European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T088917.20210208 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 08 Februar 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0889/17 | ||||||||
Anmeldenummer: | 11731404.7 | ||||||||
IPC-Klasse: | C08G18/38 C08G18/42 C08G18/72 C08G18/76 C08G18/78 C08G18/79 G02B1/04 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | POLYURETHANE MIT GERINGEM VOLUMENSCHRUMPF | ||||||||
Name des Anmelders: | Covestro Intellectual Property GmbH & Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Mitsui Chemicals, Inc. | ||||||||
Kammer: | 3.3.03 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Zulässigkeit der Beschwerde - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (nein) (alle Anträge) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin betrifft die am 6. Februar 2017 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich des Widerrufs des Europäischen Patents mit der Nummer 2 596 040.
II. Das Patent wurde auf Grundlage von 11 Ansprüchen erteilt, wobei unabhängiger Anspruch 1 folgenden Wortlaut hatte:
"1. Verwendung lösemittelfreier Polyisocyanatkomponenten A), die zu 5 bis 95 Gew.-% aus Polyisocyanatmolekülen, aufgebaut aus mindestens zwei araliphatischen Diisocyanatmolekülen, und zu 95 bis 5 Gew.-% aus monomeren araliphatischen Diisocyanaten bestehen und einen Gehalt an Isocyanatgruppen von 18 bis 43 Gew.-% aufweisen, zur Herstellung lichtechter kompakter oder geschäumter Polyurethankörper."
III. Einspruch unter Geltendmachen der Gründe gemäß Artikel 100(a) EPÜ (fehlende Neuheit, fehlende erfinderische Tätigkeit), Artikel 100(b) EPÜ sowie Artikel 100(c) EPÜ wurde eingelegt.
Die Entscheidung wurde unter Anderem auf das folgende Dokument
D7: JP-10-319203A
unter Zuhilfenahme von
D7a: Maschineübersetzung von D7
D7b: Übersetzung der Tabellen 1-5 von D7
gestützt.
IV. Die Entscheidung erfolgte auf Grundlage der erteilten Ansprüchen als Hauptantrag sowie sieben Hilfsanträge wobei Hilfsantrag 1 mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 (die Einspruchserwiderung) und Hilfsanträge 2-7 mit Schreiben vom 23. Dezember 2016 eingereicht wurden.
V. Gemäß der Entscheidung sei D7 (auf Grundlage der Übersetzungen D7a, D7b) der nächstliegende Stand der Technik.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von der Offenbarung von D7 dadurch, dass das Polyisocyanatgemisch aus araliphatischen Isocyanaten aufgebaut sei. Ein hiermit verbundener technischer Effekt sei dem Patent nicht zu entnehmen. Somit bestehe die objektiv zu lösende Aufgabe lediglich in der Bereitstellung eines alternativen Polyisocyanatgemisches zur Herstellung optischer Linsen.
Da D7 offenbare, dass auch araliphatische verwendet werden können, gehe die anspruchsgemäße Lösung in naheliegender Weise aus D7 hervor.
Die gleiche Schlussfolgerung gelte für die Hilfsanträge.
Somit sei das Patent widerrufen worden.
VI. Mit Schreiben vom 4. April 2017 wurde von der Patentinhaberin mitgeteilt, dass namens der Patentinhaberin Beschwerde gegen den Widerruf des Europäischen Patents EP 2 596 040 eingelegt werde.
Der Brief enthielt keinen weiteren Antrag, noch wurde die Adresse der Patentinhaberin angegeben.
VII. Mit Schreiben vom 5. Mai 2017 bestritt die Einsprechende die Zulässigkeit der Beschwerde.
VIII. Mit Schreiben vom 24. Mai 2017 teilte die Patentinhaberin die vollständige Adresse mit.
IX. Zusammen mit einem Schreiben vom 2. Juni 2017 reichte die Patentinhaberin die Begründung für die Beschwerde ein.
Vier Anspruchssätze als Hilfsanträge 1-4 wurden eingereicht, welche alle bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung eingereicht wurden.
