T 0692/17 (System zur Optimierung von Abhol- und/oder Lieferfahrten/Deutsche … of 28.9.2021

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2021:T069217.20210928
Datum der Entscheidung: 28 September 2021
Aktenzeichen: T 0692/17
Anmeldenummer: 10165227.9
IPC-Klasse: G06Q 10/00
G01C 21/36
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: System zur Optimierung von Abhol- und/oder Lieferfahrten
Name des Anmelders: Deutsche Post AG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.5.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nein
Erfinderische Tätigkeit - Teilprobleme (keine Synergie)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0071/96
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung die Patentanmeldung 10165227.9 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) zurückzuweisen.

II. Die Prüfungsabteilung betrachtete den beanspruchten Gegenstand des Anspruches 1 des Hauptantrages und der vier Hilfsanträge als nicht erfinderisch gegenüber der D1 in Verbindung mit der D4 bzw. der D5 zur Lösung zweier Teilprobleme.

Die Entscheidung führte die folgenden Dokumente an:

D1: WO2010/006726

D4: US2010/082242

D5: WO2010/040400

III. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden Patentbegehrens gemäß Hauptantrag vom 6. März 2017 oder auf Grundlage eines der Hilfsanträge 1 bis 4 vom selben Tag.

IV. In einer ersten Mitteilung legte die Kammer ihre vorläufige Meinung dar, wonach sie mit den von der Prüfungsabteilung in der angefochtenen Entscheidung dargelegten Gründen im Wesentlichen übereinstimme und die Zurück­weisung als gerechtfertig ansah.

V. In ihrer Antwort präsentierte die Beschwerdeführerin ihre Argumente, warum der Gegenstand des Hauptantrages, sowie der Hilfsanträge erfinderisch sei. Insbesondere handle es sich nicht um zwei Teilprobleme, sondern um ein synergetisches Zusammenwirken von Merkmalen, das zu einer erfinde­rischen Leistung führe.

VI. In der Ladung zur mündlichen Verhandlung legte die Kammer dar, warum sie von den Argumenten der Beschwer­de­führerin vorläufig nicht überzeugt sei.

VII. In ihrer Antwort erläuterte die Beschwerdeführerin im Grundsatz erneut ihre Argumente.

VIII. Anspruch 1 des Hauptantrages lautet wie folgt:

"Ein System (1) zur Optimierung von Abholfahrten und/oder Lieferfahrten eines Kurierdienstes, umfassend ein Computersystem (2) mit einer Datenbank (21) zur Speicherung von Adressendatensätzen und zur Bereit­stellung (B) der Adressendatensätze für ein in mindestens einem der Kurierfahrzeuge (3) des Kurier­dienstes zumindest ablesbares Navigationssystem (4) mit Anzeigebildschirm (41) für Navigationsangaben umfassend eine Straßenkarte, ein Satellitenbild oder ein Bild aus der Vogelperspektive von der Umgebung um eine Zieladresse (Z1, Z2, Z3) herum sowie ein mit dem Computersystem (2) verbundenes Eingabesystem (42) für die Eingabe von mindestens einer Zusatzinformation (ZU1, ZU-2, ZU-3) zu mindestens einem Adressendaten­satz, wobei das Computersystem (2) zur Einfügung (E) der Zusatzinformationen (ZU1, ZU-2, ZU-3) in die gespeicherten Adressendatensätze geeignet ist,

dadurch gekennzeichnet,

dass das System dazu ausgestaltet ist, nach Eingabe von Adressdaten einer der Zieladressen (Z1, Z2, Z3) und nachfolgender Anzeige der Umgebung der zu diesen Adressdaten zugehörigen Zieladresse (Z1) mit einem Cursor (M1) ein Auswahlbereich (M) um die Zieladresse (Z1) herum auf dem Anzeigebildschirm (4) markieren zu können, in dem markierten Bereich alle weiteren Zieladressen (Z2, Z3) darzustellen und mittels eines Cursors (M2) für die dargestellten Zieladressen (Z1, Z2, Z3) einen gemeinsamen Anfahrtspunkt auf dem Anzeigebildschirm (4) markiert zu können, wobei allen Zieladressen (Z1, Z2, Z3) im markierten Bereich (M) die Geokoordinate des Anfahrpunkts (5) zugewiesen wird."

