European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T146016.20210322 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 22 März 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1460/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 11154845.9 | ||||||||
IPC-Klasse: | B32B 27/32 B65D 75/58 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Folie, insbesondere für Aufreißverpackungen und Verfahren zur Herstellung einer Beutelverpackung unter Verwendung der Folie | ||||||||
Name des Anmelders: | Mondi AG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Constantia Teich GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.3.06 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neue Dokumente eingereicht mit der Beschwerdebegründung - zugelassen (ja) Spät eingereichter Antrag - Antrag zulässig und eindeutig gewährbar (ja) Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein) Einspruchsgründe - Klarheit im Einspruchsbeschwerdeverfahren Einspruchsgründe - Prüfungsumfang im Einspruchsverfahren Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch gegen die Erteilung des europäischen Patentes Nr. 2 364 848 zurückzuweisen.
II. In ihrem Einspruchsschriftsatz hatte die Einsprechende den Widerruf des gesamten Patents beantragt.
Als Einspruchgründe hatte sie fehlende Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) geltend gemacht.
Der Einspruch stützte sich unter anderem auf folgende Entgegenhaltungen:
E1: DE 19 941 427 A1; und
E2: EP 0 875 369 A2;
III. Mit ihrer Beschwerdebegründung hielt die Beschwerdeführerin die Einspruchsgründe unter Artikel 100 a) EPÜ (fehlende Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) aufrecht und beantragte den vollumfänglichen Widerruf des Streitpatents. Zudem reichte sie zwei neuen Entgegenhaltungen ein:
E9: Ion, John C, "Laser Processing of Engineering Materials", Verlag Elsevier Butterworth-Heinemann, Oxford 2005, Kapitel 15, Seiten 384-394; und
E10: Eichler et al, "Laser-Bauformen, Strahlführung, Anwendungen", Springer Verlag, 2006, Kapitel 3, Seiten 53-65.
Die Einsprechende meint, dass die neuen Entgegenhaltungen eine Reaktion auf die angefochtene Entscheidung seien und dem Nachweis des allgemeinen Fachwissens dienten.
IV. Mit ihrer Beschwerdeerwiderung beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin), die neuen Entgegenhaltungen nicht zum Verfahren zuzulassen und die Beschwerde zurückzuweisen. Zudem hielt sie an ihrem bereits erstinstanzlich (mit Schriftsatz vom 5. Februar 2016) gestellten Hilfsantrag 1 fest.
V. In ihrer Mitteilung vom 16. September 2020 gemäß Artikel 15 (1) RPBA 2020 teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung zu dem seinerzeitigen Haupt- und Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin mit. Unter anderem wies sie auch auf Klarheitsprobleme im Hinblick auf das dem Hilfsantrag 1 hinzugefügte Merkmal "aus Polyethylen" hin, weil nicht ersichtlich sei, ob eine Polyethylenschicht aus Polyethylen mit laserabsorptiver Substanz und eine Polyethylenschicht aus Polyethylen ohne laserabsorptive Substanz vorhanden seien.
VI. Mit ihrem Schriftsatz vom 28. September 2020 reichte die Beschwerdegegnerin neue Ansprüche gemäß Hilfsantrag 2 ein und brachte weitere Argumente gegen die in der Mitteilung der Kammer erhobenen Einwände vor.
VII. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 22. März 2021 mit Zustimmung der Parteien als Videokonferenz statt.
Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurden zusätzliche Klarheitseinwände erörtert, die aus der Position des eingefügten Merkmals resultierten. Als Reaktion auf diese neue Einwände hat die Beschwerdegegnerin Hilfsantrag 3 vorgelegt. Im weiteren Verlauf der Verhandlung nahm die Beschwerdegegnerin ihren Hauptantrag sowie die Hilfsanträge 1 und 2 ebenso wie ihren Antrag, die neuen Beweismittel E9 und E10 nicht zum Verfahren zuzulassen, zurück.
