T 1060/16 (Papierschicht mit offene Zwischenräume / PARADOR) of 29.8.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T106016.20190829
Datum der Entscheidung: 29 August 2019
Aktenzeichen: T 1060/16
Anmeldenummer: 09707694.7
IPC-Klasse: B41M 7/00
D21H 19/38
D21H 19/76
D21H 23/70
D21H 27/00
B44C 5/04
B41M 5/52
D21H 27/26
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: PAPIERSCHICHT ZUM HERSTELLEN EINES FLÄCHIGEN, BEDRUCKTEN ODER BEDRUCKBAREN BAUTEILS
Name des Anmelders: Parador GmbH
Flooring Industries Limited, SARL
Name des Einsprechenden: Schoeller Technocell GmbH & Co. KG
Essity Hygiene and Health Aktiebolag
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Schlagwörter: Zulässigkeit des Hauptantrags - (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Patentinhaberinnen (im Folgenden die "Beschwerdeführerin") richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr 2 274 485 zu widerrufen.

II. Mit ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin das Patent in der erteilten Fassung verteidigt (Hauptantrag) und neun Anspruchssätze als Hilfsanträge 1 bis 9 eingereicht. Außerdem beantragte sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.

III. Die Einsprechenden 1 und 2 (im Folgenden die Beschwerdegegnerin I bzw. II) haben in ihrer Erwiderungen unter anderem Einwände unter Artikel 54 und 56 sowie unter Regel 80 EPÜ vorgebracht. Außerdem wurde die Zulässigkeit der Hilfsanträge 6 bis 9 beanstandet.

IV. Die Beschwerdeführerin hat daraufhin neue Hilfsanträge 9, 10 und 1A bis 10A eingereicht.

V. In Erwiderung auf die Kammermitteilung hat die Beschwerdegegnerin II angekündigt, dass sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen wird.

VI. Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 8. Juli 2019 den Hauptantrag sowie die bisherigen Hilfsanträge 1 bis 10 und Hilfsanträge 1A bis 3A zurückgezogen, und die bisherigen Hilfsanträge 4A bis 10A zum Hauptantrag bzw. Hilfsanträge 1 bis 6 gemacht sowie einen neuen Anspruchssatz als Hilfsantrag 7 eingereicht.

VII. Die Beschwerdegegnerin I hat darauf ihre Einwände gegen die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit aufrechterhalten.

VIII. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde u. A. die erfinderische Tätigkeit aller Anträge erörtert. Bezüglich Hilfsantrag 3 wurde nur der Einwand der mangelnden erfinderische Tätigkeit von der Beschwerdegegnerin I aufrechterhalten. Dieser Punkt wurde ausgehend von E1 (EP 1044822 A1) oder

E2 (EP 0054405 A1) als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit der Lehre der E5 (WO 2005/028750 A1) oder E6 (EP 0737591 A1) diskutiert. Andere Dokumente wurden nicht mehr herangezogen.

Die Beschwerdeführerin erklärte dann die Rücknahme des Hauptantrags und der Hilfsanträge 1 und 2 sowie des Antrags auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr. Außerdem machte sie den mit Schreiben vom 8. Juli 2019 eingereichten Hilfsantrag 3 zu ihrem Hauptantrag, dessen Anspruch 1 wie folgt lautet:

"1. Papierschicht (1) zum Herstellen eines flächigen, bedruckten oder bedruckbaren Bauteils (5), insbesondere für Boden-, Wand-, Decken- und/oder Möbelanwendungen, wobei die Papierschicht (1) vor oder nach dem Druckvorgang zum Aufbringen auf einen flächigen Grundkörper (4) des Bauteils (5) unter Druck und/oder Hitzeeinfluss vorgesehen ist, wobei die Papierschicht (1) eine Fasern (6) aufweisende Faserstruktur (7) aufweist und wobei zwischen den Fasern (6) Zwischenräume (8) vorgesehen sind,

