K 3/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren zum Konservieren von Gegenständen aus Stein etc. und Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens
Name des Anmelders: Atelier Erich Pummer GmbH
Name des Einsprechenden: IBACH Steinkonservierung GmbH & Co. KG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 111(1)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Beschwerdeentscheidung - Zurückverweisung an die erste Instanz (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP-B-1 295 859 zu widerrufen.

Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100(c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehe. In ihrer Entscheidung vertritt sie insbesondere die Ansicht, dass die ursprünglich eingereichten Unterlagen das Merkmal nicht offenbarten, wonach die Zufuhr des Mediums aufrecht bleibe, auch wenn das Medium die Absaugöffnung erreicht habe.

II. Die unabhängigen Ansprüche des erteilten Patents lauten wie folgt:

"1. Verfahren zum Konservieren von Gegenständen aus Stein, Keramik, z.B. Terrakotta, oder Holz, insbesondere von Plastiken, Reliefs, Fassaden bzw. Fassadenteilen, wobei um den oder auf dem zu behandelnden Gegenstand eine luftdichte Umhüllung aus Kunststofffolie angeordnet wird, wobei in der Folie mindestens eine Absaugöffnung und im räumlichen Abstand davon mindestens eine Einlassöffnung vorgesehen ist, worauf an die Absaugöffnung über eine Absaugleitung Vakuum angelegt wird und wobei das Vakuum auch aufrecht erhalten wird, wenn das Medium die Absaugöffnung erreicht, und wobei an der Einlassöffnung über eine Mediumleitung Medium, bevorzugt Konservierungsmedium aus einem Behälter, zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Fläche der Kunststofffolie größer ist als die Fläche der Oberfläche des zu behandelnden Gegenstandes und so um diesen oder auf diesem unter Ausbildung eines Zwischenraums angeordnet wird, und dass die Zufuhr des Mediums aufrecht bleibt, auch wenn das Medium die Absaugöffnung erreicht hat, sodass die Strömung des Mediums um den Gegenstand herum und in seinem Inneren weiter aufrecht erhalten wird, und dass in der Absaugleitung ein Flüssigkeitsabscheider angeordnet ist, der mitgerissenes Medium in einen Behälter (5',5") abscheidet."

"9. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 8, mit einem Vorratsbehälter (5", 5') für das Medium, von dem eine Mediumleitung (13) zu zumindest einer Einlaßöffnung (14) in einer Folienumhüllung (4) des zu konservierenden Objektes (1) führt, wobei in der Folienumhüllung (4) zumindest eine Absaugöffnung (6) vorgesehen ist, die mittels einer Vakuumleitung (10) mit einer Vakuumpumpe (2) verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass in der Vakuumleitung (10) ein Abscheidebehälter (5', 5") vorgesehen ist und dass die beiden Behälter (5',5") jeweils wahlweise über Ventile (8',8"; 9',9"; 12',12") in die Vakuumleitung (10) und die Absaugleitung (7) bzw. in die Mediumleitung (13) geschalten sind, und dass die beiden Behälter (5',5") in ihrem oberen Bereich mit der Umgebungsluft in Verbindung gebracht werden können."

III. Folgende Dokumente sind hier von Relevanz:

D1: AT 408 848 B

D2: DE 1 173 380

D3: DE 2 354 437

D4: DE 2 743 525

D5: C. Selwitz, Epoxy resins in stone conservation,

Research in conservation, 7, 1992, Kapitel 9,

Application Procedures, Seiten 74 bis 76

D6: J. Ashurst and F.G. Dimes, Conservation of Building

and Decorative Stone, second edition, 1998, Seiten

29 und 30

IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) reichte keine Beschwerdeerwiderung ein.

V. In der Mitteilung unter Artikel 15(1) VOBK war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass der Hauptantrag (Patent wie erteilt) gewährbar sei.

