European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T133217.20210526 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 26 Mai 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1332/17 | ||||||||
Anmeldenummer: | 10163463.2 | ||||||||
IPC-Klasse: | A47L 9/14 B01D 46/52 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Staubsaugerfilterbeutel | ||||||||
Name des Anmelders: | Eurofilters Holding N.V. | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Wolf PVG GmbH & Co. KG | ||||||||
Kammer: | 3.2.04 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (nein) Neuheit - Hauptantrag (nein) Neuheit - Hilfsantrag (nein) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, zur Post gegeben am 31. März 2017, das europäische Patent Nr. 2 366 321 in geändertem Umfang nach Artikel 101(3)a) EPÜ aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass das nach dem während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 1 geänderte Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung unter anderem die folgenden Entgegenhaltungen berücksichtigt:
D3 EP 1 683 460 A1
D10 EP 1 091 795 B1
III. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin am 7. Juni 2017 Beschwerde eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdebegründung folgte am 10. August 2017.
IV. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2019 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung zu den Sachfragen mit. Die mündliche Verhandlung fand am 26. Mai 2021 in Anwesenheit aller am Beschwerdeverfahren beteiligten Parteien statt. In der mündlichen Verhandlung ließ die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin ihren bis dahin geltenden Hilfsantrag 2 fallen.
V. Die Beschwerdeführerin Patentinhaberin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, hilfsweise im Umfang eines der Hilfsanträge 1 - 3 wie mit der Beschwerdebegründung eingereicht bzw. die Zurückweisung der Beschwerde (Hilfsantrag 4). Hilfsantrag 4 entspricht der Aufrechterhaltung des Patents im beschränkten Umfang gemäß dem Hilfsantrag 1, den die Einspruchsabteilung als gewährbar erachtete.
VI. Die Beschwerdegegnerin Einsprechende beantragt die Zurückweisung der Beschwerde.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 der für diese Entscheidung relevanten Anträge hat den folgenden Wortlaut:
Hauptantrag (Patent wie erteilt)
"Staubsaugerfilterbeutel mit einer ersten ein Filtermaterial umfassenden Beutelwand und einer zweiten ein Filtermaterial umfassenden Beutelwand, wobei die erste und die zweite Beutelwand entlang ihres Umfangs derart miteinander verbunden sind (120, 130, 140; 820, 830; 840) dass der Staubsaugerfilterbeutel vollständig geschlossen ist, wobei das Filtermaterial der ersten und der zweiten Beutelwand aus Vliesstoff gebildet ist, wobei der Staubsaugerfilterbeutel eine Eintrittsöffnung (102), durch die zu reinigende Luft in den Staubsaugerfilterbeutel einströmen kann, und eine Halteplatte (103) aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die erste und/oder die zweite Beutelwand wenigstens fünf Falten (101; 801) aufweist."
Hilfsantrag 1
Wie im Hauptantrag, unter Hinzufügung des Merkmals "die eine Oberflächenfaltung bilden" am Ende des Kennzeichens.
Hilfsantrag 3
Wie im Hauptantrag, wobei Anspruch 1 die folgende Änderung aufweist (von der Kammer mit Unterstreichung hervorgehoben):
"... dadurch gekennzeichnet, dass die erste und/oder die zweite Beutelwand wenigstens fünf parallel zueinander verlaufende Falten (101; 801) aufweist."
VIII. Die Patentinhaberin als Beschwerdeführerin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Das Dokument D10 sei zu Recht von der Einspruchsabteilung nicht zum Verfahren zugelassen worden, da kein Staubsaugerfilterbeutel aus zwei getrennten und dann entlang ihrem Umfang miteinander verbundenen Lagen Vliesstoff offenbart werde. Zudem seien die omegaförmigen Auffaltungen nicht als Falten im Sinne des Streitpatents anzusehen. Außerdem mangele es der D10 an Ausführbarkeit ihres Offenbarungsgehalts.
Dessen ungeachtet sei der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 3 neu gegenüber der Offenbarung der D10.
IX. Die Einsprechende als Beschwerdegegnerin hat zu den entscheidungserheblichen Punkten Folgendes vorgetragen:
Das Dokument D10 sei zum Verfahren zuzulassen, da es einen Staubsaugerfilterbeutel mit den Merkmalen von Anspruch 1 des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 3 offenbare. Deren Gegenstand sei folglich nicht neu gegenüber der D10.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig.