dadurch gekennzeichnet,

dass zumindest oberseitig in der Faserstruktur (7) eine Farbaufnahmemasse (9) vorgesehen ist, die die Fasern (6) im oberseitigen Bereich der Faserstruktur (7) zumindest im Wesentlichen ummantelt, dass an der Oberseite (2) der Papierschicht (1) offene Zwischenräume (8) der ummantelten Faserstruktur (7) verbleiben, dass an der Oberseite (2) der Papierschicht (1) eine Mehrzahl offener Zwischenräume (8) mit einer Länge von größer 20 µm und/oder einer Öffnungsfläche von größer 250 µm**(2) vorgesehen sind, dass die Farbaufnahmemasse (9) Partikel mit einem durchschnittlichen Durchmesser zwischen 50 nm bis 400 nm aufweist und dass das Flächengewicht der Farbaufnahmemasse (9) zwischen 0,5 g/m**(2)and [sic]

20 g/m**(2) liegt."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 betreffen besondere Ausgestaltungen der beanspruchten Papierschicht.

Ansprüche 9 bis 12 und 13 bis 14 betreffen ein bedrucktes oder bedruckbares, flächiges Bauteil mit einer auf den flächigen Grundkörper aufgebrachten bedruckbaren oder bedruckten Papierschicht nach den vorhergehenden Ansprüchen bzw. ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Bauteils.

IX. Am Ende der Verhandlung lauteten die Anträge der Parteien wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent gemäß dem jetzigen Hauptantrag, eingereicht als Hilfsantrag 3 mit Schreiben vom 8. Juli 2019, in beschränktem Umfang aufrechtzuerhalten.

Die Beschwerdegegnerinnen I und II (die Beschwerdegegnerin II im schriftlichen Verfahren) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit des Hauptantrags (Artikel 13(1) VOBK)

1.1 Der Hauptantrag, eingereicht als Hilfsantrag 3 mit Schreiben vom 8. Juli 2019, entspricht dem mit Schreiben vom 3. April 2017 eingereichten Hilfsantrag 7A. Seine Zulässigkeit obliegt daher nach Artikel 13(1) VOBK dem Ermessen der Kammer.

1.2 Der Hilfsantrag 7A ist eine leicht abgeänderte Version des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 7, dessen Zulässigkeit von der Beschwerdegegnerin II beanstandet wurde.

1.3 Insbesondere wurden im Hilfsantrag 7A die in den Ansprüchen 5, 7, 12 und 13 des Hilfsantrags 7 enthaltenen und von der Beschwerdegegnerin II unter Regel 80 EPÜ beanstandeten Korrekturen von Schreibfehlern rückgängig gemacht. Der geänderte Hilfsantrag 7A trägt daher der von der Beschwerdegegnerin II unter Regel 80 EPÜ vorgebrachten Einwände Rechnung, ohne eine neue Sachlage zu schaffen.

1.4 Zudem enthält der Anspruch 1 gemäß dem mit der Beschwerbegründung eingereichten Hilfsantrag 7 (identisch mit Anspruch 1 gemäß dem oben erwähnten Hilfsantrag 7A bzw. Hilfsantrag 3 vom 8. Juli 2019, jetzt Hauptantrag) im Vergleich zum Anspruch 1 gemäß dem ebenfalls mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 6 (identisch mit dem von der Einspruchsabteilung nicht zugelassenen verspätet vorgebrachten Hilfsantrag) ein zusätzliches Merkmal.

Die Einspruchsabteilung hatte diesen spät vorgebrachten Hilfsantrag nicht zugelassen, da er nicht prima facie hinsichtlich der Entgegenhaltungen E1 und E2 erfinderisch war (angefochtene Entscheidung, III.3.3).

Die Einreichung des Hilfsantrags 7 mit der Beschwerdebegründung ist daher eine Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes und der Nicht-Zulassung des Hilfsantrags 6. Zudem ist sein Anspruch 1 aus den nachfolgenden Gründen erfinderisch hinsichtlich der Entgegenhaltungen E1 und E2.

1.5 Daher bestand für die Kammer kein Grund, den jetzigen Hauptantrag, der dem Hilfsantrag 7A und dem Hilfsantrag 7 ohne Korrekturen entspricht, nicht ins Verfahren zuzulassen.

