T 2507/16 (Gasentwicklungszelle/Simatec) of 30.10.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T250716.20181030
Datum der Entscheidung: 30 October 2018
Aktenzeichen: T 2507/16
Anmeldenummer: 09179207.7
IPC-Klasse: H01M 4/42
H01M 4/62
H01M 6/06
H01M 12/06
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Elektrochemische Gasentwicklungszelle, insbesondere quecksilberfreie Wasserstoffentwicklungszelle
Name des Anmelders: simatec ag
Name des Einsprechenden: VARTA Microbattery GmbH
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(a)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) betrifft die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent EP-B-2 337 124 zu widerrufen.

Der einzige unabhängige Anspruch des Streitpatents ist wie folgt:

"1. Elektrochemische Gasentwicklungszelle (2), insbesondere quecksilberfreie Wasserstoffentwicklungs-zelle, mit einer Metallanode (10), einem Elektrolyten (14) und einer Gasdiffusionselektrode (20), wobei die Metallanode (10) als Hauptbestandteil Zink mit Additiven von Indium und Bismut umfasst und wobei die elektrochemische Gasentwicklungszelle, berechnet auf ihr Gesamtgewicht, für Quecksilber weniger als 5 ppm, für Cadmium weniger als 20 ppm und für Blei weniger als 40 ppm enthält, wobei der Elektrolyt (14) über Zusätze aus jeder der nachfolgend genannten Stoffgruppen verfügt:

a) Korrosionshemmer;

b) oberflächeaktive Stoffe; und

c) viskositätbildner,

und wobei

i) als Korrosionshemmer einer oder mehrere der nachfolgenden Verbindungen eingesetzt werden: Benzotriazol, Tolyltriazol, Tolyltriazol-Lösung und Benzimidazol;

ii) als oberflächenaktive Stoffe, die auf der Oberfläche des Zinks zu einer Begrenzung der Reaktionskeime genutzt werden, sind eine oder mehrere der nachfolgend genannten Verbindungen umfasst: Sulfonsalze, Polyethylen-Glykole (PEGs), PEG Diacid, Poly-Fluor-Alkohol-Ethoxylat, Alkyl-Polyethylen-Oxid, Polyethylen-Ether, Diaminpyridin, Phenyldiamin, Aminophenol-Sulfonsäure, 2,4-Di-Nitrophenole, Benzidin, Fluortenside, Hydroxyethyl-chinolin und quarternäre Ammoniumphenolate; und

iii) als Viskositätsbildner sind einer oder mehrere der nachfolgenden Stoffe umfasst: natürliche Stoffe, wie Polyalkohol, Zellulose oder Zellulose-Derivate, wie z.B. Carboxymethyl-Zellulose (CMC) und Agar, und als Polymere Polyvinylalkohol, Teflon (PTFE) und Polyacryl-Säuren."

Ansprüche 2 bis 4 sind bevorzugte Ausführungsformen der Gasentwicklungszelle nach Anspruch 1.

II. Folgende in der Entscheidung verwendete Dokumente sind hier von Relevanz:

E1: US 2008/0226976

E5: EP 0 377 106

E6: JP 62177867

E10: Englische Übersetzung von E6.

III. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf eine Kombination von E1 und E6/E10 erfülle.

IV. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin folgendes Dokument ein:

E11: Cao, P. G., et al.; Langmuir 2002, 18, Seiten 100-104.

V. Die Beschwerdeführerin argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

E11 belege einen inhibierenden Effekt des Benzotriazols auf der Nickel-Kathode. Es gebe grundsätzliche Unterschiede zwischen Gasentwicklungszellen und Batterien. Deshalb könne ein Fachmann auf dem Gebiet der Gasentwicklungszellen zu keiner Zeit davon ausgehen, dass sich mit den für die verschiedensten Typen von Batterien eingesetzten Elektrolyt-Zusätze auch die in schwermetallfreien Gasentwicklungszellen gewünschten Wirkungen erzielen ließen.

Die in E10 offenbarte Batterie erzeuge überhaupt keinen Wasserstoff. Die Lehre von E5, E10 und E11 führe von Benzotriazol und PEG weg. Aufgrund des Standes der Technik sei für den Fachmann zu erwarten gewesen, dass der Einsatz von Benzotriazol auch die für die Gasentwicklungszelle gewollte lastabhängige Generierung von Wasserstoffgas behindern bzw. sogar unterdrücken würde. Damit habe er theoretisch zwar eine Kombination von E1 und E6/E10 vornehmen können, aber er würde diese Kombination aufgrund der bekannten Hinderungsgründe in der Praxis nicht vornehmen. Damit basiere der geltende Patentanspruch unter richtiger Anwendung des "could-would"-Prinzips auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin (Einsprechende) können wie folgt zusammengefasst werden:

E11 sei nicht zuzulassen. E1 offenbare nicht Nickel als katalytisch aktives Material. E6/E10 betreffe das Problem unerwünschter Zinkkorrosion. Das Problem trete bei allen alkalischen Zellen mit Zinkanoden auf, unabhängig davon, ob sie zur Wasserstofferzeugung vorgesehen seien oder nicht. Es gehe also darum eine unerwünschte Korrosion zu vermeiden, wofür E6/E10 u.a. Benzotriazol vorschlage.

