T 2350/16 () of 18.10.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T235016.20191018
Datum der Entscheidung: 18 October 2019
Aktenzeichen: T 2350/16
Anmeldenummer: 05778617.0
IPC-Klasse: B42D 15/10
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: METALLISIERTES SICHERHEITSELEMENT
Name des Anmelders: GIESECKE & DEVRIENT GMBH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention 1973 Art 54(1)
European Patent Convention 1973 Art 54(2)
European Patent Convention 1973 Art 54(4)
European Patent Convention 1973 Art 56
European Patent Convention Art 54(3)
Schlagwörter: Übertragung der Einsprechendenstellung (nein)
Zulassung der Vergleichsversuche (ja)
Neuheit (nein: Hauptantrag; ja: Hilfsantrag I)
Zulässigkeit des Disclaimers (ja)
Erfinderische Tätigkeit (ja: Hilfsantrag I)
Orientierungssatz:

Rolle des Fachmanns bei ber Neuheitsprüfung (siehe Punkt 7.3 der Entscheidungsgründe)

Angeführte Entscheidungen:
G 0001/03
G 0002/03
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0025/22
T 0363/22

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 786 632 (im Nachfolgenden als "das Patent" bezeichnet) zurückzuweisen.

Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der ihr vorgelegte Stand der Technik weder die Neuheit noch die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands der unabhängigen Ansprüche des Patents in Frage stellen könne.

II. Folgende Druckschriften, die bereits der Einspruchsabteilung vorlagen, sind für die Beschwerde von Bedeutung:

D1:    EP 1 747 100 A1 (WO 2005/095119 A1);

D4:    WO 03/043832 A1;

D6:    US 4,856,857.

Gemeinsam mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin Vergleichsversuche V1 (11 Seiten) ein. Als Reaktion auf die Beschwerdeerwiderung reichte sie mit Schriftsatz vom 10. November 2017 ergänzende Vergleichsversuche V2 (2 Seiten) ein. 

III. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2017 beantragte der zugelassene Vertreter der Einsprechenden und Beschwerdeführerin Giesecke & Devrient GmbH die Übertragung der Stellung der Einsprechenden und der Parteistellung als Beschwerdeführerin auf die Giesecke + Devrient Currency Technology GmbH.

IV. In einer Mitteilung der Kammer vom 9. Februar 2018 legte die Kammer ihre vorläufige Meinung dar, dass der Antrag auf Übertragung der Einsprechendenstellung abzulehnen sei und dass das Verfahren mit der ursprünglichen Einsprechenden, d.h. Giesecke & Devrient GmbH, weitergeführt werden sollte.

V. Am 30. April 2019 nahm die Kammer in einem ausführlichen Bescheid zu den vom Fall aufgeworfenen materiellrechtlichen Fragen Stellung.

VI. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 18. Oktober 2019 statt.

VII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

VIII. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage der mit der Beschwerdeerwiderung vom 25. April 2017 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 6 aufrechtzuerhalten.

IX. Die unabhängigen Ansprüche des Patents (Hauptantrag) lauten wie folgt (die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern angegeben):

"1. [1a] Sicherheitselement (11) in Form eines mehrschichtigen Folienkörpers [1b] mit einer Replizierlackschicht (22), wobei [1c] in einer von Koordinatenachsen x und y aufgespannten Ebene in die Replizierlackschicht (22) eine erste Reliefstruktur (25) in einem ersten Bereich des Sicherheitselements abgeformt ist und [1d] auf die Replizierlackschicht (22) in dem ersten Bereich des Sicherheitselements (11) und in einem benachbarten zweiten Bereich des Sicherheitselements (11) eine Metallschicht (23) [1e] mit konstanter Flächendichte bezogen auf die von den Koordinatenachsen x und y aufgespannte Ebene aufgebracht ist,

dadurch gekennzeichnet,

daß [1f] die erste Reliefstruktur (25) eine diffraktive Struktur [1g] mit einem Tiefen-zu-Breiten-Verhältnis der einzelnen Strukturelemente von > 0,5 ist und daß [1h] die Metallschicht (23) in einer nominalen Schichtdicke t0 ausgebildet ist, bei welcher die Transparenz der Metallschicht (23) durch die erste Reliefstruktur (25) im ersten Bereich gegenüber der Transparenz der Metallschicht (23) im zweiten Bereich erhöht ist."

"19. Verfahren zur Herstellung eines Sicherheitselements (11, 111) in Form eines mehrschichtigen Folienkörpers, wobei bei dem Verfahren in eine Replizierlackschicht (22) des mehrschichtigen Folienkörpers in einem ersten Bereich des Sicherheitselements (11,111) eine erste Reliefstruktur (25) abgeformt wird und auf die Replizierlackschicht (22) in dem ersten Bereich des Sicherheitselements (11) und in einem benachbarten zweiten Bereich des Sicherheitselements (11) eine Metallschicht (23) mit konstanter Flächendichte bezogen auf die von der Replizierlackschicht (22) aufgespannte Ebene aufgebracht wird,

dadurch gekennzeichnet,

daß die erste Reliefstruktur (25) als eine diffraktive Struktur mit einem Tiefen-zu-Breiten-Verhältnis > 0,5 abgeformt wird und die Metallschicht (23) mit einer Flächendichte bezogen auf die von der Replizierlackschicht (22) aufgespannte Ebene aufgebracht und in einer nominalen Schichtdicke t0 ausgebildet wird, derart dass die Transparenz der Metallschicht (23) durch die erste Reliefstruktur (25) im ersten Bereich gegenüber der Transparenz der Metallschicht (23) im zweiten Bereich erhöht wird."

Die Ansprüche 1 und 19 des Hilfsantrags 1 unterscheiden sich von den Ansprüchen 1 und 19 des Hauptantrags jeweils durch den Disclaimer "wobei auf die Replizierlackschicht keine Dünnfilmschicht bestehend aus einer Chromschicht einer Dicke von 8 nm, einer MgF2-Schicht einer Dicke von 215 nm und einer Al-Schicht einer Dicke von 50 nm aufgebracht ist".

X. Die Beschwerdeführerin trug Folgendes vor:

a) Auslegungsfragen

Merkmal 1e

Das Merkmal "Metallschicht mit konstanter Flächendichte" könne sich nur auf eine großflächige Aufbringung der Metallschicht beziehen, bei der es keine lokalen Unterschiede in der Flächendichte des an der Oberfläche ankommenden Depositionsmaterials gebe. Dies sei z.B. beim Aufsputtern oder Aufdampfen zwangsläufig der Fall.

Merkmal 1h

Bezüglich der "erhöhten Transparenz der Metallschicht" genüge es, wenn eine lediglich maschinell erfassbare erhöhte Transparenz vorliege.

b) Zulässigkeit der Vergleichsversuche

Diese Versuchsergebnisse seien eingereicht worden, um die von der Einspruchsabteilung geltend gemachte argumentative Lücke zu schließen, und somit zuzulassen.

c) Hauptantrag: Neuheit

Der Gegenstand von Anspruch 1 sei von der Druckschrift D1 neuheitsschädlich vorweggenommen.

Die Druckschrift D1 verwende dasselbe Grundprinzip wie das Patent. Die verwendeten Dünnschichten enthielten Metallschichten, deren Interferenz eine Farbverschiebung bewirke. Eine Oberflächenmodulation führe zur Unterdrückung des Effekts. Nun werde aber die Dicke der Metallschichten ebenfalls lokal reduziert. Da die Dicke der Metallschichten so gewählt sei, dass letztere nicht vollständig opak sind, führe dies zu einer Erhöhung der Transmissivität der Metallschichten. Das sei in der Druckschrift D1 nur einmal erwähnt, da es nicht der Schwerpunkt der Erfindung sei. Das Patent beanspruche nun explizit den Effekt, der in der Druckschrift D1 automatisch eintrete. Das Ziel der Vergleichsversuche sei es, zu belegen, dass dieser Effekt tatsächlich auftrete, und zwar unabhängig von der Reliefstruktur, der Natur des Dielektrikums, der Schichtreihenfolge usw. Im Prinzip gebe es nur zwei Orientierungen, je nachdem ob die stärker reflektierende Schicht oben oder unten liege, da das Dielektrikum als Abstandsschicht z<FSU> wischen den Metallschichten liegen müsse. Es sei daher nicht richtig, dass die Schichten ganz beliebig gewählt werden könnten.