VI. Da die Beschwerdegegnerin daraufhin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknahm, konnte diese abgesagt werden. Somit kann diese Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrecht zu erhalten. Alternativ beantragt sie, das Patent in geänderter Fassung auf Basis eines der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrecht zu erhalten.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag - Patent wie erteilt

1. Artikel 100(c) EPÜ

Die Kammer kann der Einspruchsabteilung aus folgenden Gründen nicht zustimmen.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 geht unmittelbar und eindeutig aus Anspruch 1 sowie der Beschreibung Seite 3, Zeilen 16 bis 19 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hervor. Die zitierte Passage bezieht sich auf den vorherigen Abschnitt (Zeilen 10 bis 15), wo die Merkmale angegeben sind, die bereits im Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Fassung vorhanden sind. Dieser Abschnitt erläutert, dass die beanspruchte Dimensionierung der Folie um die Oberfläche des zu behandelnden Objektes und die Aufrechterhaltung des Vakuums, wenn die Flüssigkeit bereits bis zur Absaugvorrichtung gelangt ist, sowie die Existenz des Flüssigkeitsabscheiders in der Absaugleitung zur Folge haben, dass die Strömung des Konservierungsmediums um das Objekt und im Objekt aufrecht erhalten bleibt. Diese Folge ist jetzt im Anspruch 1 explizit genannt.

Das in der zitierten Passage erwähnte und von der Einspruchsabteilung im Anspruch als fehlend erachtete zusätzliche Merkmal "die Einlassöffnung wird dabei möglichst tief und die Absaugöffnung möglichst hoch angeordnet" gibt an, wie das zu erreichende Ziel des Aufrechterhaltens der Strömung gewährleistet werden kann. Dieses Merkmal hat keine eindeutige Bedeutung, da der Fachmann nicht genau weiß, was unter "möglichst tief" und "möglichst hoch" zu verstehen ist. Der Fachmann wird diesen Satz so auslegen, dass die Einlass- bzw. Auslassöffnung so angeordnet sein müssen, dass sie gewährleisten, dass das im Anspruch formulierte Ziel "dass die Strömung des Mediums um den Gegenstand herum und in seinem Inneren aufrecht erhalten wird" erreicht werden kann.

Anders ausgedrückt impliziert das Merkmal "dass die Strömung des Mediums um den Gegenstand herum und in seinem Inneren aufrecht erhalten wird" bereits eine spezielle Anordnung der Einlass- bzw. Auslassöffnung, sodass das Weglassen im Anspruch des nicht eindeutig definierten Merkmals "die Einlassöffnung wird dabei möglichst tief und die Absaugöffnung möglichst hoch angeordnet" den Gegenstand gegenüber der ursprünglichen Offenbarung nicht verändert. Dieses Merkmal ist also durch das im Anspruch 1 angegebene zu erreichende Ziel bereits im Anspruch vorhanden.

Diese Schlussfolgerung ist auch im Einklang mit dem Rest der Beschreibung, die mehrere Möglichkeiten der Anordnung der Einlass- bzw. Auslassöffnung angibt, um das gewünschte Ziel zu erreichen (siehe z.B. Seite 4, Zeile 26 bis Seite 5, Zeile 2 oder Seite 5, Zeilen 3 bis 5 oder Seite 8, Zeilen 25 bis 30).

2. Artikel 111(1) EPÜ

Obwohl die angefochtene Entscheidung nur auf Artikel 100(c) basierte, übt die Kammer angesichts der langen Verfahrensdauer vor der ersten Instanz und des Anmeldedatums des Patents ihr Ermessen unter Artikel 111(1) EPÜ dahingehend aus, auch die erstinstanzlich unter Artikel 100(a) EPÜ erhobenen Einwände zu prüfen.

3. Anspruch 1 - Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ

Das Erfordernis des Artikels 54 EPÜ ist aus folgenden Gründen erfüllt:

3.1 D1 offenbart ein Verfahren zum Behandeln von Bau- oder Dekorationselementen aus Stein, Kunststein oder Holz. Die benutzte Hülle liegt eng am Element an (Seite 2, Zeilen 41 und 42). D1 offenbart keinen Flüssigkeitsabscheider (Figuren 1 und 3).