Im Hilfsantrag 1 unterschied sich Anspruch 1 vom Anspruch 1 des erteilten Patents dadurch, dass folgender Wortlaut am Ende hinzugefügt wurde:
"wobei ein Äquivalentenverhältnis von Isocyanatgruppen zu gegenüber Isocyanatgruppen reaktiven Gruppen von 0,8:1 bis 1,2:1 eingehalten wird".
Im Hilfsantrag 2 wurden die Mengen der zwei Komponenten als 20 bis 80 Gew.-% bzw. 80 bis 20 Gew.-% definiert.
Im Hilfsantrag 3 wurden diese Menge als 35 bis 65 Gew.-% bzw. 65 bis 35 Gew.-% definiert.
Hilfsantrag 4 kombinierte die Änderungen gemäß Hilfsanträge 1 und 2.
Ferner wurde das Dokument:
D7c: Menschliche Übersetzung von D7
eingereicht.
X. Die Einsprechende erwiderte auf die Beschwerdebegründung.
Einwände der fehlenden Neuheit und der fehlenden erfinderische Tätigkeit wurden geltend gemacht.
XI. Am 2. Juli 2019 erging die Ladung zur mündlichen Verhandlung und am 27. Januar 2020 teilte die Beschwerdekammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit. Unter anderem war die Kammer der Auffassung die Beschwerde sei zulässig.
XII. Es erfolgte einen Schriftwechsel bezüglich der Austragung der mündlichen Verhandlung.
Als Ergebnis wurde, mit Einverständnis beider Parteien, entschieden die Verhandlung als Video Konferenz unter Verwendung der Zoom Plattform durchzuführen.
XIII. Am 8. Februar 2021 fand die mündliche Verhandlung statt.
XIV. Die Argumente der Patentinhaberin insofern relevant für diese Entscheidung, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerdeschrift identifiziere die angefochtene Entscheidung durch die Angabe der Patentnummer. Es habe nämlich eine einzige Entscheidung in Bezug auf das erteilte Patent gegeben. Da das Patent widerrufen wurde, könne kein Zweifel bezüglich des gestellten Antrags und der ersuchten Abhilfe bestehen. Diese gehe unter sachgemäßer Betrachtung der Beschwerdeschrift ("reader willing to understand") unmissverständlich und eindeutig hervor, nämlich Zurückweisung des Einspruchs.
b) Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von der Annahme, D7 sei als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten, unterscheide sich der Gegenstand des Anspruchs 1 dadurch, dass araliphatische Polyisocyanatmolekülen aufgebaut aus mindestens zwei araliphatischen Diisocyanatmolekülen und monomeren araliphatischen Diisocyanaten eingesetzt worden seien.
Dagegen offenbare D7 in den Beispielen die Verwendung aliphatischer Isocyanatkomponenten (monomere Diisocyanatmolekülen und dimerische Polyisocyanatmolekülen auf Basis dieser monomeren Verbindungen).
