T 1108/16 () of 23.11.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T110816.20201123
Datum der Entscheidung: 23 November 2020
Aktenzeichen: T 1108/16
Anmeldenummer: 10740535.9
IPC-Klasse: B30B15/16
F15B11/024
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
Download und weitere Informationen:
Text der Entscheidung in DE (PDF, 443 KB)
Alle Dokumente zum Beschwerdeverfahren finden Sie im Register
Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VORGESPANNTER HYDRAULISCHER ANTRIEB MIT DREHZAHLVARIABLER PUMPE
Name des Anmelders: Robert Bosch GmbH
Name des Einsprechenden: MOOG GmbH
Kammer: 3.2.07
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 106(1) (2007)
European Patent Convention Art 123(3) (2007)
European Patent Convention R 99(2) (2007)
RPBA2020 Art 012(3) (2020)
RPBA2020 Art 013(1) (2020)
RPBA2020 Art 013(2) (2020)
RPBA2020 Art 015(1) (2020)
RPBA2020 Art 025(1) (2020)
RPBA2020 Art 025(2) (2020)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(2) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1) (2007)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3) (2007)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Spät vorgebrachte Argumente - Rechtfertigung für späte Vorlage (nein)
Änderungen - Erweiterung des Patentanspruchs (ja)
Spät eingereichter Antrag - Rechtfertigung für späte Vorlage (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
T 2096/19

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung, mit der der gegen das europäische Patent Nr. 2 480 405 gerichtete Einspruch zurückgewiesen wurde, form- und fristgemäß Beschwerde eingelegt.

II. Mit dem Einspruch griff die Beschwerdeführerin das Patent in vollem Umfang unter Geltendmachung der Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit sowie erfinderischer Tätigkeit.

III. Die folgende Dokumente, die in der angefochtenen Entscheidung erwähnt wurden, sind in dieser Entscheidung ebenfalls erwähnt:

A4: Artikel ,,Energiesparende Primär- und

Sekundärregelung für Pressen", S.Schmidt, Zeitschrift ,,Ölhydraulik und Pneumatik", Band 10, 1997,

A9: JP 2006/31 6800 A, mit Übersetzung (A9T).

Folgende Dokumente wurden in der Beschwerdebegründung erwähnt:

A21: Helduser, "Fluidtechnische Antriebe und

Steuerungen", Seite 129

A22: Neubert, "Untersuchungen von drehzahlvariablen

Pumpen"

A23: DE 32 02 015 C2.

IV. Am 29. Januar 2020 erging eine Ladung zur mündlichen Verhandlung gemäß Regel 115 (1) EPÜ.

Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 9. April 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, mit einer positiven Einschätzung der Erfolgsaussichten der Beschwerde.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) reichte mit Schriftsatz vom 18. August 2020 ihre Reaktion auf diese Mitteilung der Kammer.

Eine zweite Mitteilung der Kammer erging am 3. September 2020 mit weiteren Hinweisen, u.a. auf Änderungen des Vorbringens der Beschwerdegegnerin, die seitens der Kammer identifiziert wurden.

Die Beschwerdeführerin reagierte mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2020.

Die Beschwerdegegnerin legte mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2020 u.a. neue Hilfsanträge vor.

Die mündliche Verhandlung fand am 23. November 2020 vor der Kammer statt, in der die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert wurde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.

Die Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.

V. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt

die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und

den Widerruf des Streitpatents.

VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt

die Zurückweisung der Beschwerde

oder hilfsweise,

bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,

die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der Anspruchssätze,

eingereicht als Hilfsanträge 1, 2, 4, 5 mit der Beschwerdeerwiderung, und

als Hilfsanträge 1a , 2a, 4a 5a mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2020.

VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (wie erteilt) lautet wie folgt (die Merkmalsgliederung des Beschwerdeführerin wurde durch die Kammer hinzugefügt):

(1a) "Hydraulischer Antrieb

(1b) mit einer von einem elektrischen Antriebsmotor (2)

drehzahlvariabel angesteuerten Hydromaschine (1),

(1c) einem Hauptzylinder (4) zur Durchführung eines

kraftaufbauenden Bewegungsablaufs

(1d) sowie einem Nebenzylinder (8) zur Durchführung eines

schnellen Bewegungsablaufs,

dadurch gekennzeichnet, dass

(1e)(1f)im Betrieb zumindest eine Kolbenseite des

Hauptzylinders (4) mit einem von einer externen Druckquelle (13) und/oder von der vom Antriebsmotor (2) mechanisch angesteuerten Hydromaschine (1) an deren einem Druckanschluss aufgebauten vorbestimmten Permanentdruck beaufschlagt ist,

(1g)(1h)wobei die Hydromaschine (1) im Betrieb ferner durch

ausgewähltes Umfördern von Druckmittel in einem geschlossenen Kreis, in den die Hydromaschine (1) zwischengeschaltet ist, eine Hubbewegung des Hauptzylinders (4) und des Nebenzylinders (8) nach jeweils einem der zwei Bewegungsabläufe bewirkt."

