T 0029/17 () of 27.3.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T002917.20200327
Datum der Entscheidung: 27 März 2020
Aktenzeichen: T 0029/17
Anmeldenummer: 13004629.5
IPC-Klasse: B64F 1/30
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 316 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Fluggastbrücke oder -treppe
Name des Anmelders: Hübner GmbH & Co. KG
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts, mit der die europäische Patent­anmeldung Nr. 13 004 629.5 aufgrund des Artikels 97 (2) EPÜ zurückgewiesen wurde.

II. Die Prüfungsabteilung ist in ihrer Entscheidung zu der Auffassung gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß der am 30. April 2014 eingereichten Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ gegenüber einer Kombination der folgenden Dokumente beruht:

D4: EP 0 205 314 A1;

D5: DE 28 17 739 A1.

III. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und beantragte zunächst, die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des mit der Beschwerdebegründung mit Schreiben vom 1. Dezember 2016 eingereichten Hauptantrags, hilfsweise auf der Grundlage eines der mit der Beschwerde­begründung eingereichten Hilfsanträge I bis IV.

IV. Mit Mitteilung der Kammer vom 6. November 2019 wurde die Beschwerdeführerin zur mündlichen Verhandlung am 22. April 2020 gemäß Regel 115 (1) EPÜ geladen.

V. Nach telefonischen Rücksprachen am 10. Februar 2020 und am 25. März 2020 mit dem Berichterstatter der Kammer reichte die Beschwerdeführerin mit den Schreiben vom 13. Februar 2020 und vom 25. März 2020 geänderte Unterlagen ein, und zwar:

- mit Schreiben vom 13. Februar 2020 die Ansprüche des Hilfsantrags 3 vom 1. Dezember 2016 sowie eine geänderte Beschreibung (Seiten 1 bis 11) und

- mit Schreiben vom 25. März 2020 einen nochmals geänderten Anspruchssatz (Ansprüche 1 bis 9) als Gegenstand des Hauptantrags.

Ergänzend dazu wies die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 10. März 2020 auf folgendes hin:

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Die Beschwerdeführerin beantragte demnach, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage der mit Schreiben vom 25. März 2020 eingereichten Ansprüche 1 bis 9 und der mit Schreiben vom 13. Februar 2020 eingereichten Beschreibungsseiten 1 bis 11 sowie der ursprünglich eingereichten Zeichnungsblätter 1/2 bis 2/2.

VI. Die für den 22. April 2020 anberaumte mündliche Verhandlung wurde daraufhin aufgehoben.

VII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem vorliegenden Hauptantrag lautet wie folgt:

"Fluggastbrücke oder -treppe (1) mit an einem Kopfrahmen (3) der Fluggastbrücke oder -treppe (1) durch eine Befestigungseinrichtung angeordneten Balg (50),

wobei die Befestigungseinrichtung Mittel zur Bereitstellung einer zumindest in zwei Raumrichtungen wirkenden formschlüssigen Verbindung umfasst,

wobei die Mittel zwei formschlüssig miteinander in Eingriff bringbare Verbindungselemente umfassen,

wobei das erste Verbindungselement als ein im Querschnitt in etwa C-förmiges Profil (7; 70) ausgebildet ist,

wobei das zweite Verbindungselement (11) als Hakenglied (20; 120; 200; 300) ausgebildet ist,

wobei die formschlüssige Verbindung durch ein zumindest kraftschlüssiges Verbindungsglied fixierbar ist, wobei das kraftschlüssige Verbindungsglied als eine aus einem Elastomer hergestellte Leiste (30; 230; 330) ausgebildet ist, wobei das Hakenglied (20, 200, 300) durch die Leiste an das C-förmige Profil (7, 70) angepresst wird."

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Änderungen

Der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 ist eine Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 5 und somit ursprünglich offenbart. Zudem wurden in der Beschreibung die Druckschriften D4 und D5 gewürdigt und die Beschreibungseinleitung an die geänderten Ansprüche angepasst.

Die Erfordernisse der Artikel 123 (2) und 84 EPÜ sowie der Regel 42 (1) b) EPÜ sind somit erfüllt.

3. Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ)

3.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist neu gegenüber dem vorliegenden Stand der Technik (Artikel 54 (1) EPÜ).

3.2 Dokument D4 offenbart (Fig. 3, 4) eine Fluggastbrücke mit an einem U-förmigen Kopfrahmen (mounting collar 10) der Fluggastbrücke durch eine Befestigungseinrichtung angeordnetem Balg (sealing part 13) gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1. Allerdings scheint der Balg mittels Schrauben oder Nieten mit dem Rahmen verbunden zu sein. D4 zeigt also kein kraftschlüssiges Verbindungsglied in Form einer Leiste aus Elastomer zur Fixierung einer in zwei Raumrichtungen wirkenden formschlüssigen Verbindung, bestehend aus einem im Querschnitt in etwa C-förmigen Profil und einem Hakenglied, wobei das Hakenglied durch die Leiste an das C-förmige Profil angepresst wird.

3.3 Dokument D5 zeigt eine Balgverbindung zwischen zwei gelenkig miteinander verbundenen Fahrzeugen und somit bereits nicht die Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch 1.