Es müsse aber auch die allgemeine Lehre von D7 in Betracht gezogen werden. Gegenüber dieser handele es sich bei dem unterscheidenden Merkmal nicht um einen einzigen Austausch der Art der Isocyanatmolekülen (aliphatisch gegen araliphatisch) wie in der Entscheidung dargestellt. Vielmehr sei unabhängig und getrennt für jede der zwei anspruchsgemäß erforderlichen Komponenten (Polyisocyanatmolekülen und monomerische Diisocyanatmolekülen) die Art der zugrundeliegenden Isocyanate auszuwählen. Ferner sei es nicht, wie in der Entscheidung angenommen, gemäß der Lehre von D7 notwendigerweise der Fall, dass die zwei eingesetzte Isocyanatkomponenten auf Basis gleichartiger (aliphatisch, araliphatisch, aromatisch) Isocyanaten oder sogar des gleichen Isocyanats aufgebaut sein müssen. Die Offenbarung von D7 in dieser Hinsicht sei viel komplexer und differenzierter als in der Entscheidung dargestellt und gehe über die Beispiele hinaus. Absatz 10 von D7 offenbare eine lange Liste monomerische Isocyanatverbindungen ohne jede Bevorzugung bestimmter Klassen davon. Nur drei davon seien araliphatisch wie anspruchsgemäß definiert. D7 offenbare, dass für jede der zwei Arten von einzusetzenden Verbindungen (monomerisch und polymerisch/dimerisch) auch Mischungen der zugrundeliegende Isocyanaten verwendet werden können. Dagegen erfordere Anspruch 1 des Streitpatents die Verwendung jeweils einer einzigen (reine) Isocyanatverbindung. Dies stelle einen weiteren Unterschied dar. Darüber hinaus sei bei der zweiten einzusetzenden Komponente im Absatz 22 von D7 offenbart, dass nicht notwendigerweise Polyisocyanatverbindungen einzusetzen seien. Hier seien auch andere Möglichkeiten für die zweite Komponente aufgelistet worden. Summiert man alle durch D7 offenbarten Kombinationen verschiedener isocyanatbasierter Komponenten zusammen, komme man auf etwa 100 Möglichkeiten. Hiervon definiere der geltende Anspruch lediglich eine einzige Kombination, welche von D7 nicht nahegelegt werde, auch wenn man der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit lediglich die minimalistische Aufgabe der Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zugründe lege.
Ferner betone D7 witterungsbeständige Zusammensetzungen, welche den Einsatz aliphatischer Komponenten erfordere. Dieser Aspekt der Lehre von D7 führe sogar von dem Einsatz araliphatischer Verbindungen weg.
Aus diesen Gründen sei eine erfinderische Tätigkeit anzuerkennen.
c) Hilfsantrag 1 - erfinderische Tätigkeit
Das definierte Äquivalentenverhältnis liege deutlich oberhalb des höchsten in den Beispielen von D7 verwendeten Werts und stelle ein weiteres nicht naheliegende unterscheidende Merkmal dar.
d) Hilfsanträge 2-4
Diese führten keine weiteren Unterscheidungsmerkmale gegenüber D7 ein.
XV. Die Argumente der Einsprechende können wie folgt zusammengefasst werden:
a) Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerdeschrift enthalte keine ausreichende Identifizierung der angefochtenen Entscheidung, des Gegenstands der Beschwerde oder der ersuchten Abhilfe. Es gehe aus der Beschwerdeschrift nicht hervor, ob die Entscheidung als ganzes oder nur zum Teil angefochten werde und aufzuheben sei. Somit seien den entsprechenden Vorschriften - insbesondere Regel 99(1) b) und c) - nicht entsprochen. Es sei nicht im Einklang mit der Absicht des Gesetzgebers, dass diese Vorschriften breit oder locker auszulegen seien, oder dahingehend zu interpretieren seien, dass diese auch trotz vager oder unvollständiger Angaben des Beschwerdegegenstands- oder -begehrens als entsprochen anzusehen seien.
b) Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
Nächstliegender Stand der Technik sei D7. Dies betreffe ein Verfahren zur Herstellung einer optischen Linse auf Basis von Isocyanatkomponenten. In den Beispielen werden als Isocyanatverbindungen Mischungen aus aliphatischen Monomeren und Dimeren (Uretidon) von Diisocyanaten verwendet. Das einzige unterscheidende Merkmal des geltenden Anspruchs 1 gegenüber die Beispiele von D7 sei die Art der eingesetzten Isocyanatverbindungen, nämlich araliphatisch anstelle von aliphatisch.
Da es keine Beweise für einen technischen Effekt gebe, sei die zu lösende technische Aufgabe gegenüber D7 als die Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zu formulieren.
D7 offenbare aber in Absatz 10 und 22 dass auch araliphatische Isocyanate entweder als einzelne Verbindungen oder zur Bildung der Uretidonen eingesetzt werden könnten.