Die "Anschlussbeschwerde" der Einsprechenden dagegen ist wegen einer Fristversäumung und einer nicht entrichteten Beschwerdegebühr unzulässig. Nach geltender Rechtsprechung, siehe G9/92, ist die Einsprechende lediglich als Beschwerdegegnerin an der Beschwerde der Patentinhaberin beteiligt. Daher kann weder die Beschwerdekammer noch die nicht beschwerdeführende Einsprechende als Beteiligte nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ die Fassung des Patents gemäß der Zwischenentscheidung, die dem Hilfsantrag 4 entspricht, in Frage stellen. Siehe hierzu RdBK, 9. Auflage 2019 V.A.3.1 und 3.1.5.
2. Anwendungsgebiet der Erfindung
Die Erfindung betrifft einen Staubsaugerbeutel aus Vliesmaterial mit einer ersten und einer zweiten Beutelwand. Die erste und/oder die zweite Beutelwand weist wenigstens fünf Falten auf. Dadurch lässt sich die zur Filtration verfügbare Fläche bei vorgegebenen Abmessungen des Staubsaugerfilterbeutels vergrößern (Patentschrift, Absatz 0015).
3. Hauptantrag - Neuheit gegenüber D10
3.1 Das im Einspruchsverfahren verspätet vorgelegte Dokument D10 wurde von der Einspruchsabteilung in Ausübung ihres Ermessens unter Artikel 114(2) EPÜ nicht in das Verfahren zugelassen. Zur Begründung hat die Einspruchsabteilung ausgeführt, dass der in Figur 27 und Anspruch 25 der D10 beschriebene Staubsauger-filterbeutel aus einer (einzigen) Werkstoffbahn zu einem Beutel zusammengelegt und an seinen Enden durch Verfestigung des Randbereichs geschlossen werde. Da die Werkstoffbahn in D10 zu einem Schlauch verbunden werde, offenbare das Dokument nicht, dass zwei distinkte Beutelwände vorgesehen seien. Dagegen sei das auf die Verbindung der ersten und zweiten Beutelwand entlang ihres Umfangs gerichtete Merkmal in Anspruch 1 des Hauptantrags so zu verstehen, dass zwei distinkte Beutelwände vorhanden sein müssen (Punkt 1.3 der Entscheidungsgründe).
3.2 Aus der Entscheidung zur Nichtzulassung der D10 geht hervor, dass die die Einspruchsabteilung die Relevanz des Dokuments in Bezug auf die Neuheit betrachtet hat. Im Beschwerdeverfahren beanstandet die Einsprechende als Beschwerdegegnerin diese Entscheidung und vertritt die Auffassung, Anspruch 1 sei prima facie nicht neu gegenüber D10. Die Kammer teilt diese Auffassung aus den folgenden Gründen:
3.2.1 Die Nichtzulassung der D10 durch die Einspruchs-abteilung beruht auf einer Ermessensentscheidung. Als solche ist sie nach ständiger Rechtsprechung nur eingeschränkt - das heißt nur auf Ermessensfehler - zu überprüfen. Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass in die Ermessensentscheidung eingeflossene materiell-rechtliche Fragen auf diesem Weg der Überprüfung durch die Beschwerdekammern entzogen werden. Hinsichtlich dieser Fragen, die den Kernbereich der Überprüfungskompetenz der Kammern ausmachen, haben diese vielmehr das ihnen durch Artikel 12(4) VOBK 2007 eingeräumte Ermessen selbst auszuüben. Somit ist auch eine prima facie Bewertung bei der Überprüfung einer Ermessensentscheidung z.B. auf offensichtliche Fehler zu prüfen (RdBK, 9. Auflage 2019, V.A.3.5.1c und die darin genannte Entscheidung T 47/14).
3.2.2 Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob der in D10 offenbarte Staubsaugerfilterbeutel eine erste und zweite Beutelwand umfasst, die entlang ihres Umfangs derart miteinander verbunden sind, dass der Staubsaugerfilterbeutel vollständig geschlossen ist. Die Beschwerdeführerin Patentinhaberin verneint das mit dem Argument, dass die beiden Beutelwände in D10 nicht voneinander getrennt waren, bevor sie zu einem Beutel verbunden wurden, da beide Wände unbestritten ein Teil derselben schlauchförmig geschlossenen Werkstoffbahn sind. Aus Sicht der Kammer liegt diesem Argument das Verständnis zugrunde, dass die beiden Beutelwände nur dann entlang ihres Umfangs miteinander "verbunden" sein können, wenn sie vorher voneinander getrennt waren.
