T 0344/17 () of 6.8.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T034417.20200806
Datum der Entscheidung: 06 August 2020
Aktenzeichen: T 0344/17
Anmeldenummer: 11152387.4
IPC-Klasse: H02P6/16
H02P27/08
H02M1/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Verfahren und Steuersystem zum Ansteuern eines bürstenlosen Elektromotors
Name des Anmelders: ebm-papst Mulfingen GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: ZIEHL-ABEGG SE
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83 (2007)
European Patent Convention Art 84 (2007)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - Hauptantrag (ja)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hauptantrag (ja)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus
Änderungen - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0003/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 482 442 in geänderter Fassung gemäß dem damaligen Hilfsantrag 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2016.

II. Die folgenden Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:

D1: EP 2 164 164 A1

D7: K. Pietiläinen et al.: "DC-Link Stabilization and Voltage Sag Ride-Through of Inverter Drives", IEEE Transactions on Industrial Electronics, vol. 53, no. 4, August 2006.

D17: Dissertation Ralf Bartling: "Sensorlose feldorientierte Regelung einer Asynchronmaschine unter Verwendung eines niederkapazitiven Zwischenkreises", Seiten 110 und 111, Der Andere Verlag, Januar 2008.

III. Die Parteien wurden zu einer mündlichen Verhandlung geladen. In einer der Ladung beigefügten Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mit, wonach sie vorläufig in allen Punkten mit der Einspruchsabteilung übereinstimme und daher derzeit keinen Grund sehe, von der angefochtenen Entscheidung im Hinblick auf den Hilfsantrag 3 abzuweichen.

IV. Eine mündliche Verhandlung fand am 6. August 2020 in Anwesenheit der Parteien vor der Kammer statt.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des Hilfsantrags 3 vom 14. Oktober 2016 aufrecht zu erhalten (Hauptantrag).

V. Anspruch 1 des Patents in der für gewährbar erachteten Fassung (damaliger Hilfsantrag 3) gemäß dem vorliegendem Hauptantrag gliedert sich in die folgenden Merkmale:

Verfahren zum Ansteuern eines bürstenlosen, elektronisch kommutierten Elektromotors (M) [Merkmal 1.1.], wobei eine dreiphasige Netzwechselspannung (UN) in eine Zwischenkreis-Gleichspannung (UZK) gleichgerichtet [Merkmal 1.2.] und diese Gleichspannung (UZK) über einen schlanken Zwischenkreis (6) einem Wechselrichter (2) zugeführt wird [Merkmal 1.3.], der über eine Motorsteuerung (10) zur PWM-Taktung zwecks Kommutierung des Elektromotors (M) und Einstellung der Motordrehzahl mit einem variierbaren Aussteuergrad (A) ansteuerbar ist [Merkmal 1.4.], wobei der schlanke Zwischenkreis ohne Glättungskondensator oder zumindest ohne Elektrolytkondensator ausgebildet ist, so dass die Zwischenkreis-Gleichspannung (UZK) mit einer periodischen Störgröße behaftet ist [Merkmal 1.5.], wobei zur Störgrößenkompensation der Aussteuergrad (A) mit einem Kompensationsfaktor (k) derart beeinflusst wird, dass im Zwischenkreis (6) das Produkt aus Zwischenkreis-Gleichspannung (UZK) und einem resultierenden Zwischenkreis-Strom (IZK) konstant gehalten wird [Merkmal 1.6.], dadurch gekennzeichnet, dass die Zwischenkreis-Gleichspannung (UZK) hinsichtlich der Größe eines Wechselanteils (UZKac) überwacht wird [Merkmal 1.7.], wobei im Falle eines Erreichens oder Überschreitens eines vorgegebenen ersten Grenzwertes (UZKac.max1) des Wechselanteils (UZKac) von einer aktuell gemessenen Zwischenkreis-Gleichspannung (UZK.akt.mess) der Kompensationsfaktor (k) mittels eines Reglers (20) zur Reduzierung der Störgrößenkompensation verändert wird [Merkmal 1.8.], bis der aktuelle Wechselanteil (UZKac) wieder auf oder unter den Grenzwert (UZKac.max1) absinkt [Merkmal 1.9.], wobei der Kompensationsfaktor (k) in Abhängigkeit der aktuell gemessenen Zwischenkreis-Gleichspannung (UZKakt.mess), eines Mittelwertes der aktuell gemessenen Zwischenkreis-Gleichspannungen (UZK.Mitt.mess) und einem Skalierungsfaktor (Sk) berechnet wird [Merkmal 1.10.], wobei eine Korrektur des Wechselanteils der Zwischenkreisspannung über die folgende Gleichung erfolgt:

UZK.akt.neu = (UZK.akt.mess - UZK.Mitt.mess) · Sk + UZK.Mitt.mess

und darin bedeuten

UZK.akt.neu = korrigierte Zwischenkreis-Gleichspannung

UZK.akt.mess = aktuell gemessene Zwischenkreis- Gleichspannung

UZK.Mitt.mess = Mittelwert von UZK.akt.mess (= DC-Anteil)

(UZK.akt.mess - UZK.Mitt.mess) = Wechselanteil (AC-Anteil) von UZK.akt.mess

Sk = Skalierungsfaktor des AC-Anteils mit Sk = 0 bis 1 [Merkmal 1.11.]

und wobei sich der Kompensationsfaktor (k) zur modifizierten Störgrößenkompensation der welligen Zwischenkreis-Gleichspannung wie folgt berechnet:

k = UZK.Mitt.mess / UZK.akt.neu [Merkmal 1.12.].

