T 2043/16 () of 5.12.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T204316.20191205
Datum der Entscheidung: 05 Dezember 2019
Aktenzeichen: T 2043/16
Anmeldenummer: 08748346.7
IPC-Klasse: B61B 12/00
E05B 47/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Personenbeförderungsanlage mit Verriegelungsüberwachung
Name des Anmelders: CWA CONSTRUCTIONS S.A.
Name des Einsprechenden: POMA
Kammer: 3.2.01
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent Nr. 2 155 527 wurde mit der am 7. Juli 2016 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung in geänderter Form aufrechterhalten. Dagegen wurde von der Einsprechenden form- und fristgerecht gemäß Artikel 108 EPÜ Beschwerde eingelegt.

II. Es fand am 5. Dezember 2019 eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.

III. Der aufrechterhaltene Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Seilbahnanlage mit einer Verriegelungsüberwachung für Türen an den Seilbahnkabinen mit einer an einer Station angeordneten Vorrichtung zur Erfassung des Verriegelungszustandes der Kabinentüren und einer an der Kabine angebrachten Vorrichtung zum Übermitteln des Verriegelungszustandes an die Erfassungsvorrichtung, dadurch gekennzeichnet, dass die Vorrichtung zum Übermitteln des Verriegelungszustandes einen den Zustand des Verriegelungsmechanismus abtastenden Sensor (3) enthält, der mit einer an der Außenseite der Kabine angebrachten Transponderantenne (5) verbunden ist, welche keine Spannungsquelle benötigt, und dass in den Stationen (6) Sendeantennen (7) angeordnet sind, welche eine berührungslose Signalabfrage von den Transponderantennen vornehmen."

IV. Die Beschwerdeführerin führte aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf das Dokument D6 (US 2005/284706 A1) nicht neu sei, da D6 insbesondere auch die Merkmale 1A ("Seilbahnanlage") und 1H ("die Vorrichtung zum Übermitteln des Verriegelungszustandes einen den Zustand des Verriegelungsmechanismus abtastenden Sensor (3) enthält") offenbare. D6 offenbare zwar einen Fahrstuhl, dennoch müsse ein Fahrstuhl nicht unbedingt in einem Schacht betrieben werden und ein Fahrstuhl sei generell, ebenso wie eine Seilbahn, als ein an einem Seil aufgehängtes Transportmittel definiert. Die Richtlinien der EU betreffend die Fahrstühle (95/16/CE) seien im Hinblick auf die Kabinentüren sogar strenger als diejenigen betreffend die Seilbahnen (200/9/CE), und würden eindeutig, entgegen der Meinung der Einspruchsabteilung, sogar die Möglichkeit vorsehen, Fahrstühle nicht nur in einem Schacht anzuordnen. Somit ergebe sich auch aus den europäischen Richtlinien betreffend die Sicherheitsanforderungen kein grundlegender Unterschied zwischen einer Seilbahn und einem Fahrstuhl.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei für den Fachmann für Seilbahnen im Hinblick auf D6 naheliegend. Bei der gestellten Aufgabe (eine Überwachung der Türverriegelung der Kabine einer Seilbahn zu ermöglichen, die von den witterungsbedingten Nachteilen bekannter Lösungen frei ist) werde der Fachmann in naheliegender Weise D6 berücksichtigen und die darin offenbarte technische Lösung zur Türverriegelungsüberwachung auf eine Seilbahnkabine übertragen. Das technische Gebiet der Fahrstühle sei demjenigen der Seilbahnen nahe benachbart und der Fachmann werde D6 sicherlich in Betracht ziehen und die zum gestellten Problem dort vorgeschlagene Lösung unmittelbar auf eine Seilbahnkabine anwenden und damit zum beanspruchten Gegenstand gelangen.

