T 0399/16 (Warmwalzstich/HYDRO ALUMINIUM) of 29.7.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T039916.20190729
Datum der Entscheidung: 29 Juli 2019
Aktenzeichen: T 0399/16
Anmeldenummer: 09164221.5
IPC-Klasse: C22F 1/05
C22C 21/02
C22C 21/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: AlMgSi-Band für Anwendungen mit hohen Umformungsanforderungen
Name des Anmelders: Hydro Aluminium Deutschland GmbH
Name des Einsprechenden: Novelis Inc.
Kammer: 3.3.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 84
European Patent Convention Art 100(a)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 15(1)
Schlagwörter: Spät eingereichte Beweismittel - eingereicht mit der Beschwerdebegründung
Spät eingereichtes Dokument - zugelassen (ja)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Neuheit - Hilfsantrag III (ja)
Spät eingereichter Hilfsantrag I - Antrag eindeutig gewährbar (nein) - zugelassen (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag II (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag III (ja)
Ausreichende Offenbarung - Hilfsantrag III (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0724/08
T 0378/11
T 2191/16
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin 1) und der Einsprechenden (Beschwerdeführerin 2) richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, in der festgestellt wurde, dass das Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vom 30. Oktober 2015 eingereichten Hilfsantrags I den Erfordernissen des EPÜ genüge.

II. In der angefochtenen Entscheidung wurden u.a. folgende Dokumente zitiert:

D1: JP H05-306440 A

D1a: Englische Übersetzung von D1

D2: US 4 808 247 A

D4: WO 96/07768 A1

D6: EP 0 761 837 A1

D7: WO 2013/037919 A1

D9: US 2004/250928 A1

D10: DIN EN ISO 6892-1:2009-12

D11: DIN 50 145

D12: "Tensile test for Metallic Materials, Shimadzu"

D13: US 2004/011438 A1

D14: DIN 50125 Berichtigung 1

D16: D.G. Altenpohl: "Aluminium: Technology,

Applications, and Environment: A profile of a

Modern Metal", Seiten 163 - 65, 1998

III. Die Einspruchsabteilung stellte in ihrer Entscheidung fest, dass der Einspruchsgrund nach Artikel 100b) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegenstehe, der Gegenstand von Anspruch 1 in seiner erteilten Fassung neu sei insbesondere gegenüber D1/D1a und D6, derjenige von Anspruch 6 neu sei gegenüber D1, D2 und D4, derjenige von Anspruch 1 jedoch nicht das Erfordernis nach Artikel 56 EPÜ ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik erfülle. Hinsichtlich des unabhängigen Produktanspruchs 6 habe die Einsprechende keinen Einwand hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit erhoben. Der der Entscheidung zugrunde liegende Hilfsantrag I erfülle die Erfordernisse des EPÜ, insbesondere da der Gegenstand von Anspruch 1 neu und erfinderisch sei. Die Dokumente D7, D13 und D16 wurden nicht zum Verfahren zugelassen.

IV. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin 1 einen Hilfsantrag I ein.

V. Die Beschwerdeführerin 2 reichte mit ihrer Beschwerdebegründung u.a. folgendes Dokument ein:

D20: US 3 392 062 A.

VI. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung reichte die Beschwerdeführerin 1 einen Hilfsantrag II ein.

VII. Es erging eine Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15(1) VOBK enthaltend ihre vorläufige Meinung, wonach u.a. Hilfsantrag I nicht das Erfordernis der Klarheit erfülle und der Gegenstand von Anspruch 1 von Hilfsantrag II nicht erfinderisch sei im Lichte von D20.

VIII. Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2019 reichte die Beschwerdeführerin 1 einen geänderten Hilfsantrag I ein.

IX. Die Beschwerdeführerin 2 reichte noch folgende Dokumente ein:

D21: Rolling Aluminium: From the Mine Through the

Mill, The Aluminium Association, 3. Auflage,

Dezember 2007

D21a: Rolling Aluminium: From the Mine Through the

Mill, The Aluminium Association, 3. Auflage,

Dezember 2007, Kapitel 5, Seiten 5.1 und 5.2.