2. Hauptantrag - Neuheit

2.1 Die Neuheit des Anspruchs 1 gemäß dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 7, der mit dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag identisch ist, wurde von der Beschwerdegegnerin II aufgrund der Offenbarung von E8 (Z. Lu et al., Colloids and Surfaces A: Physiochem. Eng. Aspects 292 (2007) Seiten 56-62) bestritten.

2.2 E8 (Absätze 2.1 to 2.4) offenbart eine Laborpapierschicht (Handsheet), die aus mit Siliziumdioxidpartikeln mit einem Durchmesser vom 80 ± 10 nm ummantelten gebleichten Kraftpapierfasern hergestellt wurde. Diese Faserbeschichtung kann als "Farbaufnahmemasse" im Sinne des geltenden Anspruchs 1 angesehen werden.

2.2.1 Die Größe der offenen Zwischenräumen an der Oberseite der Papierschicht der E8 ist nicht ausdrücklich offenbart. Die Beschwerdegegnerin II hat ausgeführt, dass die gemäß E8 hergestellte Farbaufnahmeschicht poröser als die von kommerziellen Druck- und Schreibpapieren sein dürfte, deren Porendurchmesser, wie von Figur 5 der E13 (M.J. Moura et al., "The Use of Mercury Intrusion Porosimetry to the Characterization of Eucalyptus Wood, Pulp and Paper", Iberoamerican Congress on Pulp and Paper Research 2002) dargestellt, 20 bis 100 µm beträgt.

2.2.2 Die Kammer kann dieser rein spekulativen Argumentation nicht folgen, sodass in der Abwesenheit einer Nachbildung der Papiere gemäß der E8, das Merkmal, dass an der Oberseite der Papierschicht eine Mehrzahl offener Zwischenräume mit einer Länge von größer 20 µm und/oder einer Öffnungsfläche von größer 250 µm**(2) vorhanden sind, aus der E8 nicht zwangsläufig zu entnehmen ist.

2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher neu gegenüber E8 (Artikel 54 EPÜ).

3. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

3.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag betrifft eine Papierschicht zum Herstellen von flächigen, bedruckten oder bedruckbaren Bauteilen, wobei zumindest oberseitig in der Faserstruktur eine Farbaufnahmemasse vorgesehen ist.

Der Beschreibung des Streitpatents (Absätze [0004] bis [0007] und [0022]) ist bezüglich der Zielsetzung Folgendes zu entnehmen:

- Bei bekannten Papierschichten sei festgestellt worden, dass die zwischen den Fasern befindlichen Zwischenräume von den in der Farbaufnahmeschicht vorhandenen Pigmentpartikeln weitgehend abgedeckt und verschlossen sind, sodass die Papierschichten eine wesentliche geschlossene gleichmäßige Oberfläche aufweisen. Obwohl diese Papierschichten gute Druckeigenschaften aufweisen, sei eine hinreichende und vollflächige Durchbeharzung von oben her nach dem Bedrucken nicht gewährleistet. Die Folge sei, dass das Papier sich nach dem Verpressen mit dem Bauteil nicht hinreichend verbindet.

- Obwohl das aus E9 (EP 1749676 A1) bekannte Verfahren, das eine Beharzung von unten her vorsieht, eine hinreichende Verbindung der Papierbahn zum Bauteil gewährleistet, sei in diesem Fall die Verbindung mit einer oberseitig vorgesehenen Schutzschicht nicht ausreichend, um eine Ablösung der Schutzschicht zu verhindern.

- Es sei daher die Zielsetzung des Streitpatents, eine Papierschicht zur Verfügung zu stellen, bei der einerseits ein sehr gutes Druckergebnis möglich ist und bei der andererseits eine gute Verbindung zu dem Grundkörper eines Bauteils und gegebenenfalls zu einer oberseitigen Schutzschicht gewährleistet ist.

3.2 Der nächstliegende Stand der Technik

3.2.1 Für die Beschwerdegegnerinnen könnte jedes der Dokumente E1, E2 oder E3 (WO 2005/116337 A1) als möglicher Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit verwendet werden, da alle diese Dokumente Papierschichten (Dekorpapiere) nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 betreffen.