Die naheliegende Kombination von D7 (US-A1-2007/0095244) und D8 (JP-A-2005-335 488 mit englischer Übersetzung) führe auch unmittelbar zum Gegenstand des Anspruchs 1. D7 offenbare eine Seilbahnanlage nach den Merkmalen des Oberbegriffs, und weiter weise D7 auch explizit darauf hin, dass "Sensoren, die zur Überwachung der Position der Betätigungseinrichtung verwendet werden, jeder passenden Art sein können, insbesondere optische, elektromagnetische oder mechanische Sensoren" (siehe D7, [0023]). Der Fachmann erkenne, im Hinblick auf die durch Kälte und Schnee verursachten Probleme, in einer Vorrichtung deren Funktionsweise auf mechanischem Kontakt beruhe, dass die in D8 offenbarte, einen kontaktlosen Betrieb und einen RFID (Radio Frequency Identification Device) aufweisende Vorrichtung, die gestellte Aufgabe löse. Damit gelange der Fachmann ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum beanspruchten Gegenstand.

V. Die Beschwerdegegnerin legte dar, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Hinblick auf das Dokument D6 neu sei. Dies ergebe sich nicht nur daraus, dass die Sicherheitsanforderungen von Gebäudeaufzügen und Seilbahnen nicht miteinander vergleichbar seien, sondern auch daraus dass die Seilbahn eben als "Bahn" bezeichnet werde und damit ein Transportmittel zum Fortbewegen sei, folglich eben nicht (wie der Aufzug gemäss D6) in einem Gebäude, Schacht oder Führungsrahmen betrieben werde.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei im Hinblick auf D6 für den Fachmann nicht naheliegend. Das Dokument D6 stelle nicht den nächstliegenden Stand der Technik dar, offenbare auch nicht ein Mittel zur Fortbewegung und werde vom Fachmann nicht berücksichtigt. D9 (US-A1-2004/0003751) sei in dieser Hinsicht viel relevanter als D6. Falls der Fachmann D6 überhaupt heranzöge, so gelange er auf Grund der technischen Unterschiede zwischen dem in D6 offenbarten Gebäudeaufzug und einer Seilbahn dennoch nicht zum beanspruchten Anspruchsgegenstand.

Die Kombination von D7 und D8 sei für den Fachmann nicht naheliegend und führe jedenfalls nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1. Dies aus dem Grunde, dass D7 keine Verriegelungsüberwachung beschreibe und dass durch den Transponder 17 gemäss D8 keine Übermittlung von Information betreffend eine Verriegelungsüberprüfung stattfinde.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist im Hinblick auf D6 neu (Artikel 54 EPÜ), da der in D6 offenbarte Gebäudeaufzug nicht als Seilbahnanlage (siehe Merkmal 1A) anzusehen ist. Selbst wenn beide eine an einem Seil aufgehängte Kabine umfassen, ist eindeutig z.B. die Art der Aufhängung unterschiedlich, da bei einer Seilbahn auch horizontale Bewegungen stattfinden, während bei einem Gebäudeaufzug nur vertikale Bewegungen stattfinden. Folglich ist das besagte Merkmal 1A aus D6 nicht bekannt und die Neuheit des Anspruchsgegenstands ist damit gegeben, ganz ungeachtet der EU-Richtlinien betreffend die Sicherheitsanforderungen, die für Seilbahnanlagen einerseits und Gebäudeaufzüge andererseits gelten mögen.

3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist für den Fachmann Hinblick auf D6 nicht naheliegend (Artikel 56 EPÜ). Der hier in Rede stehende Fachmann für Seilbahnanlagen, ausgehend von einem allgemeinen Stand der Technik laut Oberbegriff des Anspruchs 1 (siehe Patentschrift (im Folgenden als EP-B bezeichnet), [0003]) würde bei der gestellten objektiven Aufgabe (d.h. eine Türverriegelung zu ermöglichen, die bei ungünstigen Witterungsverhältnisse weniger störungsanfällig ist) das Dokument D6 nicht näher in Betracht ziehen. D6 zeigt eine Verriegelungsüberwachung für Gebäudeaufzüge, die in einem geschlossenen Sicherheitsüberwachungssystem eingesetzt wird, in welchem mögliche Fehlfunktionen durch ständige Überwachung unmittelbar registriert und beseitigt werden, oder in welchem zumindest durch entsprechendes Handeln sehr schnell adäquat reagiert werden kann. Eine ganz andere Situation liegt bei Seilbahnen vor, die auf freiem Gelände und zum Teil sogar auch auf schwer zugänglichem Gelände eingesetzt werden.