X. Anspruch 1 in seiner erteilen Fassung (Hauptantrag der Beschwerdeführerin 1) hat folgenden Wortlaut:

"1. Verfahren zur Herstellung eines Bands aus einer AlMgSi-Legierung, bei welchem ein Walzbarren aus einer AlMgSi-Legierung gegossen wird, der Walzbarren einer Homogenisierung unterzogen wird, der auf Warmwalztemperatur gebrachte Walzbarren warmgewalzt wird und anschließend optional auf Enddicke kaltgewalzt, dadurch gekennzeichnet, dass das Warmband unmittelbar nach dem Auslauf aus dem letzten Warmwalzstich eine Temperatur von maximal 130 °C, vorzugsweise eine Temperatur von maximal 100 °C aufweist und das Warmband mit dieser oder einer geringeren Temperatur aufgewickelt wird."

XI. Anspruch 1 gemäß geändertem Hilfsantrag I entspricht Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und umfasst noch folgende Merkmale:

"wobei der Abkühlvorgang von einer Warmbandtemperatur zwischen 230 **(o)C und 550 **(o)C auf maximal 130 **(o)C am Auslauf des letzten Warmwalzstichs innerhalb der letzten beiden Warmwalzstiche erfolgt, wobei die Abkühlung des Warmbandes auf 130 **(o)C und weniger innerhalb von Sekunden, maximal innerhalb von 5 Minuten erfolgt."

XII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II entspricht Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und umfasst noch folgende Merkmale:

"und die Warmwalztemperatur des Warmbandes vor dem Abkühlprozess während des Warmwalzens vor dem vorletzten Warmwalzstich mindestens 230 **(o)C, vorzugsweise über 400 **(o)C liegt."

XIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III (Hilfsantrag I im Verfahren vor der Einspruchsabteilung) entspricht Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und umfasst noch folgende Merkmale:

"wobei das Warmband unter Verwendung von mindestens einem Platinenkühler und der emulsionsbeaufschlagten Warmwalzstiche selbst auf die Auslauftemperatur abgeschreckt wird."

Anspruch 5 gemäß Hilfsantrag III lautet wie folgt:

"5. Aluminiumband bestehend aus einer AlMgSi-Legierung mit (sic), insbesondere hergestellt mit einem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass das Aluminiumband im Zustand T4 eine Bruchdehnung A80 von mindestens 30 % bei einer Dehngrenze von Rp0,2 von 80 bis 140 MPa aufweist."

Die Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 9 beschreiben bevorzugte Ausführungsformen der Ansprüche 1 und 5, während Anspruch 10 sich auf die Verwendung des Blechs gemäß der Ansprüche 5 bis 9 bezieht.

XIV. Die Beschwerdeführerin 1 trug im Wesentlichen wie folgt vor:

D20 sei nicht zum Verfahren zuzulassen. Zwar offenbare es den Schritt des Aufwickelns, der aus D1/D1a nicht hervorgehe. D20 offenbare jedoch, ebenso wie D1/D1a, nicht das Merkmal der Auslauftemperatur und sei daher prima facie nicht relevant. Das letztgenannte Merkmal sei ohne Rückgriff auf die Beschreibung des Patents auszulegen. Das in Streit stehende Merkmal schließe aus, dass die genannte Maximaltemperatur erst durch einen aktiven, dem Warmwalzstich nachgeschalteten Kühlschritt erhalten werde. Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sei daher neu gegenüber D20. Hilfsantrag I sei als Reaktion auf die in der Mitteilung der Kammer nach Artikel 15(1) VOBK erhobenen Einwände zu werten. Dieser sei eingereicht worden mit dem Ziel, die in dieser Mitteilung erhobenen Einwände unter Artikel 84 EPÜ auszuräumen. Der Gegenstand von Anspruch 1 von Hilfsantrag II sei aus denselben Gründen neu und erfinderisch wie derjenige des Hauptrangs. Ebenso erfülle der Hauptantrag III die Erfordernisse des EPÜ.