3.2.2 E1 setzt sich als Zielsetzung ein eine Tintenaufnahmeschicht (Farbaufnahmemasse) enthaltendes Dekorrohpapier derart auszurüsten, dass es durch das Ink-Jet-Druckverfahren bei guten Druckeigenschaften, wie geringer Farbverbrauch sowie guter Bildschärfe und hoher Farbdichte, bedruckbar ist (Absatz [0008] und Anspruch 1). Aus dem Absatz [0015] der E1 ist allgemein zu entnehmen, dass das dafür verwendete Papier eine bestimmte Luftdurchlässigkeit aufweisen muss, sodass eine ausreichende Harzaufnahme erzielt wird und ein Absinken der Tintenaufnahmeschicht in das Papier verhindert wird; gemäß Absatz [0040] weisen die bedruckten Dekorpapiere der Beispiele bei einer Überlackierung keine Haftungsprobleme auf. Aus E1 ist jedoch nicht zu entnehmen, ob an der Oberseite der Faserstruktur relativ große Zwischenräume verbleiben, bzw. ob die Papierschicht keine wesentlich geschlossene gleichmäßige Oberfläche aufweist.

3.2.3 E2 betrifft (Seite 4, Zeilen 12-29) die Bereitstellung von Dekorpapieren, die mit einer Tintenaufnahmeschicht versehen sind und verbesserte Druckeigenschaften bei gut erhaltener Beharzungsfähigkeit aufweisen, sodass Dekorlaminate hergestellt werden können.

Insbesondere zeigt Beispiel 1, dass die Farbaufnahmemasse mit einem Flächengewicht von 3 g/m**(2)aufgebracht werden kann, ohne die Beharzungsfähigkeit des Papiers und seine Porosität wesentlich zu verändern. Daher müssen zwingend an der Oberseite der Faserstruktur offene Zwischenräumen verbleiben, bzw. kann die Papierschicht keine wesentlich geschlossene gleichmäßige Oberfläche enthalten.

3.2.4 E3 (Seite 4, Zeilen 20-30) betrifft auch Dekorpapiere, die mit einer Tintenaufnahmeschicht versehen sind und verbesserte Druckeigenschaften bei gut erhaltener Beharzungsfähigkeit aufweisen. Jedoch ist hier die Tintenaufnahmeschicht durch ein Vorhanggießverfahren aufgetragen (Seite 5, Zeilen 1-8), das bekannterweise zur Bildung einer homogenen Schicht, die nur durch Kapillarität in die Faserstruktur eindringen kann, führt. Zudem haben die in den Beispielen verwendeten Partikel der Beschichtung einen höheren durchschnittlichen Durchmesser (5,3 bis 6,3 µm; siehe Seite 10, Zeilen 14 und 26-28) als im vorliegenden Anspruch 1 und führen somit - nach der Lehre des Streitpatents - zu einer gleichmäßig verschlossenen Oberfläche. In der Tat zeigt Tabelle 1 (siehe mittlere Spalte) der E3, dass die beschichteten Papiere von oben her eine wesentlich schlechtere Durchbeharzung als die unbeschichteten Papiere aufweisen.

3.2.5 Angesichts dieser Offenbarungen hält die Kammer Dokument E2, insbesondere Beispiel 1, das eine zum Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 vergleichbare Papierschicht aufweist, als den nächstliegenden Stand der Technik.

Die im Beispiel 1 offenbarte Papierschicht unterscheidet sich jedoch vom Gegenstand des Anspruchs 1 in dem "eine Mehrzahl offener Zwischenräume mit einer Länge von größer 20 µm und/oder einer Öffnungsfläche von größer 250 µm**(2)" und eine "Farbaufnahmemasse die Partikel mit einem durchschnittlichen Durchmesser zwischen 50 nm bis 400 nm aufweist" nicht offenbart sind.

3.3 Die zugrundeliegende technische Aufgabe

3.3.1 Ausgehend aus E2 hat die Beschwerdeführerin die zugrundeliegende technische Aufgabe formuliert als die Bereitstellung einer Papierschicht, bei der eine bessere Verbindung zu einer oberseitigen Schutzschicht gewährleistet ist.