Der Anspruch 1 der Hilfsanträge 1, 2, 4 und 5 wurde gegenüber Anspruch 1 des Patents in der erteilten Fassung u.a. dahingehend abgeändert, dass im kennzeichnenden Teil das Merkmal "von einer externen Druckquelle" durch das Merkmal "von einem Druckspeicher" ersetzt wurde. Weitere, nicht entscheidungserhebliche Änderungen betrafen die Hinzufügung von Merkmalen aus der Beschreibung oder aus Unteransprüchen am Schluss des kennzeichnenden Teils.

Der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1a,2a,4a und 5a wurde, im Vergleich mit dem Anspruch 1 der Hilfsanträgen 1, 2, 4 und 5 so abgeändert, dass das im kennzeichnenden Teil das Merkmal

"von einem Druckspeicher" durch das Merkmal

"von einem externen Druckspeicher" ersetzt wurde.

VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden.

Zum Hauptantrag

Die unter Punkt 3.2.3 der angefochtenen Entscheidung enthaltene Feststellung, dass die Kombination der Lehren der Schriften A9 (als nächstliegender Stand der Technik) und A4 die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht infrage stellt, sei nicht korrekt (siehe Seiten 28 bis 30 der Beschwerdebegründung).

Zu den Hilfsanträgen 1, 2, 4, 5

Der Schutzbereich der Ansprüche der mit der Beschwerdeerwiderung vorgelegte Hilfsanträge 1, 2, 4 und 5 sei im Vergleich mit dem der erteilten Ansprüche (Hauptantrag) durch die Ersetzung von "externe Druckquelle" durch "Druckspeicher" unzulässig erweitert worden im Sinne von Artikel 123 (3) EPÜ (siehe Seiten 29 bis 32 des Schriftsatzes vom 20. Juni 2017).

Zur Verspätung der diesbezüglichen Argumenten der Beschwerdegegnerin

Soweit die Beschwerdegegnerin erstmals mit Schriftsatz vom 18. August 2020 auf die oben erwähnten Einwände der Beschwerdeführerin reagiert habe, sei dieses Vorbringen verspätet und somit nicht zuzulassen.

Zu den Hilfsanträgen 1a, 2a, 4a, 5a

Die mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2020 vorgelegten Hilfsanträge 1a, 2a, 4a 5a seien ebenfalls verspätet und somit nicht in das Verfahren zuzulassen.

IX. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden.

Zum Hauptantrag

Die Einspruchsabteilung habe in der angefochtenen Entscheidung die Anwesenheit einer erfinderischen Tätigkeit korrekt festgestellt, weil die wesentlichen strukturellen Unterschiede zwischen den in A9 und A4 gezeigten hydraulischen Antrieben den Fachmann gehindert hätten, die Lehren dieser beiden Schriften zu kombinieren.

Dem diesbezüglichen Einwand der Beschwerdeführerin sei insbesondere auch deshalb nicht zu folgen, weil ausgehend von A9 weitere Unterscheidungsmerkmale (1c, 1d) identifizierbar seien, die die Beschwerdeführerin nicht als solche erkannt habe.

Diese Argumentationslinien seien nicht erst mit dem Schriftsatz vom 18. August 2020 vorgelegt worden, sondern bereits während des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung eingereicht und und dort aufrechterhalten wurden.

Diesen Argumentationslinien seien aber auch als eine selbstverständliche Weiterentwicklung von den Argumenten, die bereits mit der Beschwerdeerwiderung vorgelegt wurden, anzusehen, obwohl die Kombination der Lehren der Dokumente A9 und A4 dort nicht direkt behandelt wurde.

Die von die Beschwerdeführerin beantragte Nichtzulassung dieses Vorbringens unter Anwendung des Artikels 13 (2) VOBK 2020 sei mit den Gründsätzen des EPÜ nicht zu vereinbaren, insbesondere weil die VOBK 2020 zur Zeit der Abfassung der Beschwerdeerwiderung weder in Kraft noch sonst bekannt war.

Zu den Hilfsanträgen 1, 2, 4, 5

Durch das Weglassen des Adjektivs "extern" könne keine unzulässige Erweiterung des Schutzumfangs der Hilfsanträgen verursacht werden. Der Fachmann könne nämlich nicht unterscheiden, ob ein Druckspeicher der anspruchsgemäß hydraulisch mit dem Antrieb verbunden, mithin also "extern" oder "intern" sei.