XV. Die Beschwerdeführerin 2 trug im Wesentlichen wie folgt vor:

D7, D13 und D16 seien zu Unrecht von der Einspruchsabteilung nicht zum Verfahren zugelassen worden. D20 sei prima facie relevant. Anspruch 1 des Hauptantrags schließe einen aktiven, sich direkt an den letzten Warmwalzstich anschließenden Kühlschritt nicht aus. D20 sei daher neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags. Die Hilfsanträge I und II seien nicht zum Verfahren zuzulassen. Hilfsantrag I verstoße insbesondere gegen das Erfordernis der Klarheit. Der Gegenstand des Hilfsantrags II sei nicht neu bzw. erfülle nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit. Hilfsantrag III sei nicht gewährbar, da weder das Erfordernis nach Artikel 83 EPÜ noch jene der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit erfüllt seien.

XVI. Anträge

Die Beschwerdeführerin 1 (Patentinhaberin) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in erteiltem Umfang aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des mit Schreiben vom 1. Juli 2019 eingereichten Hilfsantrags I oder des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags II aufrechtzuerhalten. Weiterhin beantragte sie als Hilfsantrag III die Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 zurückzuweisen.

Die Beschwerdeführerin 2 (Einsprechende) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Entscheidungsgründe

1. (Nicht-)Zulassung von Dokumenten

1.1 D13 und D16

D13 und D16 wurden von der Einspruchsabteilung wegen mangelnder Relevanz nicht zum Verfahren zugelassen. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die Einspruchsabteilung ihr diesbezügliches Ermessen fehlerhaft ausgeübt hätte. Solche Gründe wurden auch nicht geltend gemacht.

Diese Dokumente bleiben daher in der vorliegenden Entscheidung unberücksichtigt.

1.2 D20

1.2.1 D20 wurde mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 2 eingereicht. Die Beschwerdeführerin 1 trat der Zulassung dieses Dokuments unter Artikel 12(4) VOBK entgegen. Während sie nicht bestreitet, dass dieses Dokument, im Gegensatz zu D1/D1a, noch das anspruchsgemäße Aufwickeln nach dem Abschrecken offenbart, vertritt sie die Ansicht, dass in D20, ebenso wie in D1/D1a, die Temperatur am Auslauf des letzten Warmwalzstichs nicht bei 130 **(o)C oder darunter liege.

1.2.2 Da es außer Streit steht, dass D20 im Vergleich zu D1/D1a das genannte Merkmal offenbart und dieses Merkmal in der angefochtenen Entscheidung (siehe Seite 6, 4. Absatz) als die Neuheit des Gegenstands von Anspruch 1 in seiner erteilten Fassung gegenüber D1/D1a herstellend angesehen wurde, erachtet die Kammer dieses Dokument als für den Ausgang des Verfahrens prima facie relevant (vgl. T 724/08, Gründe 3.4, zitiert in T 2191/16, Gründe 2.4). Zudem wurde es bereits mit der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 2 eingereicht.

1.2.3 Aus den genannten Gründen ließ die Kammer D20 zum Verfahren zu.

2. Hauptantrag - Neuheit

2.1 Unter den Parteien ist allein streitig, ob D20 das Merkmal von Anspruch 1 offenbart, wonach "das Warmband unmittelbar nach dem Auslauf aus dem letzten Warmwalzstich eine Temperatur von maximal 130 **(o)C aufweist".

2.2 Die Beschwerdeführerin 1 vertritt die Ansicht, dieses Merkmal sei so auszulegen, das eine Temperatur von maximal 130 **(o)C am Auslauf des Warmwalzstichs vorliegen müsse und der Wortlaut von Anspruch 1 nicht so gelesen werden könne, dass am Auslauf des Warmwalzstiches eine darüber liegende Temperatur herrschen könne und die genannte Maximaltemperatur erst durch einen aktiven, dem Warmwalzstich nachgeschalteten Kühlschritt erreicht werden könne. Da der Wortlaut von Anspruch 1 eindeutig sei, bestehe keine Veranlassung die Beschreibung zur Interpretation der Ansprüche heranzuziehen. Zwar werde nicht bestritten, dass der Fachmann unter "warmwalzen" grundsätzlich einen Verfahrensschritt bei Temperaturen von "230 **(o)C" und darüber verstehe, wie dies auch in Absatz [0008] des Patents angegeben sei. Allerdings sei das in Streit stehende Merkmal so zu verstehen, dass durch den letzten Warmwalzstich eine Abkühlung erfolgt und der letzte Warmwalzstich in gewisser Weise einen "kalten" Warmwalzstich darstelle.