3.3.2 Es ist aus dem Streitpatent (Absätze [0012], [0013] und [0015]) zu entnehmen, dass die Kombination der beanspruchten durchschnittlichen Partikelgröße und dem Flächengewicht der Farbaufnahmemasse das Verbleiben an der Oberseite der Papierschicht eine Mehrzahl großer offenen Zwischenräume gewährleistet, die eine völlige Durchbeharzung der Papierschicht und eine bessere Verbindung mit einer Schutzschicht ermöglicht, bzw. die Auflösung einer Schutzschicht verhindert (Absatz [0022]). Die Druckeigenschaften dieser Papierschichten sind dadurch auch nicht wesentlich beeinträchtigt (Absatz [0010]). Diese Verbesserung kann nach der Lehre des Streitpatents bei Verwendung der im Stand der Technik verwendeten größeren Partikel nicht erreicht werden, da diese die Zwischenräume verschließen und zu einer gleichmäßigeren Oberfläche der Papierschicht mit kleineren Zwischenräumen führen. Dieser strukturelle Unterschied ist aus den Beispielen in den Absätzen [0044] bis [0047] der Beschreibung in Verbindung mit den Figuren 4 bis 9 zu entnehmen.

3.3.3 Daher ist es für die Kammer glaubhaft, dass die von der Beschwerdeführerin formulierte technische Aufgabe durch die Kombination von Merkmalen des Anspruchs 1 erfolgreich gelöst wird.

In dieser Hinsicht haben die Beschwerdegegnerinnen keinen Beweis erbracht, dass die obige Verbesserung gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik E2/Beispiel 1 nicht erzielt worden sei bzw., dass sie über die gesamte Anspruchsbreite nicht glaubhaft sei. Insbesondere kann die Kammer sich der Meinung der Beschwerdeführerin I nicht anschließen, dass das bereits in E2/Beispiel 1 offenbarte Flächengewicht der Farbaufnahmemasse alleine ausreichend sei, um das Verbleiben an der Oberseite der Papierschicht einer Mehrzahl großer offenen Zwischenräumen wie beansprucht zu gewährleisten.

3.4 Naheliegen der Lösung

3.4.1 Es bleibt zu entscheiden, ob es für den Fachmann, angesichts des Standes der Technik bzw. des allgemeinen Fachwissens naheliegend war, eine mit einem durchschnittlichen Durchmesser zwischen 50 nm bis 400 nm Partikeln aufweisende Farbaufnahmemasse zu verwenden, um an der Oberseite der Papierschicht gemäß nächstliegendem Stand der Technik (E2/Bespiel 1) eine Mehrzahl offener Zwischenräume der ummantelten Faserstruktur mit einer Länge von größer 20 µm und/oder einer Öffnungsfläche von größer 250 µm**(2) zu erhalten und dadurch die obige technische Aufgabe zu lösen.

3.4.2 Es ist unbestritten, dass keines der Dokumenten E1, E2 bzw. E3 eine solche Partikelgröße offenbart, bzw. nahelegt. Im Gegenteil, wenn offenbart, ist der Partikeldurchmesser viel größer (E3, Seite 10, Zeilen 14 und 26-28). Die Beschwerdegegnerin I hat daher auf die Dokumente E5 und E6 hingewiesen.

3.4.3 E5 (Anspruch 1) offenbart Dekorpapiere mit einem durch ein Vorhanggießverfahren (Curtain Coating) hergestellten Pigmentstrich (siehe Anspruch 10; Seite 5, Zeilen 24-28), wobei die Streichfarbe und/oder das Streichrohpapier Pigmente mit einer Teilchengröße von insbesondere 0,1 bis 2 mym (100-2000 nm) enthalten. Dieser Bereich garantiert optimale Eigenschaften, insbesondere im Hinblick auf einen wünschenswerten Grad an Opazität (Seite 5, Zeilen 26-28).

