T 1708/16 (Einschubgeräte/ABB) of 24.7.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T170816.20190724
Datum der Entscheidung: 24 Juli 2019
Aktenzeichen: T 1708/16
Anmeldenummer: 04723191.5
IPC-Klasse: H04L 12/413
H04L 12/40
G05B 19/418
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 396 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schaltanlagensystem und Verfahren zur Installation von Einschubgeräten in Schaltanlagen
Name des Anmelders: ABB AG
Name des Einsprechenden: Siemens Aktiengesellschaft
Kammer: 3.5.05
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 108
European Patent Convention R 99(2)
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Zulässigkeit der Beschwerde - (ja): hinreichend begründet
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein): keine glaubhaft gemachte technische Wirkung
Zulassung des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags - (nein): nicht eindeutig gewährbar
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0220/83
T 0258/97
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des vorliegenden europäischen Patents in geänderter Fassung gemäß der Ansprüche eines Haupt- und eines Hilfsantrags aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) gegenüber der Offenbarung von

D16: ABB: "Protect**(IT) - MNS Motor Management INSUM**(®)", Ethernet Gateway Handbuch, Version 2.3, S. 1-23, 2002,

kombiniert mit

D2: G. Gruhler: "Feldbusse und Geräte-Kommunikationssysteme", Franzis' Verlag, S. 5-11, 88-103 und 154-159, 2001,

und aufgrund mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 83 EPÜ) im Falle des Hilfsantrags.

II. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche gemäß einem neuen Hilfsantrag I ein und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche des mit dem Schreiben vom 29. April 2016 eingereichten und der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrags oder des neu eingereichten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.

III. Mit der Beschwerdeerwiderung beantragte die Beschwerdegegnerin, die Beschwerde als unzulässig nach Regel 99(2) und 101(1) EPÜ zu verwerfen oder als unbegründet nach Artikel 54 und/oder 56 EPÜ zurückzuweisen.

IV. Mit der Anlage zur Ladung für eine mündliche Verhandlung gemäß Artikel 15(1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Auffassung zur Beschwerde mit. Insbesondere gab sie an, dass die Beschwerde gemäß Regel 99(2) EPÜ hinreichend begründet und somit zulässig, und dass der Gegenstand von Anspruch 8 des Hauptantrags neu gegenüber dem Dokument D16 sei. Darüber hinaus merkte sie an, dass in der mündlichen Verhandlung insbesondere zu erörtern sein werde, ob die Unterscheidungsmerkmale eine synergetische, erfinderische Wirkung gegenüber dem Stand der Technik aufwiesen, und ob Hilfsantrag I nach Artikel 12(4) VOBK in das Beschwerdeverfahren zuzulassen sei.

V. Mit einem Antwortschreiben nahm die Beschwerdegegnerin zur Mitteilung der Kammer nach Artikel 15(1) VOBK Stellung.

VI. Mit einem Erwiderungsschreiben reichte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche gemäß einem neuen Hilfsantrag II ein.

VII. Am 24. Juli 2019 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf die Beschwerdeführerin die geltenden Hilfsanträge I und II zurücknahm und geänderte Ansprüche gemäß einem neuen Hilfsantrag I einreichte. Die Zulässigkeit und Gewährbarkeit der vorliegenden Anträge wurden erörtert.

- Die Beschwerdeführerin beantragte abschließend, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung gemäß Hauptantrag, eingereicht mit dem Schreiben vom 29. April 2016, oder dem in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichten Hilfsantrag I aufrechtzuerhalten.

- Die Beschwerdegegnerin beantragte abschließend, die Beschwerde zurückzuweisen.

Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung.