3.2.3 Die Kammer sieht das anders. Bereits im normalen Sprachgebrauch umfasst der Begriff "verbunden" Anordnungen, bei denen die verbundenen Teile niemals voneinander getrennt waren. So ist ein Arm mit dem Rumpf oder ein Ast mit dem Baumstamm verbunden, ohne jemals von diesem getrennt gewesen zu sein. Dasselbe Begriffsverständnis findet sich auch im Streitpatent. Dort wird in Figur 12c ein Staubsaugerfilterbeutel mit einer ersten Beutelwand 1201c und einer zweiten Beutelwand 1202c beschrieben, dessen Beutelwände durch das Faltscharnier SII der Falte II miteinander verbunden sind (Patentschrift, Seite 3, Zeile 18: "miteinander verbunden"). Da die Schweißnaht 1203c in der unteren Beutelwand liegt, waren die beiden Beutelwände im Bereich der Falte II bzw. von deren Faltscharnier niemals voneinander getrennt. Obige Auslegung des Begriffs "verbunden" wird durch die Beschreibung der unterschiedlichen Herstellungs-verfahren für Flachbeutel in Absatz 0003 des Streitpatents bestätigt, wo die Beutelwände eines aus einem Schlauch hergestellten Beutels durch zwei Schweiß- und/oder Klebenähte und zwei Falten verbunden werden (Hervorhebung durch die Kammer). Diese Aussage im Streitpatents betont erneut, dass auch durch eine Falte die Beutelwände miteinander verbunden werden, obwohl sie zuvor an dieser Stelle nicht voneinander getrennt waren.
3.2.4 In diesem Zusammenhang ist zwischen den Parteien unstrittig, dass der Umfang eines Flachbeutels als Saum bezeichnet wird. Das Merkmal "entlang ihres Umfangs miteinander verbunden" in Anspruch 1 des Hauptantrags betrifft daher die Ausgestaltung des Saums. Da der Saum laut Absatz 0003 der Patentschrift durch Falten eines Stücks Filtermaterial gebildet sein kann, versteht ein Fachmann die vorangehend genannte Ausgestaltung des Staubsaugerfilterbeutels in dem Sinne, dass die beiden Falten zum Umfang der Beutelwände gehören. Folglich sind bei einem derart gefalteten und verschweißten Beutel die beiden Beutelwände entlang ihres gesamten Umfangs derart miteinander verbunden, dass der Staubsaugerbeutel geschlossen ist. Das ist auch in D10 der Fall, wo der in Figur 27 gezeigte Beutel an seinen Querkanten durch angebrachte Randbereiche 26 verbunden und an seinen Längskanten gefaltet ist, siehe Absatz 0049 der D10. Die nicht in der Figur gezeigte Ausgestaltung der unteren Querkante ist dabei unerheblich, da selbst bei Vorhandensein einer zusätzlichen Bodenwand die beiden Beutelwände mittelbar darüber miteinander verbunden wären, so dass der Staubsaugerbeutel vollständig geschlossen wäre.
3.2.5 Zusammengefasst ist Anspruch 1 des Hauptantrags bei diesem Verständnis des Begriffs "verbunden" nicht auf zwei distinkte, also getrennt voneinander vorliegende Beutelwände beschränkt, die durch ein Verbindungsverfahren wie Schweißen oder Kleben entlang ihres gesamten Umfangs miteinander verbunden worden sind. Da der Patentanspruch stattdessen auch aus einem Schlauch hergestellte Staubsaugerfilterbeutel umfasst, ist die Begründung der Einspruchsabteilung in allen Punkten widerlegt. Da außerdem alle anderen Merkmale des Anspruchs 1 in D10 offenbart sind (siehe den nachfolgenden Punkt der Entscheidung), handelt es sich bei D10 um ein Dokument, das in Bezug auf die Merkmale des Anspruchs 1 höchst relevant ist.