Im Rahmen der Erörterung der Zulassung und Gewährbarkeit des neuen Hilfsantrags 3 erhob die Beschwerdeführerin unter anderem Einwände gestützt auf Artikel 123(2) und (3) EPÜ und Artikel 84 EPÜ. Die Beschwerdegegnerin stimmte der Prüfung der Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ nicht zu. Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit hielt die Beschwerdeführerin ihren Einwand basierend auf der Kombination der Dokumente E2 und E9 aufrecht. Die Neuheit wurde diesbezüglich nicht beanstandet.
Abschließend stellten die Parteien die folgenden Anträge:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf Grundlage des Hilfsantrags 3, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer.
VIII. Der (nunmehr einzig geltende) Hilfsantrag 3 umfasst acht Ansprüche, wobei dessen Anspruch 1 wie folgt lautet (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 von der Kammer kenntlich gemacht):
"1. Mehrschichtige Folie für Aufreißverpackungen mit zumindest zwei Polyolefinschichten (3, 4, 5),
wobei zumindest eine Polyolefinschicht (3) eine laserabsorptive Substanz enthält,
wobei in die Polyolefinschicht (3) mit der laserabsorptiven Substanz eine Schwächungslinie (1) mittels eines CO2-Laserstrahls (2) eingebracht ist und wobei mindestens eine weitere Polyolefinschicht (4) die laserabsorptive Substanz nicht enthält und eine unversehrte Siegelschicht an der Verpackungsinnenseite bildet,
wobei die Polyolefinschichten (3, 4, 5) aus Polyethylen bestehen."
Entscheidungsgründe
1. Zulassung der neuen Beweismittel E9 und E10
1.1 Gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007, anwendbar gemäß Artikel 25 (2) VOBK 2020, kann die Kammer neue Tatsachen und Beweise, die mit der Beschwerdebegründung eingereicht werden, vom Beschwerdeverfahren ausschließen, wenn diese bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können und sollen.
1.2 Die Beschwerdeführerin hat erstmals mit ihrer Beschwerdebegründung die Beweismittel E9 und E10 eingereicht. Sie hat dazu vorgetragen, dass die späte Vorlage in Reaktion auf die unzutreffende Interpretation der Einordnung der unterschiedlichen kommerziellen Lasertypen sowie der unterschiedlichen Arten der Laserbearbeitungen in der angefochtenen Entscheidung erfolge. Darüber hinaus hat sie geltend gemacht, dass diese zwei Standardwerke auf dem Gebiet der Lasertechnik das allgemeine Fachwissen zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents belegen.
Die Beschwerdeführerin hat zutreffend darauf hingewiesen, dass E9 und E10 jeweils die Lasermarkierung/Laserbeschriftung und die allgemeine Einteilung und Eigenschaften von kommerziellen Lasern betreffen, unter anderem von beanspruchtem CO2 und geltend gemachten Nd:YAG Lasern. Aus diesem Grund betreffen E9 und E10 im Hinblick auf die angefochtene Entscheidung tatsächlich bestrittenes allgemeines Fachwissen, dessen Vorlage im vorliegenden Verfahren zudem auch durch den Inhalt der angefochtenen Entscheidung veranlasst war.
1.2.1 Die Kammer hat ihr Ermessen unter Artikel 12 (4) VOBK 2007 daher dahingehend ausgeübt, die Dokumente E9 und E10 nicht vom Beschwerdeverfahren auszuschließen.
Da jedoch Dokument E10 für die folgende Entscheidung nicht relevant ist, wird es im Folgenden nicht mehr erwähnt.
2. Hilfsantrag 3 (nunmehr einziger Antrag)
2.1 Zulassung
2.1.1 Die Zulassung des Hilfsantrags 3 in das Beschwerdeverfahren richtet sich nach Artikel 13 (2) VOBK 2020, der im vorliegenden Verfahren anwendbar ist, da die Ladung der Parteien erstmals im Jahr 2020 erfolgte (Artikel 25 (1) und (3) VOBK). Die Kammer hat ihr Ermessen dahingehend ausgeübt, den erstmals in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 3 in das Verfahren zuzulassen.