Merkmal 1d

In der Druckschrift D1 gebe es einen direkten Kontakt zwischen der Replizierlackschicht und der unten liegenden Metallschicht. Im vorliegenden technischen Gebiet sei der Ausdruck "Aufbringen auf" nicht so zu verstehen, dass er einen direkten Kontakt impliziert. Er schließe nur das Vorhandensein von Zwischenschichten aus, die die Funktion stören würden. Das Merkmal sei in der Druckschrift D1 offenbart. Die Vergleichsversuche würden zeigen, dass das Wirkprinzip durch die Abstandsschicht nicht verletzt werde. Die Druckschrift D1 selbst zeige, auf Seite 25, Zeilen 19 und 20, dass "Auftragen" das Vorhandensein von Zwischenschichten nicht ausschließe.

Merkmal 1e

Der Absatz [0064] des Patents beschreibe ein Sicherheitselement mit einer Reliefstruktur 25 und einer Flachstruktur 26.  Es sei offenbart, dass die Aufbringung in einem gemeinsamen Beschichtungsverfahren dazu führe, dass die Flächendichte der Metallschicht konstant sei. Auf das Verfahren (Sputtern, Elektronenstrahlverdampfen, etc.) selber komme es gar nicht an. Das finde sich auch in der Druckschrift D1, Seite 11, Absatz ab Zeile 21. Der zweite Satz sei im Prioritätsdokument nicht enthalten, aber es handle sich nur um die technische Konsequenz des ersten, der sich im Prioritätsdokument finde. Das Sputter-Verfahren sei dasselbe in der Druckschrift D1 und im Prioritätsdokument, und daher sei auch seine Wirkung dieselbe.

Beim Sputtern werde ein Target mit hochenergetischen Teilchen beschossen, wodurch sich ein Plasma bilde, das sich dann auf dem Target abscheide. Es sei klar, dass dies mit einer konstanten Flächendichte erfolge. Das Sputtern werde in der Halbleitertechnik eingesetzt; es wäre völlig kontraproduktiv, wenn auf Wafern Bereiche mit verschiedener Flächendichte entstehen würden. Das Target befinde sich in der Regel weit über der Sputterquelle, sodass die Flächendichte nicht radial von der jeweiligen Position auf der Probe abhänge. Es sei auch zu bedenken, dass die Abstände zwischen den ersten und zweiten Bereichen allenfalls einigen Millimetern entsprächen.

In einer Sputteranlage werde die Dicke der Schicht nicht am Ort der Probe gemessen, sondern an einem Schwingquarz neben der Probe. Dabei gehe man von der Annahme einer konstanten Flächendichte aus. Es sei daher festzustellen, dass beim Sputtern in der Regel, in Abwesenheit von besonderen Vorkehrungen, eine konstante Flächendichte erreicht werde.

Merkmal 1f

Eine diffraktive Struktur sei im Anspruch 4 der Druckschrift D1 (Anspruch 3 des Prioritätsdokuments) offenbart.

Merkmal 1h

Es gebe zwei Angriffslinien, von denen eine vom Ausführungsbeispiel der Seite 24 und das andere von allgemeineren Ausführungen zu den nicht völlig opaken metallischen Absorberschichten ausgehe. Letztere müssten aus physikalisch zwingenden Gründen transparenter werden, wenn sie abgedünnt würden.

Es sei nicht richtig, dass das Beispiel auf Seite 4 der Druckschrift D1 nicht im Prioritätsdokument offenbart sei; die Offenbarung finde sich nur an einer anderen Stelle, nämlich auf Seite 19 des Prioritätsdokuments. Nur das Wort "metallische" fehle. Im nächsten Absatz sei jedoch von einem Dünnfilmschichtsystem "aus ein [sic] oder mehreren dielektrischen und metallischen Schichten" die Rede. Es sei also klar, dass die Absorptionsschicht eine metallische Schicht sein müsse. Die Nachanmeldung formuliere dies expliziter, offenbare aber nichts anderes. 

Zum konkreten Ausführungsbeispiel auf der Seite 24 sei zu sagen, dass es tatsächlich nur zwei Möglichkeiten gebe. Die Dünnfilmschicht könne in der genannten Reihenfolge aufgebracht werden, oder eben umgekehrt. Deshalb seien bei der Nacharbeitung beide Varianten berücksichtigt worden. Der Fachmann wäre in beiden Fällen zu einem Element mit erhöhter Transmission gelangt.

Die Offenbarung der Druckschrift D1 sei durchaus nacharbeitbar. Es sei nicht alles an einem einzigen Ort offenbart, aber der Fachmann hätte insgesamt gewusst, was zu tun sei. Es seien in den Vergleichsversuchen vier verschiedene Strukturen untersucht worden, wobei die Erhöhung der Transmission überall aufgetreten sei. Die Transmission steige, wenn nur die Oberfläche durch die Reliefstruktur vergrößert werde.

Die Tatsache, dass die Erhöhung der Transmission relativ klein sein kann, tue dem keinen Abbruch, da es ausreichend sei, wenn die Änderung messbar ist. Mehr verlange der Anspruch nicht.

d) Hilfsantrag 1: Neuheit

Der Disclaimer sei nicht zulässig, da er den Kriterien der Entscheidung G 1/03 nicht genüge.

Der Disclaimer decke nur einen Punkt der Offenbarung der Druckschrift D1, nicht aber die allgemeine Offenbarung dieser Druckschrift, welche nicht auf diesen Punkt beschränkt sei. So offenbare die Druckschrift auch MgF2-Schichten mit einer Dicke von 220 nm.

Der Disclaimer sei also nicht korrekt formuliert. Ein Disclaimer setze das Vorhandensein von voneinander trennbaren Ausgestaltungen voraus. Dies sei denklogisch nicht machbar, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein kontinuierlicher Parameterraum vorliege. Der Disclaimer nehme daher zu wenig aus, um die Neuheit wiederherzustellen.

e) Hilfsantrag 1: erfinderische Tätigkeit

Dem Gegenstand von Anspruch 1 fehle es an der erfinderischen Tätigkeit. Dies lasse sich ausgehend von den Figuren 1 und 2 der Druckschrift D4 zeigen. Das gezeigte Sicherheitselement umfasse eine optisch wirksame Struktur 9 sowie eine reflektierende Grenzschicht 8 aus Metall (Seite 3, Zeilen 22ff). Die Ausgestaltung werde im Beispiel 2 (Seite 11) beschrieben. Offenbart sei die multiplikative Überlagerung einer Rechteckfunktion und einer Sinusfunktion mit einer Periode von 250 nm und einer optisch wirksamen Profilhöhe von 200 nm. Dies lasse sich über den Brechungsindex des Materials umrechnen in eine geometrische Profilhöhe. Auf Seite 7 sei der Brechungsindex 1,55 offenbart. Man erhalte so ein Tiefen-zu-Breiten-Verhältnis (TBV) von 0.52 (129 nm/250 nm), was innerhalb des beanspruchten Bereiches liege. Nur die Ausgestaltung des Metallbelags bleibe in der Druckschrift D4 offen. Letztere gebe aber einen eindeutigen Hinweis durch den wiederholten Verweis auf die Druckschrift D6 (Druckschrift D4, Seite 1, Zeil<FSU> en 22 bis 23, und Seite 4, Zeilen 25 bis 27). Letztere offenbare (semi)transparente Hologramme. Zwei Möglichkeiten seien beschrieben, nämlich hochbrechende Schichten oder dünne Metallschichten. Da die Druckschrift D4 Metallbeläge verwende, hätte sich der Fachmann auf diese Variante konzentriert und die Offenbarung der Druckschrift D6 in Spalte 7, ab Zeile 4 in Betracht gezogen. Dort würden sechs Varianten diskutiert. Die Variante 4 (Spalte 8, ab Zeile 49) offenbare eine Metallschicht mit einer Dicke, die 200 Å (also 20 nm) nicht übersteige und gleichzeitig transparent sei. Die Kombination der Lehren der Druckschriften D4 und D6 hätte den Fachmann daher in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 geführt, zumal die Metallschicht eine Dicke habe, in der es notwendigerweise zu einer Erhöhung der Transmission komme.