2.3 Der Vortrag der Beschwerdeführerin 1 überzeugt nur insofern, als dass sich bereits aus dem Wortlaut - auch ohne Rückgriff auf die Beschreibung - eine eindeutige Auslegung des in Streit stehenden Merkmals ergibt. So ist als "Warmwalzstich" grundsätzlich ein Verfahrensschritt des Warmwalzens, d.h. des Walzens bei Temperaturen, welche unstreitig bei 230**(o)C und darüber liegen, zu verstehen. Dies bedeutet, dass das Warmband einen Warmwalzstich grundsätzlich bei Temperaturen von 230**(o)C und mehr, d.h. deutlich über 130**(o)C verlässt. Wird nun angegeben, wie dies in Anspruch 1 gefordert wird, dass die Temperatur des Warmbandes "unmittelbar nach dem Auslauf aus dem letzten Warmwalzstich" maximal 130**(o)C beträgt, d.h. eine Temperatur aufweist, die deutlich unter der Warmwalztemperatur liegt, kann dieses Merkmal nur bedeuten - oder schließt zumindest nicht aus - dass unmittelbar nach dem letzten Warmwalzstich das Warmband abgeschreckt wird, sodass es die geforderte Maximaltemperatur aufweist. Eine Auslegung dahingehend, dass im letzte Warmwalzstich nicht warmgewalzt werden soll, d.h. gar kein Warmwalzstich vorliegt und dieser vielmehr als "kalter Warmwalzstich" anzusehen ist, lässt sich - zumindest ohne eine entsprechende explizite Angabe - Anspruch 1 nicht entnehmen. Mithin kommt die Kammer zu dem Schluss, dass Anspruch 1 auch solche Verfahren umfasst, bei dem im letzten Warmwalzstich warmgewalzt wird und sich unmittelbar an den Warmwalzstich ein Verfahrenschritt anschließt, der dazu führt, dass die Temperatur des Warmbandes maximal 130**(o)C aufweist.

2.4 Es steht außer Streit, dass in D20 das Warmband nach dem letzten Warmwalzstich auf Temperaturen unterhalb von 130**(o)C abgeschreckt wird (Spalte 3, Zeilen 45 und 46). Mithin offenbart D20 das einzige in Streit stehende Merkmal.

2.5 Da die Kammer zu dieser Schlussfolgerung auch ohne Rückgriff auf die Beschreibung des Patents gelangt und die Beschwerdeführerin 1 vorträgt, dass die Beschreibung bei der Auslegung unberücksichtigt zu bleiben habe, erübrigen sich entsprechende Ausführungen hinsichtlich des Vortrags der Beschwerdeführerin 1 zur Beschreibung.

2.6 Aus den angegebenen Gründen ist der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu. Der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit steht daher der Aufrechterhaltung des Patents in seiner erteilten Form entgegen (Artikel 100(a) i.V.m. 54(1),(2) EPÜ).

3. Hilfsantrag I - Zulassung

3.1 Dieser Antrag wurde nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereicht. Seine Zulassung zum Verfahren stand daher im Ermessen der Kammer (Artikel 13(1),(3) VOBK). Ein Antrag, der nicht eindeutig gewährbar ist, wird in diesem späten Verfahrensstadium regelmäßig nicht zum Verfahren zugelassen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage, V.A.4.4.2a)).

3.2 In den Änderungen in Anspruch 1 wird auf einen bestimmten ("der") Abkühlvorgang Bezug genommen, der zuvor nicht erwähnt wird, und in der Folge wird der Ausdruck "die Abkühlung" verwendet. Es ist daher zumindest nicht unmittelbar und eindeutig ersichtlich, ob sich diese Ausdrücke auf denselben Verfahrensschritt beziehen. Es ist auch nicht klar, ob der Ausdruck "unmittelbar nach dem Auslauf" (vgl. Diskussion zum Hauptantrag oben) sich auf dieselbe Position bezieht wie "am Auslauf" im nunmehr hinzugefügten Merkmal. Es ergibt sich somit, dass Anspruch 1 nicht eindeutig das Erfordernis der Klarheit nach Artikel 84 EPÜ erfüllt.

