T 0318/17 () of 6.3.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T031817.20200306
Datum der Entscheidung: 06 März 2020
Aktenzeichen: T 0318/17
Anmeldenummer: 09160485.0
IPC-Klasse: A47L9/14
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 367 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Filterbeutel
Name des Anmelders: Wolf PVG GmbH & Co. Kommanditgesellschaft
Name des Einsprechenden: Eurofilters Holding N.V.
Kammer: 3.2.04
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
-
Schlagwörter: -
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 1. Dezember 2016, den Einspruch zurückzuweisen (Artikel 103(2) EPÜ)

Sie ging am 3. Februar 2017 unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr ein. Die Beschwerdebegründung folgte am 7. April 2017.

II. In einer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK vom 6. August 2019 äußerte die Kammer ihre vorläufige Meinung in Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung.

Die mündliche Verhandlung fand am 6 März 2020 in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligten statt. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung zog die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin ihren Hauptantrag sowie ihre Hilfsanträge I bis IV und VI zurück.

III. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollständigen Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form gemäß Hilfsantrag V, während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 6. März 2020 eingereicht.

IV. Die für diese Entscheidung maßgeblichen Ansprüche des Hilfsantrags V haben folgenden Wortlaut:

1. "Filterbeutel (1) insbesondere für Staubsauger, mit einer ersten Filtermateriallage (2) mit einer Einströmöffnung (4) und einer zweiten Filtermateriallage (3), die randseitig mit der ersten Filtermateriallage (2) zur Ausbildung eines Innenraumes (6) verbunden ist, wobei in dem Innenraum (6) eine zumindest teilweise mit der ersten und/oder zweiten Filtermateriallage verbundene flächenformige mehrlagige Filtereinlage (7, 7', 7") angeordnet ist, wobei die Filtereinlage (7, 7', 7") mindestens zwei Außenschichten (9, 11) aufweist, zwischen denen zur Beladung mit Staub eine Mittelschicht (10) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Außenschicht (9) auf der zur Einströmöffnung (4) zugewandten Seite mindestens eine Öffnung (8) zum Einströmen staubbeladener Luft in die Mittelschicht (10) aufweist, wobei der staubbeladene Luftstrom in die weichere Mittelschicht (10) eindringt und der Staub sich in der Filtereinlage (7, 7', 7") ablagert, wodurch sich die Mittelschicht (10) weitet, wobei bei weiterer Staubbeladung der Mittelschicht (10) die Filtereinlage (7, 7', 7") sogar auseinanderreißen kann und dabei die beiden festeren Außenschichten (9, 11) auseinanderdrängt, so dass sich automatisch aus der flächigen Filtereinlage eine dreidimensionale, beutelartige Form ausbildet."

2. "Filterbeutel nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Außenschichten (9, 11) eine um 50% höhere Zugfestigkeit als die Mittelschicht (10) aufweisen."

9. "Filterbeutel nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass die Mittelschicht (10) mindestens dreimal, vorzugsweise mindestens fünfmal so dick wie eine Außenschicht (9, 11) ist."

10. "Filterbeutel nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass die Mittelschicht (10) eine Dicke von mehr als 2 mm, vorzugsweise mehr als 4 mm aufweist."

V. In dieser Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D2: DE 20 2008 003 248 U1

D6: DIN EN ISO 9073-2 (Februar 1997)

D7: Mägel et al.: "Prüfverfahren in der Textilindustrie (Teil II), Textilphysikalische Prüfverfahren für textile Flächengebilde", Taschenbuch für die Textilindustrie, Berlin, 2001

D8: DE 10 2005 059 214 A1

VI. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende trägt im wesentlichen folgendes vor:

Hilfsantrag V sei verspätet eingereicht und sollte deshalb nicht zum Beschwerdeverfahren zugelassen werden.

Die in seinem Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen führten zu einer unzulässigen Zwischenverallgemeinerung, Artikel 123(2) EPÜ, sowie zu Klarheitsmängeln, Artikel 84 EPÜ, in einem Ausmaß, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht ausführbar sei, Artikel 83 EPÜ. Dieser sei ferner implizit durch die Offenbarung der D2 vorweggenommen bzw. beruhe zumindest ausgehend von D2 in Kombination mit D8 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, Artikel 54, 56 EPÜ.