2.1.2 Das Einreichen des Antrags stellt eine Reaktion der Beschwerdegegnerin auf die erstmalig während der mündlichen Verhandlung erhobenen neuen Einwänden unter Artikel 84 EPÜ gegen den Hilfsantrag 2 dar.
2.1.3 Die Beschwerdeführerin hatte im schriftlichen Verfahren keine Einwände im Hinblick auf Unklarheiten erhoben, die durch die Einfügung des Merkmals "aus Polyethylen" in den erteilten Anspruch 1 entstanden sind, obwohl dieses Merkmal bereits im vormaligen Hilfsantrag 1, der aus dem Einspruchsverfahren stammt und den die Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung geltend gemacht hat, vorhanden war.
2.1.4 Die Kammer hat zwar bereits in ihrer vorläufigen Mitteilung auf Klarheits- und Offenbarungsmängel in Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 hingewiesen, die aus der Position des eingefügten Merkmals in den Anspruch 1 resultierten, im Verlauf der Erörterung während der mündlichen Verhandlung wurden jedoch weitere Mängel, insbesondere unter Artikel 84 EPÜ erörtert, die im schriftlichen Verfahren nicht thematisiert worden waren. Um den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Artikel 113 (1) EPÜ) und der Waffengleichheit zu wahren, war der Beschwerdeführerin daher Gelegenheit zu geben, sich zu den neuen Einwänden zu äußern. Sie hat auf die neuen Einwände durch das Einreichen des Hilfsantrags 3 reagiert. Wie infra dargestellt, ist der Hilfsantrag 3 auch prima facie gewährbar. Durch die Einreichung des neuen Hilfsantrags 3 hat die Beschwerdegegnerin daher sämtliche Einwände, die der Gewährbarkeit der zuvor gestellten Anträge entgegenstanden, ausgeräumt.
2.1.5 Vor diesem Hintergrund lagen "außergewöhnliche Umstände" im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 vor, die die Einreichung des Hilfsantrags 3 erstmals in der mündlichen Verhandlung und seine Zulassung rechtfertigen. Die Kammer hat ihr Ermessen deshalb dahingehend ausgeübt, Hilfsantrag 3 gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 zum Verfahren zuzulassen.
2.2 Änderungen
2.2.1 Artikel 123 (3) EPÜ
Der neue Anspruch 1 entspricht einer Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 4.
Der erteilte Anspruch 4 war auf Anspruch 1 rückbezogen. Die ausgeführte Änderung am Ende des erteilten Anspruchs 1 durch Einfügung der Worte "wobei die Polyolefinschichten (3, 4, 5) aus Polyethylen bestehen" stellt eine klare Einschränkung des Gegenstands laut erteiltem Anspruch 1 dar, die dem erteilten Anspruch 4 entspricht, soweit dieser auf den erteilten Anspruch 1 zurückbezogen war.
Die weiteren abhängigen Ansprüche 2 bis 8 entsprechen wortwörtlich jeweils den erteilten abhängigen Ansprüchen 2, 3 und 5 bis 9.
Folglich ergibt sich aus den geänderten Ansprüchen des Hilfsantrags 3 keine Erweiterung, sondern eine Einschränkung des Schutzesbereichs des Gegenstands der erteilten Ansprüche, so dass diese Ansprüche mit Artikel 123 (3) EPÜ im Einklang stehen.
2.3 Artikel 123 (2) EPÜ - Prüfungsumfang im Einspruchsbeschwerdeverfahren
2.3.1 Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Einspruchsschrift keinen Einspruchsgrund unter Artikel 100 c) EPÜ erhoben. Sie hat vielmehr erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geltend gemacht, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 keine klare Basis in den ursprünglichen Unterlagen habe. Die Beschwerdegegnerin hat dem widersprochen und einer Prüfung dieses Einwands nicht zugestimmt.