Anspruch 1 des ersten Hilfsantrages basiert auf Anspruch 1 des Hauptantrages mit dem zusätzlichen Merkmal "damit das System diesen Anfahrtspunkt (5) für spätere Kurierfahrten zu diesen Zieladressen (Z1, Z2, Z3) als den Anfahrtspunkt (5) im Anzeigebildschirm als Anfahrtsziel angibt." am Ende des Anspruches 1.

Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages basiert auf Anspruch 1 des Hauptantrages mit dem zusätzlichen Merkmal "wobei die Geokoordinate des Anfahrtspunktes (5) als Zusatzinformation in die Adressendatensätze der betreffenden Zieladressen (Z1, Z2, Z3) eingefügt wird." am Ende des Anspruches 1.

Der dritte Hilfsantrag ist eine Kombination des ersten und zweiten Hilfsantrages. Des weiteren ist in Zeile 3 des Anspruches das Merkmal "umfassend Adressdaten und dazugehörige Geokoordinaten anhand derer ein Naviga­tions­system (4) eines Kurierfahrzeuges zu entsprechen­den Zieladressen (Z1, Z2, Z3) leiten soll" ergänzt.

Anspruch 1 des vierten Hilfsantrages basiert auf Anspruch 1 des dritten Hilfsantrages mit dem zusätz­lichen Merkmal "wobei vor der Markierung des gemein­samen Anfahrtspunktes (5) nicht benötigte Ziel­adressen (Z3) mittels eines Klicks demarkiert oder ent­fernt werden können und wobei allen verbleibenden [Ziel­adressen]".

IX. Am 28 September 2021 fand die mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf die Beschwerdeführerin ihre Anträge bestätigte. Der Vorsitzende verkündete am Ende der Verhandlung die Entscheidung.

Entscheidungsgründe

1. Die Erfindung

1.1 Die Erfindung betrifft ein System zur Optimierung von Abhol- und/oder Lieferfahrten und eine Methode zur Anwendung des Systems.

1.2 Die Optimierung des Zeit- und Materialaufwandes bei Kurierfahrten zur Lieferung und Abholung von Waren ist ein bekanntes Ziel im Stand der Technik. Dies wird u.a. durch eine dynamische Anpassung der Stoppreihenfolge des Transports gelöst. Die Zustellfahrt passt sich somit entsprechend der vorgenommenen Änderungen an, siehe Seite 1, Zeilen 10 bis 17.

1.3 Ein Problem gibt es dabei mit unvollständigen, unge­nauen oder fehlerhaften Adressdatensätzen, wenn die einer Adresse zugeordneten Geokoordinaten von der tat-sächlichen Position dieser Adresse um zum Teil mehr als 100m abweichen. Dies führt zu erheblichen Zeitverlusten bei der Abholung bzw. Lieferung von Waren an Kunden­adressen, siehe Seite 1, Zeilen 17 bis 32.

1.4 Die Erfindung löst dies durch die Bereitstellung einer Datenbank zur Speicherung von Adressdatensätzen, die mit einer Zusatzinformation versehen werden können, die über ein Eingabesystem eingegeben wird, siehe Seite 2, Zeilen 7 bis 16, das, wie ein Anzeigebildschirm, im Kurierfahrzeug installiert ist, siehe Seite 12, Zeilen 21 und folgende. Auf dem Anzeigebildschirm werden Karten oder Satellitenbilder der Umgebung einer Zieladresse dargestellt. Über das Eingabesystem kann ein um eine Zieladresse herum liegender Auswahlbereich markiert werden. Alle Zieladressen in diesem Bereich können bestimmt werden, siehe Seite 14, Zeilen 21 u. folgende. Zu zwei benachbarten Zieladressen kann über das Eingabesystem ein gemeinsamer Anfahrtspunkt bestimmt werden, was bedeutet, dass diesen beiden Zieladressen die Geokoordinate des Anfahrtspunktes zugewiesen wird und als Zusatzinformation in die Adressdatensätze der betreffenden Zieladressen eingefügt werden.