Die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin trägt im wesentlichen folgendes vor:

Hilfsantrag V sei eine Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer zur Neuheit, die von der Entscheidung der Einspruchsabteilung abweiche, und deshalb zum Verfahren zuzulassen.

In seinem Anspruch 1 sei die von der Kammer als neuheitsschädlich vorweggenommen angesehene Alternative gestrichen und somit dieser Einwand ausgeräumt worden. Die dem erteilten Anspruch 1 hinzugefügten Merkmale seien wortwörtlich offenbart, klar, ausführbar und nicht durch den zitierten Stand der Technik nahegelegt.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Das angegriffene Patent befasst sich mit einem Filterbeutel für Staubsaugerfilter, der zusätzlich zu den beiden äußeren, den eigentlich Filterbeutel und dessen Innenraum definierenden Filtermateriallagen eine weitere Filtereinlage im Innenraum aufweist.

Diese Filtereinlage weist ihrerseits zwei festere Außenschichten beidseits einer weicheren Mittelschicht auf, die durch mindestens eine Öffnung in einer der beiden Außenschichten im Betrieb mit Staub beladen wird. Dadurch soll die Filtereinlage als eine Art Vorfilter innerhalb des Filterbeutels wirken. Bei weiterer Staubbeladung kann die ursprünglich flächige Filtereinlage auseinanderreißen und eine dreidimensionale, beutelförmige Form annehmen.

3. Hilfsantrag V - Zulassung

Der vorliegende Hilfsantrag V entspricht dem Hilfsantrag V, der bereits mit Schreiben vom 3. Februar 2020 eingereicht, dann während der mündlichen durch redaktionelle Änderungen der abhängigen Ansprüchen angepasst und neu eingereicht wurde.

3.1 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende wendet sich gegen die Zulassung des mit Schreiben vom 3. Februar 2020 eingereichten Hilfsantrags V, da die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin keine Gründe für dessen verspätete Einreichung angebe und er "neuen Sachverhalt" darstelle (Schreiben vom 21. Februar 2020).

3.2 Die Zulassung des verspätet eingereichten Hilfsantrags V unterliegt dem Ermessen der Kammer, insbesondere unter den im maßgeblichen Artikel 13(3) VOBK 2007 angegebenen Kriterien.

Die Beschwerdegegnerin-Patentinhaberin hatte bereits im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 10. August 2016 einen Hilfsantrag II eingereicht und hinsichtlich der Erfordernisse des EPÜ dazu Stellung genommen. Diesen Hilfsantrag II hat sie im Beschwerdeverfahren mit ihrer Beschwerdebegründung erneut vorgelegt und dabei auf ihre Stellungnahme vom 10. August 2016 verwiesen.

Die Kammer hatte deshalb in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2007 keine Einwände gegen die Zulassung des (später zurückgenommenen) Hilfsantrags II unter Artikel 12(4) VOBK 2007 erhoben, den Gegenstand dessen Anspruchs 1 in der Alternative "Zwischenraum" für den zentralen Bereich der Filtereinlage jedoch als nicht neu angesehen, Punkt 4.1.

Gegenüber dem Anspruch 1 dieses Hilfsantrags II ist in Anspruch 1 des Hilfsantrags V lediglich die Alternative "Zwischenraum" gestrichen worden. Die Kammer kann darin keinen neuen Sachverhalt erkennen. Durch die Streichung wird der auf die Alternative "Zwischenraum" bezogene Neuheitseinwand offensichtlich ausgeräumt, ohne dass dabei weitere Fragen aufgeworfen werden, die nicht bereits für Hilfsantrag II im Raum gestanden hätten und deren Behandlung der Beschwerdeführerin-Einsprechenden im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht zumutbar gewesen wäre.