Die Geltendmachung dieser Argumentationslinie erst mit Schriftsatz vom 18. August 2020 sei nicht als verspätet anzusehen, weil der Umfang des diesbezüglichen Einwands der Beschwerdeführerin erst nach Erhalt der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 klar geworden sei.

Zu den Hilfsanträgen 1a, 2a, 4a, 5a

Die Hilfsanträge 1a, 2a, 4a 5a seien eigentlich bereits mit dem Schriftsatz vom 6. Dezember 2016 vorgelegt worden bzw. so zu behandeln, da die Beschwerdegegnerin hierin ihre Bereitschaft zur Wiedereinsetzung des Merkmals "extern" in den Hilfsanträgen 1, 2, 4, 5 angekündigt habe.

Die durch die Beschwerdeführerin beantragte Nichtzulassung dieser Hilfsanträge unter Anwendung von Artikel 13 (2) VOBK 2020 sei somit nicht gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

1. VOBK 2020 - Anwendbarkeit

Das Beschwerdeverfahren unterliegt der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, die am 1. Januar 2020 in Kraft trat (Artikel 25 (1) VOBK 2020), jedoch mit Ausnahme von Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020, anstelle dessen Artikel 12 (4) VOBK 2007 weiterhin anwendbar ist (Artikel 25 (2) VOBK 2020).

2. Verspätete Argumente der Beschwerdegegnerin

2.1 Die Beschwerdegegnerin hat auf den von der Beschwerdeführerin in deren Beschwerdebegründung erhobenen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes von Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag im Hinblick auf die Kombination der Lehren von Dokumenten A9 und A4 weder in der Beschwerdeerwiderung noch im Schriftsatz vom 6. Februar 2018 reagiert und erst nach Erhalt der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK, mit Schriftsatz vom 18. August 2020, argumentiert, warum eine Zusammenschau der beiden Druckschriften nicht zur Merkmalskombination des Patentanspruches 1 in naheliegender Weise führen könne.

Dazu hat die Beschwerdegegnerin in erster Linie geltend gemacht, dass A9 neben den Anspruchsmerkmalen 1e und 1f entsprechend den Feststellungen der Einspruchsabteilung auch die Merkmale 1c und 1d (Hauptzylinder und Nebenzylinder) und 1h (Hubbewegung des Hauptzylinders und des Nebenzylinders) nicht offenbare, und im Detail erklärt, welche wesentliche strukturellen Unterschiede zwischen den in A9 und A4 gezeigten hydraulischen Antrieben den Fachmann gehindert hätten, die Lehren dieser beiden Schriften zu kombinieren.

2.2 Hinsichtlich der Zulassung und Berücksichtigung dieses Vorbringens hat die Beschwerdegegnerin schriftlich vorgetragen, dass dies keine Änderung des Vorbringens darstelle, da ein entsprechender Vortrag bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung vorgebracht und dort aufrechterhalten wurde.

2.3 Dies hat die Kammer aus folgenden Gründen nicht überzeugt.

Eine neue Argumentationslinie, die in der Beschwerdeerwiderung nicht enthalten war, ist eindeutig als Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdegegnerin zu betrachten, selbst wenn sie im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht und aufrechterhalten wurde.

Gemäß Artikel 12 (3) VOBK 2020, der im Wesentlichen dem im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerdeerwiderung geltenden Artikel 12 (2) VOBK 2007 entspricht, muss die Beschwerdeerwiderung vollständig sein, d.h. die vollständige Erwiderung der Beschwerdegegnerin auf die Beschwerdebegründung enthalten, weil dort anzugeben ist, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung zu bestätigen.

2.4 Die Beschwerdegegnerin macht auch geltend, dass, obwohl die Kombination der Lehren der Dokumente A9 und A4 in der Beschwerdeerwiderung nicht direkt behandelt wurde, das im Schriftsatz vom 18. August 2020 enthaltene diesbezüglichen Vorbringen als eine direkte und selbstverständliche Weiterentwicklung von Argumenten, die bereits mit der Beschwerdeerwiderung vorgelegt wurden, anzusehen war.

Grund dafür sei die in der Beschwerdeerwiderung enthaltene detaillierte Analyse des Inhalts der Schriften A9 und A4, die im Rahmen der Diskussion der Neuheit (siehe Punkt IV.4) und der erfinderischen Tätigkeit (siehe die Punkte V.1 und V.3) des Hauptantrags durchgeführt wurde.