1.5 Diese Zusatzinformationen sind mit dem Kürzel des Fahrers versehen, der diese erfasst hat, sowie dem Datum und der Uhrzeit, siehe Seite 16, Zeilen 4 bis 7. Sie können Hinweise für (zukünftige) Lieferungen ent­halten, wie z.B. "Z1 [Kunde] ist vor 10 Uhr nicht erreichbar" oder "Anfahrt mit LKWs über 5 Tonnen nur von der Rückseite", siehe Seite 16, Zeile 27, bis Seite 17, Zeile 10.

2. Hauptantrag - Artikel 56 EPÜ

2.1 Es ist unstrittig, dass D1 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. D1 offenbart ein Verfahren von Navigationsdaten für ein Navigationsgerät. Zunächst wird eine Route mit Zieladressen erstellt, siehe Absatz [0044], die auf der Basis von postalischen Adressen aus einer Adressdatenbank, Absatz [0045], gebildet werden. Nach Erstellung einer Route aus Zieladressen werden diese Daten für die Routenführung geokodiert, siehe Absatz [0055] und [0056]. Bevor die Geokodierung erfolgt, wird die erstellte Liste aus Zieladressen validiert, Absatz [0052], wobei überprüft wird, ob die Adressen gültig sind und damit einer Geokoordinate zugeordnet werden können, Absatz [0055], letzte Zeile. Für eine ungültige Adresse können eine oder mehrere Alternativadressen ermittelt werden, Absatz [0053], aus denen der Benutzer eine Zieladresse auswählt, bestätigt und geokodiert. Die Routenführung ist in Absätzen [0069] bis [0071] beschrieben. Die Zieladressen werden dem Benutzer in einer graphischen Benutzeroberfläche dargestellt, Absatz [0071], wobei der Benutzer Zieladressen löschen und neue Zieladressen einfügen kann. Damit kann der Benutzer die Routenführung flexibel anpassen.

2.2 Ebenfalls unstrittig sind die Unterschiedsmerkmale zur D1, nämlich die Merkmale (i) und (ii), nach Gliederung der Prüfungsabteilung, bzw. die Merkmale M4, M5 und M6, nach Gliederung der Beschwerdeführerin:

(M4)(i) nach Anzeige der Umgebung zu der Zieladresse mit einem Cursor ein Auswahlbereich um die Zieladresse herum auf dem Anzeigebildschirm markieren zu können,

(M5)(i) in dem markierten Bereich alle weitere Ziel­adressen darzustellen,

(M5)(ii) mittels eines Cursors für die dargestellten Zieladressen einen gemeinsamen Anfahrtspunkt auf dem Anzeigebildschirm markieren zu können,

(M6) wobei allen Zieladressen im markierten Bereich die Geokoordinate des Anfahrpunkts zugewiesen wird.

2.3 Die Prüfungsabteilung betrachtete die Merkmale (i) und (ii) als eine Aneinanderreihung von Teil­problemen: das Merkmal (i) löse die Teilaufgabe, wie Navigations­adressen angezeigt werden können; das Merkmal (ii) löse die Teilaufgabe, wie ein gemeinsamer Anfahrts­punkt definiert werden kann. Eine Lösung für das erste Teilproblem ergebe sich aus D4, Absätze 11, 12, 14, und 15. Eine Lösung für das zweite Teilproblem aus der D5, Abbildungen 10 bis 12, Seite 14, Zeile 33, bis Seite 16, Zeile 31. Die Prüfungsabteilung schloss mit der Feststellung, dass Anspruch 1 nicht erfinderisch sei.

