T 2191/16 (Zellverbinder/BMW) of 9.1.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T219116.20180109
Datum der Entscheidung: 09 Januar 2018
Aktenzeichen: T 2191/16
Anmeldenummer: 10767922.7
IPC-Klasse: H01M 10/42
H01M 2/10
H01M 2/20
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: EINRICHTUNG ZUM ELEKTRISCHEN ZUSAMMENSCHALTEN VON ZELLEN EINES BATTERIEPACKS MITTELS ZELLVERBINDERN UND BATTERIEPACK MIT SOLCHEN ZELLVERBINDERN
Name des Anmelders: Bayerische Motoren Werke Aktiengesellschaft
Diehl Stiftung & Co. KG
Name des Einsprechenden: ElringKlinger AG
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 112a(1)
European Patent Convention Art 113(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 15(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(1)(b)
Schlagwörter: Spät eingereichtes Dokument - zugelassen (ja)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein)
Vorlagefrage richtet sich im Kern auf eine Überprüfung der Verfahrensführung der Kammer, welche jedoch dem Verfahren nach Artikel 112a EPÜ vorbehalten ist
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0724/08
T 1634/09
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 0399/16
T 2230/16

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, dass das Europäische Patent Nr. 2 483 949 unter Berücksichtigung der Änderungen auf der Basis des mit Schreiben vom 20. Juli 2015 eingereichten Hilfsantrags 1 und der Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ, insbesondere jenem der der Neuheit, genüge. Das Patent betrifft eine Einrichtung zum elektrischen Zusammenschalten von Zellen eines Batteriepacks mittels Zellverbindern und ein Batteriepack mit solchen Zellverbindern.

II. In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung insbesondere die Ansicht, dass sich der Begriff "mäanderartig" auf eine Linie mit zwei Wendbepunkten bezöge. Eine omegaförmige Linie könne somit als ein Mäander angesehen werden, nicht jedoch eine U-förmige oder eine S-förmige Linie (Seite 9, letzter Absatz).

III. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin u.a. folgende Dokumente ein:

D14: Mäander - Wiktionary

D17: WO2010/012341 A1.

IV. Mit der Beschwerdeerwiderung reichten die Patentinhaberinnen (Beschwerdegegnerinnen) folgende Dokumente ein:

D19: http://www.duden.de/, Stichwort "Mäander"

D20: http://www.wikipedia.de/, Stichwort "Mäander".

V. Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 datiert vom 20. Juli 2015, welcher von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtet worden war (vorliegender Hauptantrag der Beschwerdegegnerinnen), hat folgenden Wortlaut:

"1. Einrichtung zum elektrischen Zusammenschalten von Zellen (12) eines Batteriepack (11) mittels Zellverbindern (15), wobei auf einer Montageplatte (16) elektrisch gegeneinander isoliert mehrere Zellverbinder (15) zur Verbindung zumindest zweier Zellpole angebracht sind, wobei jeder Zellverbinder (15) zumindest einen sich von einem Verbindungs-Bereich (20) weg erstreckenden flexiblen Bügel (19) aufweist, und wobei die flexiblen Bügel (19) mit einer federelastischen Struktur (34) mit dem Verbindungs-Bereich (20) gekoppelt sind, wobei die federelastische Struktur (34) mäanderartig ausgebildet ist."

VI. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer zogen die Beschwerdegegnerinnen den mit "Hilfsantrag 2" bezeichneten Antrag datiert vom 16. Dezember 2015 zurück und reichten einen mit "Hilfsantrag 3" bezeichneten Hilfsantrag ein.

VII. Anspruch 1 des mit "Hilfsantrag 3" bezeichneten Hilfsantrags umfasst zusätzlich zu den genannten Merkmalen noch folgende Merkmale:

", wobei die Zellverbinder (15) in ihrem Verbindungsbereich (20) auf der Montageplatte (16) festgelegt sind, so dass alle an der Montageplatte (16) befestigten Zellverbinder (15) gleichzeitig mit Zellpolen verbindbar sind, indem die Montageplatte (16) mit ihren Zellverbindern (15) auf die Zellen (12) aufgebracht wird."