Daraus sei die grundsätzliche Inkompatibilität der Lehren dieser Schriften direkt zu entnehmen, und somit auch die Gründe, die offensichtlich, nach Auffassung der Beschwerdegegnerin, gegen deren Kombination sprechen.

2.5 Dieser Argumentationsansatz überzeugt nicht. Vielmehr ist der Beschwerdeführerin zuzustimmen, dass die Beschwerdegegnerin in der Beschwerdeerwiderung (aber auch im Schriftsatz vom 6. Februar 2018) auf den Einwand der mangelnder erfinderischen Tätigkeit zur der Kombination der Lehren der Dokumente A9 und A4 überhaupt nicht reagiert hat.

Insbesondere im kontradiktorischen Einspruchsbeschwerdeverfahren ist die Kammer grundsätzlich an das jeweilige Parteivorbringen als Grundlage für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gebunden. Es ist - und kann - daher nicht Aufgabe der Kammer sein, Argumente, die eine Partei, hier die Beschwerdegegnerin, zur Verteidigung des erteilten Patents, zur Stützung ihres Antragsbegehrens nicht formuliert hat, von Amts wegen aus dem jeweiligen Vorbringen selbst zu konstruieren oder weiterzuentwickeln und damit ins Verfahren einzuführen.

2.6 Die von der Beschwerdeführerin beantragte Nichtzulassung und Nichtberücksichtigung dieses Vorbringens auf der Basis von Artikel 13 (2) VOBK 2020 sei, so die Beschwerdegegnerin, mit den Gründsätzen des EPÜ nicht zu vereinbaren, insbesondere weil die im Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerdeerwiderung geltende Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2007) weder in Kraft noch sonst bekannt war, und eine Anwendung der VOBK 2007 für die Beschwerdegegnerin im vorliegenden Fall vorteilhaft sei.

2.7 Dieser Ansatz der Beschwerdegegnerin ist in zweifacher Hinsicht rechtsirrig, da zum einen auch bei (fiktiver) Anwendung der VOBK 2007 deren geändertes Vorbringen nicht zuzulassen und zu berücksichtigen wäre und zum anderen die verfahrensrechtlich gebotene Anwendung der VOBK 2020 einer Zulassung und Berücksichtigung dieses Vorbringens entgegensteht.

2.7.1 Artikel 12 (2) VOBK 2007 enthält das Erfordernis einer vollständigen Aufbereitung des Falles durch die Beteiligten in inter partes Verfahren bereits in erstem Schriftsatzwechsel (Beschwerdebegründung und Beschwerdeerwiderung). Denn nach dieser Vorschrift müssen "[d]ie Beschwerdebegründung und die Erwiderung müssen den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten. Sie müssen deutlich und knapp angeben, aus welchen Gründen beantragt wird, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, abzuändern oder zu bestätigen, und sollen ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen."

Daraus folgt, dass zumindest die Gründe, die in der angefochtenen Entscheidung zuungunsten der Beschwerdeführerin ausgefallen sind, und in der Beschwerdebegründung erneut vorgelegt wurden, bereits gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2007 von der Beschwerdegegnerin in deren Beschwerdeerwiderung zu berücksichtigen waren, zumal in der angefochtenen Entscheidung die erfinderische Tätigkeit des Anspruchsgegenstandes im Hinblick auf die Kombination der Lehren der Dokumente A9 und A4 ausdrücklich entschieden worden war (Punkt 3.2.3 der Entscheidungsgründe).

Artikel 12 (3) VOBK 2020 entspricht im Wesentlichen Artikel 12 (2) VOBK 2007 und fordert den Parteien nicht mehr, aber eben auch nicht weniger als den Artikel 12 (2) VOBK 2007 ab.

Das Bestreben die Beteiligten darin zu bestärken, ihr erstes Vorbringen so früh und vollständig wie möglich einzureichen, wurde zusätzlich durch Artikel 13 VOBK 2007 gestützt. Dabei galt, dass je später Änderungen des Vorbringens in Verfahren eingeführt wurden, desto restriktiver deren Zulassung durch die zuständige Beschwerdekammer geprüft wurde.

Dies folgt nicht zuletzt aus Artikel 13 (3) VOBK 2007, der die Nichtzulassung als Regel vorsah. Danach wurden "Änderungen des Vorbringens nach der Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist."

Die Komplexität des vorliegenden Falles, nicht zuletzt augrund des verspäteten Vorbringens seitens der Beschwerdegegnerin, und nicht nur in "technischer", sondern auch in "prozessualer" Hinsicht, wurde von beiden Parteien anerkannt und von der Beschwerdegegnerin selbst, zusammen mit dem Infektionsschutz, sogar als Grund für einen Antrag auf Verlegung bzw. Neufestsetzung eines Termins zur mündlichen Verhandlung geltend gemacht (siehe die Schriftsätze beider Parteien vom 12. November 2020).