2.4 Nach Meinung der Beschwerdeführerin stellen obige Unterscheidungsmerkmale eine aufeinander aufbauende, logische Abfolge dar, die synergetisch zur Lösung eines gemeinsamen Problems beitragen: zunächst werde ein Zielbereich definiert (M4), anschließend ein gemein­samer Anfahrtspunkt markiert (M5) und abschließend die Datenbasis aktualisiert (M6). Die Unterscheidungsmerk­male hätten einen gemeinsamen technischen Effekt, nämlich die Datengrundlage des für Abhol- und/oder Lieferfahrten verwendeten Systems zu verbessern und dadurch eine Optimierung zu erreichen, Seite 5, Z. 29, bis Seite 6, Z. 11, der Anmeldung. Sie könnten daher nicht als voneinander unabhängige Teilprobleme betrach­tet werden. Weiterhin würden durch die Aktualisierung der Daten­basis Bereiche eines Gebiets dem Navigations­system zugänglich gemacht, die auf dem ursprünglichen Straßennetz des Navigationssystems nicht verfügbaren waren, Seite 15, Zeilen 19 bis 22, der Anmeldung.

2.5 Des Weiteren argumentierte die Beschwerdeführerin, dass, wenn man die Merkmalsgliederung der Prüfungsab­teilung zugrund lege, die erste Teilaufgabe umformu­liert werden müsse als "Wie kann ein Auswahlbereich festgelegt werden". Das Merkmal (i) habe nämlich die technische Wirkung, dass der Benutzer durch die Anzeige aller in einem Auswahl­bereich vorhandenen weiteren Zieladressen einen optimalen Anfahrtspunkt wählen könne. Die hierbei von einem Benutzer vorgenommene Bestimmung des Auswahlbe­reiches sei eine fundierte Entscheidung ("educated decision"), was eine reine computergenerierte Anzeige nicht erreichen könne. Des Weiteren habe das Merkmal (ii) die technische Wirkung einer Zuordnung eines eingegebenen Anfahrtspunktes zu vorab ausgewählten Zieladressen.

Beide Schritte seien eine notwendige Voraussetzung, um das Problem zu lösen, wie Bereiche eines Gebiets einem Navigationssystem zugänglich gemacht werden können, die auf dem ursprünglichen Straßennetz des Navigations­systems nicht verfügbar waren. Erst durch die Auswahl eines Bereiches mit Anzeige aller darin abgespeicherten Zieladressen würden diese Zieladressen gewissermaßen aktiviert und in dem zweiten Schritt der eingegebenen Anfahrtsadresse zugeordnet. In der Kombina­tion der tech­nischen Effekte beider Unterscheidungs­merk­male resultiere eine Optimierung von Abhol- und Liefer­fahrten.

2.6 Die Kammer stellt zunächst fest, dass mit der neuen Aufteilung der Merkmale in M4, M5 und M6 kein neuer technischer Effekte verbunden ist. Der Einsatz eines Cursors zur Festlegung eines Auswahlbereiches um eine Zieladresse im Merkmal M4 ist in der Beschreibung als eine Option zur Bestimmung der Zieladressen dargestellt. Es geht hierbei noch nicht um die Bestimmung eines Anfahrts­punktes, sondern alleine um die Bestimmung möglicher Zieladressen (M5). So ist der erste Teil des Merkmales M5 zusammen mit M4 zu lesen. Des weiteren kann Merkmal M6 nicht von Merkmal M5 (zweiter Teil) getrennt be­trach­tet werden, sondern durch die Konjunktion "wobei" ist M6 als Ausgestaltung des Merkmales M5 (zweiter Teil) zu interpretieren. Das heißt, die Zuordnung der Zieladressen zu einem gemeinsamen Anfahrtspunkt erfolgt durch Zuweisung der Geokoordinate des Anfahrtspunktes zu der Zieladresse.