Es sei nicht richtig, dass der Metallbelag in der Druckschrift D4 hochreflektiv sein müsse. Auf Seite 3, Zeile 27, sei von einer "hohe[n] Wirksamkeit" die Rede. Dies sei genau das, was die Druckschrift D6 erreiche (Spalte 2, ab Zeile 18).

Die transparenten Stellen lägen in der Druckschrift D4 immer außerhalb des Sicherheitselements (siehe Fig. 1 und Seite 5, Zeile 10ff) und hätten deshalb keine Sicherungswirkung mehr. Ausgehend von der Druckschrift D4 könnte man die gelöste Aufgabe darin sehen, das Element dahingehend zu verbessern, dass auch im Bereich des eigentlichen Sicherheitsmerkmals eine zumindest teilweise auf darunterliegende Information möglich ist. Der Fachmann, der diese Aufgabe lösen wollte und sich Gedanken über die Gestaltung der Metallschicht machte, hätte in der Druckschrift D6 erfahren, dass die dort beschriebenen Metallschichten lichtdurchlässig sind und dennoch ein gutes Reflexionsvermögen zeigen. Deshalb hätte er die in der Druckschrift D6 in Punkt (4) (siehe Spalte 8, ab Zeile 49) beschriebenen Metallschichten mit einer Dicke von weniger als 20 nm eingesetzt. Damit aber hätte sich das Merkmal 1h automatisch ergeben, weil diese Schichten prinzipielle semitransparent sind und sich somit in einem Dickenbereich befinden<FSU> , in dem die Ausdünnung eine erhöhte Transmission zur Folge hat.

Betreffend die Flächendichte sei anzumerken, dass die Druckschrift D6 das Auftragen durch Sputtern offenbare (siehe Spalte 9, Zeilen 52 bis 60). Dies führe zu einer homogenen Flächendichte. Dies ergebe sich schon daraus, dass überhaupt eine Schichtdicke angegeben werden könne.

Wenn man davon ausgehe, dass die Metallschichten der Druckschrift D4 opak seien, dann habe das Vorsehen von semitransparenten Schichten zwei Wirkungen: zum einen sei es möglich, den Untergrund zu sehen, zum anderen ergebe sich eine erhöhte Transparenz im strukturierten Bereich. Letzteres entspreche der im Patent genannten Aufgabe. Wenn man aber den ersten Ansatz verfolge, dann handle es sich bei dieser zweiten Wirkung nur um einen Bonus-Effekt im Sinne der Rechsprechung.

XI. Die Beschwerdegegnerin trug Folgendes vor:

a) Auslegung der Anspruchsmerkmale

Merkmal 1d

Es sei nicht richtig, dass zwischen der Replizierlackschicht und der aufgebrachten Metallschicht noch weitere Schichten vorgesehen sein können.

Das gehe schon aus dem Begriff "Aufbringen" hervor. Wenn etwas nur irgendwie oberhalb einer Schicht angeordnet wäre, dann würde man nicht von "Aufbringen" sprechen. Die Beschreibung des Streitpatents bestätige dies, wie z.B. aus der Fig. 6 hervorgehe. Eine andere Deutung widerspräche der grundsätzlichen Lehre des Streitpatents.

Das Merkmal sei daher unzweifelhaft so zu deuten, dass ein direkter Kontakt zwischen der Metallschicht und der Replizierlackschicht besteht. Der Fachmann wäre gar nicht auf die Idee gekommen, eine Schicht zwischen diesen Schichten vorzusehen, da dies den erwünschten Effekt verschleiern würde.

Merkmal 1e

Die Auslegung des Begriffs "konstante Flächendichte" müsse anhand der umfangreichen Ausführungen im Patent erfolgen. Das Merkmal fordere, dass an jedem Punkt der Fläche die gleiche Materialmenge aufgebracht wird. Das sei auch den Figuren 2 und 6 sowie den zu Fig. 6 gehörigen Absätzen [0076] und [0077] zu entnehmen.

Der Verweis zum Aufdampfen in der Druckschrift D1 (Seite 11, Zeile 22) finde sich nicht im Prioritätsdokument.

b) Zulässigkeit der Vergleichsversuche

Im schriftlichen Verfahren hat die Beschwerdegegnerin die Kammer aufgefordert, die Vergleichsversuche nicht in das Verfahren zuzulassen. Diese Versuche würden nacharbeiten, was in der Druckschrift D1 nicht spezifisch offenbart sei. Während der mündlichen Verhandlung erklärte die Beschwerdegegnerin jedoch, keine Probleme mit der Zulassung der Versuche zu haben.

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c) Hauptantrag: Neuheit

Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 19 sei neu gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D1.

Es handle sich um Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (3) EPÜ; es sei daher nicht angemessen, dauernd den Fachmann zu bemühen.

Die Druckschrift D1 offenbare folgende Anspruchsmerkmale nicht:

Merkmal 1d

Die Druckschrift D1 lasse offen, ob die dünne metallische Schicht direkt auf der Replizierlackschicht aufgebracht wird oder nicht. Die Reihenfolge der Aufbringung werde überhaupt nicht angesprochen. Es gebe auch Systeme, die nur mit einer dielektrischen Schicht arbeiten. Die Absorptionsschicht sorge nicht so sehr für die Reflektivität; ihre Funktion bestehe in der Absorption. An welcher Schichtgrenze sie vorliege, bleibe völlig offen. Das Merkmal sei daher nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

Merkmal 1e

Das Merkmal sei nicht implizit durch die bloße Erwähnung des Sputterns in der Druckschrift D1 offenbart. Beim Sputtern hängt das Ergebnis von der verwendeten Quelle, der Zerstäubungscharakteristik, der Feldcharakteristik der Magnetfelder usw. ab. Das Sputtern führe daher nicht unvermeidlich zu einer konstanten Flächendichte. Jedem Techniker sei klar, dass die Verwendung einer Punktquelle gerade nicht eine einheitliche Flächendichte erziele. Es möge sein, dass Sputteranlage, die bei der Herstellung von Chips verwendet würden, zur Herstellung einer möglichst konstanten Schichtdicke geeignet seien, aber das heiße nicht, dass jede beliebige Sputteranlage dafür ausgelegt sei. Dafür bedürfe es spezifischer Maßnahmen und Einstellungen. Der diesbezügliche Vortrag der Beschwerdeführerin beruhe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Es sei nicht richtig, dass sämtliche Sputter-Verfahren stets zu einer konstanten Flächendichte führen würden.

Unter normalen Umständen spiele die konstante Flächendichte keine große Rolle, wenn Metallschichten aufgebracht werden. Wichtig sei nur, dass die Schicht entsprechend opak und reflektierend sei. Kleine Schwankungen seien irrelevant.

Merkmal 1h

Eine implizite Offenbarung liege nicht vor.

Die Offenbarung hinsichtlich des Ausführungsbeispiels sei nicht genau genug. Es sei nicht zulässig, Lücken der Offenbarung durch das Fachwissen zu füllen. Nachgearbeitete Gegenstände würden von der Druckschrift D1 nicht explizit offenbart.