VIII. Der unabhängige Anspruch 8 gemäß Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

"Verfahren zur Installation von Einschubgeräten (11) in Schaltanlagen, wobei die Einschubgeräte (11) in einem Schaltschrank (10) in Einschubfächern (12, 14, 16, 18) installiert werden und über wenigstens eine TCP/IP Schnittstelle verfügen, über einen Feldbus kommunizieren, über eine Geräteadresse eindeutig identifiziert werden können und in einem Speicher für den Gerätebetrieb erforderliche Basisinformationen enthalten, dadurch gekennzeichnet, dass

- die Kommunikation über den Feldbus auf Ethernet TCP/IP Technologie basiert, wobei die Einschubgeräte (11) in dem Schaltschrank (10) über TCP/IP mit einem dem Schaltschrank (10) zugeordneten Ethernet-Switch (20) kommunizieren und jedem Einschubfach (12, 14, 16, 18) und/oder dem Einbauort jedes Einschubgerätes in dem Schaltschrank ein eindeutiger Port (13, 15, 17, 19) des Ethernet-Switches (20) zugeordnet wird,

- die Geräteadressen der Einschubgeräte (11) diesen von einem in das Ethernet Netzwerk integrierten Applikations-Server (30) automatisch zugeordnet und verwaltet werden, und

- wenigstens die Basisinformationen für jedes Einschubgerät (11) aus einer Datenbank (40) automatisch in das Einschubgerät (11) heruntergeladen werden."

Anspruch 8 gemäß Hilfsantrag I umfasst alle Merkmale von Anspruch 8 gemäß Hauptantrag und enthält zusätzlich den folgenden Wortlaut am Ende:

"wobei der Ethernet-Switch (20) sich im Schaltschrank (10) befindet,

der Applikations-Server (30) mit dem

Ethernet-Switch (20) in dem Schaltschrank (10) verbunden ist und die Datenbank (40) mit dem Applikations-Server (30) und über diesen indirekt mit dem Ethernet-Switch (20) in dem Schaltschrank (10) verbunden ist."

Entscheidungsgründe

1. Das Streitpatent

Das Streitpatent betrifft ein Schaltanlagensystem für Niederspannungsanlagen basierend auf in Einschubfächern eines Schaltschranks installierten Einschubgeräten, die über einen Ethernet-Feldbus kommunizieren und

über jeweilige Ports an einen Ethernet-Switch angeschlossen sind.

Laut der zugrunde liegenden Beschreibung besteht die zu lösende Aufgabe darin, ein Schaltanlagensystem und ein Verfahren zu schaffen, durch das die Installation von Einschubgeräten in Schaltanlagen deutlich vereinfacht wird, so dass weder beim Installieren eines neuen Einschubgerätes in einen Schaltschrank, noch beim Austausch eines Einschubgerätes, beispielsweise im Rahmen von Wartungsarbeiten, Geräteadressen und/oder Gerätedaten manuell eingelesen, ausgelesen oder ausgetauscht werden müssen (vgl. Absätze [0009] und [0024] der Patentschrift).

2. Zulässigkeit der Beschwerde (Artikel 108 EPÜ)

2.1 Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass die Beschwerde nicht zulässig sei, da die Beschwerde-begründung nicht im Sinne von Regel 99(2) EPÜ hinreichend darlege, weshalb die angefochtene Entscheidung aufzuheben sei.

2.2 Die Beschwerdebegründung enthält jedoch Ausführungen dazu, dass die in der angefochtenen Entscheidung festgestellten Unterscheidungsmerkmale nicht dem Dokument D2 zu entnehmen bzw. nicht dem allgemeinen Fachwissen zuzurechnen seien (vgl. Beschwerde-begründung, Abschnitte 1a und 3). Zudem führt sie an, dass die unabhängigen Ansprüche 1 und 8 des Hauptantrags demzufolge erfinderisch gegenüber der Zusammenschau aus D16 und D2 seien.

Hieraus entnimmt die Kammer, dass sich die Beschwerdebegründung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzt und in verständlicher und nachprüfbarer Weise darlegt, warum sie aus Sicht der Beschwerdeführerin unzutreffend sein soll (siehe hierzu T 220/83, Leitsatz).