2.7 Die Kammer ist von der Argumentation der Beschwerde­führerin hinsichtlich einer Synergie der Merkmale aus nachfolgenden Gründen nicht überzeugt.

Das erste Merkmal (i) findet seine Basis auf Seite 14, Zeilen 21 - 25 und Abbildung 2, sowie Zeilen 28-30. Es geht hierbei um verschiedene Alternativen zur Bestim­mung von Zieladressen, u.a. durch erweitere Suche, Ähnlichkeitssuche mittels Synonymdatenbank und auch durch Angabe eines Auswahlbereiches um eine Ziel­adresse herum. Die ermittelten Zieladressen können demarkiert bzw. entfernt werden, womit nur die benö­tig­ten Zieladressen behalten werden. Das erste Merkmal hat noch nicht zum Ziel, einen Anfahrtspunkt für ausgewähl­te Zieladressen anzugeben, wie von der Beschwerde­führerin argumentiert, sondern alleine die Bestimmung der Zieladressen.

Die Kammer ist auch nicht davon überzeugt, dass eine Optimierung der Abhol- und Lieferfahrten, wie von der Beschwerdeführerin argumentiert wurde, überhaupt eine technische Wirkung darstellt. Die Optimierung hängt alleine vom Kenntnisstand des Benutzers ab, ist also rein subjektiver Natur. Die Kammer kann jedenfalls nicht erkennen inwieweit eine fundierte Entscheidung des Benutzers, im Sinne einer "educated decision", überhaupt einen technischen Effekt erzielen kann, denn jeder Benutzer trifft eine ihm eigene, subjektive Entscheidung.

Das zweite Merkmal (ii) findet seine Basis auf Seite 15, Zeilen 2 bis 17, und hat zum Ziel einen gemeinsamen Anfahrtspunkt für Zieladressen zu bestimmen. Nach Zeilen 19 bis 22 der Anmeldung hat Merkmal (ii) zum Ziel Bereiche eines Gebietes dem Navigationssystem zugänglich zu machen, die auf dem ursprünglichen Straßennetz nicht verfügbar waren. Es geht hier nicht um eine Optimierung der Abhol- und Lieferfahrten, sondern nach Aussage der Anmeldung um eine "Verbesse­rung" der Daten des Naviga­tions­system, also dem "Mapping" zwischen Geokoordina­tion und Zieladressen, siehe Seite 1, Zeilen 17 bis 25.

2.8 Nach Meinung der Kammer ist Anspruch 1 aber nicht auf eine "Verbesserung" von Adressdaten ausge­richtet, da keine Fehler in der Datenbank korrigiert werden. Den Adressen werden keine "korrekten" Geokoor­dinaten zuge­wiesen, was man unter einer Verbesserung der Daten verstehen würde, sondern es wird für bestehende Adressen, ohne diese Daten zu ändern, nur eine Zusatz­information hinzu­gefügt. Es stellt sich hier aber auch grundsätzlich die Frage, ob der von einem Fahrer für bestimmte Zieladressen subjektiv gewählte Anfahrts­punkt, siehe Abbildung 2 der Anmeldung, für eine zukünftige Zustellung überhaupt "optimal" sein kann, wo u.a. nicht die gleichen Zustelladressen vorliegen und ein anderer Anfahrtspunkt optimaler wäre. Wenn über­haupt eine Optimierung erreicht wird, dann beruht diese auf der subjektiven Einschätzung eines Fahrers. Ein derartiges Merkmal kann aber nicht zur erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden.

2.9 Die Kammer kann nicht erkennen, dass sich die beiden Merkmale direkt beeinflussen und dies stets und ohne Ausnahme, wie die Beschwerdeführerin in Absätzen 4.3.3 bis 4.3.5 unter Verweis auf T 71/96 (inkorrekte Ent­scheidungsnummer) argumentierte. Die in einem Auswahl­bereich ermittelten Zieladressen sind von der Bestimmung eines geeigneten Anfahrts­punktes unabhängig. Sie ergeben sich alleine auf der Basis von Ähnlich­keitskriterien, der PLZ, Straßenname, o.ä.. Des weiteren erfolgt die Wahl des Anfahrtspunktes subjektiv je nach den Erfahrungen eines Kurierfahrers.