Keine der Argumentationslinien der Beschwerdeführerin könne überzeugen:

Zum einen finde sich die Passage von Seite 4 bezüglich einer metallischen Absorptionsschicht nicht im Prioritätsdokument und es sei auch nicht beschrieben, worauf diese Schicht aufgebracht ist. Die Figuren 4 bis 6 seien ebenso wenig im Prioritätsdokument offenbart. Auf Seite 19 sei nicht offenbart, dass die Absorptionsschicht metallischer Natur sei.

Zum anderen stelle die Passage auf Seite 24, Zeilen 28 bis 30, welche - im Gegensatz zur Passage auf Seite 22, Zeilen 5 bis 8, - im Prioritätsdokument offenbart sei, nur ein Ausführungsbeispiel von vielen dar. Die Angabe der Schichten lasse eine Vielzahl von Permutationen zu. Es sei auch nicht offenbart, dass sich die Al-Schicht auf der Replizierlackschicht befinde. 

Das Argument, dass der Fachmann bei Nacharbeitung der Lehre der Druckschrift D1 zum Anspruchsgegenstand gelangt wäre, setze die konkrete und spezifische Offenbarung eines Beispiels voraus, dessen Nacharbeitung zwingend zur Erfindung führe. Im konkreten Fall sei aber nicht offenbart, auf welche Reliefstruktur die Dünnfilmschicht aufgebracht werde, in welcher Reihenfolge die Schichten aufzubringen sind, welches Verfahren zum Einsatz komme und ob die Auftragung vollflächig oder bereichsweise vorgenommen werde (siehe Seite 10, Zeilen 11 und 14ff). Alles in der Druckschrift D1 weise darauf hin, dass die Generierung der Transparenz der Metallschicht nicht erkannt wurde. Das Ausführungsbeispiel sei nicht konkret genug (wie man es in der Chemie kenne, wo sämtliche benötigten Prozessparameter in einem Beispiel zusammengefasst werden). Es gebe nur grobe Hinweise auf ein Ausgestaltungsmerkmal, das der Fachmann mit einer großen Zahl von anderen Textpassagen kombinieren hätte müssen. Es sei klar, dass auch die Struktur, auf die die Schichten aufgebracht werden, relevant sei.

Zudem hätte der Fachmann an vielen Punkten aus mehreren Möglichkeiten (diffraktive bzw. nicht diffraktive Reliefstrukturen, verschiedene Tiefen-zu-Breiten-Verhältnisse, Ausgestaltung der Dünnschichten, etc.) auswählen müssen, wie auch die Einspruchsabteilung schon festgestellt habe.

d) Hilfsantrag 1: Neuheit

Der Disclaimer erlaube, den Einwand der fehlenden Neuheit gegenüber der Druckschrift D1 auszuräumen. Er genüge den Bedingungen der Entscheidungen G 1/03 und G 2/03 der Großen Beschwerdekammer.

Der Sinn eines Disclaimers bestehe gerade darin, ein offenbartes Ausführungsbeispiel auszunehmen. Die Kammer habe nach der Beratung über die Neuheit des Gegenstands des Hauptantrags erklärt, dass die Angriffslinie 2 der Beschwerdeführerin nicht greife. Der Disclaimer schließe nun das konkrete Beispiel, auf dem die Angriffslinie 1 beruhe, aus. Es sei gerade nicht zulässig, mehr als dieses Beispiel auszuschließen.

e) Hilfsantrag 1: erfinderische Tätigkeit

Das Ausführungsbeispiel der Fig. 1 der Druckschrift D4 offenbare die Merkmale 1e (konstante Flächendichte) 1g (TBV > 0.5) und 1h (erhöhte Transparenz) nicht.

Der Stand der Technik kenne Sicherheitselemente, in denen die Reflexionsschicht partiell aufgebracht oder lokal abgetragen werde. Die Erfindung bestehe in der Strukturierung der Metallschicht. Der Fachmann wäre geneigt gewesen, eine relativ dicke Metallschicht vorzusehen. Die von den obengenannten Unterscheidungsmerkmalen, die zu ungewöhnlichen, relativ flachen Strukturen führen, gelöste Aufgabe bestehe darin, eine Reflektionsschicht mit Bereichen unterschiedlicher Transmissivität bereitzustellen.

Die Druckschrift D4 offenbare auf Seite 3, Zeilen 27 bis 32, dass die Metallschicht ein "hohes Reflexionsvermögen" besitze. Die Druckschrift selbst gebe bereits eine Lösung an, nämlich auf Seite 4, ab Zeile 16. Die entsprechende Lehre sei auch der Fig. 1 entnehmbar. Der Metallbelag sei an den Stellen 10 unterbrochen, wodurch bereichsweise unterschiedliche Reflexionseigenschaften erzielt würden.

Der Gesamtzusammenhang zeige, dass die metallische Reflexionsschicht opak sei. Das ergebe sich insbesondere aus der Passage auf Seite 4, ab Zeile 16 ("damit"). 

Es stelle sich die Frage, ob der Fachmann angesichts dieser Lehre zur Druckschrift D6 gegriffen hätte. Der von der Beschwerdeführerin zitierte dritte Absatz der Beschreibung der Druckschrift D4 sei zu allgemein, um einen Hinweis für den Fachmann darzustellen. Der andere Verweis auf die Druckschrift D6 betreffe nur die Materialien und nicht unbedingt die Ausbildung der Schichten.

Selbst wenn der Fachmann zu dieser Druckschrift gegriffen hätte, hätte er festgestellt, dass sie nichts mit der genannten Aufgabe zu tun habe. Sie betreffe die Ausgestaltung eines transparenten Hologramms (siehe z.B. Anspruch 1). Die Lehre der Druckschrift D6 hätte dem Fachmann daher nicht weitergeholfen.

Die Lehre der Druckschrift D4, dass die Metallschicht ein hohes Reflexionsvermögen haben solle, hätte den Fachmann geradezu von der Erfindung weggeführt.

Der Aufgabe-Lösungs-Ansatz müsse von der technischen Wirkung ausgehen. Im Absatz [0010] des Patents werde erklärt, dass das erfindungsgemäße Verfahren weniger aufwendig sei. Die Aufgabe ließe sich also darin sehen, Bereiche verschiedener Transparenz so herzustellen, dass umweltschädliche Verfahrensschritte vermieden werden und die Passergenauigkeit erhöht werde.

Der technische Effekt bestehe nicht darin, dass die Schicht durchgehend transparenter werde, sondern dass es Bereiche mit einer erhöhten Transmissivität gebe. Darauf gebe die Druckschrift D4 aber keinen Hinweis. Das Argument bezüglich eines Bonus-Effekts setze voraus, dass die Aufgabenstellung am technischen Wirkungskonzept orientiert sei. Es sei deshalb nicht zulässig, die Aufgabe darin zu sehen, das Sicherheitselement transparenter zu machen.

Die Druckschrift D6 offenbare mindestens sechs verschiedene Ausführungsbeispiele (siehe Spalte 7, ab Zeile 34), aus denen auszuwählen wäre. Die Druckschrift offenbare bereits in der Einleitung, dass reflektierende Metallschichten vermieden werden sollten (siehe Spalte 1, Zeilen 36 und 37).

Selbst wenn der Fachmann die Druckschriften D4 und D6 kombiniert hätte, sei nicht nachgewiesen, dass er Material mit einem Brechungsindex von 0,52 verwendet hätte.

Unter Vermeidung einer rückschauenden Betrachtungsweise sei festzustellen, dass der Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt wäre.

Entscheidungsgründe

1. Anzuwendendes Recht

Die Anmeldung, auf deren Grundlage das Patent erteilt wurde, wurde am 29. August 2005 als internationale Patentanmeldung eingereicht. Deshalb sind im vorliegenden Fall in Anwendung von Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 1, 196) und des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des EPÜ vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 1, 197) die Artikel 54 (1), (2) und (4) und 56 EPÜ 1973 bzw. die Artikel 54 (3) und 153 (5) EPÜ [2000] anzuwenden.

