European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2020:T047717.20200525 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 25 Mai 2020 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0477/17 | ||||||||
Anmeldenummer: | 11745958.6 | ||||||||
IPC-Klasse: | F16G3/02 F16G3/09 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | STAHLSEILFÖRDERGURT MIT EINEM VERBINDUNGSSCHARNIER ZUM KOPPELN ZWEIER GURTENDEN | ||||||||
Name des Anmelders: | ContiTech Transportbandsysteme GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | - | ||||||||
Kammer: | 3.2.08 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | - | ||||||||
Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 11 745 958.6 zurückgewiesen wurde.
II. Die Prüfungsabteilung vertrat in ihrer Entscheidung die Auffassung, dass Anspruch 1 den Erfordernissen des Artikels 52(1) EPÜ aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)ausgehend von D4 (DE 24 53 463 A1) nicht genüge.
III. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) beantragt als Hauptantrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des Anspruchs 1 in der am 18. Mai 2020 eingereichten Fassung, hilfsweise des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag vom 29. August 2013 zu erteilen.
IV. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Fördergurt oder Fördergurtsegment aus elastomerem Werkstoff mit einer Festigkeitsträgerlage aus in Längsrichtung des Fördergurtes verlaufenden, parallel zueinander angeordneten Stahlseilen, wobei jedes Gurt- bzw. Segmentende eine Ausbildung zum scharnierartigen Zusammenkoppeln mit einem anderen Gurt- bzw. Segmentende aufweist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Enden der Stahlseile (5) im Endbereich jedes Gurt- bzw. Segmentendes (1 bzw. 2) von den Gummischichten freigelegt sind,
dass die freigelegten Enden der Stahlseile (5) in entsprechenden Längsbohrungen (16) einer Scharnierplatte (14 bzw. 15) stecken und dort positionssicher durch Verpressen der Scharnierplatte (14 bzw. 15) fixiert sind,
dass jede der beiden Scharnierplatten (14 bzw. 15) an ihrem freien Ende jeweils ein Teilscharnier (6 bzw. 7) aus zinnenartigen Vorsprüngen (8 bzw. 9) aufweist, das mit dem jeweils anderen Teilscharnier (6 bzw. 7) zusammenlegbar ist."
V. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen vor, dass der Fachmann ausgehend von der Entgegenhaltung D4 (DE 24 53 463 A1) die Lehre der Entgegenhaltung D3 (DE 2 357 994 A1) nicht berücksichtigt hätte, da ein Verquetschen wie in der D3 für Einzelverbinder gelehrt nicht auf die in der D4 offenbarten Verbinder anwendbar wäre.
Entscheidungsgründe
1. Folgende Entgegenhaltungen wurden im Prüfungsverfahren verwendet:
D1 GB 2 212 241 A
D2 DE 20 2009 003 649 U1
D3 DE 23 57 994 A1
D4 DE 24 53 463 A1
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D4
2.1.1 Der Stahlseilfördergurt gemäß D4 kann als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden. D4 offenbart in Anspruch 1 und Fig. 7, 8 ein/en (Bezugszeichen in runden Klammern beziehen sich auf D4):
Fördergurt oder Fördergurtsegment aus elastomerem Werkstoff mit einer Festigkeitsträgerlage aus in Längsrichtung des Fördergurtes verlaufenden, parallel zueinander angeordneten Stahlseilen (12, 13),
wobei jedes Gurt- bzw. Segmentende eine Ausbildung (14, 15) zum scharnierartigen Zusammenkoppeln mit einem anderen Gurt- bzw. Segmentende aufweist,
wobei die Enden der Stahlseile (12, 13) im Endbereich jedes Gurt- bzw. Segmentendes von den Gummischichten freigelegt sind (Fig. 7),
wobei die freigelegten Enden der Stahlseile (12, 13) in entsprechenden Längsbohrungen (19) einer Scharnierplatte (14, 15) stecken und dort positionssicher fixiert sind,
wobei jede der beiden Scharnierplatten (14, 15) an ihrem freien Ende jeweils ein Teilscharnier aus zinnenartigen Vorsprüngen aufweist, das mit dem jeweils anderen Teilscharnier zusammenlegbar ist (Fig. 8).
2.1.2 Die D4 offenbart nicht, dass die freigelegten Enden der Stahlseile (5) in den Längsbohrungen (16) der Scharnierplatte (14 bzw. 15) durch Verpressen der Scharnierplatte (14 bzw. 15) fixiert sind. In D4 stecken zwar die Enden der Stahlseite in Sacklöchern 19 der Scharnierplatte. Diese dienen jedoch nicht zur zugfesten Verbindung der Stahleile mit der Scharnierplatte, sondern lediglich der Positionierung der Stahlseile. Die zugfeste Verbindung erfolgt hingegen in quaderförmigen Ausnehmungen 18, die vollständig mit Kleber gefüllt werden (D4, Seite 5, Zeile 14 - Seite 6, Zeile 8).
2.1.3 Wie von der Beschwerdeführerin und der Prüfungsabteilung festgestellt, kann die durch dieses Unterscheidungsmerkmal zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, eine Scharnierverbindung für Stahlseilfördergurte mit mittleren und größeren Seildurchmessern zu schaffen, die mit geringem Aufwand herstellbar ist (siehe Anmeldung, Seite 3, Zeilen 15 bis 17).