2.3 Aus den obigen Gründen ist die Beschwerde hinreichend begründet und damit nach Artikel 108 Satz 3 EPÜ in Verbindung mit Regel 99(2) EPÜ zulässig.

3. HAUPTANTRAG

3.1 Der unabhängige Anspruch 8 des Hauptantrags umfasst folgende einschränkenden Merkmale (gemäß der Merkmalsgliederung der Kammer):

Verfahren zur Installation von Einschubgeräten in Schaltanlagen, wobei

A) die Einschubgeräte in einem Schaltschrank in Einschubfächern installiert werden;

B) die Einschubgeräte über wenigstens eine

TCP/IP-Schnittstelle verfügen;

C) die Einschubgeräte über einen Feldbus kommunizieren und über eine Geräteadresse eindeutig identifiziert werden können;

D) die Einschubgeräte in einem Speicher für den Gerätebetrieb erforderliche Basisinformationen enthalten;

E) die Kommunikation über den Feldbus auf der Ethernet TCP/IP-Technologie basiert;

F) die Einschubgeräte in dem Schaltschrank über

TCP/IP mit einem dem Schaltschrank zugeordneten Ethernet-Switch kommunizieren;

G) jedem Einschubfach und/oder dem Einbauort jedes Einschubgerätes in dem Schaltschrank ein eindeutiger Port des Ethernet-Switches zugeordnet wird;

H) die Geräteadressen der Einschubgeräte diesen von einem in das Ethernet-Netzwerk integrierten Applikations-Server automatisch zugeordnet und verwaltet werden;

I) wenigstens die Basisinformationen für jedes Einschubgerät aus einer Datenbank automatisch in das Einschubgerät heruntergeladen werden.

Anspruch 1 des Hauptantrags ist zudem auf eine entsprechende Vorrichtung ("Schaltanlagensystem") gerichtet, die jedoch die automatische Adresszuordnung- und -verwaltung gemäß Merkmal H) und das automatische Herunterladen der Basisgeräteinformationen gemäß Merkmal I) nicht enthält.

3.2 Neuheit (Artikel 54 EPÜ)

3.2.1 Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass Merkmale E), F) und G) nicht aus D16 bekannt seien (vgl. angefochtene Entscheidung, Gründe 2.2). Die Beschwerdeführerin ist allerdings der Ansicht, dass die Druckschrift D16 die Merkmale A) und E) bis I) nicht offenbart, während nach Auffassung der Beschwerde-gegnerin D16 lediglich die Merkmale E) und F) nicht vorwegnehme.

3.2.2 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass D16 die folgenden einschränkenden Merkmale von Anspruch 8 offenbart:

Verfahren zur Installation von Einschubgeräten ("INSUM Ethernet Gateway 11") in Schaltanlagen ("INSUM"), wobei

A) die Einschubgeräte in Schaltschränken ("Backplane"; "ICU") und dort in Einschubfächern ("Steckplätze") installiert sind (siehe z.B. S. 5, Abschnitt 2.1, erster Satz: "Das Gateway ist ein Hardware-Modul, das fest auf der INSUM ICU installiert wird."; S. 6, Abschnitt 3.1.1, erster Satz: "Das Gateway kann auf der Backplane an allen Steckplätzen installiert werden ...");

B) die Einschubgeräte wenigstens über eine

TCP/IP-Schnittstelle verfügen (siehe S. 7, Abschnitt 3.2.1, Meldung "DCS" für "Datenübertragung über das TCP/IP-Netzwerk"; S. 8, erster Absatz: "... Konfiguration des Ethernet Gateway ..." und S. 8, Abschnitt 4.1, "Einstellung der ... TCP/IP Adresse");

C) die Einschubgeräte über einen Feldbus

("LON-Netzwerk") kommunizieren und über eine Geräteadresse ("LON-Netzwerkadresse") eindeutig identifiziert sind (siehe S. 7, Abschnitt 3.2.1, Meldung "LON" für "Datenübertragung auf dem