Gemäß Artikel 114 (2) EPÜ haben sowohl die Einspruchsabteilung als auch die Beschwerdekammern ein Ermessen, spät vorgelegte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen. Darüber hinaus hat die Kammer zudem die Befugnis nach Artikel 12 (4) VOBK 2007, Beweismittel auch dann zu berücksichtigen, wenn diese vor der Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassen worden sind. Die Kammer übte ihr Ermessen dahingehend aus, die D10 im Hinblick auf ihre Relevanz in Bezug auf Anspruch 1 in das Verfahren zuzulassen.
3.3 Hinsichtlich der Offenbarung im Dokument D10 stimmen die Parteien darin überein, dass dort in Figur 27 ein Staubsaugerfilterbeutel mit einer ersten, oberen, Beutelwand und einer zweiten, unteren, Beutelwand, einer Eintrittsöffnung und einer Halteplatte gezeigt ist. Der Beutel besteht aus einem Filtermaterial aus Vliesstoff, siehe die Absätze 0002 und 0030 sowie die Ansprüche 1 und 25 der D10. Darüber hinaus sind die erste und die zweite Beutelwand aus den im Absatz 3.2 dieser Entscheidung genannten Gründen entlang ihres Umfangs derart miteinander verbunden, dass der Staubsaugerfilterbeutel vollständig geschlossen ist.
Die Kammer muss darum nun die von der Patentinhaberin als Beschwerdeführerin bestrittenen Aspekte prüfen, wonach die in D10 enthaltene Lehre nicht nacharbeitbar sei, und wonach das Dokument zudem nicht das Merkmal der wenigstens fünf Falten in der ersten und/oder zweite Beutelwand offenbare.
3.3.1 Im Hinblick auf die technisch nacharbeitbare Lehre vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass unklar sei, wie und wo das Filtermaterial zu einem Schlauch geschlossen werde, und wie der Randbereich hergestellt werde bzw. wie die Bodenplatte befestigt werde. Zudem könnten die in D10 beschriebenen Filtermaterialien wegen ihrer hohen Steifigkeit weder in Staubsaugerfilterbeuteln verwendet noch in handelsüblichen Filterbeutelpaketen verkauft werden. Siehe dazu die Erwiderung der Patentinhaberin vom 21. April 2021, Seite 2.
Keiner dieser Einwände überzeugt die Kammer.
Hinsichtlich der Frage, wie und wo das Filtermaterial zu einem Schlauch geschlossen werde, und wie der Randbereich hergestellt werde, wird bereits in der Patentschrift im Zusammenhang mit dem dort genannten Stand der Technik das allgemeine Fachwissen zur Herstellung eines Staubsaugerbeutels aus Vliesstoff in Form eines Flachbeutels beschrieben. Demnach kann zuerst aus einem Stück Filtermaterial durch eine Längsschweiß- und/oder Längsklebenaht ein Schlauch geformt werden, der anschließend senkrecht zu dieser Naht - also im Randbereich - durch zwei weitere Schweiß- und/oder Klebenähte geschlossen wird, siehe Absatz 0003 der Patentschrift. Der Fachmann wird daher unter Anwendung dieses Fachwissens den in Figur 27 der D10 gezeigten Staubsaugerfilterbeutel dadurch fertigen, dass er die in Anspruch 1 genannte Werkstoffbahn aus Vliesstoff zuerst parallel zu einer der Faltlinien 3 durch Schweißen und/oder Kleben zu einem Schlauch formt. Die quer dazu verlaufenden Randbereiche 26 wird der Fachmann anschließend z.B. als Schweißnähte ausbilden, da das thermoplastische Vliesmaterial gemäß Anspruch 1 und Absatz 0014 der D10 plastifizierbar und somit schweißbar ist. Alternativ dazu ist dem Fachmann anhand seines Fachwissens bekannt, dass ein solches Material auch geklebt werden kann. Hinsichtlich der Befestigung einer Bodenplatte wird der Fachmann aufgrund dieser Materialeigenschaften des Vliesmaterials genauso verfahren und die Bodenplatte entweder anschweißen oder ankleben.