VIII. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragten die Beschwerdegegnerinnen, die folgende Frage der Großen Beschwerdekammer vorzulegen:

"Ist es eine Verletzung des fairen Verfahrens oder der Gleichbehandlung der Parteien oder des rechtlichen Gehörs nach Art. 113 EPÜ,

wenn ein Hilfsantrag ("Hilfsantrag 3", einziger im Beschwerdeverfahren verbleibenden Hilfsantrag) der Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin erstmalig in der mündlichen Verhandlung gestellt und nicht zugelassen wird,

unter der Maßgabe,

dass dieser Hilfsantrag eine Reaktion auf ein erstmalig im Beschwerdeverfahren verspätet eingeführtes Dokument (D17) darstellt,

dass dieses Dokument (D17) in der ersten und einzigen Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Art. 15(1) VOBK nur als möglicherweise relevant bezeichnet wurde,

dass in derselben Mitteilung folgende Vorgabe zur Verfahrensführung enthalten ist:

'Die Mitteilung ist nicht als Einladung der (sic) Parteien zu verstehen, weitere Eingaben zu machen. Vielmehr soll sie als Hilfestellung der anberaumten mündlichen Verhandlung dienen.'

dass dieses Dokument (D17) erst in der mündlichen Verhandlung als zulässig und neuheitsschädlich gegenüber dem geltenden Patentanspruch 1 beurteilt wurde,

und dass der Hilfsantrag als Reaktion auf die erst in der mündlichen Verhandlung festgestellte Zulässigkeit und Relevanz des Dokuments (D17) gestellt wurde,

insbesondere unter der zusätzlichen Maßgabe, dass die Änderungen des Hilfsantrags auf Klarstellungen der in dem ursprünglichen Anspruch 1 verwendeten und bereits in der mündlichen Verhandlung diskutierten Begrifflichkeiten in Hinblick auf das Dokument (D17) begrenzt waren."

IX. Die Beschwerdeführerin trug im Wesentlichen wie folgt vor:

Dokument D17 sei nicht verspätet und daher zum Verfahren zuzulassen. Dieses Dokument, insbesondere die auf Seite 7, vorletzter Absatz, erwähnte alternative Ausführungsform sei neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags.

Der von den Beschwerdegegnerinnen erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichte Hilfsantrag 3 sei nicht zum Verfahren zuzulassen, da er Merkmale betreffe, welche aus der Beschreibung stammten und die Beschwerdeführerin somit überrascht sei, und der Antrag prima facie das Erfordernis nach Artikel 123(2) EPÜ verletze. Der Antrag auf Vorlage einer Frage an die Große Beschwerdekammer sei zurückzuweisen.

X. Die Beschwerdegegnerinnen trugen im Wesentlichen wie folgt vor:

Das Dokument D17 sei nicht zum Verfahren zuzulassen, insbesondere weil es nicht prima facie relevant für den Ausgang des Verfahrens sei.

Die Merkmale "auf einer Montageplatte... angebracht", "Verbindungsbereich" und "mäanderförmig" seien in der auf Seite 7 von D17 offenbarten alternativen Ausführungsform nicht offenbart. Zudem könne auch das Merkmal "federelastische Struktur" nicht ohne weiteres auf D17 gelesen werden, da diese vom Vorhandensein eines Verbindungsbereichs abhänge. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sei daher neu gegenüber D17.

Der Hilfsantrag 3 sei zum Verfahren zuzulassen, da die Kammer das Dokument D17 in der mündlichen Verhandlung zum Verfahren zuließ. Die Mitteilung der Kammer nach Artikel 15(1) VOBK war so verstanden worden, dass ein neuer Antrag in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer gestellt werden könne und dieser auch zugelassen würde. Der Antrag auf Vorlage einer Rechtsfrage an die Große Beschwerdekammer sei nicht als Rüge im Sinne von Regel 106 EPÜ zu verstehen. Eine solche werde auch nicht erhoben.