LON-Bus"; S. 7, Abschnitt 3.2.2, Drucktaster Service/Req für "Vergabe von LON-Netzwerkadresse"; S. 9, Abschnitt 4.2, erster Absatz: "Die

INSUM-Komponenten im LON-Netzwerk kommunizieren miteinander über LON-Netzwerkadressen ...");

D) die Einschubgeräte in einem Speicher für den Gerätebetrieb erforderliche Basisinformationen ("IP-Adresse"; "MAC Adresse"; "LON-Adresse"; "Gateway-Parameter") enthalten (siehe Tabelle auf S. 8);

E) [deleted: die Kommunikation über den Feldbus auf der Ethernet TCP/IP Technologie basiert];

F) die Einschubgeräte in dem Schaltschrank über

TCP/IP mit einem dem Schaltschrank zugeordneten Ethernet-Switch ("Hub/Switch") kommunizieren (siehe S. 6, Abschnitt 3.1.2, erster Absatz: "Das OS-Interface wird mit dem ... Ethernet-Netzwerk verbunden ..."; S. 13, Abschnitt 5.2; S. 14, Abschnitt 5.3 in Verbindung mit Abb. 9 und 10);

G) [deleted: jedem Einschubfach und/oder dem Einbauort jedes Einschubgerätes in dem Schaltschrank ein eindeutiger Port des Ethernet-Switches zugeordnet wird];

H) die Geräteadressen der Einschubgeräte diesen von einem in das Ethernet-Netzwerk integrierten Applikations-Server ("OS-Server"; siehe S. 10, Abschnitt 4.2.3) automatisch zugeordnet und verwaltet werden (siehe S. 7, Abschnitt 3.2.2: "Service/Req ... Bei Betätigung dieses Tasters sendet das Gerät eine 'Service-Pin Message', die ... zu dessen logischer Installation im Netzwerk (Vergabe von LON-Netzwerkadressen) benötigt wird." in Verbindung mit S. 9, Abschnitt 4.2, zweiter Absatz: "Die Einstellung der Netzwerkadresse ... 4. Service-Taster am Gateway drücken und abwarten, bis das Gateway wieder funktionsbereit ist ...");

I) wenigstens die Basisinformationen für jedes Einschubgerät aus einer Datenbank ("PC") automatisch in das Einschubgerät heruntergeladen werden (siehe z.B. S. 8, Abschnitt 4.1, zweiter Absatz: "Die Basiskonfiguration wird über eine serielle Verbindung zwischen dem Gateway und einem PC durchgeführt ...").

3.2.3 In Bezug auf Merkmal A) argumentierte die Beschwerdeführerin, dass D16 weder eine "Schaltanlage" noch einen "Schaltschrank" mit "Einschubfächern" in den Abbildungen 8 bis 10 offenbare. Vielmehr sei in D16 die "Backplane", d.h. der Feldbusanschluss, fest verdrahtet, so dass ein Ethernet-Gateway in die hierfür vorgesehenen Steckplätze eingesteckt und nicht eingeschoben werde. Folglich gebe es in der Anordnung von D16 keine Einschubfächer und somit auch keine "Einschubgeräte". Mithin seien auch die Merkmale B) bis D) und F) nicht durch D16 offenbart.