VI. Der unabhängige Anspruch 2 gemäß Hauptantrag gliedert sich in die folgenden Merkmale:

Verfahren zum Ansteuern eines bürstenlosen, elektronisch kommutierten Elektromotors (M) [Merkmal 2.1.], wobei eine dreiphasige Netzwechselspannung (UN) in eine Zwischenkreis-Gleichspannung (UZK) gleichgerichtet [Merkmal 2.2.] und diese Gleichspannung (UZK) über einen schlanken Zwischenkreis (6) einem Wechselrichter (2) zugeführt wird [Merkmal 2.3.], der über eine Motorsteuerung (10) zur PWM-Taktung zwecks Kommutierung des Elektromotors (M) und Einstellung der Motordrehzahl mit einem variierbaren Aussteuergrad (A) ansteuerbar ist [Merkmal 2.4.], wobei der schlanke Zwischenkreis ohne Glättungskondensator oder zumindest ohne Elektrolytkondensator ausgebildet ist, so dass die Zwischenkreis-Gleichspannung (UZK) mit einer periodischen Störgröße behaftet ist [Merkmal 2.5.], wobei zur Störgrößenkompensation der Aussteuergrad (A) mit einem Kompensationsfaktor (k) derart beeinflusst wird, dass im Zwischenkreis (6) das Produkt aus Zwischenkreis-Gleichspannung (UZK) und einem resultierenden Zwischenkreis-Strom (IZK) konstant gehalten wird [Merkmal 2.6.], dadurch gekennzeichnet, dass die Netzwechselspannung (UN) in eine zusätzliche, der Zwischenkreis-Gleichspannung (UZK) entsprechende oder proportionale Mess-Gleichspannung (UZK') gleichgerichtet wird [Merkmal 2.7.], wobei diese Mess-Gleichspannung (UZK') hinsichtlich der Größe eines Wechselanteils (UZKac) überwacht wird [Merkmal 2.8.], wobei im Falle eines Erreichens oder Überschreitens eines vorgegebenen ersten Grenzwertes (UZKac.max1) des Wechselanteils (UZKac) der Kompensationsfaktor (k) zur Reduzierung der Störgrößenkompensation verändert wird [Merkmal 2.9.], bis der aktuelle Wechselanteil (UZKac) wieder auf oder unter den Grenzwert (UZKac.max1) absinkt [Merkmal 2.10.].

VII. Der unabhängige Anspruch 6 gemäß Hauptantrag ist auf ein Steuersystem für einen bürstenlosen, elektronisch kommutierten Elektromotor unter Anwendung des Verfahrens nach einem der vorhergehenden Ansprüche gerichtet und weist im Übrigen zu den Verfahrensmerkmalen des Anspruchs 1 korrespondierende Vorrichtungsmerkmale auf.

VIII. Der unabhängige Anspruch 7 gemäß Hauptantrag bezieht sich auf ein Steuersystem nach dem Oberbegriff des Anspruchs 6 und weist in seinem kennzeichnenden Teil zu den kennzeichnenden Verfahrensmerkmalen des Anspruchs 2 korrespondierende Vorrichtungsmerkmale auf.

IX. Die Ansprüche 3 bis 5 sind von den Ansprüchen 1 und 2 abhängig.

Die Ansprüche 8 bis 10 sind von den Ansprüchen 6 und 7 abhängig.

X. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin sind wie folgt:

Hauptantrag - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

Während des Prüfungsverfahrens seien die nachfolgend hervorgehobenen Worte in Anspruch 1 gemäß Merkmal 1.8. ergänzt worden:

"... wobei im Falle eines Erreichens oder Überschreitens eines vorgegebenen ersten Grenzwertes (UZKac.max1) des Wechselanteils (UZKac) von einer aktuell gemessenen Zwischenkreis-Gleichspannung (UZK.akt.mess) der Kompensationsfaktor(k) mittels eines Reglers (20) zur Reduzierung der Störgrößenkompensation verändert wird,..."

Der Wortlaut der in den Anspruch 1 aufgenommenen Änderung sei, insbesondere aufgrund der starken Bindungswirkung des verwendeten Genitivs, eindeutig so zu verstehen, dass die aktuell gemessene Zwischenkreis-Gleichspannung UZK.akt.mess mit einem vorgegebenen ersten Grenzwert UZKac.max1 des Wechselanteils UZKac verglichen werde. Bezüglich der Offenbarung dieser Änderungen sei seitens der Patentinhaberin auf die ursprüngliche Beschreibung Seite 9, zweiter Absatz bis Seite 10, fünfter Absatz verwiesen worden. Der Sinngehalt der vorgenommenen Änderung könne der angegebenen ursprünglichen Beschreibung jedoch nicht entnommen werden, denn dort werde lediglich der Vergleich des Wechselanteils der aktuell gemessenen Zwischenkreis-Gleichspannung mit einem Grenzwert offenbart, nicht jedoch der Vergleich einer aktuell gemessenen Zwischenkreis-Gleichspannung mit einem vorgegebenen ersten Grenzwert des Wechselanteils. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gehe somit über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und verstoße somit gegen Artikel 123 (2) EPÜ.