Entscheidungsgründe

1. Zulassung der Dokumente D14, D19 und D20

Diese Dokumente betreffen die Auslegung des Begriffs "mäanderartig" und sind allesamt Auszüge von (online) Standardwerken. D14 wurde mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Auch wenn D14 bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte eingereicht werden können, da der genannte Begriff bereits dort kontrovers diskutiert worden war, traten die Beschwerdegegnerinnen der Zulassung dieses Dokuments wenigstens nicht ausdrücklich entgegen. Vielmehr reichten sie in Reaktion hierauf mit der Beschwerdeerwiderung die Dokumente D19 und D20 ein. Der Zulassung der letzteren Dokumente trat wiederum die Beschwerdeführerin nicht entgegen. Da diese Dokumente allesamt das allgemeine Fachwissen und die Auslegung eines zentralen Begriffs von Anspruch 1 in seiner erteilten Fassung betreffen, ließ die Kammer diese Dokumente zum Verfahren zu (Artikel 12(4) VOBK).

2. Zulassung von Dokument D17

2.1 Dieses Dokument ist druckschriftlicher Stand der Technik in Form einer internationalen Patentanmeldung. Es wurde erst mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin, sei dieses Dokument nicht verspätet eingereicht worden, hätte also im Sinne von Artikel 12(4) VOBK nicht im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht werden können, da es erst in einem Prüfungsbescheid des US-Patent- und Markenamts vom 20. September 2016 in einem parallelen Verfahren zitiert worden sei und auch vom Europäischen Patentamt übersehen worden sei. Die Beschwerdeführerin hatte daher keine Möglichkeit, dieses Dokument bereits innerhalb oder noch während des erstinstanzlichen Verfahrens einzureichen.

2.2 Die Kammer kann sich dieser Sichtweise nicht anschließen, da bei der Beurteilung, ob ein Beweismittel im Sinne von Artikel 12(4) VOBK bereits erstinstanzlich eingereicht hätte werden können, es regelmäßig nicht auf die tatsächliche Möglichkeit des Auffindens dieses Dokuments ankommt (T 724/08, Punkt 3.4 des Gründe). Im Übrigen geht Anspruch 1 des Anspruchssatzes, welcher von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachtet worden war, zurück auf eine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 2. Dokument D17 hätte somit bereits innerhalb der Einspruchsfrist eingereicht werden können. Es stand daher im Ermessen der Kammer, dieses Dokument zum Beschwerdeverfahren zuzulassen (Artikel 12(4) VOBK).

2.3 D17 ist für den Ausgang des Verfahrens prima facie relevant, insbesondere da es Zellverbinder zeigt, die in diesem Dokument explizit als "omegaförmig" bezeichnet werden (Seite 7, vorletzter Absatz) und in der angefochtenen Entscheidung die Einspruchsabteilung die Auffassung vertrat, dass eine omegaförmige Linie als ein "Mäander" angesehen werden könne (Seite 9, letzter Absatz).

Nach Ansicht der Beschwerdegegnerinnen (siehe Punkt C.3.2.5 der Beschwerdeerwiderung) sei D17 nicht prima facie relevant, da es gemäß seiner Zusammenfassung die Befestigung einer Kühlplatte an Batteriezellen betreffe.

Dieses Argument führt ins Leere, da Anspruch 1 des Hauptantrags der Beschwerdegegnerinnen das Vorhandensein einer Kühlplatte nicht ausschließt. Der weitere unter Punkt C.3.2 der Beschwerdeerwiderung angeführte Vortrag betrifft nicht die prima-facie-Relevanz von D17, sondern stellt eine über diesen Maßstab hinausgehende detaillierte Analyse dar, die die Prüfung der Neuheit betrifft (vgl. Punkt 3 infra).

2.4 Die von den Beschwerdegegnerinnen zitierte Entscheidung (T 724/08, supra) steht der Zulassung dieses Dokuments nicht entgegen, da es auch dort heißt, dass die Kammer die Zulassung eines erst mit der Beschwerdebegründung eingereichten Beweismittels, welches erstinstanzlich eingereicht hätte werden können, grundsätzlich im Ermessen der Kammer steht und sie die Zulassung davon abhängig machen kann, ob dieses prima facie relevant ist (Punkt 3.4 der Gründe).

2.5 Aus den genannten Gründen ließ die Kammer das Dokument D17 zum Verfahren zu.

3. Hauptantrag - Neuheit

3.1 D17 wurde im Prioritätszeitraum veröffentlicht. Die Priorität wird für den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags unstreitig nicht wirksam in Anspruch genommen (vgl. die angefochtene Entscheidung, II.1.). D17 ist daher Stand der Technik nach Artikel 54(1),(2) EPÜ.