Dieser Argumentation kann die Kammer nicht folgen. Die Kammer schließt sich vielmehr der Beschwerdegegnerin darin an, dass D16 sehr wohl auf die Benutzung einer Schaltanlage gerichtet ist (siehe z.B. Seite 5, erster Absatz, erster Aufzählungspunkt: "INSUM Ethernet Gateway für die feste Installation auf der Backplane in der Schaltanlage") und dass - mangels einer genaueren Definition eines "Schaltschranks" - die mit mehreren Steckplätzen versehene Vorrichtung ("Backplane"; "ICU") in den Abbildungen 8 bis 10 von D16 auf den breiten Begriff eines Schaltschranks zu lesen ist. Darüber hinaus lehrt das Streitpatent seinerseits, dass ein "Einschubfach" auch als "Einschubplatz" bezeichnet werden kann und dass das "Einschieben" über Steckkontakte am Einschubgerät erfolgt (siehe die Patentschrift, Spalte 2, Zeilen 35-38 und Spalte 5, Zeilen 2-5). Da somit eine Unterscheidung zwischen einstecken und einschieben künstlich wäre, ist sie hier nicht geboten, so dass sich die Steckplätze in der Anordnung von D16 nicht von Einschubfächern abgrenzen lassen. Zudem lehrt D16, dass das Gateway auf der ICU (INSUM Communication Unit) installiert wird (siehe Seite 5, Abschnitt 2.1, erster Satz und Abb. 1). Folglich werden die Merkmale A) bis D) und F) durch D16 vorweggenommen.

3.2.4 Betreffend Merkmal E) lehrt D16 zwar, dass das Gateway eine TCP/IP-Schnittstelle zur Kommunikation über ein TCP/IP-Netzwerk aufweist (siehe z.B. Seite 7, Abschnitt 3.2.1), die Kommunikation jedoch über den Feldbus auf der sogenannten LON (Local Operating Network)-Technologie basiert (siehe z.B. Seite 5, Abb. 2). Somit ist dieses Merkmal nicht aus D16 bekannt.

3.2.5 In Bezug auf Merkmal G) lehrt D16, dass mehrere Ethernet Gateways auf einer ICU mit verschiedenen Steckplätzen installiert werden können (siehe Seite 14, Abb. 9 und 10; Seite 15, Abschnitt 5.4, zweiter Satz), offenbart aber nicht explizit, wie die Zuordnung zwischen dem Ethernet-Switch und dem ICU-Steckplatz tatsächlich erfolgt. Daher wird auch dieses Merkmal nicht durch D16 vorweggenommen.

3.2.6 In Bezug auf Merkmale H) und I) stellt die Kammer zunächst fest, dass ein "automatisches" Zuordnen, Verwalten bzw. Herunterladen von Adressen bzw. Daten wie beansprucht zwar eine maschinelle, automatisierte Tätigkeit umfasst, nicht aber zwangsläufig eine manuelle Interaktion (wie z.B. das Initiieren einer solchen maschinellen Tätigkeit) ausschließt. Mit anderen Worten geht aus dem Wortlaut nicht hervor, ob die betreffenden Tätigkeiten vollautomatisch, d.h. ohne jegliches manuelles Zutun, oder nur teilweise automatisch zu erfolgen haben. Dieser Einschätzung stimmte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zu. Daher folgt die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass im System von D16 die Vergabe einer LON-Netzwerkadresse an das Gateway und die Durchführung der Basiskonfiguration dieses Gateways über eine Verbindung zwischen dem Gateway und einem PC (siehe Seite 8, Abschnitt 4.1, zweiter Absatz) bzw. die Übertragung der entsprechenden Parameterdaten über ein TCP/IP-Netzwerk (siehe Seite 11, Abschnitt 4.3, dritter Satz) in der Tat unter den breiten Wortlaut der Merkmale H) und I) fällt.

3.2.7 Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, dass - auf der Basis der Unterscheidungsmerkmale E) und G) - der Gegenstand von Anspruch 8 neu gegenüber D16 ist (Artikel 54 EPÜ).

3.3 Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)

3.3.1 Zur Frage der durch die Unterscheidungsmerkmale E) und G) verursachten technischen Wirkung bzw. der hierdurch zu lösenden objektiven technischen Aufgabe führte die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung aus, der Einsatz der Ethernet TCP/IP-Technologie gemäß Merkmal E) bedeute inhärent, dass das einfache DHCP (Dynamic Host Configuration Protocol)-basierte Adressvergabeverfahren für eine automatische Verwaltung von mit Einschubfächern über Switch-Ports verbundenen Einschubgeräten gemäß Merkmal G) verwendet werden könne. Somit werde eine Vereinfachung der Adressverwaltung und der Gerätedatenübertragung und mithin eine "Vereinfachung der Installation von Einschubgeräten in Schaltanlagen" erzielt.