Die Kammer teilt diese Ansicht und merkt dazu an, dass bereits die Zulassung des geänderten Vorbringens der Beschwerdegegnerin zur erfinderischen Tätigkeit auch ohne Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens der Beschwerdegegnerin zu den Hilfsanträgen eine solche Verschiebung der mündlichen Verhandlung erforderlich gemacht hätte, um der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zur Äußerung zu geben, ob und inwieweit die von der Beschwerdegegnerin verspätet als Unterscheidungsmerkmale geltend gemachten Anspruchsmerkmale 1c, 1d und 1h einen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit des Anspruchsgegenstandes hätten leisten können oder durch die im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen hätten nahegelegt sein können.

Damit greift das Argument der Beschwerdegegnerin, demzufolge im vorliegenden Fall die Anwendung der VOBK 2007 zur Zulassung ihres geänderten Vorbringens geführt hätte, aus rechtlichen wie tatsächlichen Gründen nicht durch.

2.7.2 Wie oben unter Punkt 1 ausgeführt findet die VOBK 2020 auf das vorliegende Verfahren Anwendung. Soweit die Artikel 25 (2) VOBK 2020 die Anwendung von Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020 ausschließt, hat dieser Ausschluss keine Relevanz für die vorliegende Entscheidung.

Gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten, die nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht wurden, grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.

In vorliegendem Fall hat die Beschwerdegegnerin solche außergewöhnliche Umstände für die Verspätung weder schriftlich noch in der mündlichen Verhandlung dargelegt. Hinzu kommen die oben unter Punkt 2.7.1 genannten Erwägungen zur durch das geänderte Vorbringen der Beschwerdegegnerin bedingten Verlagerung bzw. Steigerung der Komplexität des vorliegenden Falles.

2.8 Die Kammer entscheidet somit, die neue Argumente der Beschwerdegegnerin, die die Kombination der Lehren der Schriften A4 und A9 betreffen, unberücksichtigt zu lassen.

3. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit - A9+A4

3.1 A9 - Eignung als Startpunkt

A9 wird in der Beschreibung des Streitpatents (Absatz [0004]) als ein Dokument identifiziert, das einen gattungsgemäßen Antrieb offenbart, und betrifft einen hydraulischen Antrieb mit einer von einem elektrischen Motor (26) drehzahlvariabel (siehe Absatz [0025] der Übersetzung) angesteuerten Hydromaschine (27) (Figur 1).

A9 offenbart somit unstreitig die Merkmale 1a und 1b des Anspruchs 1 des Hauptantrags.

A9 betrifft einen Antrieb, bei dem zwei konzentrische Zylinder (6, 9, siehe die Figuren sowie Absatz [0021] der Beschreibungsübersetzung) zusammen Bewegungsabläufe verwirklichen, die entweder kraftaufbauend oder schnell sein können.

A9 offenbart, dass der (größere) Hauptzylinder (6) zur Durchführung eines langsamen, kraftaufbauenden Bewegungsablaufs beiträgt (siehe die Figuren 2 und 3, und die Absätze [0029] und [0030]).

A9 offenbart auch, dass der (kleinere) Nebenzylinder (9) (siehe Absatz [0021]) zur Durchführung eines schnellen Bewegungsablaufs beiträgt (siehe die Figuren 1 und 4, und die Absätze [0028] und [0031]).

Weil Anspruch 1 nicht so formuliert ist, dass der Nebenzylinder ausschließlich zu einem schnellen Bewegungsablauf und dass der Hauptzylinder ausschließlich zu einem kraftaufbauenden Bewegungsablauf beitragen darf, offenbart A9 entsprechend dem Vorbringen der Beschwerdeführerin (siehe dazu die Beschwerdebegründung, Punkt 3.2.3) und entgegen dem ohnehin im Verfahren nicht zu berücksichtigendem geänderten Vorbringen der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung (siehe insoweit auch Punkt 2 oben) auch einen Hauptzylinder und einen Nebenzylinder im Sinne der Merkmale 1c und 1d des Anspruchs 1.

Bei dem hydraulischen Antrieb gemäß der A9 erfolgt eine Umsteuerung des Druckmittels durch die Ventilanordnungen 3 und 4 (siehe die Absätze [0029] bis [0031]).