Hauptantrag - Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)

Anspruch 1 enthalte keine Hinweise dahingehend, dass ein "Verändern" des Kompensationsfaktors im Sinne von Merkmal 1.8. des Anspruchs 1 ausschließlich als eine in der Beschreibung erläuterte Reduzierung des Kompensationsfaktors zu verstehen sei. Von Merkmal 1.8. umfasst sei vielmehr auch eine Reduzierung der Störgrößenkompensation durch eine Erhöhung des Kompensationsfaktors. Der gesamte Sinngehalt des Begriffs "verändern" müsse ausführbar sein, so dass auch eine ausführbare Lehre vorliegen muss, mit der durch Erhöhung des Kompensationsfaktors eine Reduzierung der Störgrößenkompensation verwirklicht werde. Eine derartige Lehre sei jedoch weder in der Beschreibung des Streitpatents zu finden, noch wisse ein Fachmann aus seinem Fachwissen heraus wie er durch Erhöhung eines Skalierungsfaktors eine Reduzierung einer Störgrößenkompensation herbeiführen könne. Das Merkmal 1.8 des Hauptantrag sei somit nicht in dem gesamten beanspruchten Bereich ausführbar und das Erfordernis von Artikel 83 EPÜ daher nicht erfüllt.

Hauptantrag - Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

Gemäß der nachträglich in die Ansprüche 1 und 6 aufgenommenen Merkmale 1.11. und 6.11. solle "eine Korrektur des Wechselanteils der Zwischenkreisspannung" mit Hilfe einer Formel erfolgen. Allerdings sei unklar, was unter einer Korrektur des "Wechselanteils der Zwischenkreisspannung" zu verstehen sei, denn der "Wechselanteil der Zwischenkreisspannung" sei zuvor nicht in den Ansprüche 1 und 6 definiert worden. Es bleibe offen, ob unter der "Zwischenkreisspannung" die zuvor in Anspruch 1 bzw. 6 mehrfach erwähnte "Zwischenkreis-Gleichspannung" oder eine andere Spannung innerhalb des Steuersystems gemeint sei. Ferner bleibe in Anspruch 1 offen, welcher Wechselanteil der Zwischenkreisspannung korrigiert werden solle. Anspruch 1 erfülle somit nicht die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ, da nicht eindeutig angegeben sei, was unter Schutz gestellt werden soll.

Ferner sei unklar, was unter der "modifizierten Störgrößenkompensation der welligen Zwischenkreis-Gleichspannung" im Sinne der Merkmale 1.12. und 6.12. in den Ansprüchen 1 und 6 zu verstehen sei. Weder das Adjektiv "modifiziert" noch das Adjektiv "wellig" werde in Anspruch 1 bzw. 6 näher definiert. Auch die Merkmale 1.12. und 6.12. seien daher unklar und die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ auch aus diesem Grund nicht erfüllt.

Ferner seien in die Ansprüche 1 und 6 zahlreiche Merkmale aufgenommen worden, insbesondere der formelmäßige Zusammenhang gemäß der Merkmale 1.11. und 1.12. in Anspruch 1 sowie die Merkmale 6.11. und 6.12. in Anspruch 6, die offensichtlich wesentlich für die beanspruchte Lehre seien. Diese Merkmale hätten jedoch keinen Eingang in die unabhängigen Ansprüche 2 und 7 gefunden, welche nach wie vor der erteilten Fassung entsprächen. Die Aufnahme wesentlicher Merkmale in die Ansprüche 1 und 6 strahle somit auch auf die Klarheit der Ansprüche 2 und 7 aus, und diese seien, wenngleich unverändert entsprechend der erteilten Fassung, selbst im Lichte der Entscheidung G 3/14 der großen Beschwerdekammer überprüfbar im Hinblick auf das Erfordernis von Artikel 84 EPÜ. Die Ansprüche 2 und 7 würden somit nicht das Erfordernis von Artikel 84 EPÜ erfüllen.

Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit des Gegenstands der Ansprüche 2 und 7 (Artikel 56 EPÜ)

Ausgehend von dem Dokument D1 als nächstliegendem Stand der Technik könnten die Merkmale 2.7. bis 2.10. des unabhängigen Anspruchs 2 keine erfinderische Tätigkeit begründen.

Die objektive technische Aufgabe bezüglich der Merkmale 2.8. bis 2.10. sei es, ein Verfahren zu schaffen, das den Betriebsbereich des Elektromotors in einen ansonsten störungsanfälligen Arbeitsbereich erweitere.

Gemäß der Merkmale 2.8. bis 2.10. werde bei Überschreiten einer maximal zulässigen Zwischenkreis-Gleichspannung die Störgrößenkompensation zurückgefahren. Wie in Absatz [0007] des Streitpatents offenbart sei, komme es in der Praxis häufig vor, dass bei Betrieb einer kompensierten Motorsteuerung an einem hochinduktiven Stromnetz eine Überspannungsabschaltung erfolge. Das Dokument D1 offenbare ferner in Absatz [0006] das Problem einer verstärkt pulsierenden Zwischenkreisspannung, was dem Fachmann eine Anregung zur Überwachung des Wechselanteils liefere.

Ein Fachmann würde demnach bei Erkennen dieses Problems und zur Lösung der zuvor aufgezeigten objektiven technischen Aufgabe nach der Ursache suchen. Da dem Fachmann bekannt sei, dass durch einen schlanken Zwischenkreis die Netzrückwirkungen deutlich geringer seien als bei einem fetten Zwischenkreis, würde er bei Erkennen des Problems der Überspannungsabschaltung nicht ohne Weiteres auf einen fetten Zwischenkreis umschwenken. Vielmehr würde er sich mit dem Problem genauer auseinandersetzen und sehr schnell erkennen, dass das Problem ohne Störgrößenkompensation nicht vorliege. Der Fachmann würde die Störgrößenkompensation folglich zunächst deaktivieren und dadurch feststellen, dass keine Überspannungsabschaltung mehr erfolge. Da die vorherige Überspannungsabschaltung im Zwischenkreis erfolgte, sei die Ursache einer zu hohen Zwischenkreisspannung offensichtlich. Da sich kritische Zwischenkreisspannungen aus den Wechselanteilen ergeben müssen, werde der Fachmann in naheliegender Weise eine Überwachung des Wechselanteils durchführen. Es sei daher für den Fachmann eine Zwangsläufigkeit, einen Regler vorzusehen, der den Wechselanteil mit einem Grenzwert vergleiche und die Störgrößenkompensation bei Erreichen einer kritischen Zwischenkreisspannung reduziere. Entsprechende Maßnahmen seien ihm aus seinem Fachwissen hinlänglich bekannt. Die Reduzierung geschehe im einfachsten Fall durch einen Skalierungsfaktor, der in die Berechnung des Kompensationsfaktors einfließe.