2. Übertragung der Einsprechendenstellung 

Mit Schreiben vom 19. Oktober 2017 beantragte der zugelassene Vertreter der Einsprechenden und Beschwerdeführerin Giesecke & Devrient GmbH die Übertragung der Stellung der Einsprechenden und der Parteistellung als Beschwerdeführerin auf die Giesecke + Devrient Currency Technology GmbH.

In ihrem Bescheid vom 9. Februar 2018 legte die Kammer ausführlich ihre vorläufige Meinung dar, dass dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Übertragung der Einsprechendenstellung nicht stattgegeben werden könne. Die Beschwerdeführerin hat sich damit in der mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt. Deshalb hat die Kammer entschieden, dass dem Antrag der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben wird. Dementsprechend wurde das Verfahren mit der ursprünglichen Einsprechenden, d.h. Giesecke & Devrient GmbH, weitergeführt.

3. Terminologie

Der Kürze halber verwendet die Kammer für den Ausdruck "Tiefen-zu-Breiten-Verhältnis" das Kürzel "TBV".

4. Prinzip der Erfindung

Die Erfindung betrifft ein Sicherheitselement mit einer diffraktiven Reliefstruktur und einer Metallschicht, die im Bereich der Reliefstruktur transparenter sein soll. Dies wird nicht durch ungleichmäßiges Auftragen oder lokales Abtragen der Metallschicht erreicht, sondern dadurch, dass das Metall zwar gleichmäßig aufgetragen wird (Merkmal 1e), dass aber die Metallschicht aufgrund der Geometrie der Reliefstruktur (wie sie im Merkmal 1g zum Ausdruck kommt) lokal relativ dünner ausgeformt wird. Die nominale Dicke t0 der Metallschicht ist dabei so zu wählen, dass die Variation der Schichtdicke noch zu wahrnehmbaren Transparenzunterschieden führt (Merkmal 1h).

5. Anspruchsauslegung

5.1 "mit konstanter Flächendichte"

Der Begriff "Flächendichte" bezeichnet in der Regel eine Masse pro Fläche. Das Patent beinhaltet keine davon abweichende Definition. Das Erfordernis einer "konstante[n] Flächendichte bezogen auf die von den Koordinatenachsen x und y aufgespannte Ebene"  (Merkmal 1e) deutet die Kammer dahingehend, dass die lokale Flächendichte innerhalb dieser Ebene konstant zu sein hat. Das Patent liefert keinen Aufschluss darüber, auf welchem Maßstab zu mitteln ist und ab welchen Schwankungen die lokale Flächendichte nicht mehr als konstant angesehen werden kann.

Im Absatz [0064] des Patents ist hingegen folgende Feststellung zu finden:

"Bei den Reliefstrukturen 25 und 26 handelt es sich hierbei um mit Reliefstrukturen, die in einem gemeinsamen Beschichtungsverfahen [sic], beispielsweise Sputtern, mit der Metallschicht 23 beschichtet werden, so daß die Flächendichte der Metallschicht 23 auf den Reliefstrukturen 25 und 26 konstant ist."

FORMULA/TABLE/GRAPHIC

Die Kammer deutet dies als Hinweis darauf, dass beim gleichzeitigen Sputtern grundsätzlich eine konstante Flächendichte im Sinne des Patents erreicht werden kann. Es lässt sich aus dieser Stelle jedoch nicht ableiten, dass beim Sputtern notwendigerweise eine konstante Flächendichte erreicht wird.

5.2 "aufgebracht"

Die Kammer kann sich dem Vortrag nicht anschließen, dass das Merkmal, dem zufolge eine Metallschicht auf die Replizierlackschicht aufgebracht wird, implizit verlange, dass die Metallschicht direkt auf der Replizierlackschicht aufgebracht sein muss. Auf dem Fachgebiet der mehrschichtigen Sicherheitselemente ist es durchaus üblich, die Auftragung von mehreren Schichten auf eine Grundschicht als "Aufbringung" der Schichten auf die Grundschicht zu beschreiben, ohne dass dies bedeuten würde, dass jede der derart aufgebrachten Schichten mit der Grundschicht in Berührung ist. Ein Beispiel dafür findet sich in der Druckschrift D1, wo zu lesen ist:

"Bevorzugt werden die Schichten der Dünnfilmschicht 23 mittels Sputtern vollflächig auf die Replizierlackschicht 22 aufgebracht."  (siehe Seite 25, Zeilen 19 und 20; Unterstreichungen durch die Kammer)

Hier werden ganz unzweifelhaft mehrere Schichten durch Sputtern übereinander auf die Replizierlackschicht "aufgebracht". Ein direkter Kontakt der oberen Schichten mit der Replizierlackschicht kann jedoch ausgeschlossen werden, da die Schichten vollflächig aufgetragen werden. 

5.3 "nominale Schichtdicke t0"

Das¨Patent versteht unter der nominalen Dicke t0 der Metallschicht die "Dicke in "flachen" Bereichen" (siehe Absatz [0017]), im Gegensatz zur lokalen Dicke, die im Bereich der Flanken der Reliefstruktur deutlich geringere Werte annehmen kann (in der nachfolgenden Abbildung etwa im Bereich des Pfeils 825b):

FORMULA/TABLE/GRAPHIC

6. Zulässigkeit der Vergleichsversuche V1 und V2

Die Einreichung der Vergleichsversuche V1 stellt einen legitimen Versuch dar, eine von der Einspruchsabteilung geltend gemachte argumentative Lücke zu schließen.

Die Vergleichsversuche V2 wurden als Reaktion auf die Kritik der Beschwerdegegnerin an den Vergleichsversuchen V1 eingereicht.

In der mündlichen Verhandlung hatte die Beschwerdegegnerin keine Einwände mehr gegen die Zulassung der Vergleichsversuche V1 und V2.

Die Kammer hat daher entschieden, die Vergleichsversuche V1 und V2 nach Artikel 12 (4) bzw. 13 (1) VOBK in das Verfahren zuzulassen.

7. Hauptantrag: Neuheit gegenüber der Druckschrift D1

Die Druckschrift D1 ist Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ.

Wie aus Punkt 11.1 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber der Offenbarung der Druckschrift D1 ist.

Strittig ist in diesem Zusammenhang, ob die Merkmale 1d bis 1h in Kombination in der Druckschrift D1 offenbart sind.

Da das Prioritätsdatum des Patents zwischen dem Anmeldetag und dem Prioritätstag der Druckschrift D1 liegt, sind bei der Prüfung der Neuheit im vorliegenden Fall nur die Teile der Offenbarung der Druckschrift D1 zu berücksichtigen, denen der Zeitrang des Prioritätstages zukommt.

7.1 Offenbarung der strittigen Merkmale als solche

7.1.1 Merkmal 1d

Dieses Merkmal verlangt, dass in zwei benachbarten Bereichen eine Metallschicht auf die Replizierlackschicht aufgebracht ist.

Es stellt sich die Frage, ob die Dünnfilmschicht der Druckschrift D1 eine Metallschicht ist. Relevant ist insbesondere folgende Feststellung der Druckschrift D1 auf Seite 25, Zeilen 19 bis 24:

"Bevorzugt werden die Schichten der Dünnfilmschicht 23 mittels Sputtern vollflächig auf die Replizierlackschicht 22 aufgebracht. Je nach dem, ob es sich bei der Dünnfilmschicht 23 um ein reflektives Element oder ein transmissives Element handeln kann, umfasst die Dünnfilmschicht 23 hierbei eine Reflexionsschicht, die vorzugsweise aus einer dünnen metallischen Schicht, beispielsweise aus Al, Ag, Cr, Ni, Cu, Au oder einer Kombination dieser Metalle aufgebaut ist." (Unterstreichung durch die Kammer)

Hier ist unzweifelhaft offenbart, dass die Dünnfilmschicht eine metallische Schicht umfassen kann, die (mittels Sputtern) auf der Replizierlackschicht aufgebracht wird. Damit ist das Merkmal 1d offenbart.