2.3.2 Änderungen der Ansprüche, die im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren vorgenommen werden, sind im vollen Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ, insbesondere des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ zu prüfen (G9/91, Entscheidungsgründe 19, EPA Abl. 1993, 408). Das setzt aber voraus, dass tatsächlich eine inhaltliche Änderung vorgenommen wurde. Das ist nicht der Fall, wenn der in dem neuen Antrag beanspruchte Gegenstand sich nicht von dem im erteilten Patent geschützten Gegenstand unterscheidet. So liegt es im vorliegenden Fall.
2.3.3 Der geänderte Anspruch 1 laut Hilfsantrag 3 besteht aufgrund der Einfügung des Wortlauts des erteilten Anspruchs 4 am Ende des erteilten Anspruchs 1 aus einer bloßen Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 4.
Im Gegensatz dazu war die in den vorhergehenden Hilfsanträgen 1 und 2 vorgenommene Einfügung des Merkmals "aus Polyethylen" zwischen dem ersten und zweiten Halbsatz des erteilten Anspruchs 1 aufgrund der damit verbundenen Veränderung des Bedeutungsgehalts geeignet, einen Gegenstand zu schützen, der nicht dem entsprach, der in dem erteilten Anspruch 4 durch Rückbezug auf den erteilten Anspruch 1 geschützt war. Die dadurch bedingte Änderung des beanspruchten Gegenstandes war daher einer Prüfung im Hinblick auf die Artikel 123 (2) EPÜ und Artikel 84 EPÜ zu unterziehen. Die Hilfsanträge 1 und 2 wurden jedoch zurückgenommen.
Mit der nunmehr im Hilfsantrag 3 vorgenommene Einfügung des Merkmals "wobei die Polyolefinschichten aus Polyethylen bestehen" am Ende des erteilten Anspruchs 1 wird demgegenüber exakt der Gegenstand beansprucht, der zuvor im erteilten Anspruch 4 durch Rückbezug auf den erteilten Anspruch 1 beansprucht worden war. Dementsprechend stellt die nunmehr im Hilfsantrag 3 vorgenommene Ergänzung keine Änderung des beanspruchten Gegenstands dar.
2.3.4 Die erstmalige Erhebung von Einwänden unter Artikel 123 (2) EPÜ im Hinblick auf einen Anspruch in einem Hilfsantrag, dessen Gegenstand - wie hier - dem eines erteilten Anspruchs entspricht, würde im Ergebnis der nachträglichen Einführung des Einspruchsgrundes unter Artikel 100(c) EPÜ entsprechen.
Im Hinblick auf die in G 9/91 (Gründe, 18, EPA Abl. 1993, 408; vgl. auch T 693/98, Gründe 2) festgelegten Gründsätze, wonach im Beschwerdeverfahren neue Einspruchsgründe nur mit dem Einverständnis des Patentinhabers geprüft werden dürfen, konnte die Beschwerdeführerin Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ, die lediglich eine auf den erteilten Ansprüchen 1 und 4 basierende Merkmalskombination betreffen, ohne deren Gegenstand zu verändern, daher mangels Zustimmung der Beschwerdegegnerin nicht im Beschwerdeverfahren geltend machen.
2.4 Klarheit - Artikel 84 EPÜ
2.4.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 entspricht aufgrund der Einfügung des Wortlauts des erteilten Anspruchs 4 am Ende des erteilten Anspruchs 1, einer Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 4, so dass seine Klarheit in diesem Beschwerdeverfahren nicht mehr geprüft werden kann (G 3/14, Gründe 81, EPA Abl. 2015, 102).
3. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
3.1 Im Hinblick auf die Patentfähigkeit des mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 beanspruchten Gegenstands hat die Beschwerdeführerin lediglich Einwände unter Artikel 56 EPÜ erhoben.
Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 4 in Kombination mit dem erteilten Anspruch 1 und demnach auch der Gegenstand nach Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ausgehend von Dokument E2 als nächstliegendem Stand der Technik in Zusammenschau mit dem in Dokument E9 belegten allgemeinen Fachwissen nahegelegt werde.