Da ohnehin die Zwischenkreis-Gleichspannung für die Störgrößenkompensation gemessen werde, ergebe sich durch diese Regelung auch kein erheblicher Zusatzaufwand, so dass er von diesem Schritt nicht abgehalten werde. Die gesamte Regelung des Motors einschließlich der Störgrößenkompensation sei ohnehin bereits in einem Mikrocontroller implementiert, so dass auch keine zusätzliche Hardware vorzusehen sei, sondern sich der Regler mit geringfügigem zusätzlichen Rechenaufwand implementieren lasse. Damit halte einen Fachmann nichts von seinen fachmännisch angestellten Überlegungen ab, durch die er in naheliegender Weise zu den Merkmalen 2.8. bis 2.10. gelangen könne und werde.

Eine Anregung zur Beschäftigung mit dem hier zugrundeliegenden Problem ergebe sich für den Fachmann somit bereits aus der Verwendung der Lehre der D1 in der Praxis. Die Lösung des Problems gemäß der Merkmale 2.8. bis 2.10. ergebe sich für den Fachmann zwangsläufig bei der Suche nach der Ursache des Problems einer Überspannungsabschaltung unter Verwendung seines Fachwissens. Die Merkmale 2.8. bis 2.10. könnten somit keine erfinderische Tätigkeit begründen.

Auch eine Zusammenschau der Druckschriften D1 und D7 lege die Merkmalskombination 2.1. bis 2.6. und 2.8. bis 2.10. nahe. Da D7 auf Seite 1261, linke Spalte, Absatz 4 und auf Seite 1262, rechte Spalte, Absatz 4 Stabilitätsprobleme in einem Gleichspannungszwischenkreis nenne, offenbare die D7 das gleiche technische Problem, das auch dem Streitpatent zugrunde liege. Bei der D7 werde dieses Problem im Rahmen einer feldorientierten Regelung gelöst, bei der die Regelung in Abhängigkeit von der Größe des Wechselanteils der Zwischenkreisgleichspannung zurückgefahren werde (siehe D7, Figur 3 sowie insbesondere die Formeln (18), (26) und (33)). Die Verwendung des Wechselanteils (vdc-vdc0) der Zwischenkreisgleichspannung in Formel (26) setze voraus, dass die Größe des Wechselanteils überwacht werde, so dass Merkmal 2.8. durch D7 offenbart sei. Die Berechnungsvorschrift des Dämpfungsfaktors g0 sei in Formel (18) des Dokuments D7 definiert. In dem dort genutzten Parameter K stecke ein Grenzwert, der zu einer Reduzierung des Regeleingriffs führe. Damit sei auch das Merkmal 2.9. in D7 offenbart. Da eine Beeinflussung einer zu regelnden Größe bis zum Erreichen des Regelziels üblich für Regelungen sei und damit auch bei der D7 vorliegen müsse, sei auch das Merkmal 2.10. in dem Dokument D7 offenbart. Damit sei die Grundidee der Merkmale 2.8. bis 2.10. des Anspruchs 2 durch das Dokument D7 offenbart. Jede feldorientierte Regelung habe im Übrigen Auswirkungen auf die Spannungen, die an dem Motor anliegen. Dies gehe bereits aus der D7 hervor, insbesondere aus den Formeln (36) und (37). Als ergänzender Beleg hierfür werde das Dokument D17 vorgelegt.

Da die D1 hinsichtlich der Funktionsweise der einzelnen Elemente (beispielsweise der "Zusatzeinrichtung 16" oder der "PWM-Steuerung 8") nebulös bleibe, lasse sie im Übrigen Raum für die Verwendung einer feldorientierten Regelung, welche das fachmännische Mittel der Wahl sei.

XI. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin sind wie folgt:

Hauptantrag - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

Merkmale in Ansprüchen seien einerseits technisch sinnvoll auszulegen und darüber hinaus im Kontext der anderen Merkmale des Anspruchs zu lesen. Das Merkmal 1.8. des Anspruchs 1 sei nicht losgelöst von den Merkmalen 1.7. und 1.9. zu sehen, sondern dort werde eindeutig der Bezug zum Wechselanteil hergestellt. In Anspruch 1 erfolge somit immer noch der direkte Vergleich mit dem Wechselanteil. Sowohl der Wortlaut des Anspruchs 1 an sich, als auch seine Auslegung im Kontext der Beschreibung lasse somit keine Zweifel daran aufkommen, dass die gewählte Formulierung keine unzulässige Änderung darstelle, sondern vielmehr dem entspreche, was der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zu entnehmen sei.

Hauptantrag - Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)

Ein Fachmann mit langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Motorsteuerungen, der solides technisches Wissen und gute Kenntnisse über das Modellieren des Verhaltens von Systemkomponenten besäße, sei nach verständiger Lesart der Erfindung in der Lage, diese mit Hilfe der Beschreibung nachzuarbeiten. Die Tatsache, dass sich bei bewusst unverständiger Lesart des Anspruchs stets Beispiele finden lassen, die nicht in dem Patent beschrieben und möglicherweise nicht ausführbar sind, stehe dem Erfordernis von Artikel 83 EPÜ nicht entgegen.