Bezüglich der vermeintlich zu hohen Steifigkeit der in D10 beschriebenen Filtermaterialien stimmt die Kammer der Beschwerdeführerin Patentinhaberin zwar darin zu, dass das Dokument auf Filtermaterialien mit erhöhter Gestaltfestigkeit gegen Einknicken gerichtet ist, siehe Absatz 0012. Das betrifft jedoch nicht die Ausführbarkeit des Offenbarungsgehalts der D10, da die technische Lehre des Dokuments nicht auf eine bestimmte Steifigkeit beschränkt ist. Ein zu steifer Staubsaugerbeutel mag zwar nachteilig sein, da er sich unter Umständen nicht der Form des Aufnahmeraums im Staubsauger anpassen kann. Die Beschwerdeführerin hat aber nicht belegt, dass der Fachmann einen solchen Beutel aus dem in D10 beschriebenen Filtermaterial nicht durch Falten (notfalls unterstützt durch eine vorherige Erwärmung des Kunststoffvlieses) und Kleben bzw. Schweißen herstellen könnte. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist jeder Verfahrensbeteiligte für die von ihm behaupteten Tatsachen beweispflichtig (RdBK, 9. Auflage 2019, III.G.5.1.1). Da die unbelegte Behauptung der Beschwerdeführerin sich auch nicht im Wege der Amtsermittlung belegen lässt, kann sich die Kammer ihr nicht anschließen.
Das weitere Argument der Beschwerdeführerin, wonach der in Figur 27 der D10 gezeigte Filterbeutel nicht in handelsüblichen Beutelpaketen verkauft werden könne, ist für die Frage der Ausführbarkeit des Offenbarungsgehalts der D10 irrelevant. Es mag sein, dass ein steifer Staubsaugerfilterbeutel schlecht oder überhaupt nicht faltbar ist und ihm daher kein kommerzieller Erfolg beschieden wäre. Da die technische Lehre, die Gegenstand der D10 ist, weder auf einen gefalteten noch einen in handelsüblichen Beutelpaketen verpackten Filterbeutel gerichtet ist, haben diese Überlegungen aber keine Auswirkungen auf die Nacharbeitbarkeit.
Aus diesen Gründen ist die in D10 enthaltene Lehre bezüglich des in Figur 27 gezeigten Staubsauger-filterbeutels nacharbeitbar, so dass die Ausführbarkeit der darin offenbarten Erfindung der Relevanz des Dokuments für die Frage der Neuheit von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht entgegensteht.
3.3.2 Im Hinblick auf die wenigstens fünf Falten in einer der Beutelwände weist der Staubsaugerfilterbeutel in Figur 27 der D10 auf seiner oberen, waagerechten Oberfläche vierzehn waagerecht verlaufende Reihen von jeweils vier Erhebungen auf. Diese Erhebungen werden unbestritten dadurch gebildet, dass die in Figur 27 waagerecht verlaufenden Auffaltungen 6, 8 an quer dazu verlaufenden Faltlinien 3 fixiert werden. Dadurch bilden die Auffaltungen zwischen diesen Faltlinien Röhren mit einem omega-förmigen Querschnitt aus, siehe die Figuren 1 und 3 sowie den Absatz 0026 der D10. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass diese röhren- oder omega-förmigen Auffaltungen Falten im Sinne von Anspruch 1 des Hauptantrags seien, da sie keine Faltenschenkel und auch keine Faltenscharniere aufweisen.
Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin darin zu, dass Absatz 0115 der Patentschrift eine Falte als Kombination zweier Faltenschenkel und eines Faltenscharniers definiert. Diese Definition ist jedoch nicht in Anspruch 1 des Hauptantrags enthalten, so dass das Merkmal "Falten" im breitmöglichsten Sinne auszulegen ist. Die Figur 13d der Patentschrift zeigt unbestritten eine omegaförmige Oberflächenfaltung (Absatz 0126 der Patentschrift: "in Figur 13d ist eine Oberflächenfaltung gezeigt..."). Bereits aus dem Wortbestandteil "Faltung" im dort verwendeten Begriff "Oberflächenfaltung" geht hervor, dass diese Figur eine Falte betrifft. Das wird durch die Absätze 0118 und 0116 der Patentschrift bestätigt, wonach eine Oberflächenfaltung eine Abfolge von Faltungen auf der Beutelwand ist, und eine Faltung als eine Abfolge von zwei oder mehreren Falten zu verstehen ist. Aus logischen Gründen folgt aus diesen beiden Definitionen, dass die in Figur 13d gezeigte Oberflächenfaltung eine Abfolge mehrerer Falten ist. Das wird außerdem durch die Kurzbeschreibung der Figuren 13a bis 13d in Absatz 0129 der Patentschrift bestätigt, wonach diese Figuren die Begriffe der maximalen Faltenhöhe und maximalen Faltenbreite erläutern sollen (Hervorhebung durch die Kammer).