Die Beispiele von D7 zeigen ferner, dass beide Komponenten - monomere und dimerisierte Isocyanatverbindungen - auf die gleiche Ausgangsverbindung basieren. Somit gebe es, entgegen der Aussage der Beschwerdeführerin keine Notwendigkeit einer mehrfachen Auswahl aus der Lehre von D7.
Der Anspruchsgegenstand ergäbe sich somit lediglich durch den Austausch der Art der verwendeten Isocyanatverbindungen und sei gegenüber D7 allein nicht erfinderisch.
c) Hilfsantrag 1
Es lägen ebenfalls keine Beweise für einen technischen Effekt auf Basis des definierten Äquivalentenverhältnisses vor, sodass die Aufgabe dieselbe bleibe. Der definierte Bereich umfasse sowieso den Wert von 1:1, welche auf diesem Gebiet herkömmlich sei. Darüber hinaus offenbare D7 im Absatz 29 ein Verhältnis von 0.5:1 bis weniger als 1:1, wobei der Endwert weniger als 1:1 innerhalb des beanspruchten Bereiches falle. Die Modifizierung des Äquivalentenverhältnisses stelle ferner eine herkömmliche Maßnahme dar um weitere bzw. alternative Verfahren bereitzustellen. Somit könne dieses Merkmal keine erfinderische Tätigkeit begründen.
d) Hilfsanträge 2-4
Diese führten keine weiteren Unterscheidungsmerkmale gegenüber D7 ein.
XVI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs, hilfsweise, die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage von einem der mit der Beschwerdegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 4.
XVII. Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Die Einsprechende hat mit Schreiben vom 5. Mai 2017 die Zulässigkeit der Beschwerde der Patentinhaberin vom 4. April 2017 gerügt und jeweils einen Verstoß gegen Regel 99(1) a), b) und c) EPÜ geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer am 8. Februar 2021 hat sie nur noch die Einwände nach Regel 99(1) b) und c) EPÜ aufrecht erhalten.
1.2 Regel 99(1) b) EPÜ erfordert die Angabe der angefochtenen Entscheidung. Die Beschwerdeschrift enthält die Formulierung ,,Hiermit wird namens der Covestro Deutschland AG gegen den Widerruf des Europäischen Patents EP 2596040 Beschwerde eingelegt". Die Kammer folgt der Einsprechenden insoweit, als die angefochtene Entscheidung damit nicht so deutlich bezeichnet wird, wie es grundsätzlich möglich wäre. So hätte etwa noch das Datum der angefochtenen Entscheidung sowie die Tatsache, dass es sich um eine Entscheidung der Einspruchsabteilung handelt, genannt werden können. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass aufgrund der genannten Formulierung in der Beschwerdeschrift die geforderte eindeutige und zuverlässige Identifizierung der angefochtenen Entscheidung möglich ist. Die Angabe der Patentnummer und die Formulierung ,,Widerruf des Europäischen Patents EP 2596040" lassen ohne weiteres eine zweifelsfreie Bestimmung der Entscheidung zu, die mit der Beschwerde angegriffen werden soll. Es kann kein berechtigter Zweifel daran bestehen, dass es sich um die Entscheidung der Einspruchsabteilung ("Widerruf des Patents") in dem Einspruchsverfahren gegen das Europäische Patent EP 2596040 handelt, mit der das Patent widerrufen wurde, zumal auch weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass es mehrere relevante und mit der Beschwerde angreifbare Entscheidungen der Einspruchsabteilung betreffend dieses europäischen Patents gibt. Die im schriftlichen Verfahren von der Beschwerdegegnerin zitierte Entscheidung T 2561/11 vom 4. Juli 2016 (Nr. 2.4 der Gründe) steht dieser Auffassung nicht entgegen. Dort wurde auf eine ,,decision of the opposition division of 19 October 2011" Bezug genommen, wobei die Entscheidung jedoch vom 4. Oktober 2011 stammte und der 19. Oktober 2011 das Datum der Mitteilung der Entscheidung war. Dennoch hat die