3.3.2 Die Kammer ist allerdings nicht davon überzeugt, dass die Merkmale von Anspruch 8 tatsächlich eine solche objektive Aufgabe lösen können. Die Adressverwaltung gemäß Merkmal H) und die Gerätedatenübertragung gemäß Merkmal G) können nach dem Wortlaut von Anspruch 8 völlig unabhängig vom jeweiligen Ethernet-Switch und daher unabhängig von irgendwelchen Ports gemäß Merkmal G) durchgeführt werden. Es gibt nämlich weder in Merkmal H) noch in Merkmal I) irgendeinen Bezug zur Verwendung eines Ethernet-Switches, geschweige denn eines Switch-Ports. Diese Merkmale gehen demnach keine Wechselwirkung miteinander ein und sind daher voneinander losgelöst zu bewerten.

Auch der Patentschrift ist nicht zu entnehmen, welche konkrete technische Wirkung durch Merkmal G) erzielt werden soll. Hierzu gibt die Beschwerdebegründung im Zusammenhang mit der Bewertung des Standes der Technik lediglich an, dass durch eine feste Zuordnung eines Einschubfachs zu einem Port des Ethernet-Switches die Flexibilität bei der Installation eines Einschubgerätes nicht erhöht wird (vgl. Seite 11, zweiter bis letzter Absatz). Unter zusätzlicher Berücksichtigung der immanenten Fehleranfälligkeit im Zusammenhang mit dem manuellen Einstecken eines Einschubgerätes in ein einem Switch-Port eindeutig zugeordneten Einschubfach ist die Kammer der Auffassung, dass hierdurch eher Nach- als Vorteile auftreten.

3.3.3 Stattdessen befindet die Kammer in Übereinstimmung mit der Beschwerdegegnerin, dass das Merkmal E), d.h. die Verwendung der auf dem Gebiet der Feldbussysteme weitverbreiteten Ethernet TCP-IP Technologie, die Erweiterbarkeit der Kommunikation über mehrere Nutzer sicherstellt, während die bloße Zuordnung eines eindeutigen Ports zu einem Einschubfach gemäß Unterscheidungsmerkmal G) - ohne zusätzliche Wechselwirkung mit solchen Ports in den folgenden Merkmalen H) und I) - überhaupt keine technische Wirkung entfalten und somit auch nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen kann (siehe z.B. T 258/97, Gründe 7).

3.3.4 Betreffend das Unterscheidungsmerkmal E) konnte die Beschwerdegegnerin ferner überzeugend darlegen, dass z.B. das Dokument D2 bereits darauf hinweist, dass der Einsatz des TCP/IP-Protokolls in Ethernet-basierten Feldbussystemen eine bevorzugte Technologie zur einheitlichen Kommunikation über mehrere, miteinander verbundene Kommunikationsnetze (siehe z.B. D2, Seite 88, letzter Satz; Seite 93, zweiter Absatz) bzw. zur Bereitstellung von echtzeitfähiger Feldbuskommunikation darstellt (siehe z.B. D2, Seite 88, Abschnitt 8.1.1). Daher würde der Fachmann auf dem Gebiet der Feldbussysteme zum Zwecke der Erweiterung der Kommunikation über mehrere Netze und Nutzer die Lehre von D2 nicht nur heranziehen, sondern auch anwenden (Artikel 56 EPÜ).

3.3.5 Demzufolge würde der Fachmann im Lichte der Zusammenschau aus D16 und D2 in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 8 des Hauptantrags gelangen.