3.3 Aus diesem Grund hat die Kammer den Hilfsantrag V zum Verfahren zugelassen.

4. Hilfsantrag V - Unzulässige Erweiterung

Anspruch 1 ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 geändert worden durch die Streichung der Alternative "Zwischenraum" und die Aufnahme der Merkmale "wobei der staubbeladene Luftstrom in die weichere Mittelschicht (10) eindringt und der Staub sich in der Filtereinlage (7, 7', 7") ablagert, wodurch sich die Mittelschicht (10) weitet, wobei bei weiterer Staubbeladung der Mittelschicht (10) die Filtereinlage (7, 7', 7") sogar auseinanderreißen kann und dabei die beiden festeren Außenschichten (9, 11) auseinanderdrängt, so dass sich automatisch aus der flächigen Filtereinlage eine dreidimensionale, beutelartige Form ausbildet.".

4.1 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende hält die hinzugefügten Merkmale für willkürlich aus dem Gesamtzusammenhang des Ausführungsbeispiels herausgelöst, dessen Beschreibung bereits im Absatz [0018] beginnt. Da Anspruch 1 die übrigen ab Absatz [0018] offenbarten Merkmale nicht enthielte, stelle sein Gegenstand eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung dar.

4.2 Die hinzugefügten Merkmale sind aber nicht nur wörtlich in Absatz [0022], Zeilen 53 - 57 der Offenlegungsschrift für das Ausführungsbeispiel offenbart, sondern auch sinngemäß in Absatz [0006], Zeilen 29 - 32 als wesentliche erfindungsgemäße Merkmale, durch die die angestrebte technische Wirkung erzielt und damit die Aufgabe gelöst wird, nämlich die äußeren Filtermateriallagen des Filterbeutels möglichst wenig zuzusetzen (Absatz [0005]).

Auch erkennt weder die Kammer einen untrennbaren funktionalen Zusammenhang mit anderen als den bereits in Anspruch 1 enthaltenen Merkmalen, noch hat die Beschwerdeführerin-Einsprechende einen solchen aufgezeigt.

4.3 Somit geht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglichen Fassung hinaus, Artikel 123(2) EPÜ.

5. Hilfsantrag V - Klarheit und Ausführbarkeit

5.1 Unabhängiger Anspruch 1

5.1.1 Die Beschwerdeführerin-Einsprechende bemängelt, dass der Vorrichtungsanspruch 1 um unklare Verfahrensmerkmale ergänzt worden sei. Zudem sei nicht offenbart, welche technischen Merkmale der Filterbeutel aufweisen müsse, damit das beanspruchte Verfahren ausgeführt werden könne.

Auch gebe es keine rein flächige Filtereinlage, die keine Dicke bzw. Höhe aufwiese, so dass die beabsichtigte Abgrenzung zu "dreidimensionaler Form" nicht klar sei.

Schließlich mangele es den relativen Begriffen "weichere" und "festere" derart an Klarheit, dass letztendlich auch die mit ihnen bezeichneten Mittelschicht bzw. Außenschichten nicht ausführbar seien.

5.1.2 Nach Ansicht der Kammer ist dem Fachmann aus dem Anspruchswortlaut klar, wie die Filtereinlage des Anspruchs 1 aufgebaut und im Filterbeutel angeordnet sein muss, damit der beanspruchte Ablauf bei Staubbeladung eintritt. Insbesondere muss die Mittelschicht sich durch Staubablagerung weiten und sogar auseinanderreißen können, und müssen die Außenschichten derart ausgebildet sein, dass die Filtereinlage sich beutelartig verformen kann.

Es ist auch klar, dass die Begriffe "flächig" und "dreidimensional" vergleichend auf den Befüllungsgrad bezogen sind, und die Begriffe "weicher" und "fester" vergleichend auf Mittel- und Außenschichten. Mit anderen Worten wächst die Filtereinlage mit zunehmendem Befüllungsgrad zunehmend in die Höhe, und besteht die Mittelschicht aus relativ weicherem Material als die Außenschichten sowie die Außenschichten aus relativ festerem Material als die Mittelschicht. Dabei impliziert "weich" offensichtlich nicht einen Härtegrad, sondern steht für "volumig", "flauschig" und "verformbar", wohingegen "fest" sich auf die Festigkeit, insbesondere die Zugfestigkeit bezieht (Absätze [0007] - [0010], [0023], [0024], [0037] der Patentschrift).