Anspruch 1 unterscheide sich von Dokument E2 dadurch, dass die absorbierende Schicht aus Polyethylen bestehe und dieser eine laserabsorptive Substanz hinzugefügt sei.
Die objektive Aufgabe bestehe darin, die Laserabsorptivität einer Schicht aus Polyethylen zu erhöhen.
Hierzu werde im allgemeinen Fachwissen (E9) gelehrt, die Absorption durch Mischung mit Pigmenten zu erhöhen.
3.2 Das Streitpatent
3.2.1 Das Patent (siehe Absatz [0001]) betrifft eine Folie, insbesondere für Aufreißverpackungen, wobei die Folie aus mehreren Schichten besteht und mit einer Schwächungslinie versehen ist.
3.2.2 Gemäß Streitpatent (siehe Absatz [0003] des Streitpatents) finden Folienverpackungen in der Praxis immer breitere Anwendungsbereiche, da sie Luft- und Feuchtigkeitsdicht sind und zudem nur ein geringes Eigengewicht aufweisen. Zudem sind sie der Form des Verpackungsgutes optimal anpassbar.
Für Folienverpackungen werden häufig Polyolefinfolien und Verbundfolien mit polyolefinischen Schichten eingesetzt. Polyolefine sind siegelfähig und weisen gute mechanische Festigkeitseigenschaften bei einem geringen spezifischen Gewicht auf. Sie bewahren zudem den Feuchtigkeitsgehalt und die Aromen des Packgutes.
3.2.3 Ausweislich der Beschreibung lag der Erfindung vor dem Hintergrund des im Streitpatent dargestellten Standes der Technik (siehe Absätze [0007] bis [0012] des Streitpatents) die Aufgabe zugrunde (siehe Absatz [0013] des Streitpatents), eine Folie bereitzustellen, welche die mechanischen Eigenschaften einer Polyolefinfolie aufweist und sich entlang einer Schwächungslinie leicht und mit definierter Rissausbreitung einreißen lässt, wobei die Schwächungslinie, und somit die Folie, dicht sein soll.
3.2.4 Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch eine mehrschichtige Folie nach Anspruch 1 laut Hilfsantrag 3 gelöst (siehe Absätze [0014], [0015] und [0021] des Streitpatents), in der die enthaltenen Polyolefinschichten aus Polyethylen bestehen, wobei diese Folie mindestens zwei Polyethylenschichten umfasst, zumindest eine Polyethylenschicht eine laserabsorptive Substanz enthält und wobei zumindest eine weitere Polyethylenschicht diese Substanz nicht enthält und dass in die Polyethylenschicht mit der laserabsorptiven Substanz eine Schwächungslinie mittels eines CO2-Laserstrahls eingebracht ist.
3.2.5 Laut Streitpatent (siehe Absätze [0016] und [0021]) ermöglicht die Erfindung das Einbringen einer Schwächungslinie in eine Polyolefinschicht aus Polyethylen mit einem CO2-Laser. Dazu wird eine Substanz in die Polyolefinschicht aus Polyethylen eingebettet, die ein besonders ausgeprägtes Absorptionsvermögen für die Strahlung des CO2-Lasers hat. Der Absorptionsgrad dieser Substanz liegt um ein Vielfaches über dem Absorptionsgrad der Polyolefine aus Polyethylen. Als laserabsorptive Substanz sind Stoffe geeignet, die Strahlung in einem Wellenlängenbereich von 9,3 bis 11,5 mym, vorzugsweise 10,6 mym absorbieren und diese in Wärmeenergie umwandeln. Durch den Einsatz solcher Zusätze können gezielt bestimmte Schichten in Mehrschichtfolien gelasert werden. Vorzugsweise sind wenigstens zwei Polyethylenschichten direkt benachbart zueinander angeordnet, von denen eine Polyethylenschicht eine laserabsorptive Substanz enthält, während die andere Polyethylenschicht diese Substanz nicht enthält. In der Polyethylenschicht mit der laserabsorptiven Substanz wird eine Schwächungslinie erzeugt, so dass eine aus der Folie bestehende Verpackung leicht zu öffnen ist. Die andere ungeschwächte Polyethylenschicht sorgt dafür, dass die Verpackung im ungeöffneten Zustand dicht ist.
