T 1882/16 () of 20.11.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T188216.20201120
Datum der Entscheidung: 20 November 2020
Aktenzeichen: T 1882/16
Anmeldenummer: 10730480.0
IPC-Klasse: B60L11/18
H02J7/00
H02J7/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung zur induktiven Übertragung elektrischer Energie
Name des Anmelders: Conductix-Wampfler GmbH
Name des Einsprechenden: SEW-EURODRIVE GmbH & Co. KG
Siemens Aktiengesellschaft
Kammer: 3.5.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56 (2007)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Einsprechenden 2 (Siemens AG) betrifft die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2 454 118 in geänderter Fassung gemäß damaligen Hilfsantrag 3.

II. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent vollständig zu widerrufen.

III. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin, Conductix-Wampfler GmbH) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines ihrer Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, aufrecht zu erhalten.

IV. Die am Beschwerdeverfahren gemäß Artikel 107, zweiter Satz, EPÜ beteiligte Einsprechende 1 (SEW Eurodrive GmbH & Co. KG) hat sich inhaltlich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

V. Mit Schreiben vom 29. März 2017 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass die Siemens AG ihre Geschäftseinheit EC ,,Inside e-car Powertrain" zum 1. Dezember 2016 in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Valeo (,,Valeo Siemens eAutomotive Germany GmbH") eingebracht habe. Folglich verfolge die Siemens AG die Geschäfte der Geschäftseinheit EC, die sich mit elektrischen Motoren und Umrichtern zum elektrischen Antrieb von PKW befasse, nun ausschließlich durch die "Valeo Siemens eAutomotive Germany GmbH" weiter. Daher beantrage die Beschwerdeführerin, die Stellung als Einsprechende 2 auf diese zu übertragen.

VI. Die Beschwerdegegnerin bestritt mit Schreiben vom 6. Juli 2017, dass der Übergang der Einsprechendenstellung nachgewiesen ist.

VII. Die Beschwerdeführerin stützte ihre Beschwerdebegründung auf die beiden folgenden, im Verfahren vor der Einspruchsabteilung genannten Dokumente:

E11 : EP 0 379 465 A1

E13 : DE 197 41 279 A1

VIII. In einer gemeinsam mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung versandten Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK hatte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Meinung mitgeteilt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe und sie dazu neige, die Beschwerde zurückzuweisen.

IX. Mit Schreiben vom 7. Juli 2020 teilte de Beschwerdeführerin mit, dass sie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknehme.

X. Am 8. Juli 2020 hob die Kammer den Termin zur mündlichen Verhandlung auf.

XI. Anspruch 1 des Hauptantrags der Beschwerdegegnerin lautet folgendermaßen:

"Vorrichtung zur induktiven Übertragung elektrischer Energie von einer stationären Einheit mit mindestens einer Primärinduktivität (2) zu einem benachbart zu dieser stehenden Fahrzeug (1) mit mindestens einer Sekundärinduktivität (4), wobei die stationäre Einheit oder das Fahrzeug (1) eine Einrichtung zur Detektion des Vorhandenseins eines Gegenstandes (11) innerhalb eines vorbestimmten Raumes, der zumindest den während der Energieübertragung zwischen der Primärinduktivität (2) und der Sekundärinduktivität (4) liegenden Raum (10) umfasst, aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Detektionseinrichtung mehrere berührungslose Sensoren (12 bis 15) und eine mit diesen verbundene Auswertungseinrichtung (16) mit einer Vergleichseinrichtung aufweist, welche die von den einzelnen Sensoren (12 bis 15) abgegebenen Signale untereinander vergleicht und ein Maß für eine Abweichung der Signale untereinander ermittelt, dass die Auswertungseinrichtung (16) eine Vergleichseinrichtung aufweist, welche die von den Sensoren (12 bis 15) abgegebenen Signale mit einem Referenzwert oder Referenzsignal vergleicht und ein Maß für eine Abweichung von dem Referenzwert oder Referenzsignal ermittelt, und/oder dass die Auswertungseinrichtung (16) ein Maß für eine zeitliche Änderung der von den Sensoren (12 bis 15) abgegebenen Signale ermittelt, und dass die Auswertungseinrichtung (16) mindestens einen Ausgang aufweist, an dem bei einer Abweichung der Signale untereinander, die ein vorbestimmtes Mindestmaß überschreitet, ein Signal ausgegeben wird, welches die Anwesenheit eines Fremdkörpers (11) anzeigt, wenn auch eine Abweichung von dem Referenzwert oder Referenzsignal ein vorbestimmtes Mindestmaß überschreitet, und/oder eine zeitliche Änderung ein vorbestimmtes Mindestmaß überschreitet."

Ansprüche 2 bis 9 sind vom Anspruch 1 abhängig.

Die Hilfsanträge 1 bis 3 sind hier nicht wiedergegeben, da bereits der Hauptantrag erfolgreich war.