3.2 D2 offenbart ein Verfahren zur Durchführung von Maßnahmen zur Konservierung von porösen Steinen, wobei man den überwiegenden Teil der Oberfläche des Steines mit einer gasdichten Hüllfolie überzieht, den frei gelassenen Teil seiner Oberfläche der Einwirkung eines flüssigen Lösungsmittels aussetzt und die Hüllfolie an mindestens einer Stelle mit einer Durchtrittsöffnung für den gasdichten Anschluss einer Absaugleitung versieht, die mit einer Vakuumpumpe verbunden ist (Anspruch 1). Da die in Figur 1 gezeigte Skulptur im Behälter mit Imprägnierungsmittel steht und die Folie unten geöffnet ist, offenbart D2 weder eine Mediumleitung noch die Fläche der Kunststofffolie, die größer sein muss als die Oberfläche des zu behandelnden Gegenstandes.

3.3 Weder D5 noch D6 offenbaren einen Flüssigkeits-abscheider.

4. Anspruch 1 - Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ

Die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ sind aus folgenden Gründen erfüllt:

4.1 D2 ist nächstliegender Stand der Technik, da es auch die Konservierung von Gegenständen aus Stein betrifft und in Figur 1 und der dazugehörigen Beschreibung ein Verfahren offenbart wird, das alle Merkmale des beanspruchten Gegenstandes aufweist mit Ausnahme der Mediumleitung und der Fläche der Kunststofffolie, die größer sein muss als die Oberfläche des zu behandelnden Gegenstandes (siehe Punkt 3.2).

4.2 Die zu lösende Aufgabe gegenüber D2 kann wenigstens darin gesehen werden, ein alternatives Verfahren bereit zu stellen.

4.3 Als Lösung wird ein Verfahren gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen, dadurch gekennzeichnet, dass die Fläche der Kunststofffolie größer ist als die Fläche der Oberfläche des zu behandelnden Gegenstandes und so um diesen oder auf diesem unter Ausbildung eines Zwischenraums angeordnet wird und dass an der Einlassöffnung über eine Mediumleitung Medium aus einem Behälter zugeführt wird.

4.4 Die Lösung ist für den Fachmann nicht naheliegend, da keines der Dokumente solche Zwischenräume lehrt, die es erlauben das Medium um den zu konservierenden Gegenstand zu führen. D1 und D5 erwähnen eine eng angelegte Hülle (D1: Seite 2, Zeile 42; D5: Seite 75, zweiter Absatz "tight-fitting"), D3 und D4 einen strömungsmitteldichten Überzug (D3: Seite 4, zweiter Absatz; D4: Seite 10, zweiter Absatz), und D6 offenbart, dass die Flüssigkeit im Innern des Gegenstandes fließt (Seite 29, rechte Spalte, zweiter Absatz "move up the sculpture"). Die Lehren der D1 und D3 bis D6 gehen also in eine andere Richtung als die vorgeschlagene Lösung, sodass diese Dokumente keinen Anlass geben, die Folie größer als die Fläche der Oberfläche zu gestalten und diese um den zu behandelnden Gegenstand oder auf diesem unter Ausbildung eines Zwischenraums anzuordnen.

5. Anspruch 9

Der Gegenstand von Anspruch 9 wurde bereits erstinstanzlich nicht substantiiert angegriffen. Die Kammer ist der Ansicht, dass die Erfordernisse der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit für diesen Anspruch erfüllt sind, insbesondere da er eine Vorrichtung betrifft, welche zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 geeignet ist und eine in D2 nicht offenbarte Verschaltung von Vorrats- und Abscheidebehälter umfasst.

6. Der Hauptantrag (Patent wie erteilt) ist somit gewährbar.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird in unveränderter Form

aufrechterhalten.

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