dortige Kammer dies als ausreichende Angabe im Sinne von Regel 99(1) b) EPÜ angesehen. Hierbei hat sie auf einen ,,reader willing to understand ..." abgestellt. Nach dieser Maßgabe sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen nach Regel 99(1) b) EPÜ als erfüllt anzusehen, da der in der Beschwerdeschrift enthaltenen Formulierung bei verständiger Würdigung keine andere als die oben beschriebene Bedeutung beigemessen werden kann. Die genannte Formulierung in der Beschwerdeschrift steht damit auch im Einklang mit der Entscheidung J 16/94 (ABl. 1997, 331), wonach die Beschwerde die bestimmte Absicht ausdrücken muss, eine beschwerdefähige Entscheidung anzufechten (Rechtsprechung der Beschwerdekammer, 9. Aufl., V.A.2.5.2. zu Regel 99(1)b) EPÜ). Die von der Beschwerdegegnerin herangezogene Entscheidung T 620/13 vom 22. Mai 2014 steht der hier vertretenen Auffassung der Kammer ebenfalls nicht entgegen, da der dortige Sachverhalt nicht vergleichbar mit dem im vorliegenden Fall ist. Entscheidend für die Kammer in jenem Fall war, dass die Beschwerdeschrift - im Gegensatz zum vorliegenden Fall - nichts enthielt, das die Kammer als Angabe der angegriffenen Entscheidung oder als Antrag, der den Gegenstand der Beschwerde bestimmt, erkennen konnte (Nr. 2 und 6. der Gründe).
1.3 Auch die von der Beschwerdegegnerin nach Regel 99(1) c) EPÜ vorgebrachte Rüge hält einer Überprüfung durch die Kammer nicht stand. In der Formulierung ,,Hiermit wird namens der Covestro Deutschland AG gegen den Widerruf des Europäischen Patents EP 2596040 Beschwerde eingelegt" ist nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ein der genannten Vorschrift genügender Antrag zu sehen. Wesentlich ist danach der Umstand, dass es sich hier um eine Beschwerde der Patentinhaberin gegen den vollständigen Widerruf des Patents handelt, denn die Beschwerde gegen den Widerruf des Patents ist gleichbedeutend mit dem Begehren des Patentinhabers, die Entscheidung insgesamt aufzuheben (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Aufl., V.A. 2.5.2. zu Regel 99(1) c) EPÜ, vorletzter Absatz, mit weiteren Nachweisen; bestätigt ebenfalls durch T 2561/11, Nr. 2.5 der Gründe mit Hinweis auf T 358/08). Eine Vergleichbarkeit der vorliegenden Beschwerde der Patentinhaberin mit der genannten Entscheidung T 620/13 sieht die Kammer, abgesehen von den verschiedenen Umständen des Einzelfalls, daher allein deshalb nicht für gegeben, weil in jenem Fall die Einsprechende die Beschwerdeführerin war.
1.4 Da die gegen die Zulässigkeit der Beschwerde nach Regel 99(1) a), b) und c) EPÜ erhobenen Einwände im Ergebnis nicht durchgreifen, hat der Antrag der Einsprechenden, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, keinen Erfolg. Die Beschwerde ist daher zulässig.
2. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
2.1 Nächstliegender Stand der Technik
Das Patent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Kunststoffen für optische Anwendungen (Brillengläser, Linsen sowie Ersatz für Glas beim Automobil- und Flugzeugbau (Absätze 3, 4).
D7 betrifft ebenfalls ein Verfahren zur Herstellung von Kunststofflinsen. Dies erfolgt gemäß D7 auf Basis uretidiongruppenhaltiger Polyurethanharze (Zusammenfassung, Anspruch 1, Absätze 2 bis 4).
D7 wurde in der Entscheidung als nächstliegender Stand der Technik betrachtet. Auch wenn die Beschwerdeführerin der Meinung war, dass D4 noch näher am Gegenstand des Streitspatents als D7 liegt, vertrat sie nicht die Meinung, dass D7 keinen vernünftigen und realistischen Ausgangspunkt für die Analyse der erfinderische Tätigkeit darstellt. Unter diesen Umständen muss geprüft werden, ob eine erfinderische Tätigkeit ausgehend von D7 vorliegt.