3.2 Gemäß dem schriftlichen Vortrag der Beschwerdeführerin (Punkt 4.17 der Beschwerbegründung) und ihrem Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer sei die auf Seite 7, vorletzter Absatz, Zeilen 4ff, von D17 offenbarte Ausführungsform neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 1.

3.3 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerinnen offenbare diese Ausführungsform die folgenden Merkmale nicht: "auf einer Montageplatte... angebracht", "Verbindungsbereich" und "mäanderförmig". Zudem könne auch das Merkmal "federelastische Struktur" nicht ohne weiteres auf D17 gelesen werden, da diese vom Vorhandensein eines Verbindungsbereichs abhänge. Die Beschwerdegegnerinnen stellen jedoch nicht in Abrede, dass die weiteren Merkmale von Anspruch 1, insbesondere das Merkmal, wonach die Zellverbinder "elektrisch gegeneinander isoliert" sind, in dieser Ausführungsform von D17 offenbart sind.

3.4 In der genannte Passage auf Seite 7 heißt es, dass die Zellverbinder "auch in einer so genannten Zellverbinderplatine integriert sein [können]", wobei "[d]urch eine solche Zellverbinderplatine mit integriertem Zellverbinder 2 [...] insbesondere die Montage vereinfacht [werde]". Aus dieser Passage geht unmittelbar und eindeutig hervor, dass die Zellverbinder in der genannten Platine integriert sind, d.h. im Sinne von Anspruch 1 "angebracht" sind. Das integrieren eines Bauteils in das andere ist nämlich eine spezielle Form des "Anbringens", wie dies in Anspruch 1 gefordert wird.

Nach Ansicht der Beschwerdegegnerinnen sei eine solche Zellverbinderplatine nicht als Montageplatte im Sinne von Anspruch 1 anzusehen, da der Verweis auf eine vereinfachte Montage in der genannten Passage nur vager Natur sei. Dies überzeugt die Kammer nicht. Wenigstens aus dem Verweis, dass eine solche Zellverbinderplatine die Montage vereinfache, geht unmittelbar und eindeutig hervor, dass diese Platine bei der Montage der Zellverbinder auf die Zellen zum Einsatz kommt und somit eine "Montageplatte" im weitesten Sinne darstellt. Zudem wird in Anspruch 1 nicht näher angegeben, wozu die Montageplatte dienen soll. Selbst wenn man die Ansicht verträte, dies impliziere eine Montage und damit eine Befestigung der Zellverbinder auf der Zellverbinderplatine, so ist dieses Merkmal in D17 offenbart, da, wie oben ausgeführt, die Zellverbinder in der Zellverbinderplatine integriert sind.

3.5 Was das Merkmal "Verbindungsbereich" betrifft, so bemerkt die Kammer, dass der Wortlaut von Anspruch 1 lediglich verlangt, dass sich zumindest ein flexibler Bügel von diesem Bereich erstreckt. Als ein solcher Verbindungsbereich kann daher jedenfalls, wie dies die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vortrug, auch der in Figur 4 mit 2.2 bezeichnete Bereich zwischen zwei Bügeln 2.1 angesehen werden, da dieser Bereich jedenfalls diese beiden Bügel 2.1 miteinander verbindet. Der S-förmige Bereich zwischen 2.1 und 2.2, welcher zweifelsohne federelastisch ausgestaltet ist (vgl. Anspruch 2 von D17) kann daher auch, entgegen der Ansicht der Beschwerdegegnerinnen, eindeutig als federelastische Struktur, mittels der die Bügel 2.1 mit dem Verbindungsbereich 2.2 gekoppelt sind, angesehen werden.

3.6 Schließlich ist unter den Partien streitig, ob die insbesondere in Figur 4 D17 gezeigte Struktur zwischen einem Bügel 2.1 und dem Bereich 2.2 als "mäanderartig ausgebildet" im Sinne von Anspruch 1 angesehen werden kann.