3.4 Die im Recherchebericht gegen den ursprünglichen Anspruch 1 zitierten Dokumente D1 (US 2002/116771 A1) und D2 (US 3 703 737 A) befassen sich ebenfalls bereits nicht mit der Befestigung eines Balges an dem Kopfrahmen einer Fluggastbrücke, wobei in D2 zudem kein Balg, sondern eine starre Haube vorgesehen ist.

4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1 Die Druckschrift D4 stellt, wie auch von der Prüfungsabteilung festgestellt, den nächstliegenden Stand der Technik dar und zeigt wie bereits ausgeführt den Oberbegriff des Anspruchs 1.

4.2 Die kennzeichnenden Merkmale spezifizieren die ersten und zweiten Verbindungsmittel zur Bereitstellung einer zumindest in zwei Raumrichtungen wirkenden formschlüssigen Verbindung als im Querschnitt in etwa C-förmiges Profil und als Hakenglied, sowie das kraftschlüssige Verbindungsglied als eine aus einem Elastomer hergestellte Leiste, wobei das Hakenglied durch die Leiste an das C-förmige Profil angepresst wird. Dies hat im Gegensatz zu einer beispielsweise im Stand der Technik bekannten Verbindung zwischen Fluggastbrücke (bzw. Kopfrahmen) und Balg - die gemäß Streitpatent üblicherweise durch Nieten oder gemäß der D4 durch eine Bolzen- oder Schweißverbindung realisiert wird - den Vorteil, dass die Verbindung schnell montierbar und ohne Zerstörung der einzelnen Verbindungselemente wieder lösbar ist.

4.3 Die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe kann ausgehend von D4 daher darin gesehen werden, eine schnell montierbare und ohne Zerstörung der Verbindungselemente wieder lösbare Verbindung zwischen Balg und Fluggastbrücke bereitzustellen.

4.4 Die Beschwerdeführerin bestreitet bereits, dass dem Fachmann eine Zusammenschau der D5 mit der D4 nahe liege. Abgesehen davon, dass es aufgrund des Reibwiderstandes und der Dimensionen kaum vorstellbar sei, dass in D5 die Wülste des Balges in die Verbindungsleisten eingeschoben werden könnten, sei eine Übertragung der aus D5 bekannten Verbindung auf die Verbindung eines Balges gemäß der D4 nicht zu verwirklichen. Dies liege daran, dass der Balg 13 gemäß der D4 peripher umlaufende, am Balg angeordnete Versteifungsrahmen 20 aufweise.

Aber selbst wenn angenommen wird, dass der Fachmann ausgehend von D4 die D5 in Betracht zieht, so kann die Kammer nicht erkennen, dass in D5 ein kraftschlüssiges Verbindungsglied in Form einer aus Elastomer hergestellten Leiste gezeigt oder nahegelegt ist. Zwar zeigt D5 (Figur 2) am elastischen Balg angeformte Wülste (14), die (siehe Seite 6 der D5, 2. Absatz) in am Rahmen befestigte C-förmige Verbindungsleisten (16) eingeschoben werden, also erste und zweite Verbindungselemente im Sinne von Anspruch 1. Das mit Anspruch 1 geforderte dritte strukturelle Element in Form des kraftschlüssigen Verbindungsglieds kann allenfalls in der in D5 optional vorgesehenen Wulstverstärkung (rechter Teil der Figur 2) durch einen Stab (15) oder ein Stahlseil gesehen werden. Dieses stellt aber kein kraftschlüssiges Verbindungslied in Form einer aus einem Elastomer gebildeten Leiste dar, wie nun mit Anspruch 1 gefordert. Auch kann die Kammer nicht erkennen, was den Fachmann veranlassen könnte, in den aus elastischem Material bestehenden Wulst gemäß D5 als Verstärkung eine Leiste wiederum aus Elastomer einzubringen.

Keine der im Prüfungsverfahren zitierten Entgegenhaltungen zeigt eine aus Elastomer hergestellte Leiste als kraftschlüssiges Verbindungselement, mit der ein Hakenglied an ein C-förmiges Profil angepresst wird. Daher findet der Fachmann keine Anregung im Stand der Technik, die Fluggastbrücke gemäß D4 entsprechend dieser Merkmale auszubilden.

4.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

5. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 9 betreffen vorteilhafte Weiterbildungen des erfindungsgemäßen Gegenstands und sind damit ebenfalls gewährbar.

6. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag mit den abhängigen Ansprüchen 2 bis 9 wie mit Schreiben vom 25. März 2020 eingereicht und einer angepassten Beschreibung wie mit Schreiben vom 13. Februar 2020 eingereicht sowie den ursprünglich eingereichten Zeichnungsblättern können deshalb als Grundlage für die Patenterteilung dienen.

7. Da dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin stattgegeben wird, kann die Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, ein europäisches Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:

- Ansprüche 1 bis 9 des Hauptantrags wie eingereicht mit Schreiben vom 25. März 2020

- Beschreibungsseiten 1 bis 11 wie eingereicht mit Schreiben vom 13. Februar 2020

- Zeichnungsblätter 1/2 bis 2/2 wie ursprünglich eingereicht

Quick Navigation