2.2 Unterscheidungsmerkmal
In den Beispielen von D7 werden als Isocyanatkomponenten Mischungen von monomeren und dimeren Isocyanaten (Uretidonen) auf Basis von Hexamethylendiisocyanat (HDI), eingesetzt. Diese ist ein aliphatische Diisocyanat.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von den Zusammensetzungen der Beispielen von D7 durch die Art der verwendeten Diisocyanat, nämlich araliphatisch anstelle von aliphatisch, sowohl in den Polyisocyanatmolekülen als auch in den monomeren Diisocyanaten.
2.3 Technischer Effekt
Wie der Entscheidung zu entnehmen ist (Seite 13, ab Zeile 10) und von der Beschwerdeführerin nicht bestritten (Beschwerdebegründung, Seite 7 im Abschnitt "Technische Aufgabe"), gibt es keinerlei Beweise für einen mit dem Unterscheidungsmerkmal verbundenen technischen Effekt.
2.4 Objektive technische Aufgabe
Unter diesen Umständen ist die minimalistische technische Aufgabe zugrunde zu legen, nämlich die Bereitstellung eines alternativen Verfahrens.
2.5 Die Lösung
Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, dass anstelle von den aliphatischen Verbindungen der Beispiele von D7 die anspruchsgemäße araliphatische Isocyanatverbindungen eingesetzt werden sowohl in den Polyisocyanatmolekülen als auch in den monomeren Diisocyanaten.
2.6 Naheliegen der anspruchsgemäßen Lösung
2.6.1 D7 legt die definierte Lösung des Problems nahe.
Im Absatz 10 werden als Beispiele der verwendbaren Diisocyanaten unter anderem 2,4-Tolylendiisocyanat (2,4-TDI), Xylene Diisocyanat (M-XDI) (als o-Xylene, m-Xylene und p-Xylene), und 4,4'-Diphenylmethandiisocyanat (4,4'-MDI), welche alle araliphatisches Diisocyanate sind, genannt.
Somit geht unmittelbar aus D7 hervor, dass alternativ zu den in den Beispielen verwendeten aliphatischen Diisocyanaten auch araliphatische Verbindungen verwendet werden können.
2.6.2 Bezüglich der Frage, ob das Merkmal, dass beide Isocyanatkomponenten auf der gleichen Verbindung basieren, welche gemäß der Beschwerdeführerin eine erfinderische Tätigkeit begründen sollte, ist zu betonen, dass in den Beispielen von D7 beide Komponenten auf dem gleichen Diisocyanat basieren. Somit ist diese Möglichkeit explizit den Beispielen von D7 zu entnehmen und stellt ferner keinen Unterschied gegenüber D7 dar.
2.6.3 Die Beschwerdeführerin hat unter anderem vorgetragen, dass aus der Beschreibung von D7 nicht zu entnehmen sei, das gleiche Diisocyanat für beide Komponenten zu verwenden.
Jedoch geht auch aus der Beschreibung von D7 hervor, dass beide Isocyanatkomponenten auf Grundlage des gleichen Diisocyanats hergestellt werden können. Im Absatz 9 von D7 wird erklärt, dass das Uretidiongruppen enthaltende Polyisocyanat ein modifiziertes Diisocyanat ist. Durch die Auflistung der einsetzbaren Diisocyanate im folgenden Absatz 10 wird somit offenbart, dass die im Absatz 9 genannten Polyisocyanate aus den in Absatz 10 aufgelisteten Diisocyanaten hergestellt werden können. Aus Absatz 22 geht hervor, dass andere isocyanathaltige Verbindungen, unter anderem die "aforementioned Diisocyanates" in monomerer Form als zusätzliche Komponenten verwendet werden können.
Somit geht eindeutig aus der Beschreibung von D7 hervor, dass in einer möglichen Ausführungsform beide Isocyanatkomponenten auf der gleichen Grundverbindung basieren.