5.1.3 Auch entnimmt der Fachmann der Gesamtoffenbarung der Patentschrift, insbesondere den Figuren 1 - 4 und den zugehörigen Absätzen der Beschreibung, wie er die Filtereinlage 7, 7', 7'' auszuführen hat, um die beanspruchte Wirkung zu erzielen.

5.1.4 Somit sind durch die gemäß Hilfsantrag V vorgenommenen Änderungen des Anspruchs 1 keine Klarheitsmängel eingeführt worden, Artikel 84 EPÜ. Dessen Gegenstand ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen kann, Artikel 83 EPÜ.

5.2 Abhängige Ansprüche 2, 9 und 10

5.2.1 Die Ansprüche 2, 9 und 10 des Hilfsantrags V entsprechen wortgleich den erteilten Ansprüchen 3, 10 und 11, deren Gegenstand in Abschnitt 3.2 der Beschwerdebegründung als nicht ausführbar angesehen wurde. Denn die Schichten der Filtereinlage seien dort über die Parameter relative Zugfestigkeit, relative und absolute Dicke definiert, ohne dass in der Patentschrift Messverfahren zur Bestimmung dieser Parameter angegeben seien.

5.2.2 Wie die Kammer bereits in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2017 geäußert hat, sieht sie keine Schwierigkeiten für einen Fachmann, den Gegenstand der Ansprüche 2, 9 und 10 mithilfe der in der Patentschrift gegebenen Informationen und seines Fachwissens in die Praxis umzusetzen.

Sie stimmt mit der Beschwerdeführerin-Einsprechenden darin überein, dass der Fachmann im vorliegenden Fall neben einem wissenschaftlichen Studium über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der bei der Herstellung von Filterbeuteln verwendeten Materialien und deren Eigenschaften verfügt (Beschwerdebegründung, Seite 6). Deshalb sind ihm nach Ansicht der Kammer auch geeignete Messverfahren zur Bestimmung dieser Eigenschaften oder Parameter bekannt. So sind in der Fachwissen repräsentierenden D6, Abschnitte 1, 3, 5 Verfahren zur Messung der Dicke von "normalen" und auch von "voluminösen" Vliesstoffe beschrieben, die laut Absatz [0035] der Patentschrift zum Einsatz kommen können, sowie Abgrenzungskriterien für "normale" und "voluminöse" Vliesstoffe. In der ebenfalls zum Fachwissen gehörenden D7 werden Verfahren zur Messung der Zugfestigkeit verschiedener Materialien angegeben. Abgesehen davon können derartige Parameter für gewöhnlich beim Hersteller der Materialien nachgefragt werden.

5.2.3 Deshalb bezweifelt die Kammer nicht, dass auch der Gegenstand der abhängigen Ansprüche 2, 9 und 10 so deutlich und vollständig offenbart ist, dass ein Fachmann ihn ausführen kann, Artikel 83 EPÜ.

6. Hilfsantrag V - Neuheit

6.1 Unstreitig offenbart D2 (siehe Absätze [0041] - [0050], Fig. 1) einen Filterbeutel 1 für Staubsauger mit zwei zur Ausbildung eines Innenraums randseitig miteinander verbundenen Filtermateriallagen 2, 3. Eine erste Filtermateriallage 2 weist eine Einströmöffnung 5 auf, mit einer zweiten Filtermateriallage 3 ist ein im Innenraum angeordneter Materialstreifen 9 verbunden. Der Materialstreifen 9 ist als flächenförmige mehrlagige Filtereinlage mit zwei festeren Außenschichten (Filamentspinnvliesstofflagen) ausgebildet, zwischen denen eine weichere Mittelschicht aus Filtermaterial (trockengelegtes Vlies aus Stapelfasern, Crimpfasern) vorgesehen ist, Absätze [0033], [0056]. Die der Einströmöffnung 5 zugewandte Außenschicht weist schlitzförmige Öffnungen 11 auf (siehe Absätze [0028], [0065], Fig. 3).