Nach Ansicht der Beschwerdegegnerinnen sei dies nicht der Fall, da dieses Merkmal im Einklang mit dem allgemeinen Verständnis des Begriffs "Mäander" im Sinne von D14, D19 und D20 eine omegaartige Form erfordere, diese in D17 jedoch nur durch die an beiden Seiten des Bereichs 2.2 angeordneten federelastischen Strukturen erfüllt sei, nicht jedoch nur durch eine, wie dies im Streitpatent der Fall sei. Dies sei auch von der Einspruchsabteilung so gesehen worden.

Die Kammer kann sich dieser Ansicht nicht anschließen. Das allgemeine Verständnis der Bedeutung von "Mäander" ist zum einen nicht so eng, dass es zumindest ein omegaförmiges Gebilde umfassen müsse. Eine solche Auslegung ergibt sich aus keinem der Dokumente D14, D19 und D20. Zwar wird in D14 und D20 ein Bild mit einer Abfolge von omegaartigen Gebilden gezeigt, im Text von D14 ist jedoch von "eine[r] Folge von starken, die Richtung wechselnden Fluss- oder Bachwindungen" oder von "kurvenreich, vielgewunden, verschlungen, wellenförmig" die Rede und in D20 wird von einer "Flussschlinge in einer Abfolge von solchen" gesprochen. Schließlich heißt es in D19, dass es sich bei einem Mäander um "eine der Windungen, Schleifen, die in dichter Aufeinanderfolge den Verlauf des Fluss-, Bachbettes bestimmen" handele. Im Übrigen teilt die Kammer auch nicht die Ansicht der Beschwerdegegnerinnen, wonach bereits eine der beiden in Figur 6 des Streitpatents gezeigten federelastischen Strukturen 34 omegaförmig sei. Der Bereich zwischen dem Bügel 19 und dem Verbindungsbereich 20 in Figur 6 weist allenfalls eine U-Form, nicht aber die genannte Omegaform auf. Hingegen handelt es sich bei der federelastischen Struktur zwischen 2.1 und 2.2 in Figur 4 der D17 um eine S-Form, welche als eine Abfolge von zwei Gebilden in Form einer "Flussschleife" bzw. "Flussschlinge" bzw. als "Folge von starken, die Richtung wechselnden Flusswindungen" angesehen werden kann. Somit ist die federelastische Struktur von D17 im Sinne von Anspruch 1 des Hauptantrags "mäanderartig ausgebildet". Insofern kann sich die Kammer auch nicht der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung anschließen, wonach eine S-förmige Linie nicht als "mäanderförmig" angesehen werden könne (Seite 9, letzter Absatz).

3.7 Da alle in Streit stehenden Merkmale und auch die übrigen Merkmale von Anspruch 1 in D17 offenbart sind, ist das Erfordernis der Neuheit nach Artikel 54(1),(2) EPÜ nicht erfüllt und der Hauptantrag nicht gewährbar.

4. Hilfsantrag ("Hilfsantrag 3") - Zulässigkeit

4.1 Dieser Antrag wurde erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Seine Zulassung zum Verfahren stand daher im Ermessen der Kammer (Artikel 13(1),(3) VOBK).

4.2 Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann im zweiseitigen Verfahren ein nach der Anberaumung der mündlichen Verhandlung vorgelegter Antrag angenommen werden, u.a. insbesondere wenn es hinreichende Gründe gibt, diesen Antrag so spät zu stellen (z.B. die Entwicklung der Diskussion und des Verfahrens), und es unmittelbar (prima facie) ersichtlich ist, dass die Änderungen den erhobenen Einwand ausräumen (vgl. T 1634/09, Gründe 3.2). Darüber hinaus werden Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist (Artikel 13(3) VOBK).

4.2.1 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerinnen sei die Einreichung dieses Antrags gerechtfertigt durch die Tatsache, dass die Kammer das Dokument D17 erst in der mündlichen Verhandlung zum Verfahren zugelassen habe.

Dieser Ansicht kann sich die Kammer nicht anschließen.