Hauptantrag - Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

Es bestehe keine Unklarheit dahingehend, welche Zwischenkreisspannung korrigiert werden solle, da sich dies nicht nur aus dem unmittelbaren Wortlaut des Anspruchs, sondern auch aus den explizit angegebenen Funktionsparametern im Anspruch ergebe, die in diesem Zusammenhang konkret benannt und angegeben seien. Für den Fachmann sei überdies auch aus dem Anspruch heraus klar, dass die Zwischenkreis-Gleichspannung wegen des fehlenden Glättungskondensators im schlanken Zwischenkreis eine wellige Zwischenkreisspannung sei. Auch in diesem Punkt bestehe somit keine Unklarheit.

Hinsichtlich der Ansprüche 2 und 7 lasse die Entscheidung G 3/14 keinen Spielraum in Bezug auf unverändert erteilte Ansprüche. Eine Klarheitsprüfung sei in diesem Fall nicht vorgesehen.

Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

Die Einsprechende belege durch die Aufzählung der zahlreichen Schritte, die erforderlich seien, um zu dem Gegenstand der Ansprüche 2 und 7 zu gelangen, deren Nichtnaheliegen. Im Übrigen beruhe eine solche Herangehensweise auf einer unzulässigen Ex Post-Betrachtung. Dass ein Fachmann den komplexen erfindungsgemäßen Zusammenhang durch lediglich testweises Abschalten einer aus dem Stand der Technik bekannten Kompensationsschaltung sehr schnell erkenne, entbehre jeder nachweisbaren Grundlage.

Ferner werde in keinem der Dokumente die technische Lehre zur Lösung des objektiven technischen Problems gemäß Anspruch 2 vorgeschlagen, nach der im Falle eines Erreichens oder Überschreitens eines vorgegebenen ersten Grenzwertes des Wechselanteils der Kompensationsfaktor zur Reduzierung der Störgrößenkompensation verändert werde, bis der aktuelle Wechselanteil wieder auf oder unter den Grenzwert absinke. Die Kompensation könne dabei so weit zurückgefahren werden, dass überhaupt keine Kompensation mehr erfolge.

Eine entsprechende Lehre sei weder der D1 noch der D7 zu entnehmen. Die D1 widme sich einer dynamischen Kompensationsschaltung. Die D7 beschäftige sich mit Spannungseinbrüchen und dem Einfluss unzureichender Bandbreite in der Stromsteuer-Schleife und betrachte in diesem Zusammenhang eine feldorientierte Stromregelung. Die Einsprechende könne weder konkrete Fundstellen nachweisen, wo der Fachmann auf das objektive Problem in den genannten Druckschriften stoße noch wie konkret das Problem nach der Lehre der vorliegenden Erfindung, wie mit den Merkmalen 2.7. bis 2.10. beansprucht, offenbart sei. Es sei darüber hinaus unklar, warum der Fachmann die D7 in diesem Zusammenhang überhaupt berücksichtigen würde, da sich diese nicht mit der objektiven Aufgabe und noch weniger mit der konkreten Lösung der vorliegenden Erfindung befasse.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Hauptantrag - Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)

2.1 Das Patent in der Fassung des Hauptantrags erfüllt das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ. Insbesondere geht die nachfolgend wiedergegebene, im Merkmal 1.8. des Anspruchs 1 vorgenommene Änderung nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus:

"... wobei im Falle eines Erreichens oder Überschreitens eines vorgegebenen ersten Grenzwertes (UZKac.max1) des Wechselanteils (UZKac) von einer aktuell gemessenen Zwischenkreis-Gleichspannung (UZK.akt.mess) der Kompensationsfaktor(k) mittels eines Reglers (20) zur Reduzierung der Störgrößenkompensation verändert wird,..."

2.2 Die Kammer stimmt mit der Beschwerdegegnerin darin überein, dass bei verständiger Lesart des Anspruchs 1 als Ganzes kein Zweifel daran bestehen kann, dass der Wechselanteil (der aktuell gemessenen Zwischenkreis-Gleichspannung) und nicht die Zwischenkreis-Gleichspannung mit einem Grenzwert verglichen wird. Eine von den übrigen Merkmalen des Anspruchs künstlich herbeigeführte isolierte Lesart des Merkmals 1.8., die aufgrund einer durch die Satzstruktur bedingten Mehrdeutigkeit dieses Merkmals zu einer dem Sinngehalt des Anspruchs als Ganzes widersprechrechenden Bedeutung führen würde, ist jedenfalls unzulässig. Somit vermag auch eine von der Beschwerdeführerin geltend gemachte vermeintlich starke Bindungswirkung des Genetivs in der deutschen Sprache das fachmännische Verständnis des Merkmals 1.8. im Gesamtzusammenhang des Anspruchs 1 nicht zu ändern. Der Fachmann versteht unmissverständlich, dass es der Wechselanteil ist, der im Sinne von Merkmal 1.7. überwacht wird, weiter im Sinne von Merkmal 1.8. mit einem Grenzwert verglichen wird, und schließlich der Kompensationsfaktor gemäß Merkmale 1.9. verändert wird, bis der aktuelle Wechselanteil wieder auf oder unter den Grenzwert absinkt.

2.3 Die in Merkmal 1.8. vorgenommene Änderung entspricht somit der Offenbarung, insbesondere auf Seite 9, dritter Absatz der ursprünglichen Beschreibung, und geht folglich nicht über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus.