Die Tatsache, dass die Abfolge und Anordnung der Schichten, die gemeinsam die Dünnfilmschicht bilden, nicht offenbart ist, tut dem keinen Abbruch, zumal das Patent das "Aufbringen" nicht näher definiert und Anspruch 1 insbesondere keinen unmittelbaren Kontakt zwischen Metallschicht und Replizierlackschicht fordert (siehe dazu Punkt oben).

7.1.2 Merkmal 1e

Das Merkmal 1e verlangt, dass die Metallschicht mit konstanter Flächendichte bezogen auf die von den Koordinatenachsen x und y aufgespannte Ebene aufgebracht ist.

Die diesbezügliche Offenbarung der Druckschrift D1 lautet wie folgt (Text, der sich in der Druckschrift D1 findet, aber in der entsprechenden Passage des Prioritätsdokuments keine Entsprechung hat, wurde durch Unterstreichen kenntlich gemacht):

"Weiter hat es sich gezeigt, dass sich besonders gute Ergebnisse dann erzielen lassen, wenn die Dünnfilmschicht mittels Sputtern oder Aufdampfen nach Abformung der oben beschriebenen Reliefstrukturen auf die Replizierlackschicht aufgebracht wird. Die Dünnfilmschicht wird hierbei im ersten und im zweiten Bereich in gleicher Weise und damit mit gleicher nomineller Flächendichte aufgebracht." (siehe Seite 11, Zeilen 21 bis 25)

Aus dieser Darstellung geht hervor, dass die Aufbringung durch Sputtern auch im Prioritätsdokument der Druckschrift D1 offenbart wurde und damit bei der Neuheitsbetrachtung zu berücksichtigen ist.

Der Begriff "Sputtern" umfasst verschiedene Beschichtungsverfahren, bei denen die lokale Belegungsdichte von den jeweiligen Prozessparametern abhängig ist. Aus der Offenbarung der Herstellung durch Sputtern als solche lässt sich daher nicht ableiten, dass notwendigerweise eine konstante Flächendichte vorliegt.

Dennoch sieht die Kammer das Merkmal 1e als in der Druckschrift D1 implizit offenbart an. Die Gründe dafür sind wie folgt:

Zum einen muss die Offenbarung des Sputterns im Zusammenhang mit der Gesamtoffenbarung der Druckschrift D1 gesehen werden (iudex cuncta studeat). Diese Druckschrift offenbart optisch variable Sicherheitselemente in Form eines mehrschichtigen Folienkörpers, der eine Replizierlackschicht und eine Dünnfilmschicht zum Erzeugen eines blickwinkelabhängigen Farbverschiebungseffekts mittels Interferenz aufweist. Eine Reliefstruktur wird zur lokalen Unterdrückung der Erzeugung des Farbverschiebungseffekts durch die Dünnfilmschicht eingesetzt. Es war für den Fachmann daher unzweifelhaft klar, dass die Auftragung der Metallschicht(en), die Teil der Dünnfilmschicht sind, mit konstanter Flächendichte erfolgen muss, da sonst ein störender Einfluss auf den für die Druckschrift D1 zentralen Farbverschiebungseffekt zu erwarten wäre.

Zum anderen ist das Merkmal 1e im Patent nur wenig präzise definiert (siehe dazu Punkt ). Welche Anforderungen an die Konstanz der Flächendichte gestellt werden bzw. auf welchem Maßstab zu mitteln ist, bleibt völlig offen.

Die Verknüpfung dieser Feststellungen führt zum Schluss, dass das Merkmal 1e als für den Fachmann in der Druckschrift D1 offenbart anzusehen ist.

7.1.3 Merkmal 1f

Das Merkmal 1f verlangt, dass die erste Reliefstruktur eine diffraktive Struktur ist.

Auf Seite 7, Zeilen 14 bis 18, der Druckschrift D1 ist offenbart, dass für das Auftreten des Farbverschiebungseffekts wesentlich ist, dass das TBV der einzelnen Strukturelemente der Reliefstruktur größer als 0,5 ist und dass der Abstand dieser Elemente "kleiner als 200 µm, bevorzugt kleiner als 10 µm (diffraktive Reliefstruktur) sein sollte".

Dadurch ist auch das Merkmal 1f in der Druckschrift D1 offenbart.

7.1.4 Merkmal 1g

Dieses Merkmal verlangt für die einzelnen Strukturelemente ein TBV, das größer als 0,5 ist.

Dies ist in der Druckschrift D1 auf Seite 7, Zeilen 14 bis 19, offenbart:

"Wesentlich für das Auftreten dieses Effekts ist ein hohes mittleres Tiefen zu Breiten Verhältnis der einzelnen Strukturelemente der Reliefstruktur, das größer als 0,5 liegen sollte, ..."

7.1.5 Merkmal 1h

Dieses Merkmal verlangt, dass die Metallschicht in einer nominalen Schichtdicke t0 ausgebildet ist, bei der die Transparenz der Metallschicht durch die erste Reliefstruktur im ersten Bereich gegenüber der Transparenz der Metallschicht im zweiten Bereich erhöht ist.

Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass das Merkmal in der Druckschrift D1 offenbart ist. Sie hat in diesem Zusammenhang zwei Argumentationslinien vorgelegt.

a) Argumentationslinie 1

Diese Argumentationslinie stützt sich auf das "dritte Ausführungsbeispiel" für eine Dünnfilmschicht:

"... In einem dritten Ausführungsbeispiel kann es sich um drei Schichten handeln, die zwischen zwei Kunststoffschichten angeordnet sind, und zwar um eine Cr-Schicht mit einer Dicke von 8 nm, eine

MgF2-Schicht mit einer Dicke von 215 nm und eine Al-Schicht mit einer Dicke von 50 nm." (Seite 22, Zeilen 5 bis 8)

Die Vergleichsversuche V1 bzw. V2 sollen belegen, dass diese Dünnfilmschicht eine erhöhte Transmission zeigt.

Es ist richtig, dass die Natur der zwei Kunststoffschichten der insgesamt fünfschichtigen Dünnfilmschicht nicht näher spezifiziert ist. Das ist aber hier nicht entscheidend, da das Merkmal 1h nicht die Transparenz des Sicherheitselements definiert, sondern nur die Transparenz der Metallschicht.

Die Vergleichsversuche belegen zwar nicht die Transparenz der Metallschichten (Al oder Cr), sondern die Transparenz eines Dünnfilmschichtsystems, das auch eine dielektrische Schicht (SiO2 bzw. MgF2) beinhaltet, aber es ist klar, dass die Transparenz der Metallschichten nicht kleiner sein kann als die Transparenz des Systems, das sie beinhaltet.

Im übrigen offenbart die Druckschrift D1 auch eine (ähnliche) Dünnfilmschicht ohne Kunststoffschichten:

"Eine derartige Dünnfilmschicht wird beispielsweise von einem Dünnfilmschichtsystem gebildet, das aus ein oder mehreren dielektrischen und metallischen Schichten aufgebaut ist. Beispielsweise besteht die Dünnfilmschicht 23 so aus einer Chromschicht einer Dicke von 8 nm, einer MgF2-Schicht einer Dicke von 215 nm und einer Al-Schicht einer Dicke von 50 nm." (Seite 24, Zeilen 28 bis 32)

Keine der in den Vergleichsversuchen V1 untersuchten Dünnfilmschichten entspricht diesem Ausführungsbeispiel, da diese eine Schicht aus SiO2 und nicht aus MgF2 enthalten, aber die Probe Al50_MGF2_215_CR8 "Sinusgitter 1" der Versuchsreihe V2 (Seite 1 oben) hat genau den in der Druckschrift D1 offenbarten Aufbau.