Zwar hat die Beschwerdeführerin das Dokument D17 erst mit der Beschwerdebegründung eingereicht (vgl. Punkt 2 supra). Die Beschwerdegegnerinnen hätten somit jedoch bereits in ihrer Beschwerdeerwiderung Gelegenheit gehabt - und hatten auch Veranlassung hierzu -, hierauf zu reagieren und einen entsprechenden (Hilfs-)Antrag einzureichen. Stattdessen haben sie sich in ihrer Beschwerdeerwiderung darauf beschränkt, der Zulassung dieses Dokuments entgegenzutreten (Abschnitt C.3 der Beschwerdeerwiderung) und darzulegen, dass der (vom vorliegenden Hilfsantrag verschiedene) Hilfsantrag 2 aus dem erstinstanzlichen Verfahren eingereicht worden sei, um "Lücken, Diskrepanzen, Unvereinbarkeiten usw." auszuräumen (Abschnitt L der Beschwerdeerwiderung), wobei dieser Hilfsantrag 2 eine deutlichere Abgrenzung gegenüber einem anderen Stand der Technik zum Zweck hatte (vgl. sog. "3-Punkte Problem" bzw. "2-Punkte Problem"; vgl. insbesondere Abschnitte H.1 und L.7-8 der Beschwerdeerwiderung).

Darüber hinaus hat die Kammer in ihrer vorläufigen Stellungnahme in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK den Parteien mitgeteilt, dass sie beabsichtige, das Dokument D17 zum Verfahren zuzulassen (Punkt 3.4, letzter Absatz). Auch auf diese Mitteilung haben die Beschwerdegegnerinnen nicht mit der Einreichung eines neuen (Hilfs-)Antrags in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung reagiert.

Die Beschwerdegegnerinnen machen in diesem Zusammenhang geltend, dass die Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK eine Passage enthalte, die ihre Vertreter so verstanden hätten, dass neuen Anträge nicht im Vorfeld der mündlichen Verhandlung sondern erst im Rahmen dieser gestellt werden sollten.

Die Mitteilung enthält in der Tat folgende Passage:

"Die Mitteilung ist nicht als Einladung an die Parteien zu verstehen, weitere Eingaben zu machen. Vielmehr soll sie als Hilfestellung zur Vorbereitung der anberaumten mündlichen Verhandlung dienen."

Ein objektiver Dritter versteht diese Passage jedoch weder dahingehend, dass neue Eingaben erst in der mündlichen Verhandlung zu machen seien, noch dahingehend, dass neue Anträge, welche in der mündlichen Verhandlung gestellt werden, jedenfalls zuzulassen wären. Dass die Vertreter der Beschwerdegegnerinnen den subjektiven Eindruck gewonnen haben, dass sie zwar von Eingaben im schriftlichen Verfahren absehen sollten, sie jedoch in der mündlichen Verhandlung den vorliegenden Hilfsantrag stellen könnten bzw. dieser von der Kammer jedenfalls zugelassen würde, kann die Verspätung dieses Antrags jedoch nicht rechtfertigen.

Es lagen daher keine hinreichenden Gründe vor, den Antrag, welche Merkmale aus der Beschreibung enthält (s.u.), erst in der mündlichen Verhandlung zu stellen. Der Hilfsantrag war daher bereits aus diesem Grunde nicht zum Verfahren zuzulassen.

4.2.2 Als Grundlage für die Änderungen in diesem Antrag geben die Beschwerdegegnerinnen Spalte 2, Zeilen 25ff in Absatz [0007] bzw. Spalte 4, Zeilen 51ff des Streitpatents an. Diese Passagen haben ihre Entsprechung auf Seite 2, Zeilen 28ff und Seite 5, Zeilen 5ff der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen. Die Änderungen finden daher ihre Grundlage in der Beschreibung und sind insbesondere nicht lediglich auf eine Kombination von bereits vorgelegten Ansprüchen gerichtet.

Der Aspekt der gleichzeitigen Verbindbarkeit aller Zellverbinder (vgl. das hinzugefügte funktionelle Merkmal "so dass alle an der Montageplatte befestigten Zellverbinder...") war zwar kursorisch in der Beschwerdeerwiderung erwähnt worden (s. Abschnitt C.3.2.2), im letzten Schriftsatz vom 6. November 2017 der Beschwerdegegnerinnen wird auf diesen Aspekt jedoch nicht eingegangen. Die Beschwerdeführerin musste daher nicht damit rechnen, dass entsprechende Merkmale aus der Beschreibung in den unabhängigen Anspruch aufgenommen würden. Insofern ist es für die Kammer nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin, wie sie vorträgt, von dieser Änderung überrascht war. Die Zulassung dieser Änderung wäre somit insoweit der Beschwerdeführerin ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten gewesen (Artikel 13(3) VOBK).