3.3 Der nächstliegende Stand der Technik
3.3.1 Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass das Dokument E2 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden kann. Die Kammer sieht keine Veranlassung, dem entgegenzutreten, da in Beispiel 1 von E2 eine Folie offenbart wird, die eine Reihe von Merkmalen des nunmehr beanspruchten Gegenstands zeigt.
3.3.2 Darin wird eine zweischichtige laminierte Folie 103 (siehe Abbildungen 10 bis 12 von E2) veranschaulicht, welche durch das Beschichten einer Oberfläche einer Nylonfolie 102 mit einem Zwei-Komponenten-Urethankleber und das Laminieren einer linearen, niedrigdichten Polyethylenfolie 101 auf der Oberfläche der Nylonfolie 102 hergestellt wurde, die mit dem Zwei-Komponenten-Urethankleber beschichtet ist. Demnach wird in Beispiel 1 ein PA (Nylon=Polyamide)/Urethankleber/Polyethylen (PE) Laminat veranschaulicht. Diese laminierte Folie 103 wird bearbeitet, um eine vordere Wand, eine rückwärtige Wand und eine Bodenwand auszubilden, die die Form eines umgekehrten Buchstabens V aufweist. Die vordere Wand, die rückwärtige Wand und die Bodenwand werden so kombiniert, dass die Folien 101 aus niedrigdichtem Polyethylen dieser Wände zueinander schauen bzw. gerichtet sind (also die Innenseite davon darstellen). Umfangsteile der Wände werden miteinander durch ein Hitze- bzw. Heißversiegeln verbunden, um eine leicht zu öffnende Verpackung 105 auszubilden, nämlich eine stehende Tasche, die eine Öffnung aufweist. Geeignete Teile der vorderen und der rückwärtigen Wand der Verpackung 105 werden mit Laserstrahlen (projiziert von einem Kohlendioxidgaslaser - Synrad, USA - 10,6 pm Wellenlänge und 4 W Leistung) kontinuierlich bestrahlt, während die Verpackungen intermittierend vorgetrieben bzw. vorwärts bewegt werden, um Reißeinschnitte 106 (Schwächungslinie) auszubilden, die jeweils Endteile R einer Breite größer als jene eines Mittelteils Q in der vorderen und der rückwärtigen Wand der Verpackung 105 aufweisen (siehe Abbildung 10).
Das Merkmal des Anspruchs 1 "wobei mindestens eine Polyolefinschicht die laserabsorptive Substanz nicht enthält und eine unversehrte Siegelschicht an der Verpackungsinnenseite bildet", wird in E2 offenbart. Die Folie der Verpackung laut Beispiel 1 von E2 enthält eine Schicht aus Polyethylen (101), die die inneren Wände der Verpackung bildet, also die Siegelschicht, und bleibt von Laserstrahlen unberührt.
3.3.3 In Beispiel 1 von Dokument E2 wird weiter offenbart, dass die vorderen rückwärtigen Wände der Verpackung 105 aus Nylon (ohne laserabsorptive Substanz) bestehen und mit Laserstrahlen (von einem Kohlendioxidgaslaser) kontinuierlich bestrahlt werden, um Reißeinschnitte 106 (Schwächungslinie) auszubilden.
Also wird in Beispiel 1 von E2 zwar eine laserabsorbierende Schicht offenbart, es wird jedoch nicht offenbart, dass die laserabsorbierende Schicht aus Polyethylen besteht und dieser eine laserabsorptive Substanz hinzugefügt wird, um darauf eine Schwächungslinie mit Laserstrahlen auszubilden.