3.3 Auch kann die Einreichung von Hilfsantrag I nicht als durch die in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK vertretenen, vorläufigen Auffassung gerechtfertigt werden, da die Kammer dort bereits gerügt hatte, dass im in diesem Zeitpunkt anhängigen Hilfsantrag I auf "der Abkühlvorgang" abgestellt wurde, wohingegen kein solcher Abkühlvorgang zuvor in Anspruch 1 erwähnt worden war. Mithin sind die vorgenommenen Änderungen nicht eindeutig geeignet, den bereits in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK erhobenen Einwand auszuräumen.

3.4 Aus den genannten Gründen ließ die Kammer Hilfsantrag I nicht zum Verfahren zu.

4. Hilfsantrag II

4.1 In der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK äußerte die Kammer ihre vorläufige Meinung, wonach der Gegenstand von Anspruch 1 dieses Antrags nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit erfülle (Punkt 7.2 der Mitteilung), da sich der Gegenstand von Anspruch 1 von D20 lediglich durch eine Mindestanzahl von drei Warmwalzstichen unterscheide, dieses Merkmal jedoch im Rahmen des normalen Handelns des Fachmanns liege und damit der Gegenstand von Anspruch 1 nahe gelegen habe.

4.2 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer verwies die Beschwerdeführerin 1 diesbezüglich ausschließlich auf ihren schriftsätzlichen Vortrag. Die Beschwerdeführerin 1 hat schriftsätzlich nur vorgetragen, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 von Hilfsantrag II aus denselben Gründen von D20 unterscheide wie der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags.

4.3 Aus den genannten Gründen sieht die Kammer keine Veranlassung von der in der genannten Mitteilung geäußerten Auffassung abzuweichen. Sie kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand von Anspruch 1 von Hilfsantrag II nicht das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ erfüllt.

4.4 Die Einwände der Beschwerdeführerin 2 hinsichtlich Zulassung dieses Antrags und Neuheit können daher dahinstehen.

5. Hilfsantrag III - ausreichende Offenbarung

5.1 Die Beschwerdeführerin 2 trägt im Kern vor, dass das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung nicht erfüllt sei, da zum einen der Fachmann nicht wisse, was unter dem Parameter "Bruchdehnung A80" in Anspruch 5 zu verstehen sei und zum anderen, selbst bei Kenntnis dieses Parameters, der Fachmann nicht wisse, wie dieser zu messen sei.

5.2 Dokument D10 ("Anhang NA" eingereicht am 20. Oktober 2014 als Dokument "A1") stammt aus dem Jahre 2009. Das Streitpatent trägt als Anmeldetag den 30. Juni 2009. Es kann gegenwärtig dahinstehen, ob D10 vor dem Anmeldetag öffentlich zugänglich war, da D10 wenigstens belegt, dass die Bezeichnung "AL=80" bereits 1981 als Bruchdehnung bei einer Messlänge von 80 mm bekannt war. Dies ergibt sich insbesondere aus der auf Seite 6 von D10 angegebenen "Tabelle NA.1", letzte Reihe. Es war daher für den Fachmann am Anmeldetag unmittelbar und eindeutig erkennbar, dass es sich bei dem in Streit stehenden Parameter um die Bruchdehnung bei einer Messlänge von 80 mm handelt. Dass eine nähere Definition im Streitpatent nicht angegeben ist, spricht im vorliegenden Fall sogar dafür, dass die in Streit stehende Bezeichnung für den Fachmann im Anmeldetag geläufig und üblich war. Dem stehen auch nicht die von der Beschwerdeführerin 2 behaupteten Unterschiede zwischen den drei in D10, D11 und D14 offenbarten DIN-Normen entgegen.

5.3 Was die anzuwendende Messmethode angeht bzw. die Frage, ob bestimmt werden kann, ob ein Aluminiumband unter Anspruch 5 fällt oder nicht, so betrifft dies vielmehr die Klarheit des Anspruchs als die ausreichende Offenbarung (siehe z.B. T 378/11, Gründe 5.5).

5.4 Hinsichtlich D7 verweist die Beschwerdeführerin 2 auf Werte im Bereich von 29.0 bis 30.4, um nachzuweisen, dass unterschiedliche Messmethoden zu unterschiedlichen Ergebnissen des in Streit stehenden Merkmals führten.