Die Messwerte für die Transmission zeigen, dass die Transmission durch die sinusförmige Strukturierung deutlich erhöht wird:

FORMULA/TABLE/GRAPHIC

Es ist richtig, dass die Druckschrift D1 nicht offenbart, dass die Reliefstrukturen die Reliefform "lineares Sinusgitter" besitzen. Auch die gewählten Parameter (hier: D = 1000 nm, H = 570 nm) sind dort nicht offenbart. Dennoch zeigen die Versuchsserien V1 und V2 unzweifelhaft, dass eine Erhöhung der Transparenz erreicht wird, und zwar weitgehend unabhängig von der Wahl des Dielektrikums sowie der Reliefstruktur und der Parameter, die letztere bestimmen. Der Fachmann, der das Ausführungsbeispiel gemäß Seite 24, Zeilen 28 bis 32, nacharbeiten wollte und dazu eine beliebige einfache Reliefstruktur gewählt hätte, hätte somit eine erhöhte Transparenz festgestellt. Deshalb ist auch das Merkmal 1h als in der Druckschrift D1 implizit offenbart anzusehen.

b) Argumentationslinie 2

Die alternative Argumentationslinie bezieht sich auf die Absorberschicht der Dünnfilmschicht, von der in der Druckschrift D1 Folgendes offenbart ist:

"Die Dünnfilmschicht weist so beispielsweise eine metallische Absorptionsschicht (vorzugsweise mit 30 % bis 65 % Transmission), eine transparente Distanzschicht als farbwechselerzeugende Schicht (lambada/2 oder lambada/4 Schicht), eine Metallschicht als reflektierende Schicht (reflektives Element) oder eine optische Trennschicht (transmissives Element) auf." (Seite 4, Zeilen 30 bis 34)

Diese Stelle ist allerdings im Prioritätsdokument der Druckschrift D1 nicht enthalten. Der Verweis auf die Offenbarung der Seite 24 kann diesen Einwand nicht ausräumen, da er die Argumentationslinie 2 auf die Argumentationslinie 1 stützt und nicht als von letzterer unabhängig gesehen werden kann.

Somit geht die Argumentationslinie 2 ins Leere.

7.2 Offenbarung der strittigen Merkmale in Kombination

Wie unter Punkt dargelegt wurde, ist die Kammer der Argumentationslinie gefolgt und zum Schluss gelangt, dass die Druckschrift D1 alle Merkmale von Anspruch 1 offenbart. Es bleibt noch zu prüfen, ob sie diese Merkmale auch in Kombination offenbart.

Die folgende Tabelle fasst zusammen, wo und in welchem Kontext die Merkmale 1d bis 1h offenbart sind; die Spalte "V" gibt an, aus wie vielen Varianten ausgewählt werden muss, um das Merkmal zu erhalten.

(Tabelle siehe PDF)

Merkmal | Offenbarung | Kontext der Offenbarung | V

1d

S. 25, Z. 19-24 | metallische Reflexionsschicht (im Falle reflektiver Elemente) | 2

S. 4, Z. 30-34 | metallische Reflexionsschicht (im Falle reflektiver Elemente) | 2

metallische Absorptionsschicht |1

1e

S. 11, Z. 21-24 | Herstellung der Dünnschicht | 1

S. 25, Z. 19-24 | Aufbringung der Schichten | 1

1f | S. 7, Z. 14-18 |1. Bedingung für das Auftreten des Farbverschiebungseffekts | 1

1g | S. 7, Z. 14-18 | 2. Bedingung für das Auftreten des Farbverschiebungseffekts | 2

1h

S. 22, Z. 5-8 | 3. Ausführungsbeispiel einer Dünnfilmschicht | 3

S. 24, Z. 27-32 | Beispiel einer transmissiven Dünnfilmschicht | 1

S.4, Z. 30-34 | reflektierende Dünnfilmschicht mit einer reflektierenden Metallschicht | 2

Die Rechtsprechung betreffend die Auswahl aus Listen kann hier nicht zur Anwendung kommen, da es sich nicht um (lange) Listen handelt, wie sie in der Chemie gebräuchlich sind, sondern jeweils nur um eine Auswahl aus höchstens zwei oder drei Elementen.

Die Merkmale 1f und 1g sind unzweifelhaft in Kombination offenbart, und zwar in einer Weise, die als allgemeine Lehre der Druckschrift D1 gelten kann und auf den gesamten Rest der Offenbarung anwendbar ist. Dasselbe gilt für das Merkmal 1e, das in sehr allgemeiner Form offenbart ist. Deshalb sind alle Merkmale in Kombination offenbart.

7.3 Zur Rolle des Fachmanns bei der Neuheitsprüfung

Die Beschwerdegegnerin hat wiederholt geltend gemacht, dass die Druckschrift D1 Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (3) EPÜ darstelle und es daher nicht zulässig sei, "dauernd den Fachmann zu bemühen". Die Kammer kann dem nicht zustimmen. Auch wenn dies nicht immer explizit erwähnt wird, ist eine Neuheitsprüfung ohne ständige Bemühung des Fachmanns gar nicht denkbar.

Zum einen verlangt die Prüfung der Neuheit eine Untersuchung, welche Merkmale eines Anspruchs im Stand der Technik offenbart sind. Diese Untersuchung ist vom Fachmann vorzunehmen. Da sich ein Merkmal in der Regel nicht wortwörtlich im Stand der Technik wiederfindet, muss die Prüfung seiner expliziten oder impliziten Offenbarung notwendigerweise mit Hinblick auf das Verständnis des Fachmanns erfolgen.

Wie der vorliegende Fall zeigt, ist zum anderen bei der Untersuchung der Neuheit gegenüber einem Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ unter Umständen auch die Frage der Gültigkeit der Beanspruchung der Priorität durch das Patent oder den Stand der Technik zu beantworten. Dabei ist unter anderem der Offenbarungsgehalt zweier Dokumente zu vergleichen. Auch diese Untersuchung ist vom Fachmann vorzunehmen.

Der Fachmann kommt daher auch im Zusammenhang mit der Prüfung der Neuheit gegenüber Stand der Technik im Sinne von Artikel 54 (3) EPÜ zum Einsatz. Allerdings ist es ihm in diesem Zusammenhang verwehrt, Fragen der Plausibilität oder des Naheliegens, wie sie sich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit stellen können, zu behandeln.

7.4 Ergebnis

Da die Druckschrift D1 alle Merkmale von Anspruch 1 in Kombination offenbart, ist der Gegenstand dieses Anspruchs durch die Druckschrift D1 neuheitsschädlich vorweggenommen, und zwar für alle benannten Vertragsstaaten mit Ausnahme von Lettland (LV) (Artikel 54 (3) EPÜ und Artikel 54 (4) EPÜ 1973).

Dem Hauptantrag kann somit nicht stattgegeben werden.

8. Hilfsantrag 1: Zulässigkeit des Disclaimers

Die Kammer ist zum Schluss gelangt, dass der Disclaimer den Anforderungen der Entscheidungen G 1/03 und G 2/03 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 2004, 413 und 448) genügt, da er:

- dazu dient, die Neuheit wiederherzustellen, indem er die unabhängigen Ansprüche gegenüber einem Stand der Technik nach Artikel 54 (3) und (4) EPÜ abgrenzt;

- nicht mehr ausschließt, als nötig ist, um die Neuheit wiederherzustellen;

- für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit oder der ausreichenden Offenbarung nicht relevant ist; und

- die Erfordernisse der Klarheit und Knappheit nach Artikel 84 EPÜ erfüllt.

Strittig war im vorliegenden Fall nur, ob der Disclaimer geeignet ist, die Neuheit wiederherzustellen. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin nimmt nicht nur das "dritte Ausführungsbeispiel" (siehe Punkt ) - betreffend eine Dünnfilmschicht, die eine Cr-Schicht mit einer Dicke von 8 nm, eine MgF2-Schicht mit einer Dicke von 215 nm und eine Al-Schicht mit einer Dicke von 50 nm umfasst - den Gegenstand von Anspruch 1 vorweg, sondern auch die allgemeine Offenbarung der Druckschrift um diesen Punkt herum (zum Beispiel eine Dünnfilmschicht, in der die Dicke der MgF2-Schicht 220 nm beträgt). Diese Argumentation verkennt aber, dass eine solche Schicht von der Druckschrift D1 vielleicht nahegelegt würde, von ihr aber nicht unmittelbar und eindeutig offenbart wird.