2.4 Die Einspruchsabteilung hat somit in der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, dass die im Rahmen des Merkmals 1.8. vorgenommenen Änderungen des Anspruchs 1 das Erfordernis von Artikel 123 (2) EPÜ erfüllen (siehe Punkt 2.2.2 der Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung).

3. Hauptantrag - Ausreichende Offenbarung (Artikel 83 EPÜ)

3.1 Anspruch 1 erfüllt das Erfordernis von Artikel 83 EPÜ. Insbesondere bedingt die folgende Formulierung in Merkmal 1.8. des Anspruchs 1 keine mangelnde Ausführbarkeit der Erfindung: "wird der Kompensationsfaktor [...] zur Reduzierung der Störgrößenkompensation verändert". Es mag zwar zutreffen, dass eine Erhöhung des Kompensationsfaktors durch die Verwendung des Begriffs "verändert" unter den Wortsinn des Anspruchs 1 fällt. Aus der Beschreibung ergibt sich jedoch unmittelbar, dass eine Veränderung im Sinne einer Reduzierung vornehmbar ist, um den angestrebten Effekt einer Reduzierung der Störgrößenkompensation zu erreichen. Dies wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten. Wie die Beschwerdegegnerin zu Recht festgestellt hat, ergibt sich bei verständiger Lesart des Streitpatents als Ganzes somit nichts, was der Ausführbarkeit der Erfindung entgegen steht. Vielmehr ist dem Fachmann klar, welche Varianten in der Praxis nicht umsetzbar sind und er würde diese sodann verwerfen.

3.2 Das Argument, der Fachmann finde im Streitpatent keine ausführbare Lehre für die in dem Begriff "verändern" enthaltene Alternative einer Erhöhung des Kompensationsfaktors zur Reduzierung der Störgrößenkompensation, überzeugt die Kammer deshalb nicht.

3.3 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass der Anspruch 1 das Erfordernis von Artikel 83 erfüllt.

4. Hauptantrag - Klarheit (Artikel 84 EPÜ)

4.1 Ansprüche 1 und 6

4.1.1 Die Ansprüche 1 und 6 des Hauptantrags erfüllen die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ.

4.1.2 Zwar liegen in den Ansprüchen 1 und 6 begriffliche Abweichungen im Hinblick auf die "Zwischenkreisspannung" in Merkmal 1.11. des Anspruchs 1 (entsprechend Merkmal 6.11. des Anspruchs 6) und der im übrigen Anspruch verwendeten "Zwischenkreis-Gleichspannung" vor. Begriffliche Abweichungen stellen per se jedoch noch keinen Klarheitsmangel im Sinne von Artikel 84 EPÜ dar, solange der Gegenstand, für den Schutz begehrt wird, auch im Lichte der begrifflichen Abweichungen ausreichend klar definiert ist. Im vorliegenden Fall erkennt der Fachmann aus dem Gesamtzusammenhang des Anspruchs, dass es sich bei der "Zwischenkreisspannung" und der "Zwischenkreis-Gleichspannung" eindeutig um ein und die selbe Spannung auf dem Zwischenkreis handelt. Jedes andere Verständnis des Anspruchs ist in technischer Hinsicht fernliegend, wie die Beschwerdegegnerin zutreffend vorgetragen hat. Die pauschale Behauptung der Beschwerdeführerin, es könne sich bei der "Zwischenkreisspannung" um eine gänzlich andere Spannung als die "Zwischenkreis-Gleichspannung" handeln, ist hingegen nicht plausibel. Auch hat sie keinerlei Belege erbracht oder sonstige Indizien dargelegt, die dafür sprechen könnten, dass der Fachmann ernsthaft zu der Auffassung gelangen würde, es handele sich bei der "Zwischenkreisspannung" im Sinne des Merkmals 1.11. um eine gänzlich andere Spannung als die im übrigen Anspruch genannte "Zwischenkreis-Gleichspannung".

Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass der Fachmann unter Anwendung einer üblichen fachmännisch verständigen Lesart zweifellos zu dem Schluss gelangt, dass es sich bei der "Zwischenkreisspannung" im Sinne der Merkmale 1.11. und 6.11. um die "Zwischenkreis-Gleichspannung" handelt.

4.1.3 Entsprechendes gilt auch für die Formulierung "Korrektur des Wechselanteils" der Zwischenkreisspannung gemäß Merkmal 1.11. bzw. 6.11. Die bloße Tatsache, dass der Begriff "Korrektur" in den Ansprüchen 1 und 6 nicht näher definiert ist, hindert den Fachmann jedenfalls nicht daran, seine unmissverständliche Bedeutung in der Gesamtschau des Anspruchs zu verstehen, die eindeutig in Zusammenhang mit der Absenkung des Wechselanteils unter den Grenzwert im Sinne des Merkmals 1.9. steht. Für das Erfordernis der Klarheit ist eine weitergehende Definition somit weder erforderlich noch zweckmäßig, denn dem Fachmann erschließt sich die Bedeutung des Wortlauts "Korrektur des Wechselanteils" unmittelbar.

4.1.4 Auch der Einwand der Beschwerdeführerin, der Wortlaut "modifizierten Störgrößenkompensation der welligen Zwischenkreis-Gleichspannung" sei unklar, überzeugt die Kammer nicht. Die Formulierung steht einer eindeutigen Definition des zu schützenden Gegenstandes vorliegend nicht entgegen. Wie die Einspruchsabteilung zutreffend festgestellt hat, weiß der Fachmann, dass die Zwischenkreis-Gleichspannung aufgrund des fehlenden (Elektrolyt-)kondensators wellig ist. Auch hier stellt die Beschwerdeführerin auf eine fehlende Definition der Begriffe "wellig" und "modifiziert" in Anspruch 1 ab. Dies ist jedoch angesichts dessen, dass keinerlei Zweifel an der tatsächlicher Bedeutung der vorgenannten Begriffe bestehen, unbeachtlich.