Die geringe Bandbreite dieser Werte ist vielmehr Nachweis für die ausreichende Klarheit des Ausdrucks "A80" auch ohne Angabe der Walzrichtung, selbst wenn dieses Erfordernis zu prüfen wäre. Es kann daher dahinstehen, ob die Einspruchsabteilung D7 zu Recht nicht zum Verfahren zugelassen hat, da auch unter Berücksichtigung dieses Dokuments die ausreichende Offenbarung gegeben ist.

5.5 Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin 2 keine Beweismittel eingereicht, die dazu geeignet wären, ernsthafte Zweifel an der Ausführbarkeit der Erfindung aufkommen zu lassen.

5.6 Das Erfordernis nach Artikel 83 EPÜ ist daher erfüllt.

6. Hilfsantrag III - Neuheit

6.1 Die Beschwerdeführerin 2 macht hinsichtlich des Gegenstands von Anspruch 1 einen Neuheitseinwand basierend auf D1/D1a, D6, D13 und D20 geltend.

6.1.1 Die von ihr zitierten Stellen (Absätze [0005] bis [0007]) von D1a offenbaren weder das Merkmal des Platinenkühlers, noch jenes der emulsionsbeaufschlagten Warmwalzstiche. Der Vortrag der Beschwerdeführerin 2 dürfte dabei darauf abzielen zu zeigen, dass diese Merkmale übliche Maßnahmen im Bereich des Warmwalzens seien. Ein solcher Vortrag reicht jedoch nicht aus, eine implizite Offenbarung in D1/D1a nachzuweisen.

6.1.2 Entsprechende Erwägungen ergeben sich für D6. Auch die Beschwerdeführerin 2 räumt ein, dass D6 die genannten Merkmale nicht explizit offenbart. Dass eine Emulsionsbeaufschlagung und ein Platinenkühler notwendigerweise in D6 angewandt wurden, ergibt sich aus der behaupteten Üblichkeit dieser Kühlmaßnahmen nicht.

6.1.3 Der Offenbarungsgehalt von D13 ist hier nicht näher zu erörtern, da dieses Dokument in dieser Entscheidung nicht zu berücksichtigen ist (s.o. Punkt 3.3).

6.1.4 Auch D20 offenbart die genannten Merkmale nicht. Eine Offenbarung in D20 bzgl. Abschreckens mittels Wasser, wie von der Beschwerdeführerin 2 vorgetragen, ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend, um eine implizite Offenbarung der in Streit stehenden Merkmale, nämlich das Abschrecken mittels eines Platinenkühlers nachzuweisen. Der Fachmann versteht dabei unter dem Begriff Platinenkühler eine Anordnung von Kühl- bzw. Schmiermitteldüsen, welche eine Walzemulsion auf das Aluminiumband sprühen (vgl. Absatz [0010] des Patents).

D20 offenbart außerdem nicht, dass beim Abschrecken emulsionsbeaufschlagte Wärmestiche verwendet werden.

6.1.5 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist daher neu.

6.2 Die Beschwerdeführerin 2 vertritt die Ansicht, dass jedes der Dokumente D1/D1a, D2 und D4 neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 5 sei.

6.2.1 Sie ist der Ansicht, die in D1a, Tabelle 3, für die Legierungen Nr. 2 und 5 offenbarten Dehnungswerte von 30,1 bzw. 31,2 % nähmen das anspruchsgemäße Merkmal "Bruchdehnung A80 von mindestens 30% vorweg". Zwar ist im Anspruch keine Messmethode angegeben, welche anzuwenden sei, so dass es der Beschwerdeführerin 2 beim Nachweis der Offenbarung der beanspruchten Bruchdehnung grundsätzlich freisteht, die entsprechende Methode zu wählen. Eine "Bruchdehnung A80" setzt für den Fachmann jedoch voraus, dass eine Messlänge von 80 mm zum Einsatz kommt (vgl. 5.2 oben).

Diese ist jedoch in D1a nicht angegeben. Vielmehr ergibt sich aus dem Vortrag der Beschwerdeführerin 1 mit Verweis auf D12, dass in D1a die Bruchdehnung bei einer Messlänge von 50 mm ermittelt wurde. Zudem dürften nach dem überzeugenden Vortrag der Beschwerdeführerin 1 die Werte für eine Bruchdehnung bei einer Messlänge von 50 mm grundsätzlich unter den bei einer Messlänge von 80 mm ermittelten liegen.