3.4.4 E5 offenbart jedoch weder den durchschnittlichen Durchmesser der verwendeten Pigmente, noch enthält E5 irgendeinen Hinweis, dass die Wahl eines bestimmten durchschnittlichen Durchmessers Vorteile bezüglich der Durchbeharzung einer Papierschicht bzw. derer Haftung mit einer Schutzschicht mit sich bringen könnte. Zudem ist es auch fraglich, ob der Fachmann, ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik, der eine durch Leimpressen (size press treatment) hergestellte Papierschicht betrifft (E2: Seite 5, Zeilen 24-26 und Seite 6, Zeile 12), die Lehre der E5, die eine durch Vorhanggießverfahren hergestellte Dekorpapier betrifft, überhaupt im Betracht ziehen würde.

3.4.5 Die Kammer ist daher davon überzeugt, dass der Fachmann auch bei Berücksichtigung der Lehre des Dokuments E5 nicht in naheliegender Weise zur Lösung der gestellten technischen Aufgabe kommen würde.

3.5 E6 (Anspruch 1; Seite 2, Zeilen 7-9 und Seite 4, Zeilen 7-10) betrifft ein Druckpapier, das mit einer Tintenaufnahmeschicht, die Partikel mit einem Durchmesser von 5 bis 200 nm aufweist, versehen ist. Diese Schicht könnte somit einen durchschnittlichen Partikeldurchmesser im beanspruchten Bereich des Streitpatents aufweisen. Solch eine Beschichtung, die Siliziumdioxid Partikel mit einem Durchmesser von 40 bis 60 nm enthält, ist zum Beispiel in der Tabelle 3 auf Seite 13 der E6 offenbart.

3.5.1 Die Kammer stellt jedoch fest, dass E6 die Verbesserung der Qualität von Druckpapieren, insbesondere im Bezug auf das Ink-Jet Drucken (Seite 3, Zeilen 24-29), betrifft, und somit keine Papierschicht, die durchbeharzt werden soll, wie bei Dekorpapieren, die zum Herstellen eines flächigen, bedruckten oder bedruckbaren Bauteils verwendet werden, wie im nächstliegenden Stand der Technik und dem vorliegenden Anspruch 1.

3.5.2 Der Fachmann würde daher aus der Lehre der E6 keinen Hinweis entnehmen, wie man die Haftung eines durchbeharzten Dekorpapiers, wie im nächstliegenden Stand der Technik, verbessern kann.

3.5.3 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin I würde E1, Absatz [0020], darauf hinweisen, dass alle bekannte Empfangsschichten als Tintenaufnahmeschichten bei einem Dekorpapier eingesetzt werden können. Die Kammer kann dem nur teilweise zustimmen, weil auch wenn E1 pigmenthaltige Tintenaufnahmeschichten als bevorzugt einstuft, gibt E1 keinen einzigen Hinweis, dass Nanopartikeln enthaltende Tintenaufnahmeschichten, und somit auch nicht die aus E6, eine verbesserte Verbindung zu einer oberseitigen Schutzschicht mit sich bringen könnten.

Daher bestand für den Fachmann keine Veranlassung, die in E6 für einen anderen Zweck und eine andere Papierart empfohlene Tintenaufnahmeschicht im Beispiel 1 der E2 auszuprobieren, um die Haftung einer Schutzschicht zu verbessern.

3.5.4 Daher würde der Fachmann auch bei Berücksichtigung der Lehre des Dokuments E6 nicht in naheliegender Weise zur Lösung der gestellten technischen Aufgabe gelangen.

4. Die Kammer kommt daher zum Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1, und somit auch der der Ansprüche 2 bis 8, die von Anspruch 1 abhängig sind, und der Ansprüche 9 bis 14, die ein eine Papierschicht nach den vorhergehenden Ansprüchen enthaltendes Bauteil, bzw. ein Verfahren zur Herstellung eines solchen Bauteils betreffen, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen (Artikel 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 14 des nunmehrigen Hauptantrags, eingereicht als Hilfsantrag 3 mit Schreiben vom 8. Juli 2019, in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten, gegebenenfalls nach entsprechender Anpassung der Beschreibung.

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