Die Kammer kann in diesem Zusammenhang auch nicht der Ansicht der Beschwerdegegnerinnen beitreten, wonach es sich bei der Änderung lediglich um eine "Klarstellung" handele. Zwar ist im erteilten Anspruch 4 davon die Rede, dass der Zellverbinder im Verbindungsbereich auf der Montageplatte "gehaltert" ist, sodass der Ausdruck "festgelegt" im vorliegenden Anspruch allenfalls als eine solche "Klarstellung" angesehen werden könnte. Allerdings kann das erwähnte funktionelle Merkmal der gleichzeitigen Verbindbarkeit nicht lediglich als eine solche Klarstellung gewertet werden, da es nicht nur auf den eingebauten Zustand der Zellverbinder sondern auch auf den Zustand während der Montage abstellt, was insoweit nicht nur eine "Klarstellung" sondern eine auf eine Einschränkung gegenüber dem Stand der Technik gerichtete Änderung darstellt.

4.2.3 Es kann daher dahinstehen, ob die Änderungen prima facie gewährbar sind bzw. ob es unmittelbar erkennbar ist, dass die Änderungen den erhobenen Einwand der mangelnden Neuheit ausräumen.

4.3 Aus den genannten Gründen ließ die Kammer den Hilfsantrag der Beschwerdegegnerinnen nicht zum Verfahren zu.

5. Antrag auf Vorlage einer Rechtsfrage

5.1 Die Beschwerdegegnerinnen beantragen, die Große Beschwerdekammer mit einer Rechtsfrage zu befassen (s. Punkt VII. supra).

5.2 Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, befasst die Beschwerdekammer von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer, wenn sie hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält (Artikel 112(1)a) EPÜ).

5.3 Im vorliegenden Fall machen die Beschwerdegegnerinnen nicht geltend, dass die Vorlage zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung notwendig sei. Eine solche Notwendigkeit ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, insbesondere da die Parteien keine Entscheidungen der Beschwerkammern zitiert haben, welche hinsichtlich der vorzulegenden Frage als uneinheitliche Rechtsanwendung durch die Beschwerkammern angesehen werden könnte (vgl. die Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage, im Folgenden "Rechtsprechung", IV.F.2.3.6).

5.4 Es handelt sich auch nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Eine solche grundsätzliche Bedeutung käme der vorzulegenden Frage dann zu, wenn sie für eine große bzw. beträchtliche Anzahl vergleichbarer Fälle relevant und daher nicht nur für die an diesem konkreten Beschwerdeverfahren Beteiligten von großem Interesse ist (vgl. Rechtsprechung, supra, IV.F.2.3.7). Weder ist eine solche Relevanz für die Kammer im vorliegenden Fall ersichtlich noch wurde eine solche von den Beschwerdegegnerinnen dargelegt. Vielmehr zielt die Frage im Kern auf den konkreten, dem vorliegenden Fall zu Grunde liegende Sachverhalt ab.

5.5 Abschließend sei bemerkt, dass die vorzulegende Frage im Wesentlichen darauf abzielt, die Verfahrensführung der Kammer im gegenständlichen Verfahren - insbesondere hinsichtlich der Zulassung von Dokument D17 und der Nichtzulassung des Hilfsantrags der Beschwerdegegnerinnen - durch die Große Beschwerdekammer überprüfen zu lassen. Eine solche, wenn auch begrenzte, Überprüfung ist jedoch dem gesonderten Verfahren nach Artikel 112a EPÜ (Antrag auf Überprüfung durch die Große Beschwerdekammer) vorbehalten. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Beschwerdegegnerinnen in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausdrücklich bestätigt haben, dass der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer keine Rüge im Sinne von Regel 106 EPÜ darstelle.

5.6 Aus den genannten Gründen befasst die Kammer die Große Beschwerdekammer nicht mit dieser Frage.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

- Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

- Das Patent wird widerrufen.

- Der Antrag auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer wird

zurückgewiesen.

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