Im vorliegenden Fall beschränkt sich die neuheitsschädliche Offenbarung der Druckschrift D1 sozusagen auf einen Punkt. Es ist daher möglich, die Neuheit durch Ausnahme dieses Punktes wiederherzustellen.

Es mag zutreffen, dass in der Praxis ein Punkt nie völlig scharf definiert werden kann und immer mit einer gewissen Unschärfe behaftet ist. Dies betrifft aber den durch den Disclaimer definierten Punkt gleichermaßen, sodass der Disclaimer gerade das ausschließt, womit die Druckschrift D1 die Neuheit von Anspruch 1 nach dem Hauptantrag vorwegnimmt.

9. Hilfsantrag 1: erfinderische Tätigkeit

Zur Prüfung der erfinderischen Tätigkeit verwendet die Kammer den Aufgabe-Lösungs-Ansatz.

9.1 Ausgangspunkt

Die Druckschrift D1 ist Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ und Artikel 54 (4) EPÜ 1973 und kann daher bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt werden.

Die Beschwerdeführerin hat die Druckschrift D4 als Ausgangspunkt für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit verwendet. Die Druckschrift D4 beschreibt Sicherheitselemente mit Beugungsstrukturen und ist daher ein technisch sinnvoller Ausgangspunkt.

9.2 Unterschiede

Es war unbestritten, dass die Druckschrift D4 die Merkmale 1e (konstante Flächendichte) und 1h (erhöhte Transparenz) nicht offenbart. Strittig war hingegen die Offenbarung des Merkmals 1g (TBV > 0,5). Die Beschwerdeführerin verwies in diesem Zusammenhang auf das Beispiel 2 auf Seite 11 der Druckschrift D4 und errechnete aus den dort offenbarten Parametern für die Reliefstruktur (Periode: 250 nm, optisch wirksame Profilhöhe: 200 nm) unter Annahme eines Brechungsindex von 1,55 (siehe Seite 7, Zeile 12) ein TBV von 0,52. Dazu ist allerdings festzustellen, dass im Kontext von Beispiel 2 kein Brechungsindex offenbart ist.Somit kann nicht von einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung des Merkmals 1g gesprochen werden.

9.3 Technische Wirkungen

Das Merkmal 1e verlangt, dass die Metallschicht mit konstanter Flächendichte innerhalb der Ebene, in der die Reliefstruktur abgeformt ist, aufgebracht ist. Die technische Wirkung dieses Merkmals ist im Patent nicht offenbart; sie ist nach Auffassung der Kammer nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit dem Merkmal 1g zu betrachten.

Das Patent offenbart keine technische Wirkung des Merkmals 1g, also eines TBV > 0,5. Ganz allgemein offenbart das Patent in Absatz [0012], dass das TBV ein Maß für die effektive Oberfläche des Bereichs ist, auf dem das Metall abgeschieden wird: je größer die Tiefe bei konstanter Breite ist, umso größer wird die effektive Oberfläche. Bei Aufbringung des Metalls mit konstanter Flächendichte bedeutet eine Vergrößerung des TBV also im Schnitt eine Verringerung der Dicke der Metallschicht. Der Schwellenwert von 0,5 wurde vermutlich empirisch bestimmt.

Das Merkmal 1h verlangt, dass die Metallschicht in einer derartigen nominalen Schichtdicke ausgebildet ist, dass die Transparenz der Metallschicht durch die erste Reliefstruktur erhöht ist. Die Kammer versteht dieses Merkmal so, dass die Metallschicht hinreichend dünn sein muss, damit die durch die Merkmale 1e und 1g verursachte lokale Verringerung der Dicke der Metallschicht tatsächlich zu einer lokal erhöhten Transparenz führt.

Die Unterscheidungsmerkmale wirken untrennbar zusammen und sind daher bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit gemeinsam zu untersuchen.

9.4 Objektive technische Aufgabe

Die Beschwerdeführerin sah die von den Unterscheidungsmerkmalen gelöste Aufgabe darin, das Sicherheitselement der Druckschrift D4 dahingehend zu verbessern, dass auch im Bereich des eigentlichen Sicherheitsmerkmals eine zumindest teilweise Durchsicht auf darunterliegende Information möglich ist.

Die Kammer kann sich dieser Formulierung der Aufgabe nicht anschließen, da die Fig. 1 ein Sicherheitselement 2 offenbart, das neben der optisch wirksamen Struktur 9 auch transparente Stellen 10 umfasst.

FORMULA/TABLE/GRAPHIC

Somit ist auch hier auch im Bereich des eigentlichen Sicherheitsmerkmals die Durchsicht auf darunterliegende Information möglich.

Die Beschwerdegegnerin sah die objektive technische Aufgabe darin, eine Reflektionsschicht mit Bereichen unterschiedlicher Transmissivität bereitzustellen, und zwar so, dass umweltschädliche Verfahrensschritte vermieden werden und die Passergenauigkeit erhöht werde.

Die Kammer macht sich diese Formulierung zu eigen.

9.5 Naheliegen

Es stellt sich also die Frage, ob der Fachmann, der von der Lehre der Druckschrift D4 ausgegangen wäre und sich die Aufgabe gestellt hätte, eine Reflektionsschicht mit Bereichen unterschiedlicher Transmissivität bereitzustellen, durch sein Fachwissen und/oder den Stand der Technik in naheliegender Weise dazu geführt worden wäre, die Merkmale 1e, 1g und 1h vorzusehen.

Die Druckschrift D4 bezieht sich zweimal auf die Lehre der Druckschrift D6, und zwar im Zusammenhang mit dem Aufbau der Dünnschicht und den Materialien, die dabei zum Einsatz kommen können (siehe Druckschrift D4, Seite 1, Zeilen 22 und 23, und Seite 4, Zeilen 25 bis 27). Es ist daher nicht abwegig, anzunehmen, dass der Fachmann die Lehre der Druckschrift D6 in Betracht gezogen hätte. Diese Druckschrift bezieht sich allerdings auf ganz bestimmte Sicherheitselemente (transparente Hologramme) und offenbart das beanspruchte TBV nicht. Sie offenbart daher auch nichts zur damit erreichten Wirkung.

Die Argumentation zum Naheliegen des TBV gemäß Merkmal 1g beruht auf der Annahme, dass der Fachmann einerseits den Aufbau und die Materialien des Schichtelements aus der Druckschrift D6 übernommen hätte (obwohl jene nicht explizit eine Lösung der objektiven technischen Aufgabe vorschlägt), andererseits aber den Brechungsindex von 1.55, der in der Druckschrift D4 beispielhaft erwähnt ist (siehe Seite 7, Zeile 12), mit einzelnen Merkmalen des dortigen Beispiels 2 kombiniert hätte. Diese Argumentation hat die Kammer nicht überzeugt. Sie stützt sich nicht auf schlüssige fachmännische Überlegungen, sondern scheint auf dem Wunsch zu beruhen, den beanspruchten Gegenstand zu erhalten, also auf einer "rückschauenden Betrachtungsweise" im Sinne der Rechtsprechung (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 9. Auflage, 2019, Punkt I.D.6).

Da nicht schlüssig dargelegt wurde, dass der Fachmann in naheliegender Weise zum Gegenstand der Ansprüche 1 und 19 gelangt wäre, hat letzterer als erfinderisch im Sinne von Artikel 56 EPÜ 1973 zu gelten.

Dem Hilfsantrag 1 kann somit stattgegeben werden.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang in folgender Fassung aufrechtzuerhalten:

- Patentansprüche : 1 bis 23, eingereicht am 25. April 2017 als Hilfsantrag 1;

- Beschreibung: Seite 2, eingereicht in der mündlichen Verhandlung; Seiten 3 bis 14 der Patentschrift;

- Zeichnungen: Figuren 1 bis 17 der Patentschrift.

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