Entgegen dem geänderten Vorbringen der Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung (siehe insoweit auch Punkt 2 oben) offenbart A9 somit auch, dass die Hydromaschine (27) im Betrieb durch ausgewähltes Umfördern von Druckmittel in einem geschlossenen Kreis (3, 5, 7, 9), in den die Hydromaschine (27) zwischengeschaltet ist, eine Hubbewegung des Hauptzylinders (A) und des Nebenzylinders (B) nach jeweils einem der zwei Bewegungsabläufe bewirkt (Merkmale 1g und 1h).

A9 ist somit an sich sehr relevant, und kann, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, als Startpunkt für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit angewandt werden.

3.2 Unterschied - Wirkung - zu lösende Aufgabe

Die einzige Unterscheidungsmerkmale, die zwischen aus der A9 bekannten Antrieb und dem Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags von der Kammer identifiziert werden können, sind, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, die Merkmale 1e und 1f (siehe auch die angefochtene Entscheidung, Punkt 3.2.3).

Beide Parteien haben sich während de mündlichen Verhandlung mit der in der angefochtenen Entscheidung formulierte Aufgabe, Energie zu sparen und Taktzeiten zu verkürzen, einverstanden gezeigt (siehe auch Absatz [0010] des Streitpatents).

3.3 Lehre der A4

Wie die Beschwerdeführerin bemerkt hat, betrifft die Druckschrift A4 eine energiesparende Primär- und Sekundärregelung für Pressen (siehe Titel).

In dem Abschnitt "Vorspannung" lehrt die A4 (ab Seite 748, rechte Spalte), dass der Druckaufbau bei einem Zylinder schneller und energetisch günstiger ist, wenn dieser mit einem Permanentdruck beaufschlagt (vorgespannt) ist (Seite 749, linke Spalte, fünfte Zeile).

Aus dem Ablaufdiagramm der A4 (Figur 5, rechte Seite) ist zu entnehmen, dass in der Phase "Vorspannen" die Ventile 6 und 12 in die Position "Rückschlag" geschaltet sind und Ventil 9 auf "Durchlass", so dass ein Niederdruckspeicher (ND, 13, Figur 5) für die Vorspannung sorgt.

Daher lehrt A4 auch, dass der Permanentdruck von einer externen Druckquelle aufzubauen ist (Merkmal lf).

Die Kammer schließt sich somit der Argumentationslinie der Beschwerdeführerin an, dass A4 eine Lehre enthält, die Merkmale 1e und 1f zur Lösung der gestellten Aufgabe zu verwenden.

3.4 Kombination A9-A4 - Diskussion der erfinderischen Tätigkeit

3.4.1 Bei der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit folgte die Einspruchsabteilung der Argumentationslinie der Beschwerdegegnerin, dass eine Kombination der Lehre der A9 mit der Lehre der A4 die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht infrage stellen könne, weil A4 lediglich einen an einem Konstantdruck angeschlossenen Hydrotransformator offenbart und weil der A9 kein Hinweis zu entnehmen wäre, eine Vorspannung an einem Hauptzylinder von einer externen Druckquelle und/oder von dem Antriebsmotor mechanisch angesteuerten Hydromaschine vorzusehen.

3.4.2 Diese Feststellung der Einspruchsabteilung hält einer Überprüfung durch die Kammer nicht stand. Vielmehr schließt sich die Kammer dem Beschwerdevorbringen der Beschwerdeführerin an, die diese Feststellung der angefochtenen Entscheidung mit dem Argument angreift, dass die oben identifizierten Lehren der A4 von allgemeiner Bedeutung sind und deshalb auch unabhängig von den in den Figuren 5 und 6a-6f dieser Schrift abgebildeten Vorrichtungen Anwendung finden können.

Grund dafür ist, dass A4 die Vorspannung (gemäß den Merkmalen 1e und 1f) nicht allein für Gleichgangzylinder lehrt, sondern auch bei Differentialzylindern ohne Einschränkungen empfiehlt (Seite 749, mittlere Spalte, erste zwei Absätze).

Die Vorteile der Vorspannung werden auf Seiten 748 und 749 der A4 losgelöst von den in den Figuren 5 und 6a-6f dieser Schrift abgebildeten Vorrichtungen beschrieben.

Die durch Vergleich der Figuren ersichtlichen wesentlichen strukturellen Unterschiede zwischen den in A9 und in A4 gezeigten hydraulischen Antrieben hätten somit den Fachmann nicht gehindert, die Lehren dieser beiden Schriften zu kombinieren.

Aus diesen Gründen teilt die Kammer die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass ausgehend von A9 und zur Lösung der Aufgabe, Energie zu sparen und Taktzeiten zu verkürzen, der Fachmann sich der Lehre der A4 bediente.