4.1.5 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass die Ansprüche 1 und 6 des Hauptantrags die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ erfüllen.

4.2 Unabhängiger Anspruch 2

Der unabhängige Anspruch 2 ist im Lichte der Entscheidung G 3/14 der großen Beschwerdekammer nicht auf das Erfordernis von Artikel 84 EPÜ hin zu überprüfen. Er ist gegenüber der erteilten Fassung unverändert, weil er lediglich auf den Oberbegriff des Patentanspruchs 1 rückbezogen ist, in dem keine durch Änderungen herbeigeführte Unklarheit festzustellen ist. Das Argument der Beschwerdeführerin, die nachträgliche Aufnahme von wesentlichen Merkmalen in den unabhängigen Anspruch 1 habe Auswirkungen auf den unabhängigen Anspruch 2 und "strahle auf diesen aus", da eine entsprechende Aufnahme dieser wesentlichen Merkmale in den unabhängigen Anspruch 2 unterblieben sei, ist somit unbeachtlich.

4.3 Unabhängiger Anspruch 7

Der unabhängige Anspruch 7 umfasst durch Rückbezug auf den Oberbegriff des Anspruchs 6, der seinerseits auf den Anspruch 1 rückbezogen ist, auch die Änderungen in dem kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1.

Die Änderungen in Anspruch 1 sind jedoch nicht unklar (siehe Punkt 4.1 oben). Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin weder vorgetragen noch ist ersichtlich, dass eine Unklarheit in Anspruch 7 kausal durch die Änderung in Anspruch 1 hervorgerufen worden sein soll. Vielmehr lässt sich den Ausführungen der Beschwerdeführerin, die das Fehlen wesentlicher Merkmale im Anspruch 7 bemängelt, lediglich entnehmen, dass diese (angebliche) Unklarheit schon in dem erteilen Anspruch 7 vorgelegen hätte.

Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass Anspruch 7, in dem durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 vorgenommenen Änderungen überprüfbaren Umfang, aus den gleichen Gründen wie der Anspruch 1 die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ erfüllt.

5. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

5.1 Im Hinblick auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit richtet sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Feststellungen der Einspruchsabteilung soweit sie die unabhängigen Ansprüche 2 und 7 betreffen.

5.2 Die Neuheit des Gegenstands der unabhängigen Ansprüche 2 und 7 steht nicht in Frage. Vielmehr ist unstreitig zwischen den Parteien, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von dem Dokument D1, welches ebenfalls unstreitig als nächstliegender Stand der Technik angesehen wird, durch die Merkmale 2.7. bis 2.10. unterscheidet. Dementsprechend werden die Merkmale 7.7. bis 7.10. des unabhängigen Anspruchs 7 als Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem Dokument D1 angesehen.

5.3 Die Frage eines von der Beschwerdeführerin in Abrede gestellten synergetischen Effekts zwischen den Merkmalen 2.7. und 2.8. bis 2.10. kann vorliegend dahinstehen, denn jedenfalls sind die Merkmale 2.8. bis 2.10. weder durch Fachwissen noch durch die vorliegenden Dokumente nahegelegt. Die betreffenden Merkmale 2.8. bis 2.10. lauten wie folgt:

...wobei diese Mess-Gleichspannung (UZK') hinsichtlich der Größe eines Wechselanteils (UZKac) überwacht wird [Merkmal 2.8.], wobei im Falle eines Erreichens oder Überschreitens eines vorgegebenen ersten Grenzwertes (UZKac.max1) des Wechselanteils (UZKac) der Kompensationsfaktor (k) zur Reduzierung der Störgrößenkompensation verändert wird [Merkmal 2.9.], bis der aktuelle Wechselanteil (UZKac) wieder auf oder unter den Grenzwert (UZKac.max1) absinkt [Merkmal 2.10.].

5.4 Die sich durch die Unterscheidungsmerkmale 2.8. bis 2.10. ergebende objektive technische Aufgabe wurde von den Parteien übereinstimmend als die Erweiterung des Betriebsbereichs des Elektromotors in einen ansonsten störungsanfälligen Arbeitsbereich angesehen.

5.5 Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin darin zu, dass die Beschwerdeführerin in dem Versuch, das Naheliegen der Merkmale 2.8. bis 2.10. ausgehend von dem Dokument D1 in Kombination mit Fachwissen zu belegen, in unzulässiger Weise die Kenntnis der Erfindung zugrunde gelegt hat. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin extensiv dargelegt, welche Einzelschritte der Fachmann ausgehend von dem Dokument D1 in naheliegender Weise gegangen wäre, um zu dem Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen (siehe insbesondere Punkt 3 auf Seite 17 und 18 der Beschwerdebegründung vom 5. April 2017). Dabei hat sie jedoch die zu lösende objektive technische Aufgabe sowie die Tatfrage, ob die erfindungsgemäße Lösung dem Fachwissen des Fachmanns zuzurechen ist, außer Acht gelassen. Vielmehr hat sie den (komplexen) Weg aufgezeigt, den der Fachmann mit dem Ziel gegangen wäre, die von Anspruch 2 beanspruchte Lehre zu verwirklichen.

5.6 Die Kammer ist demgegenüber ausgehend von dem Dokument D1 und in Anbetracht der objektiven technischen Aufgabe zu dem Schluss gelangt, dass die Unterscheidungsmerkmale 2.8. bis 2.10. für den Fachmann nicht naheliegend waren.