3.3.3 Die Kammer schließt aus alledem, dass die in Figur 13d der Patentschrift gezeigte omegaförmige Oberflächen-faltung als (mindestens eine) Falte im Sinne von Anspruch 1 des Hauptantrags anzusehen ist, und dass der in Figur 27 der D10 gezeigte Staubsaugerfilterbeutel in seiner oberen Beutelwand wenigstens fünf solcher omega-förmigen Falten aufweist. Aus diesen Gründen ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D10, Artikel 54 EPÜ.
4. Hilfsanträge 1 und 3 - Neuheit gegenüber D10
Die Beschwerdeführerin Patentinhaberin verweist für die Hilfsanträge 1 und 3 auf ihr schriftliches Vorbringen. Die Kammer hat zu diesen Hilfsanträgen bereits in ihrer Mitteilung als Anlage zur Ladung, Abschnitt 4.3, die Auffassung vertreten, dass sie nicht neu gegenüber D3 und D10 seien. Die Kammer hat dazu die folgende vorläufige Meinung geäußert:
"4.1 Ausgehend von D10
D10 (Figur 3) scheint nicht zu offenbaren, dass das Versteifungselement ein Abstützelement zur direkten Auflage auf dem Lagerdeckel umfasst. Die Gewindebolzen 5, 5' dienen zur Befestigung des Lagerdeckels 3 am Maschinengehäuse 1, so dass sie nach fachmännischer Sicht kein Abstützelement zu sein scheint. Die als Abstützelement angesehene Gewindehülse 22 liegt dagegen nicht direkt auf dem Lagerdeckel 3 auf.
Zudem scheint D10 nicht zu offenbaren, dass der Lagerdeckel oder das Versteifungselement ein zum Gewinde 19 des Bolzens 5' korrespondierendes Gewinde aufweist. Die Befestigungsschraube 20 dient zur Befestigung des Lagerdeckels 3 am Maschinengehäuse 1, so dass sie kein Abstützelement zu sein scheint. Dessen ungeachtet scheint selbst eine gemeinsame Betrachtung des Bolzens 5' und der Gewindehülse 22 als Abstützelement nicht die Bedingung zu erfüllen, dass das Abstützelement am Lagerdeckel oder am Versteifungselement angeordnet ist, da die Gewindehülse zwar am Versteifungselement, der Bolzen aber am Lagerdeckel angeordnet zu sein scheint.
"4.3. Im Hinblick auf den Hilfsantrag 1 scheint die Oberfläche eines Staubsaugerfilterbeutels durch das Filtermaterial definiert zu werden, das die äußere Oberfläche bildet und durchströmbar ist. Daher scheinen auch die Seitenflächen zur Oberfläche zu gehören. D3 und D10 scheinen jeweils mehr als fünf Falten an einer der Flächen des Beutels zu offenbaren.
Im Hinblick auf Hilfsantrag 3 scheinen alle Falten in D10 parallel zum oberen Randbereich 26, und damit parallel zueinander zu verlaufen."
Die Beschwerdeführerin hat zu dieser Sichtweise nicht weiter Stellung genommen. Mangels weiterer Ausführungen sieht die Kammer keinen Grund, von ihrer Sichtweise abzuweichen.
Somit gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, das der Gegenstand von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 3 nicht neu gegenüber der Offenbarung des Dokuments D10 ist, Artikel 54 EPÜ.
5. Die Kammer schließt aus den obengenannten Gründen, dass der Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 und 3 nicht gewährbar sind, da Anspruch 1 dieser Anträge nicht neu ist, Artikel 54 EPÜ.
Daher bestätigt die Kammer die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent unter Berücksichtigung der in Hilfsantrag 1 (Hilfsantrag 4 im Beschwerdeverfahren) gemachten Änderungen nach Artikel 101(3) (a) EPÜ aufrecht zu erhalten.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.