Dabei erkennte der Fachmann die in A4 eindeutig vorgestellten Vorteile der Vorspannung (Merkmal 1e) durch einen Niederdruckspeicher (Merkmal 1f) sofort und wendete diese Merkmale ohne praktische Schwierigkeiten auf die Vorrichtung gemäß A9 an.

Der Fachmann gelangte dadurch ohne Ausübung einer erfinderischen Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags.

Die Beschwerdeführerin hat somit überzeugend dargelegt, dass entgegen den Feststellungen der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht erfinderisch gegenüber der Kombination der Lehren der Schriften A9 und A4 ist.

4. Hilfsanträge 1, 2, 4, 5 - Artikel 123 (3) EPÜ und Zulassung

4.1 Zu den in diesen Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen bemängelt die Beschwerdeführerin u.a., dass der Schutzbereich erweitert wurde (Artikel 123 (3) EPÜ), weil das Teilmerkmal "von einer externen Druckquelle" gestrichen und durch "von einem Druckspeicher" ersetzt wurde und dadurch Antriebe geschützt werden, bei denen im Betrieb zumindest eine Kolbenseite des Hauptzylinders mit einem von einem innerhalb des Antriebs positionierten Druckspeicher mit einem Permanentdruck beaufschlagt ist (Schriftsatz vom 20. Juni 2017, Punkt 4, Seiten 29 bis 32).

Diese Argumentation der Beschwerdeführerin ist für sich genommen plausibel und überzeugend.

4.2 Hierzu hat die Beschwerdegegnerin weder in der Beschwerdeerwiderung noch im Schriftsatz vom 6. Februar 2018 reagiert.

4.2.1 Die Kammer merkt erneut an, dass es nicht ihre Aufgabe sein kann, zugunsten der Beschwerdegegnerin Argumente zur Verteidigung des Patents in geänderter Fassung von Amts wegen in das Verfahren einzuführen.

4.2.2 Soweit die Beschwerdegegnerin zu dem oben diskutierten Einwand erstmals nach Erhalt der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020, d.h. mit Schriftsatz vom 18. August 2020 (Punkt 4) und mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2020 (Punkt A.IV) reagiert hat, ist dieses Vorbringen verspätet.

4.2.3 Dazu hat die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung in erster Linie geltend gemacht, dass durch das Weglassen des Adjektivs "extern" keine unzulässige Erweiterung des Schutzumfangs der Hilfsanträgen verursacht werden könne, weil der Fachmann nicht sinnvoll unterscheiden könne, ob ein Druckspeicher, der anspruchsgemäß die Kolbenseite des Hauptzylinders beaufschlage, und somit zum hydraulischem Antrieb gehöre, "extern" oder "intern" sei (Schriftsatz vom 23. Oktober 2020, Punkt A.IV).

Die Beschwerdegegnerin hat während der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass dieses Vorbringen, zusammen mit den Argumenten, die erst mit Schriftsatz vom 18. August 2020 vorgelegt wurden, nicht als verspätet anzusehen sei, weil der Umfang des diesbezüglichen Einwands der Beschwerdeführerin nur nach dessen Umformulierung in der Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 der Beschwerdegegnerin klar geworden sei.

4.3 Die Zulassung von Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Beschwerdeerwiderung sowie nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung liegt im Ermessen der Kammer im Sinne von Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020.

Der Einwand der Erweiterung des Schutzumfangs in den Hilfsanträgen 1, 2, 4 und 5 wurde in Reaktion auf deren Einreichung im Schriftsatz vom 20. Juni 2017 eingereicht.

Die Beschwerdegegnerin hat im Schriftsatz vom 6. Februar 2018 erklärt, dass keine Erwiderung dazu nötig wäre, weil sie der Auffassung sei, dass mit dem Schriftsatz vom 20. Juni 2017 keine neue Sachverhalte durch die Beschwerdeführerin vorgetragen worden wären.

Die Kammer ist der Auffassung, dass die Argumente, mit denen die Beschwerdegegnerin die Hilfsanträge 1, 2, 4, 5 verteidigt, bereits mit dem Schriftsatz vom 6. Februar 2018 hätten vorgebracht werden können und müssen.

Dass eine Partei die Schriftsätze der Gegenpartei nicht sorgfältig analysiert und lieber die vorläufige Stellungnahme der Kammer abwartet, bevor sie auf einen Einwand reagiert, widerspricht der eigentlichen auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gerichteten Funktion des Beschwerdeverfahrens und dem dem Gebot der Verfahrensökonomie folgenden Prinzip des frühzeitigen und vollständigen Vorbringens der Parteien (Artikel 106 (1) EPÜ, Regel 99 (2) EPÜ und Artikel 12 (2) VOBK 2020).