2.6.4 Es wurde ferner von der Beschwerdeführerin vorgetragen, D7 offenbare Mischungen der Isocyanatkomponenten, wohingegen die Ansprüche auf reine Verbindungen beschränkt sein sollten. Anspruch 1 des Streitpatents enthält jedoch keine diesbezügliche Einschränkung und erlaubt ebenfalls die Verwendung von Mischungen verschiedener Isocyanatverbindungen. Somit greift dieses Argument kein Unterscheidungsmerkmal auf und kann aus diesem Grund ebenfalls nicht dazu dienen, eine erfinderische Tätigkeit zu begründen.
2.6.5 Die Beschwerdeführerin hat hinsichtlich der zu erwartenden Eigenschaften der erhaltenen Produkte von D7, z.B. Witterungsbeständigkeit, argumentiert, dies würde von der Verwendung araliphatischer Isocyanatverbindungen wegführen. Dieses Argument ist jedoch nicht von Relevanz, da gemäß der oben genannten objektiven Aufgabe überhaupt keine Anforderungen hinsichtlich der Eigenschaften gestellt werden.
Vielmehr gehe es lediglich darum, eine Alternative bereitzustellen.
Für die Lösung diese Aufgabe stellt jede bekannte Möglichkeit eine gleichwertige Lösung dar. Die zu erwartenden Eigenschaften spielen bei den Überlegungen in einer solchen Konstellation keine Rolle.
2.7 Die Schlussfolgerung ist, dass der Einsatz araliphatischer Diisocyanatmoleküle für beide anspruchsgemäßen Komponenten, um die gestellte Aufgabe zu lösen, aus naheliegender Weise aus sowohl der Beschreibung als auch den Beispielen von D7 hervorgeht mit dem Ergebnis, dass keine erfinderische Tätigkeit für den Gegenstand des Anspruchs 1 anzuerkennen ist.
3. Hilfsantrag 1
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der Bereich des Äquivalentenverhältnisses von Isocyanatgruppen zu gegenüber Isocyanat reaktiven Gruppen aufgenommen wurde und zwar als 0.8:1 bis 1.2:1.
Es sei ebenfalls unstrittig, dass kein technischer Effekt in Zusammenhang mit diesem Verhältnis der reaktiven Gruppen geltend gemacht wurde. Somit ist die zu lösende technische Aufgabe die gleiche wie für den Hauptantrag, nämlich die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens.
Solche stoichiometrischen Bereiche, bei denen beide Komponenten in etwa äquimolaren Mengen vorhanden sind, sind herkömmlich - dies gehe aus rein technischen Betrachtungen hervor.
Ferner gehe dieser Bereich selbst aus D7 hervor. Im Absatz 29 wird offenbart, dass das Verhältnis von Isocyanatgruppen zu gegenüber Isocyanat reaktiven Gruppen mindestens 50:100 bis weniger als 100:100 beträgt. In der im Streitpatent verwendeten Schreibweise entsprechen diese Verhältnisse somit 0.5:1 bis weniger als 1:1. Der oberer Wert liegt somit innerhalb des anspruchsgemäßen Bereiches.
Somit stellt auch der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 1 eine naheliegende Lösung der o.a. objektiven Aufgabe dar, mit dem Ergebnis, dass keine erfinderische Tätigkeit vorliegt.
4. Hilfsanträge 2-4
In den Beispielen von D7 werden die zwei Isocyanatkomponenten im Verhältnis 50:50 eingesetzt. Die aufgenommenen Mengenverhältnisse in den Hilfsanträgen 2-4 umfassen diesen Wert und stellen somit kein weiteres Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Lehre von D7 dar.
Hilfsantrag 4 enthält zusätzlich die Einschränkung gemäß Hilfsantrag 1, welches, wie oben erklärt, ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit begründen kann.
Somit erfüllt aus denselben Gründen, wie für den Hauptantrag und den Hilfsantrag 1 ausgeführt, keiner der Hilfsanträge 2-4 die Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.