Das zu lösende Problem sei die Bereitstellung einer Gasentwicklungszelle mit einem alternativen Korrosionshemmer für die Zink enthaltende Anode.

E6/E10 schlage Benzotriazol und Tolytriazol als Korrosionshemmer für die Zinkanode einer Zink/Luft-Batterie vor.

Es sei nicht ersichtlich, was einen Fachmann davon hätte abhalten sollen, für Zink/Luft-Zellen bekannte Korrosionshemmer auch auf Gaserzeugerzellen anzuwenden.

VII. Die Beschwerdeführerin informierte mit Schreiben vom 3. Oktober 2018 die Kammer, dass sie nicht an dem für den 10. Oktober 2018 anberaumten Termin teilnehmen werde und beantragte eine Entscheidung nach Aktenlage. Daraufhin hob die Kammer den Termin zur mündlichen Verhandlung auf.

VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrecht zu erhalten.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Artikel 100(a) und Artikel 56 EPÜ

1.1 Die Erfindung betrifft eine Gasentwicklungszelle.

1.2 Es ist unstreitig, dass E1 als nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist und alle Merkmale außer einem Korrosionshemmer gemäß i) in Anspruch 1 offenbart (Absätze 69 bis 73).

1.3 Die zu lösende Aufgabe wird darin gesehen, die Zinkselbstentladung und ungewollte Wasserstoffentwicklung zu verringern (Spalte 1, Zeilen 24ff und Spalte 5, Zeilen 23 bis 28 des Streitpatents).

1.4 Die Aufgabe wird durch eine Gasentwicklungszelle gemäß Anspruch 1 gelöst, welche dadurch gekennzeichnet ist, dass als Korrosionshemmer eine oder mehrere der nachfolgenden Verbindungen eingesetzt werden: Benzotriazol, Tolyltriazol, Tolyltriazol-Lösung und Benzimidazol.

1.5 Es ist nicht bezweifelt worden, dass die Aufgabe erfolgreich gelöst wurde.

1.6 Die vorgeschlagene Lösung wird aus folgenden Gründen als naheliegend angesehen.

E6/E10 betrifft zwar keine Wasserstoffentwicklungs-zelle sondern eine Batterie. Das Ziel dieser Veröffentlichung besteht jedoch darin die Zinkselbstentladung und die damit einhergehende Wasserstoffbildung zu begrenzen (siehe E10: Seite 3, erster Absatz). E6/E10 beschäftigt sich also mit der gleichen Aufgabe wie die hier zu lösende, sodass der Fachmann es bei der Lösung der gestellten Aufgabe jedenfalls in Betracht ziehen würde. Es lehrt, dass Benzotriazol und Tolyltriazol geeignet sind, die ungewollte Wasserstoffbildung an der Zinkelektrode und die Zinkselbstentladung einzuschränken (siehe E10: Seite 4, dritter und vierter Absatz). Der Fachmann hat somit einen eindeutigen Hinweis, diese Substanzen auch in E1 einzusetzen, um die gestellte Aufgabe erfolgreich zu lösen.

Es gibt keinen Grund, wieso der Fachmann von dieser Lösung abgehalten worden wäre. E5 lehrt auch Benzotriazol als einen von vielen möglichen Zink-Korrosionsinhibitoren und weist darauf hin, dass es für einige dieser Inhibitoren wichtig sei, die Konzentration richtig zu wählen (Spalte 2, Zeilen 7 und 16 bis 18), um eine aktivierende Wirkung zu verhindern. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass von Benzotriazol abgeraten wird, da einerseits Benzotriazol nicht spezifisch als aktivierend, je nach Konzentration, angegeben ist und andrerseits der Fachmann die optimale Konzentration sowieso einstellen wird, um die gewünschte Inhibitionswirkung zu erhalten.

Unabhängig von der Zulässigkeit von E11, das mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde, ist dessen Lehre nicht wirklich relevant, da es zum einen Metalle in neutraler Lösung betrifft. Zum anderen betrifft der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte und in E11 erwähnte Effekt die Bindung der Triazol-Gruppe an Eisen und Nickel (Seite 102, rechte Spalte, zweiter Absatz, Zeilen 1 bis 3). Es werden jedoch weder Nickel noch Eisen in E1 (Absätze [0070] bis [0073]) und/oder E6/E10 (E10: Seite 6, Zeilen 1 bis 8) verwendet. Insofern wird E11 den Fachmann nicht daran hindern, die Lehre aus E6/E10 in E1 anzuwenden.

1.7 Daraus ergibt sich, dass die Bedingungen des Artikels 56 EPÜ nicht erfüllt sind und es keinen Grund gibt, von der angefochtenen Entscheidung abzugehen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen

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