Zwar offenbart das Dokument D1 in Absatz [0006] das Problem einer noch stärkeren Zwischenkreisspannung. Diese steht jedoch nicht in Zusammenhang mit der Anwendung einer Störgrößenkompensation im Sinne der Erfindung, sondern mit einer Stromregelung.

Sofern der Fachmann in der praktischen Umsetzung der in D1 beschriebenen Lehre mit dem Problem von unerwünschten Motorabschaltungen konfrontiert gewesen wäre, hätte er zunächst die Ursache des Problems erkennen müssen. Die Beschwerdegegnerin hat überzeugend dargelegt, dass dem Problem komplexe Zusammenhänge zugrunde liegen, die der Fachmann keineswegs durch lediglich testweises Abschalten einer aus D1 bekannten Kompensationsschaltung erkannt hätte (siehe Punkt 6.9. der Beschwerdeerwiderung vom 10. August 2017).

Bereits die der Erfindung zugrundeliegende Erkenntnis, dass Motorabschaltungen ihre Ursache in der Kompensationsschaltung und insbesondere in einer unzulässigen Überspannung auf dem Zwischenkreis haben, war für den Fachmann somit nicht naheliegend, sondern bedurfte nach Überzeugung der Kammer eingehender Untersuchungen eines komplexen Zusammenhangs.

Im Übrigen kann die Tatsache, dass die Ursache des der Erfindung zugrunde liegenden Problems in dem Streitpatent beschrieben ist (siehe Absatz [0007] des Streitpatents), nicht als Beleg dafür herangezogen werden, dass der Fachmann die Ursache oder gar die Lösung des zugehörigen Problems in naheliegender Weise hätte auffinden können, wie die Beschwerdegegnerin zutreffend festgestellt hat.

Für die Kammer ist somit nicht ersichtlich, wie der Fachmann ausgehend von D1 und in Anbetracht der objektiven technischen Aufgabe, nämlich den Betriebsbereich des Elektromotors in einen ansonsten störungsanfälligen Arbeitsbereich (aufgrund von potentiellen Motorabschaltungen) zu erweitern, unter Anwendung seines Fachwissens zu dem Gegenstand des Anspruchs 1 hätte gelangen können. Denn bereits die Erkenntnis, dass Motorabschaltungen ihre Ursache in störgrößenkompensationsbedingten Überspannungen auf dem Zwischenkreis haben, lässt sich weder dem Fachwissen zurechnen noch konnte diese Erkenntnis lediglich durch testweises Abschalten der Kompensationsschaltung gewonnen werden.

5.7 Selbst wenn aber die der Erfindung zugrunde liegende Ursache von Motorabschaltungen als bekannt vorausgesetzt würde, ist für die Kammer nicht ersichtlich, weshalb der Fachmann das Dokument D7 zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe in Betracht gezogen hätte. Wie die Beschwerdegegnerin überzeugend dargelegt hat, bezieht sich das Dokument D7 nicht auf Spannungsüberhöhungen auf dem Zwischenkreis und daraus resultierende Motorabschaltungen. Vielmehr ist das Dokument D7 mit Spannungseinbrüchen und dem Einfluss unzureichender Bandbreite in der Stromsteuer-Schleife und nicht mit Spannungsüberhöhungen auf dem Zwischenkreis und resultierenden Motorabschaltungen befasst. Diesen Einwand hat die Beschwerdeführerin nicht entkräften können. Der Hinweis auf Seite 1261, rechte Spalte unter Punkt 1) des Dokuments D7, wonach sinngemäß schlanke Zwischenkreise oft eine aktive Stabilisierung benötigen, stellt jedenfalls keinen ausreichenden Hinweis dar, den der Fachmann aufgegriffen hätte, um die technischen Maßnahmen im Sinne der Merkmale 2.8. bis 2.10. aus dem Dokument D7 zu extrahieren, um sie in ein Verfahren nach dem Dokument D1 zu implementieren. Dies gilt ebenso für die entsprechenden Merkmale des unabhängigen Anspruchs 7.

Insofern hält es die Kammer auch für unbeachtlich, dass in dem Gesamtgefüge des Dokuments D7 der Wechselanteil zur Beeinflussung eines Dämpfungsfaktors überwacht werden mag, denn jedweder Hinweis, dass diese Lehre zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe herangezogen werden kann, fehlt, wie oben ausgeführt, in D7.

5.8 Die Kammer ist daher zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand der Ansprüche 2 und 7 weder durch den vorliegenden Stand der Technik noch durch Fachwissen nahegelegt ist und folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht. Die angefochtene Entscheidung ist in diesem Punkt daher nicht zu beanstanden (siehe insbesondere die Ausführungen unter Punkt 2.8.3.15 und 2.8.3.17 der Entscheidungsgründe).

5.9 Die vorstehenden Feststellungen der Kammer gelten auch unter Berücksichtigung des erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereichten Dokuments D17, denn es war von der Beschwerdeführerin lediglich zur Stützung einer Kombinierbarkeit der Dokumente D1 und D7 im Hinblick auf eine feldorientierte Regelung angeführt worden. Die Frage der (Nicht-)Zulassung in das Beschwerdeverfahren nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 und Artikel 25 (2) VOBK 2020 kann daher dahinstehen.

6. Schlussbemerkungen

Da der Hauptantrag die Erfordernisse der Artikel 83, 84, 123 (2) und 56 EPÜ erfüllt, und da die Beschwerdeführerin darüber hinaus keine weiteren Einwände gegen den Hauptantrag vorgebracht hat, war dem Antrag der Beschwerdegegnerin stattzugeben.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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