6.2 Nach Ansicht der Kammer sind in dem Filterbeutel 1 nach D2 auch die Zweckangaben des Anspruchs 1 hinsichtlich der Mittelschicht und der Öffnungen realisiert, nämlich dass

- die Mittelschicht so vorgesehen ist, dass sie mit Staub beladen wird, und

- die Öffnungen so vorgesehen sind, dass durch sie staubbeladene Luft in die Mittelschicht strömt.

6.2.1 Denn der gemäß D2 zwischen Einströmöffnung 5 und Filtereinlage 9 angeordnete Ablenkstreifen 7 weist zum einen Schlitze 10 auf, durch die die staubbeladene Luft ,,relativ ungehindert" von der Einströmöffnung 5 zu den Öffnungen 11 in der Außenschicht gelangen kann (siehe Absatz [0063], Fig. 2). Auch wenn die staubbeladene Luft die Filtereinlage 9 entlang dieser Öffnungen 11 durchströmt, muss sie dazu zunächst durch die Öffnungen in der "oberen" Außenschicht in die Mittelschicht einströmen, wie in Anspruch 1 verlangt.

6.2.2 Zum anderen soll der Ablenkstreifen 7 Verwirbelungen der staubbeladenen Luft erzeugen und so dazu beitragen, dass der Staub im gesamten Innenraum möglichst gleichmäßig verteilt und ablagert wird, Absätze [0008], [0058], mithin auch in der im Innenraum angeordneten Filtereinlage 9 und insbesondere in deren Mittelschicht.

6.3 Es ist auch davon auszugehen, dass sich die Mittelschicht durch die Staubaufnahme zu einem gewissen Grad weitet, solange dies durch eine nur lockere Staubbefüllung des die Filtereinlage umgebenden Innenraums möglich ist.

6.4 Es erscheint allerdings nicht plausibel, dass bei weiterer Beladung der Mittelschicht die Filtereinlage 9 der D2 auseinanderreißen kann und dabei die beiden festeren Außenschichten auseinanderdrängt, so dass sich automatisch aus der flächigen Filtereinlage eine dreidimensionale, beutelartige Form ausbildet.

6.4.1 Dies würde nämlich voraussetzen, dass zunächst und vorrangig Staub in der Filtereinlage 9 abgelagert wird, die sich weitgehend ungehindert in den noch leeren Innenraum ausdehnen kann - was aber in Widerspruch zu der gleichmäßigen und gleichzeitigen Befüllung von Innenraum und Filtereinlage 9 nach D2 steht: Wenn deren Filtereinlage 9 "zum Bersten voll" ist, trifft das auch auf den sie umgebenden Innenraum zu, so dass kein Freiraum mehr für ein Auseinanderdrängen der Außenschichten zur Bildung einer beutelartigen Form vorhanden ist, und die Filtereinlage nicht auseinanderreißen kann.

6.4.2 Zudem findet sich keinerlei Hinweis in D2, die Filtereinlage 9 an sich derart auszubilden, dass sie bei einem bestimmten Befüllungsgrad in der Art eines Sollbruchs auseinanderreißen kann und die beiden Außenschichten auseinanderdrängt, so dass sich "automatisch", d.h. gezielt und beabsichtigt, eine dreidimensionale, beutelartige Form bildet - und nicht etwa stattdessen z.B. eine der Außenschichten aufplatzt oder eine Randnaht aufbricht.

6.4.3 Aus diesen Gründen geht selbst die beanspruchte Möglichkeit ("kann") eines Auseinanderreißens der Filtereinlage mit den in Anspruch 1 definierten Folgen nicht implizit aus D2 hervor, wie die Beschwerdeführerin-Einsprechende argumentiert.

6.5 Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 neu im Sinne von Artikel 54(1), (2) EPÜ gegenüber der Offenbarung der D2.

7. Hilfsantrag V - Erfinderische Tätigkeit

7.1 Wie oben dargelegt, ist die technische Wirkung der Unterschiedsmerkmale des Anspruchs 1, dass die Filtereinlage wie eine Art Vorfilter im Filterbeutel wirkt. Damit wird die Aufgabe gelöst, einen Filterbeutel bereitzustellen, dessen äußere Filtermateriallagen "verzögert" mit Staub zugesetzt werden, und bei dem der Volumenstromabfall bei gleicher Saugleistung folglich gering ist (Absätze [0005] - [0007] der Patentschrift).