2.10 Aus diesen Gründen kann die Kammer nicht erkennen, dass eine Synergie beider Merkmale vorliegt, wie von der Beschwerde­führerin argumentiert wurde. Die Kammer stimmt daher mit der Prüfungsabteilung überein, dass zwei von einander getrennte Teilaufgaben vorliegen zu deren Lösung der Fachmann unterschiedliche Dokumente heranzieht, wie unter Punkt 2.3 dieser Entscheidung dargelegt ist.

2.11 D4 arbeitet wie die D1 mit geokodierten Adressen, soge­nannten Points-of-Interest (POI), die in einer Daten­bank bereitgestellt werden, siehe D4, [0012]. D4 offen­bart eine verbesserte Möglichkeit zur Suche von POIs mittels Eingabe eines Auswahlbereiches, siehe [0011] bis [0014]. In [0039] und folgenden ist ausgeführt, dass ein rechteckiger, zirku­lärer oder elliptischer Bereich auf einer Karte mittels eines Cursors ausgewählt wird. [0043] erläutert, dass eine Vielzahl von Koordinaten für Punkte anhand des definierten Bereiches ausgewählt werden. Anschließend werden die in diesem Bereich befindlichen Geokoordi­naten ermittelt und zusammen mit eingegebenen Such­worten werden mögliche POIs als Zieladressen ermittelt.

D4 offenbart damit die Verbindung von Adressdaten zu Geokoordinaten und auch die Auswahl von Adressdaten bzw. Geokoordinaten mittels eines Auswahlbereiches. Es sei noch erwähnt, dass die Auswahl von Adressen mittels eines Cursors nur eine Möglichkeit der Erfindung dar­stellt, siehe Seite 14, Zeilen 1 bis 18, der Anmeldung.

2.12 D5 offenbart die Bestimmung von Zieladressen ("POI") und die Navigation eines Benutzers zu einer Region mit einer hohen Dichte von Zieladressen und zwar zum Zentrum dieser Region, siehe Seite 15, Zeilen 22 bis Seite 16, Zeile 2. Das Zentrum der ausgewählten Region fällt nach Meinung der Kammer unter den beanspruchten Begriff "mittels einer Geokoordinate bestimmten Anfahrtspunkt".

Der Fachmann entnimmt der D5 die Lehre, dass für eine Mehrzahl von Zieladressen, nicht nur für einen einzel­nen POI, ein gemeinsamer geokodierten Anfahrtspunkt definiert werden kann. Die Kammer ist des Weiteren der Meinung, dass auch die D5 bereits die Idee der Auswahl von Zieladressen offenbart, siehe Seite 14, erster Absatz, und Seite 11, zweiter und dritter Absatz.

2.13 Dem Gegenstand des Anspruches 1 fehlt es somit an einer erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) ausgehend von D1 in Verbindung mit der D4 zur Lösung der Teilaufgabe, wie man Ziel­adressen einfacher auswählen kann, und mit der D5 zur Lösung der Teilaufgabe, wie für mehrere Zieladressen ein gemein­samer Anfahrtspunkt definiert werden kann.

2.14 Die Beschwerdeführerin hat des weiteren in Frage ge­stellt, ob der Fachmann die D4 bzw. die D5 zur Lösung der genannten Teilaufgaben überhaupt hinzuziehen würde.