XII. Die verfahrensrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Die angefochtene Entscheidung enthalte einen Widerspruch in der Beurteilung der Hilfsanträge 2 und 3. Hinsichtlich des Hilfsantrags 2 komme die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass Dokument E13 einen Vergleich der Abweichung von Sensorsignalen untereinander offenbare. Hinsichtlich Hilfsantrag 3 werde dies jedoch verneint. Die Beschwerdeführerin sehe das fragliche Merkmal jedoch in E13 offenbart. E13 offenbare außerdem den anspruchsgemäßen Vergleich der Sensorsignale mit einem Referenzwert. Diesen könne der Fachmann auch aus seinem Fachwissen ergänzen. Auch aus E11 sei ein Vergleich der Sensorsignale mit einem Referenzwert bekannt. Zudem offenbare Dokument E11 einen Vergleich der zeitlichen Änderung der Sensorsignale sowie einen Vergleich der Sensorsignale untereinander. Der Fachmann würde die drei aus E13 und E11 bekannten Bedingungen der Fremdkörpererkennung, d.h. die Abweichung der Sensorsignale untereinander, die Abweichung von einem Referenzwert sowie das Maß der zeitliche Änderung, durch ein logisches UND verknüpfen und gelangte so in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags.

XIII. Die verfahrensrelevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Der Fachmann würde das Dokument E11 nicht heranziehen, da es einem völlig fernliegenden technischen Gebiet angehöre. Sogar wenn der Fachmann die Lehren der Dokumente E11 und E13 kombiniere, gelangte er nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1, da sogar falls der Fachmann E11 überhaupt als Stand der Technik heranziehen würde, aus E11 jedenfalls keine der drei anspruchsgemäßen Bedingungen der Fremdkörpererkennung bekannt sei.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht und ausreichend substantiiert. Somit ist die Beschwerde zulässig (Artikel 106 bis 108 EPÜ und Regeln 99, 101 EPÜ).

2. Entscheidung im schriftlichen Verfahren

Die Beschwerdeführerin hat ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück genommen. Die am Verfahren Beteiligte (Einsprechende 1) hatte keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf mündliche Verhandlung ist nur hilfsweise nachrangig dem Hauptantrag auf Zurückweisung der Beschwerde gestellt worden. Da die Kammer zu dem Schluss gekommen ist, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist, liegt kein prozessual wirksamer Antrag auf mündliche Verhandlung mehr vor und die Entscheidung kann im schriftlichen Verfahren ohne die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen.

3. Übergang der Einsprechendenstellung

Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 29. März 2017 beantragt, ihre Parteistellung als Einsprechende und Beschwerdeführerin auf die Valeo Siemens eAutomotive Germany GmbH zu übertragen. Zur Begründung führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihre Geschäftseinheit EC "Inside e-car Powertrain", die sich angeblich mit elektrischen Motoren und Umrichtern zum elektrischen Antrieb von PKW befasse zum 1. Dezember 2016, in ein Gemeinschaftsunternehmen mit Valeo eingebracht wurde.

Die Beschwerdegegnerin bestritt, dass der Übergang der Einsprechendenstellung auf die Valeo Siemens eAutomotive Germany GmbH nachgewiesen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Stellung als Einsprechender grundsätzlich nicht frei übertragbar (siehe G 2/04, ABl. 2005, 549). In dem Fall G 4/88 (ABl. EPA 1989, 480) entschied die Große Beschwerdekammer, dass die prozessuale Stellung des Einsprechenden auf einen Dritten übertragen werden kann, sofern der Einsprechende sein Einspruchsrecht zusammen mit dem Geschäftsbetrieb, dem der Einspruch zuzuordnen ist, überträgt. Der Dritte erhält ab dem Zeitpunkt der rechtswirksamen Übertragung die Rechtsstellung des bisherigen Einsprechenden, während dieser aus dem Verfahren ausscheidet. Der Einspruch bilde ein ,,untrennbares Zubehör" des Betriebs- oder Teilbetriebsvermögens des Einsprechenden und könne nur mit diesem übertragen und abgetreten werden. Wesentlich ist im Falle der Übertragung eines Teils eines Geschäftsbetriebes, ob das Streitpatent sich auf den übertragenen Teil bezieht. Die Übertragung eines Einspruchs ist beim EPA zu beantragen und durch Belege nachzuweisen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA, 9. Auflage 2019, III.O.2.6).

Aus Gründen der Rechtssicherheit ist für die Zwecke des EPA-Verfahrens als wirksamer Zeitpunkt der Übertragung der Einsprechendenstellung der Tag anzusehen, an dem die Übertragung beim EPA beantragt wurde und entsprechende Nachweise vorgelegt wurden.

Solange der Nachweis des Rechtsübergangs nicht erbracht ist, bleibt die bisherige Partei im Verfahren berechtigt und verpflichtet.