7.2 D2 widmet sich ebenfalls dieser Aufgabe (siehe Absatz [0005]: hohe Standzeit bei großer Saugleistung), schlägt jedoch ein prinzipiell anderes, in gewisser Weise sogar entgegengesetztes Lösungskonzept vor, nämlich das der möglichst gleichmäßigen Staubverteilung im Innenraum durch Erzeugung turbulenter Luftströme.

7.2.1 Die Kammer kann keine Veranlassung für den Fachmann erkennen, dieses Lösungskonzept bei einer Verbesserung des Filterbeutels nach D2 hin zu noch längerer Standzeit bzw. noch geringerem Volumenstromabfall zu verlassen. Auch die Beschwerdeführerin-Einsprechende hat keine solche Veranlassung aufgezeigt. Insbesondere gibt es keine Anregung, die Filtereinlage 9 der D2 als flächigen Vorfilter auszubilden, der sich schneller füllt als seine "Umgebung" und schließlich im noch relativ unbefüllten Innenraum auseinanderreißen und eine beutelartige Form annehmen kann.

7.2.2 Zwar kann die Filtereinlage 9 der D2 wie in D8 beschrieben aufgebaut sein, worauf in D2, Absatz [0033] ausdrücklich hingewiesen wird. Dabei könnte der Fachmann auch, wie von der Beschwerdeführerin-Einsprechenden vorgeschlagen, die dreilagige Variante aus Absatz [0016], letzter Satz der D8 einsetzen. Bei dieser ist lediglich eine der Außenschichten mit der Mittelschicht über Schweißpunkte verbunden (Anspruch 1), wohingegen die andere Außenschicht lose auf der Mittelschicht liegt und nur randseitig mit ihr verbunden ist.

Es besteht jedoch kein Anlass zu der Annahme, dass eine solche, als Materialstreifen 9 im Filterbeutel nach D2 vorgesehene dreilagige Filtereinlage als Vorfilter wirken, sich also bevorzugt und vor dem übrigen Innenraum mit Staub füllen würde.

Selbst wenn eine solche Filtereinlage an sich bei zunehmender Befüllung der Mittelschicht und des Zwischenraums zwischen loser Außenschicht und Mittelschicht eine gewisse Beutelform mit auseinandergedrängten Außenschichten annehmen könnte, geschähe dies nicht automatisch als Folge eines Auseinanderreißens der Filtereinlage, wie in Anspruch 1 gefordert. Weder die eine, noch die andere Außenschicht und die Mittelschicht können nämlich jeweils auseinanderreißen, die eine nicht, weil sie bereits lose ist, die andere nicht, weil der befüllte Zwischenraum die Mittelschicht gegen sie drängt.

Aus den vorstehenden Gründen kann eine Auswahl dieser Variante der D8 als Filtereinlage 9 der D2 nicht zu einem Filterbeutel mit sämtlichen Merkmalen des Anspruchs 1 führen.

7.3 Zusammenfassend beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ, da ein Fachmann ihn ausgehend von D2 auch in Zusammenschau mit der D8 nicht in naheliegender Weise erhalten könnte und würde.

8. Hilfsantrag V - Weitere Unterlagen

Die abhängigen Ansprüche 2 - 14 und die Beschreibung wurden an die in Anspruch 1 gegenüber der erteilten Fassung vorgenommenen Änderungen angepasst und genügen den Erfordernissen des EPÜ. Die Beschwerdeführerin-Einsprechende erhob keine Einwände gegen die Anpassungen.

9. Da unter Berücksichtigung der in Hilfsantrag V vorgenommenen Änderungen das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügt, kann das Patent in der geänderten Fassung des Hilfsantrags V aufrechterhalten werden, Artikel 101(3) a) EPÜ.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Europäische Patent Nr. 2133017 in geänderter Form wie folgt aufrechtzuerhalten:

Ansprüche:

1-14 des Hilfsantrags V, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 6. März 2020;

Beschreibung:

Seiten 2-5, wie eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 6. März 2020;

Zeichnungen:

Figuren 1-5 der veröffentlichten Patentschrift.

Quick Navigation