3.4 Aus dem Obigen folgt, dass der Hauptantrag nach Artikel 56 EPÜ nicht gewährbar ist.

4. HILFSANTRAG I

Der Anspruchssatz dieses Hilfsantrags wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer - nach der Diskussion des Hauptantrags, der Rücknahme der bis dahin geltenden Hilfsanträge und einer anschließenden von der Beschwerdeführerin beantragten Unterbrechung der Verhandlung - eingereicht. Der unabhängige Anspruch 8 von Hilfsantrag I umfasst gegenüber Anspruch 8 des Hauptantrags zusätzlich, dass (mit Hervorhebungen durch die Kammer)

J) der Ethernet-Switch sich im Schaltschrank befindet;

K) der Applikations-Server mit dem Ethernet-Switch in dem Schaltschrank verbunden ist;

L) die Datenbank mit dem Applikations-Server und über diesen indirekt mit dem Ethernet-Switch in dem Schaltschrank verbunden ist.

4.1 Zulassung in das Beschwerdeverfahren (Artikel 13(1) VOBK)

4.1.1 Im Beschwerdeverfahren ist die Zulassung des nach Einreichung der Beschwerdebegründung erfolgenden Vorbringens insbesondere nach Artikel 13(1) VOBK zu beurteilen, wonach bei der Ausübung der diesbezüglichen Ermessensbefugnis der Kammer unter anderem die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie zu berücksichtigen sind. Auch andere Kriterien werden hierbei regelmäßig gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern herangezogen, wie z.B. die "eindeutige Gewährbarkeit" oder die "Konvergenz" von Anspruchsänderungen.

4.1.2 Im vorliegenden Fall brachte die Beschwerdeführerin vor, dass der Anspruchssatz von Hilfsantrag I als Reaktion auf die Diskussion von Anspruch 8 des Hauptantrags, insbesondere die Diskussion um die erzielte technische Wirkung, eingereicht worden sei und die Änderungen gemäß Merkmal J) bis L) durch die Absätze [0029] und [0031] der Patentschrift gestützt seien. Die Beschwerdegegnerin trug hierzu vor, dass Hilfsantrag I nicht in das Verfahren zuzulassen sei, da er verspätet sei, nicht mit den früheren Hilfsanträgen konvergiere, die vorliegenden Probleme im Hinblick auf die mangelnde erfinderische Tätigkeit nicht löse und zusätzlich nicht eindeutig durch die angegebene Basis gestützt sei.

4.1.3 Die Kammer stellt zunächst fest, dass die hinzugefügten Merkmale J) bis L) allesamt der Beschreibung und nicht den erteilten Ansprüchen entnommen sind, während in Anspruch 1 weiterhin die Merkmale H) und I) von Anspruch 8 fehlen. Unabhängig davon teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass die vorgenommenen Änderungen gemäß Merkmal J) bis L) lediglich auf die genauere Positionierung des beanspruchten Ethernet-Switches und die Verbindungen zwischen jenem, dem Applikations-Server und der Datenbank gerichtet sind.

Indes wird den in der mündlichen Verhandlung erörterten Problemen und Fragestellungen damit in keiner Weise Rechnung getragen, da die neuen Merkmale die Adressverwaltung durch den Applikations-Server und das Herunterladen von Basisinformationen durch die Datenbank nicht weiter spezifizieren und folglich keine kausale Synergiewirkung mit dem Ethernet-Switch bzw. dessen Ports zu Tage tritt. Da somit die Probleme betreffend die mangelnde erfinderische Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Hauptantrag in keiner Weise gelöst werden, sind die unabhängigen Ansprüche 1 und 8 des neuen Hilfsantrags auch nicht eindeutig gewährbar.

4.2 Daher ließ die Kammer, in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13(1) VOBK, den Anspruchssatz von Hilfsantrag I nicht in das Verfahren zu.

5. Nach alledem ist die Beschwerde nicht begründet und ist daher zurückzuweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Quick Navigation