Es ergibt sich somit, dass D1/D1a nicht das wie in Anspruch 5 geforderte Merkmal der Bruchdehnung A80 offenbart.

6.2.2 Entsprechende Erwägungen ergeben sich für D2 und D4. Die Beschwerdeführerin 2 macht dabei geltend, dass durch die behauptete unklare Definition des Merkmals "Bruchdehnung A80" unter diesen Ausdruck jegliche Bruchdehnung falle.

Wie oben ausgeführt erfordert dieses Merkmal jedoch, dass die Bruchdehnung bei einer Messlänge von 80 mm ermittelt wurde. Die Beschwerdeführerin 2 hat jedoch keinen Nachweis erbracht, wonach die in D2 und D4 offenbarten Bruchdehnungswerte bei der genannten Messlänge ermittelt worden wären.

6.2.3 Folglich offenbart keines der Dokumente D1/D1a, D2 und D4 das in Streit stehende Merkmal.

6.2.4 Im Übrigen ergibt sich aus den oben im Zusammenhang mit der ausreichenden Offenbarung gemachten Ausführungen, dass es sich bei dem Ausdruck "Bruchdehnung A80" nicht um einen unüblichen Parameter handelt, sodass die diesbezügliche Darlegungs- und Beweislast bei der Beschwerdeführerin 2 verbleibt.

6.2.5 Der Gegenstand von Anspruch 5 ist daher neu.

6.3 Das Erfordernis der Neuheit nach Artikel 54(1),(2) EPÜ ist daher erfüllt.

7. Hilfsantrag III - erfinderische Tätigkeit

7.1 Anspruch 1

7.2 Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines Bands aus einer AlMgSi-Legierung.

7.3 Die Beschwerdeführerin 2 geht von D1/D1a oder D20 als nächstliegendem Stand der Technik aus.

Keines dieser Dokumente offenbart das Merkmal, wonach das Warmband unter Verwendung von mindestens einem Platinenkühler und der emulsionsbeaufschlagten Warmwalzstiche selbst auf die Auslauftemperatur abgeschreckt wird (vgl. Punkte 6.1.1 und 6.1.4 oben).

7.4 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin 2 sei die zu lösende Aufgabe die Bereitstellung eines alternativen Verfahrens, auch wenn zweifelhaft sei, dass im Verfahren nach Anspruch 1 immer Ausscheidungen verhindert würden.

Es kann dahinstehen, ob der Gegenstand von Anspruch 1 eine anspruchsvollere Aufgabe als die Bereitstellung eines alternativen Verfahrens löst, da der Gegenstand von Anspruch 1 nicht nahe lag, auch wenn von dieser am wenigsten anspruchsvollen Aufgabe ausgegangen wird (s.u.). Aus denselben Gründen ist auf die von der Beschwerdeführerin 2 vorgetragenen Zweifel hinsichtlich der Verhinderung von Ausscheidungen nicht näher einzugehen.

7.5 Gemäß Anspruch 1 wird vorgeschlagen, diese Aufgabe durch ein Verfahren zur Herstellung eines Bands aus einer AlMgSi-Legierung zu lösen, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass das Warmband unter Verwendung von mindestens einem Platinenkühler und der emulsionsbeaufschlagten Warmwalzstiche selbst auf die Auslauftemperatur abgeschreckt wird.

7.6 Es steht außer Streit, dass das vorgeschlagene Verfahren die genannte Aufgabe löst.

7.7 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin lag die Lösung im Lichte von D2, D6, D9 oder D21/D21a nahe. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Dokumente D13 und D16 bleiben aus den in Punkt 1.1 oben genannten Gründen unberücksichtigt. Ebenso ist hier nicht näher auf die Dokumente D2, D6 und D9 einzugehen, da diese von der Beschwerdeführerin 2 lediglich als Nachweis für die Offensichtlichkeit des Aufwickelns angeführt werden. Das Merkmal des Aufwickelns ist aber unstreitig in D20 offenbart. Hinsichtlich der Unterscheidungsmerkmale (siehe Punkt 7.2. oben) ist somit lediglich das Dokument D21/D21a von Bedeutung. Im Übrigen hat die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer bei der Diskussion des Naheliegens lediglich zu D21/D21a vorgetragen.