Im vorliegenden Fall wurden keinerlei Nachweise für den Rechtsübergang eingereicht weder bei der Antragstellung noch in Reaktion auf die Beanstandung der Beschwerdegegnerin oder auf die vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer in ihrer Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020. Schließlich liefert auch der zum Nachweis der Adressänderung der Beschwerdeführerin vorgelegte Auszug aus dem Handelsregister der Siemens AG (HRB 6684) vom 10. Mai 2017 keinen Hinweis unter Punkt 6b) "Sonstige Rechtsverhältnisse" hinsichtlich der Übertragung der Geschäftseinheit EC "Inside e-car Powertrain" auf die Valeo Siemens eAutomotive Germany GmbH.

Insofern ist der Übergang der Einsprechendenstellung nicht nachgewiesen worden und dem Antrag auf Übertragung kann folglich auch nicht stattgegeben werden.

Die Siemens AG bleibt daher Einsprechende auch in diesem Verfahren.

4. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

4.1 Die Kammer hatte den Parteien in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 ihre vorläufige Meinung übermittelt, dass sie den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht als durch die Dokumente E11 und E13 nahegelegt ansehe, da E11 ein fernliegendes technisches Gebiet beträfe und somit vom Fachmann nicht berücksichtigt würde. Außerdem enthalte E13 keine Offenbarung des Maßes der zeitlichen Änderung der von den beanspruchten Sensoren ausgegebenen Signale.

Die Beschwerdeführerin hat sich zu dieser vorläufigen Meinung der Kammer in der Sache nicht weiter geäußert. Nach erneuter sachlicher und rechtlicher Würdigung durch die Kammer hat sich nichts Anderes ergeben. Die Kammer sieht daher keinen Grund, von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen.

Es ist zwischen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin strittig, ob der Fachmann das Dokument E11 überhaupt heranziehen würde, da es eine Textilverarbeitungsmaschine betrifft und keine Vorrichtung zum induktiven Übertragen elektrischer Energie an ein stationäres Fahrzeug, wie nach dem Patent. Darüber hinaus ist strittig, ob für den Fall, dass der Fachmann die Lehre des Dokuments E13 mit jener des Dokuments E11 kombinieren würde, sich der Gegenstand des Anspruchs 1 in naheliegender Weise aus einer solchen Kombination ergeben würde.

4.2 Die Kammer ist zu dem Schluss gelangt, dass der Fachmann das Dokument E11 nicht berücksichtigen würde.

Offensichtlich betrifft E11 nicht die Überwachung des Raumes zwischen einer Primärinduktivität und einer Sekundäraktivität eines Fahrzeugs, in welchem einerseits eine optimale Energieübertragung sichergestellt und andererseits eine Schädigung von Personen aufgrund induzierter elektrischer Energie vermieden werden soll. E11 betrifft die Überwachung des Arbeitsbereichs einer Textilverarbeitungsmaschine gegen unbeabsichtigtes Betreten oder Hineingreifen durch eine Bedienperson und somit ein gänzlich fernes technisches Gebiet.

4.3 Da die Kammer zu dem Schluss gekommen ist, dass das Dokument E11 keinen Stand der Technik für den Gegenstand des Hauptantrags bildet, ist das Vorbringen der Beschwerdeführerin bereits aus diesem Grund nicht einschlägig. Es ist lediglich hinsichtlich der Kombination der Dokumente E11 und E13 ausreichend substantiiert. Der Verweis auf die Argumentation der Einsprechenden 1 auf Seite 3, erster Absatz der Beschwerdebegründung, die auf einer Kombination der Dokumente E10 und E13 basiert, stellt keinen ausreichend substantiierten Vortrag im Sinne des Artikels 12 (3) VOBK 2020 (Anwendbar aufgrund Artikel 25 (1) VOBK 2020) dar, da nicht ausdrücklich alle Argumente und Einwände im Einzelnen angeführt sind, die es der Kammer ermöglichen würden, ohne eigene Ermittlungen zu verstehen, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung aufgehoben und der Beschwerde stattgegeben werden sollte. Weitere Angriffe wurden von der Beschwerdeführerin im gesamten weiteren Verfahren nicht vorgetragen.

4.4 Der auf die Dokumente E13 und E11 gestützte Vortrag der Beschwerdeführerin hat somit keinen Erfolg und der Verweis auf den Vortrag der Einsprechenden 1 zu einer Kombination der Dokumente E10 und E13 stellt keinen substantiierten Vortrag der Beschwerdeführerin dar. Weiterer Vortrag zum Hauptantrag liegt seitens der Beschwerdeführerin nicht vor.

4.5 Die Kammer ist folglich zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags durch die von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Kombination von Dokumenten nicht nahegelegt ist.

5. Schlussfolgerung

Da der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin gewährbar ist, hat die Beschwerde keinen Erfolg.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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