Es ist jedoch unerheblich, ob sich die D4 mit einer Optimierung von Mehrstop-Routen beschäf­tigt oder nicht, denn der Fachmann entnimmt der D4 die ­­Lehre über eine vereinfachte Auswahl bzw. Bestimmung von Zieladressen und zwar durch die Eingabe eines Auswahlbereiches auf einer Karte. Die Kammer sieht kein Hindernis, diese Lehre in der D1 einzusetzen, die in [0071] bereits die Möglich­keit einer Erweiterung der graphischen Benutzerober­fläche diskutiert mit dem Ziel eine komfortablere Bedie­nung des Navigationsgerätes und zusätzliche Funk­tionen zu ermög­lichen. Die Zieladressen der D4, siehe u.a. [0044], sind, wie in der D1, siehe u.a. [0062], geokodiert, und die Kammer kann nicht erkennen, warum der Fachmann die Lehre der D4 nicht in der D1 zur Anwendung bringen sollte. Des weiteren beschreibt D4 ebenfalls ein Mobilgerät, siehe [0031]. Auch die Lehre der D5, die mit Adressen und zu­gehörigen Geokoordinaten arbeitet, siehe [0055], [0056], [0062], zu denen ein gemeinsamer geokodierten Anfahrts­punkt definiert werden kann, lässt sich ohne Weiteres in der D1 anwenden, zumal auch die D1 bereits die Angabe von Zusatzinformationen offenbart.

3. Hilfsanträge

3.1 Hinsichtlich Anspruch 1 des ersten Hilfsantrages argu­mentierte die Beschwerdeführerin, das zusätzliche Merkmal habe den technischen Effekt, dass die nunmehr erweitere Datenbasis automatisch für zukünftige Kurier­fahrten zur Verfügung stehe.

3.2 Die Kammer kann nicht erkennen, dass durch die Verwen­dung eines Anfahrtspunktes für zukünftige Kurier­fahrten eine erweitere Datenbasis erzeugt wird, denn es handelt sich bei diesem Merkmal um eine reine Dar­stellung von (bestehenden) Informationen auf einem Bildschirm, wenn der Anfahrtspunkt im Anzeigebildschirm als Anfahrts­ziel angegeben wird. Das Merkmal kann in dieser Form keinen technischen Beitrag liefern. Auch wird bereits in D5 gewährleistet, dass für spätere Kurierfahrten mit gleichen Zieladressen der gleiche Anfahrtspunkt gewählt wird, denn das Zentrum ist immer gleich für eine gleiche Auswahl von Adressen.

Selbst wenn ein neuer Datensatz erzeugt werden würde, so wäre dies ein reiner Bonus­effekt. Die Geokoordinaten der Ziel­adressen werden ja nicht geändert. Es ist, wie bereits die Prüfungsabteilung feststellte, allgemein bekannt, siehe u.a. D5, Seite 15, Zeilen 15-31, Daten für eine spätere Verwendung zu speichern. Die Kammer sieht derzeit keinen Anlass von dieser Meinung abzuweichen.

3.3 Hinsichtlich Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages argu­mentierte die Beschwerdeführerin, der Eintrag der Geokoordinate des Anfahrtspunktes als Zusatzinformation in die Adressendatensätze der betreffenden Zieladressen habe den technischen Effekt, dass der Benutzer über die Zusatzinformation erkennen kann, dass hier ein von der Geokoordinate der Zieladresse abweichender Anfahrts­punkt zugewiesen ist. Es würden somit Bereiche eines Gebietes einem Navigationssystem zugänglich gemacht, die auf dem ursprünglichen Straßennetz nicht verfügbar waren.

3.4 Die Kammer ist von diesem Argument nicht überzeugt, denn das Merkmal besagt nur, dass die Geokoordinate als "Zusatzinformation" eingetragen wird, nicht aber, dass die Geokoordinaten von Adressen geändert oder über­schrieben werden. Es ist zudem allgemein üblich und bekannt, dass Naviga­tions­systeme, wie in D1, D4 und D5, mit geokodierten Positionen arbeiten. Es ist somit nicht ersichtlich, wie durch dieses Merkmal erreicht werden soll, dass neue Bereiche eines Gebietes einem Navigationssystem zugänglich gemacht würden bzw. dass diese Bereiche auf dem ursprünglichen Straßennetz nicht verfügbar gewesen wären.