7.7.1 D21/D21a kann als Nachweis des allgemeinen Fachwissens angesehen werden. Daraus geht unstreitig hervor, dass es üblich war, Warmwalzstiche mittels Emulsionsbeaufschlagung zu kühlen, um die durch Reibung und Kompression erzeugte Wärme abzuführen und so die Temperatur einzustellen (siehe insbesondere Abschnitt 5.2). Aus D21/D21a entnimmt der Fachmann somit zwar, dass emulsionsbeaufschlagte Warmwalzstiche vor dem Anmeldetag des Patents üblich waren. Die in D21/D21a gelehrte Kühlung mittels Emulsionsbeaufschlagung dient jedoch der Aufrechterhaltung der "richtigen" Temperatur, d.h. der Temperatur, die beim Warmwalzen benötigt wird, und dazu, eine Überhitzung zu vermeiden. Aus D21/D21a geht aber nicht hervor, dass eine solche Emulsionsbeaufschlagung dazu eingesetzt wurde, um die Temperatur schlagartig unter die Warmwalztemperatur abzusenken, d.h. das Warmband abzuschrecken. Das anspruchsgemäße Abschrecken lässt sich daher D21/D21a nicht entnehmen. Dies wird im Übrigen seitens der Beschwerdeführerin 2 auch nicht vorgetragen. Der Gegenstand von Anspruch 1 lag daher auch nicht unter Berücksichtigung dieser Dokumente nahe.

7.7.2 Da der Gegenstand von Anspruch 1 auch unter Berücksichtigung von D21/D21a das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit erfüllt, kann auch die Zulässigkeit von D21/D21a, der die Beschwerdeführerin 1 entgegentritt, dahinstehen.

7.8 Der Gegenstand von Anspruch 1 erfüllt somit das Erfordernis nach Artikel 56 EPÜ.

7.9 Anspruch 5

7.9.1 Der Gegenstand dieses Anspruchs wurde seitens der Beschwerdeführerin 2 schriftsätzlich nicht wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit angegriffen. Auch erstinstanzlich war kein diesbezüglicher Einwand erhoben worden (vgl. Punkt III oben). Lediglich bei der mündlichen Verhandlung vor der Kammer trug die Beschwerdeführerin 2 vor, dass dieses Erfordernis für den Gegenstand von Anspruch 5 nicht erfüllt sei. D20 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Es sei nicht glaubhaft, dass die in Anspruch 5 angegebene Bruchdehnung mit der geforderten Dehngrenze über den gesamten beanspruchten Bereich erreicht werde. Der Gegenstand von Anspruch 1 habe daher nahegelegen.

7.9.2 Der Vortrag der Beschwerdeführerin 2 überzeugt nicht. Das Argument, wonach die geforderten Werte für Bruchdehnung bzw. Dehngrenze nicht über den gesamten beanspruchten Bereich erreicht werde, läuft ins Leere, da laut Anspruch 5 nur solche Aluminiumbänder beansprucht werden, die diese geforderten Werte aufweisen. Es werden daher keine Aluminiumbänder beansprucht, die diese Eigenschaften nicht aufweisen.

7.9.3 Die Beschwerdeführerin hat auch keinen Stand der Technik genannt, in dem nicht nur die genannten Eigenschaften als wünschenswert angegeben werden, sondern auch Mittel aufgezeigt werden, ein Aluminiumband mit diesen Eigenschaften zu erhalten.

7.9.4 Der Vortrag der Beschwerdeführerin 2 genügt daher nicht, das Naheliegen des in Anspruch 5 genannten Gegenstands nachzuweisen.

7.9.5 Der Gegenstand von Anspruch 5 ergibt sich somit nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Dies betrifft sinngemäß auch die direkt oder indirekt abhängigen Ansprüche.

7.10 Hilfsantrag III erfüllt daher das Erfordernis nach Artikel 56 EPÜ.

8. Da der Hauptantrag sowie die Hilfsanträge I und II nicht gewährbar bzw. nicht zulässig sind und Hilfsantrag III, welcher mit dem der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegenden Hilfsantrag I identisch ist, gewährbar ist, sind beide Beschwerden zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Beide Beschwerden werden zurückgewiesen.

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