3.3.4 Die Folie laut vorliegendem Anspruch 1 unterscheidet sich von der Folie vom Beispiel 1 von E2 daher dadurch:
- dass der Aufbau der Folie zumindest zwei Polyethylenschichten umfasst;
- wobei zumindest eine Polyethylenschicht eine laserabsorptive Substanz enthält; und
- wobei die Schwächungslinie in die Polyethylenschicht mit der laserabsorptiven Substanz mittels CO2-Laserstrahls eingebracht wird.
3.4 Die technische Aufgabe
3.4.1 E2 wurde in der ursprünglichen Anmeldung nicht gewürdigt. Somit wurde E2 bei der ursprünglichen Formulierung der zu lösenden technischen Aufgabe nicht berücksichtigt.
3.4.2 In der fehlenden Würdigung von E2 sieht die Kammer aber keinen Grund, von der im Streitpatent (Absatz [0010]) formulierten Aufgabe, nämlich "eine Folie anzugeben, welche die mechanischen Eigenschaften einer Polyolefinfolie aufweist und sich entlang einer Schwächungslinie leicht und mit definierter Rißausbreitung einreißen lässt, wobei die Schwächungslinie dicht sein soll", generell abzuweichen. Insoweit ist zu berücksichtigen, das in Absatz [0005] des Streitpatents unter anderem ein Stand der Technik gewürdigt wird, ausweislich dessen bei Folien, die nicht aus Polyolefinen sondern aus PET bestehen, bekannt war, eine Schwächung durch den Einsatz von Lasern vorzunehmen. PET ist eins der in E2 erwähnten geeigneten Polymere.
3.4.3 Dass die oben dargelegten Unterscheidungsmerkmale, welche nur Polyolefinschichten aus Polyethylen betreffen, eine Verbesserung implizieren, ist nicht belegt.
3.4.4 Die im Absatz [0010] des Streitpatents dargestellte Aufgabe war allerdings nicht ganz korrekt formuliert, da sie definierte, dass lediglich die Schwächungslinie dicht sein soll. Dies war dahingehend zu präzisieren, dass die Folie dicht sein soll. Die während der mündlichen Verhandlung präzisierte technische Aufgabe besteht daher in der Bereitstellung einer weiteren mehrschichtige Folie für Aufreißverpackungen, welche die mechanischen Eigenschaften einer Polyolefinfolie aufweist und sich entlang einer Schwächungslinie leicht und mit definierter Rissausbreitung einreißen lässt, wobei die Folie dicht ist.
3.4.5 Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte und vorgetragene Aufgabe war demgegenüber nicht korrekt formuliert, da sie bereits ein Unterscheidungsmerkmal (laserabsorptive Folie aus Polyethylen), das der Lösung der Aufgabe dient, beinhaltete.
3.5 Lösung
3.5.1 Gemäß Streitpatent (Absätze [0014], [0015] und [0021]) wird diese Aufgabe durch die im Anspruch 1 laut Hilfsantrag 3 definierte mehrschichtige Folie gelöst, welche dadurch gekennzeichnet ist,
- dass die Folie für Aufreissverpackungen mit zumindest zwei Polyolefinschichten versehen ist;
- wobei zumindest eine Polyolefinschicht eine laserabsorptive Substanz enthält; und
- wobei in die Polyolefinschicht mit der laserabsorptiven Substanz eine Schwächungslinie mittels eines CO2-Laserstrahls eingebracht ist,
- wobei mindestens eine weitere Polyolefinschicht die laserabsorptive Substanz nicht enthält und eine unversehrte Siegelschicht an der Verpackungsinnenseite bildet,
- wobei die Polyolefinschichten aus Polyethylen bestehen.
3.6 Erfolg der beanspruchten Lösung
3.6.1 Es ist unbestritten, dass diese nicht ambitionierte Aufgabe durch die beanspruchte Folie tatsächlich gelöst wird.
3.7 Naheliegen der Lösung
3.7.1 Es verbleibt demnach zu untersuchen, ob es ausgehend von der Ausführungsform nach Beispiel 1 von E2 für den mit der obigen technischen Aufgabe befassten Fachmann naheliegend war, die Folie gemäß Beispiel 1 von E2 so abzuändern, dass sie unter den Anspruch 1 fällt.