Die Prüfungsabteilung befand dieses Merkmal aus der D1 bekannt, Absätze [0016], [0034], [0052], [0055] bis [0056] und [0062]. Die Kammer sieht keinen Anlass von dieser Meinung abzuweichen.

Des Weiteren ist die Kammer der Meinung, dass die als Zusatzinformation eingegebenen Daten rein zur Informa­tion des Benutzers dienen, siehe Seite 15, Zeilen 24ff. Sie haben keine funktionelle Verwendung, wie bereits die Prüfungsabteilung feststellte, sondern sie werden nur angezeigt, siehe Seite 16, Zeilen 27 bis 30, der Anmeldung. Es handelt sich also um eine reine Dar­stellung von Informationen, ohne dass eine technische Wirkung erzielt wird.

3.5 Hinsichtlich Anspruch 1 des dritten Hilfsantrages argu­mentierte die Beschwerdeführerin, dass durch die "Adressendaten und dazugehörige Geokoordinaten anhand derer ein Navigationssystem eines Kurierfahrzeuges zu entsprechenden Zieladressen leiten soll" im Oberbegriff des Anspruches verdeutlicht werde, dass sich der Anspruch auf die Optimierung von Abholfahrten und/oder Lieferfahrten eines Kurierdienstes mittels Leitung des Kurierfahrzeuges durch ein Navigationssystem bezieht, welches Zugriff auf Adressdatensätze einer Datenbank habe.

3.6 Die Kammer stellt hierzu fest, dass im Anspruch 1 des Hauptantrages bereits definiert ist, dass Geokoordina­ten als Zusatzinformation eingefügt werden. Die Struktur der Datensätze muss also derart ausgebildet sein, dass Geokoordinaten eingefügt werden können. Die Kammer kann daher in dem obigen Merkmal keine weitere technische Wirkung erkennen. Des Weiteren ist aus der D1, siehe [0068], bekannt, dass Navigation auf der Basis von Adressen und Geokoordinaten erfolgt. Die Optimierung von Abholfahrten und/oder Lieferfahrten eines Kurierdienstes ist deshalb, wie bereits dargelegt wurde, kein technisches Problem. Die Optimierung erfolgt rein subjektiv anhand von Erfah­rungswerten eines Kurier­fahrers, siehe Seiten 5 und 6 der Anmeldung.

3.7 Hinsichtlich Anspruch 1 des vierten Hilfsantrages argumentiert die Beschwerdeführerin, dass die Entfer­nung von Zieladressen den technische Effekt einer Steigerung der Genauigkeit der hinterlegten Informa­tionen durch Beschränkung auf die für eine Kurierfahrt relevanten Ziele erreiche.

3.8 Diese Annahme ist jedoch rein spekulativ, denn die Streichung von Zieladressen wird vom Benutzer nach subjektiven Kriterien vorgenommen. Es ist fraglich, wie damit eine höhere Genauigkeit erreicht werden könnte. Des Weiteren ist eine selektive Entfernung von Ziel­adressen aus der D1 bekannt, siehe Seite 22, Zeilen 1 bis 5, und [0071].

Auch aus dem Merkmal "darauffolgend" ergibt sich keine Synergie zwischen dem Schritt der Anzeige von Ziel­adressen in einem mit einem Cursor bestimmten Auswahl­bereich und dem Schritt der Auswahl eines Anfahrtspunk­tes mittels Cursor, die sich nicht schon in den höher­rangigen Ansprüchen 1 ergeben hätte und nach Meinung der Prüfungsabteilung in der Analyse der erfinderischen Tätigkeit bereits berücksichtigt wurde.

3.9 Dem Anspruch 1 des ersten bis vierten Hilfsantrages fehlt es somit ebenfalls an erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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