Folglich würde der Fachmann nicht ohne Weiteres in naheliegender Weise D6 näher in Betracht ziehen, da sich weder aus D6 selbst, noch aus den anderen zitierten Dokumenten entsprechende Hinweise zur Tauglichkeit und Eignung (hauptsächlich hinsichtlich Zuverlässigkeit und Störanfälligkeit) der Verriegelungsüberwachungsvorrichtung gemäß D6 für den Einsatz in Seilbahnanlagen ergeben. Zudem sind im zitierten Stand der Technik (siehe z.B. D9 (US-A1-2004/0003751, Paragraph [0001]) kontaktlos arbeitende Verriegelungsüberwachungssysteme bereits bekannt, die auch bei Seilbahnen zum Einsatz kommen können. Der Fachmann würde demnach, bei der Suche nach einer Lösung der gestellten Aufgabe, in naheliegender Weise eher auf eine solche z.B. aus D9 bekannte Lösung zurückgreifen.

Der Vollständigkeit halber und zur Vermeidung von Missverständnissen wird noch festgestellt, dass der Fachmann nicht unmittelbar und direkt von D6 ausgehen würde, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen. Bei Anwendung des Aufgabe-Lösung-Ansatzes würde das bedeuten, dass der Fachmann den Gebäudeaufzug gemäß D6 als Ausgangspunkt nehmen würde, um zu einer Seilbahnanlage zu gelangen. Das ist nach Meinung der Kammer eine ex-post facto Betrachtung, da es technisch keinen Sinn macht, einen Gebäudeaufzug in eine Seilbahnanlage umwandeln zu wollen.

4. Die Kombination von D7 und D8 würde in jedem Falle nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen, weil D7 nicht ein Verriegelungsüberwachungssystem betrifft, sondern lediglich ein System zur Überwachung eines Schließzustands eines Schließbügels in einem Sessellift (siehe z.B. [0013], [0014]). Darüber hinaus offenbart D8 auch keinen Transponder der mit einem den Verriegelungszustand überwachenden Sensor verbunden ist, und bei Abfrage die entsprechende Information an eine abfragende Sendeantenne weitergibt, wie vom Anspruch 1 gefordert. In D8 wird nämlich der Transponder 17 lediglich zum Übermitteln von vorgespeicherten Daten (betreffend z.B. die Nummer der jeweiligen Sesselanordnung im Sessellift; siehe [0027] in der englischen Übersetzung von D8) an eine Empfängerantenne 16 (siehe [0030] in der englischen Übersetzung) verwendet. Folglich würde die Kombination von D7 und D8 nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen (Artikel 56 EPÜ). Im Übrigen wird noch festgestellt, dass ausgehend von D7 der Fachmann unter Berücksichtigung von Paragraph [0023] in D7 explizit den Hinweis bekommt, einen optischen oder elektromagnetischen Sensor (an Stelle des mechanischen Sensors 30) zu verwenden, um unmittelbar und direkt die Position des Schließmechanismus zu detektieren. Somit würde der Fachmann auf einfache Art und Weise zu einer kontaktlos arbeitenden Überwachungsvorrichtung (des Schließmechanismus) und zu einer Lösung der gestellten Aufgabe gelangen, die sich ausgehend von D7 viel eher anbieten würde als diejenige gemäß der vorliegenden Erfindung.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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