3.7.2 In E2 werden Nylon (ein Polyamid) und PET (ein Polyester) für die laserabsorptive Schicht bevorzugt (siehe Seite 3, Zeilen 51-54), weil sie die Strahlung per se gut absorbieren (siehe Seite 3, Zeile 23) und die notwendigen physikalischen und chemischen Eigenschaften aufweisen. E2 offenbart weitere, wenngleich nicht bevorzugte, polymerische Materialien für die laserabsorptive Schicht (siehe Seite 3, Zeilen 40 bis 42). Als einziges weiteres polyolefinisches Material für die laserabsorptive Schicht legt E2 lediglich, wenngleich nicht bevorzugt, die Verwendung von Polypropylen nahe. Ein Hinweis, diesem eine absorptive Substanz für die zu bestrahlende Wand der Verpackung hinzuzufügen, findet sich in E2 nicht, zumal E2 Materialien offenbart, die bereits laserabsorbierend sind ("capable of absorbing a laser beam", siehe Seite 3, Zeile 23). Somit legt E2 die Verwendung von anderen Polyolefinen als Polypropylen, mit oder ohne laserstrahlungsabsorbierende Substanz, auch in nicht bevorzugter Weise, nicht nahe.
3.7.3 Die Kammer teilt nicht die Meinung der Beschwerdeführerin, dass eine derartige Folie, aus einer Zusammenschau der Dokumente E2 und E9 hervorgeht, und zwar aus folgenden Gründen:
3.7.4 Für das Naheliegen der beanspruchten Lösung hat sich die Beschwerdeführerin lediglich auf E9 bezogen, insbesondere auf die Seiten 385 ("Engraving") und 387 ("Material Properties", zweiter Absatz). Darin wird jedoch lediglich allgemein offenbart, dass Polyethylen und Polypropylen die Laserstrahlung wenig absorbieren, dass aber ihre Absorption durch Mischung mit Pigmenten erhöht werden kann. Daraus ergibt sich für den Fachmann indes keine Veranlassung, die in Beispiel 1 der E2 verwendete äußere Schicht durch eine Schicht aus Polyethylen zu ersetzen, aus folgenden Gründen:
- E9 betrifft allgemeine laserabsorptive Eigenschaften von unter anderem Polypropylen und Polyethylen materialien als solche, ohne Bezug auf irgendeine Verwendung davon. Wenn überhaupt wird aus E9 ersichtlich, warum Polypropylen in E2 nicht bevorzugt wird, nämlich weil weniger "capable of absorbing a laser beam" als Nylon oder PET;
- E2 erwähnt die mögliche Verwendung einer Polyolefin wie Polypropylen zur Bildung von aufreißbaren Verpackungen wie das Streitpatent, und zieht Polypropylen aber nicht vor Nylon und PET vor.
Der von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Ersatz von nicht bevorzugtem Polypropylen ohne absorptive Substanz in E2 durch Polyethylen mit absorptiver Substanz auf Basis von E9, in der Erwartung die gestellte technische Aufgabe zu lösen, ist daher nur unter rückschauender Betrachtung möglich, also ohne Veranlassung für den von E2 ausgehenden Fachmann.
3.7.5 Folglich vermag die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Kombination von E2 und E9 nicht in einer naheliegenden Weise zum beanspruchten Gegenstand zu führen.
3.8 Die Folie laut Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 lag für den Fachmann daher ausgehend aus E2 nicht nahe, so dass die Voraussetzungen des Artikels 56 EPÜ vorliegen.
3.9 Dies gilt a fortiori auch für die weiter beschränkten Gegenstände der abhängigen Ansprüche 2 bis 8.
4. Der Hilfsantrag 3 entspricht somit den Erfordernissen des EPÜ, soweit diese im vorliegenden Beschwerdeverfahren einer Überprüfung zugänglich waren und ist daher gewährbar.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent in geändertem Umfang auf Grundlage der Patentansprüche 1 bis 8 des Hilfsantrags 3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.