2.1.4 D3 offenbart zwar auch eine Scharnierverbindung für Stahlseilfördergurte. Der Fachmann würde jedoch die Lehre der D3 nicht auf die Scharnierplatten der D4 übertragen.
Zum einen sind die in der D4 gezeigten kurzen Sacklöcher 19 grundsätzlich nicht dafür geeignet, mittels Verpressens ein Stahlseil in Längsrichtung so fest zu halten, dass sie den starken in Förderbändern vorkommenden Belastungen standhalten können.
Zum anderen befinden sich sowohl die Sacklöcher 19 als auch die Ausnehmungen 18 bei der D4 im Bereich eines Zahns des Bandes, so dass es nicht ohne Weiteres möglich wäre, die zum Verpressen notwendige Kraft über den Zahn auf das Seil zu übertragen - ganz abgesehen von der fehlenden Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme, die unweigerlich zur Zerstörung des Zahnprofils an dieser Stelle führen würde.
Schließlich müsste der Fachmann, um ein Verpressen durchzuführen, vollständig vom Konzept der D4 abweichen. D4 verfolgt nämlich eine durch Verbiegen der Stahlseile formschlüssige und mittels Klebstoff materialschlüssige Fixierung innerhalb der Ausnehmung 18, die in Form eines quaderförmigen Hohlraums vorliegt (siehe Fig. 8). Zu einer solchen Neukonstruktion fehlt dem Fachmann jedoch jede Veranlassung.
2.1.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D4.
2.2 Erfinderische Tätigkeit ausgehend von D3
2.2.1 Auch der Stahlseilfördergurt gemäß D3 kann als nächstliegender Stand der Technik betrachtet werden.
2.2.2 Die D3 offenbart in Anspruch 1, 3, 6, 7; Seite 7, Zeile 20 - Seite 8, Zeile 14; und in Fig. 7, 8 ein/en (Bezugszeichen in runden Klammern beziehen sich auf D3):
Fördergurt oder Fördergurtsegment (11A, 11B) aus elastomerem Werkstoff mit einer Festigkeitsträgerlage aus in Längsrichtung des Fördergurtes verlaufenden, parallel zueinander angeordneten Stahlseilen (13A, 13B),
wobei jedes Gurt- bzw. Segmentende (11A, 11B) eine Ausbildung (16) zum scharnierartigen Zusammenkoppeln mit einem anderen Gurt- bzw. Segmentende aufweist,
wobei die Enden der Stahlseile (13A, 13B) im Endbereich jedes Gurt- bzw. Segmentendes von den Gummischichten freigelegt sind (Anspruch 1, Fig. 8),
wobei die freigelegten Enden der Stahlseile (13A, 13B) in entsprechenden Längsbohrungen (Hohlschaft 20) von Einzelverbindern stecken und dort positionssicher durch Verpressen der Einzelverbinder fixiert sind (20X),
wobei jeder Einzelverbinder an seinem freien Ende jeweils ein Teilscharnier aufweist, das mit dem jeweils anderen Teilscharnier zusammenlegbar ist (Fig. 7, 8).
2.2.3 Somit offenbart die D3 Einzelverbinder zwischen den Stahlseilen und folglich nicht, dass sich die Längsbohrungen in einer Scharnierplatte befinden, wobei jede der beiden Scharnierplatten an ihrem freien Ende jeweils ein Teilscharnier aus zinnenartigen Vorsprüngen aufweist.
2.2.4 Auch hier kann die durch dieses Unterscheidungsmerkmal zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, eine Scharnierverbindung für Stahlseilfördergurte mit mittleren und größeren Seildurchmessern zu schaffen, die mit geringem Aufwand herstellbar ist (siehe Anmeldung, Seite 3, Zeilen 15 bis 17).
2.2.5 Keiner der in D1, D2 oder D4 gezeigten Verbinder eignet sich für den in der D3 offenbarten Quetschvorgang. Letzterer erfordert ein gleichzeitiges Verpressen entlang von zwei orthogonal zueinander liegenden Raumachsen, um den in D3 offenbarten Formschluss um jedes Drahtseilende herum zu bewirken (D3, Fig. 5). Bei keinem der in D1, D2 oder D4 gezeigten Verbinder wäre jedoch ein solcher Quetschvorgang durchführbar, da sie alle quer über die Längsbohrungen hinweg eine konstante Materialstärke aufweisen. Die Verbinder der D1, D2 und D4 gestatten folglich nur ein Quetschen entlang einer Raumachse, nämlich gegen die Ober- und Unterseite des Zahnriemens. Bei D2 und D4 kommt hinzu, dass die Drahtseilenden im Bereich eines Zahns liegen. Der Quetschvorgang müsste daher auf einem Zahn erfolgen, was diesen unweigerlich deformieren und zu einem unbrauchbaren Zahnriemen führen würde. Der Fachmann hätte daher keinen der in D1, D2 oder D4 gezeigten Verbinder für den in D3 gelehrten Quetschvorgang in Betracht gezogen.
2.2.6 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht folglich auch ausgehend von D3 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.3 Die Entgegenhaltungen D1 und D2 haben jeweils weniger gemeinsame Merkmale mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 als D3 oder D4, sodass sie nicht als nächstliegender Stand der Technik in Betracht kommen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anweisung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Anspruch 1 in der am 18. Mai 2020 eingereichten Fassung,
Beschreibung Seiten 1-7 wie ursprünglich eingereicht,
Figuren 1 bis 3 wie ursprünglich eingereicht.