Die Vorgehensweise der Beschwerdegegnerin ist mit dem Prinzip der Verfahrensökonomie unvereinbar.

4.4 Die Kammer entscheidet daher, ihr Ermessen gemäß Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020 auszuüben, die erst mit Schriftsatz vom 18. August 2020 vorgetragenen Argumente zu den Hilfsanträgen 1, 2, 4 und 5 nicht ins Verfahren zuzulassen, so dass die von der Beschwerdeführerin gegen diese Hilfsanträge in substantiierter Weise erhobenen Einwände von der Beschwerdegegnerin nicht erheblich bestritten wurden.

Die Kammer erkennt daher, dass die Gegenstände von Anspruch 1 gemäß diesen Hilfsanträgen wegen unzulässiger Erweiterung im Sinne von Artikel 123 (3) EPÜ nicht gewährbar sind.

5. Zulassung der Hilfsanträge 1a, 2a, 4a und 5a

5.1 Die Beschwerdegegnerin hat mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2020 in Reaktion zur Kammermitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 die Hilfsanträge 1a, 2a, 4a und 5a eingereicht, deren Zulassung ins Beschwerdeverfahren die Beschwerdeführerin wegen Verspätung widerspricht.

5.2 Die von der Beschwerdeführerin beantragte Nichtzulassung dieser Hilfsanträge auf der Basis von Artikel 13 (2) VOBK 2020 sei nicht gerechtfertigt, so die Beschwerdegegnerin, weil diese Anträge tatsächlich bereits mit der Beschwerdeerwiderung vorgelegt worden wären oder als vorgelegt gölten, weil sie in der Beschwerdeerwiderung die Bereitschaft zur Wiedereinfügung des Merkmals "extern" in die Hilfsanträge 1, 2, 4 und 5 angekündigt habe.

5.3 Diese Argumente der Beschwerdegegnerin überzeugen nicht.

Grund dafür ist, dass es im Hinblick auf die Verfahrensökonomie sowie den Verfügungsgrundsatz, die Kammer nicht befugt war, die in der Beschwerdeerwiderung erklärte Bereitschaft zur Wiedereinfügung des Merkmals "extern" in die Hilfsanträge 1, 2, 4 und 5 als die Vorlage von nicht eindeutig ausformulierten Hilfsanträgen zu verstehen und diese Anträge in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 von Amts wegen zu prüfen.

Es ist auch nicht Sache der Kammer, eine prinzipielle Stellungnahme zur Zulässigkeit eines bestimmten Merkmals abzugeben, weil sie damit der Beschwerdegegnerin eine Hilfestellung bei der Formulierung ihrer Anträge leisten könnte.

Eine solche Prüfung widerspräche der eigentlichen auf die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung gerichteten Funktion des Beschwerdeverfahrens sowie der Verpflichtung der Kammer zur Unparteilichkeit im inter partes-Verfahren.

Die Kammer ist somit der Ansicht, dass die Vorlage dieser Hilfsanträgen in verfahrensrechtlicher Hinsicht erst mit deren vollständiger Einreichung mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2020 erfolgt ist.

5.4 Die Zulassung von Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung sowie nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung liegt im Ermessen der Kammer im Sinne von Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020.

Die Beschwerdegegnerin hat zur Rechtfertigung der späten Einreichung nichts vorgetragen (siehe Schriftsatz vom 23. Oktober 2020).

Weil der Sachvortrag der Beschwerdeführerin bezüglich der Frage der Erweiterung des Schutzumfangs im Vergleich mit dem Schriftsatz vom 20. Juni 2017 sich nicht geändert hat, sieht die Kammer auch keinen rechtfertigenden Grund für eine verspätete Vorlage der Anträge durch die Beschwerdegegnerin.

Die Hilfsanträge 1a, 2a, 4a, 5a hätten somit jedenfalls bereits mit dem Schriftsatz vom 6. Februar 2018 vorgebracht werden können und müssen.

Die Kammer entscheidet daher, ihr Ermessen gemäß Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020 dahin auszuüben, die Hilfsanträge 1a, 2a, 4a und 5a nicht ins Verfahren zuzulassen.

6. Die Anträge beider Parteien in Bezug auf die Dokumente A21-A23 brauchen nicht behandelt zu werden, da diese Dokumente für die vorliegende Entscheidung nicht relevant sind (Beschwerdeerwiderung, Punkt II).

7. Da keiner der vorliegenden zulässigen Anspruchssätzen gewährbar ist, sind die angefochtene Entscheidung entsprechend dem Beschwerdeantrag der Beschwerdeführerin aufzuheben und das Streitpatent entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführerin zu widerrufen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Das Patent wird widerrufen.

Quick Navigation