European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2018:T053016.20181128 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 28 November 2018 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0530/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09169199.8 | ||||||||
IPC-Klasse: | B60C 11/04 | ||||||||
Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Fahrzeugluftreifen für Nutzfahrzeuge | ||||||||
Name des Anmelders: | Continental Reifen Deutschland GmbH | ||||||||
Name des Einsprechenden: | MICHELIN Recherche et Technique S.A. | ||||||||
Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) |
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Orientierungssatz: |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das vorliegende Europäische Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage des Hilfsantrags 5a aufrechterhalten worden ist, haben sowohl die Einsprechende als auch die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt.
II. Der eingelegte Einspruch war darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) EPÜ).
III. In der angefochtenen Entscheidung werden unter anderem die folgenden Dokumente zitiert:
D2: FR 2 534 858 A,
D5: US 3 411 559 A, und
D11: DOT HS 810 561 des US Departement of Transportation.
Mit der Beschwerdebegründung wurde erstmals folgendes Dokument eingereicht:
D12: FR 1 452 048 A, Prioritätsanmeldung zu D5.
IV. Am 28. November 2018 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin I (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdeführerin II (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Einspruch zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, das Patent gemäß einem der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3 aufrechtzuerhalten.
V. Der erteilte unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Fahrzeugluftreifen für Nutzfahrzeuge mit einem Laufstreifen (1) mit zumindest drei in Umfangsrichtung verlaufenden Umfangsrillen (3, 15), welche den Laufstreifen (1) in Umfangsrippen (2) gliedern, wobei eine parallel zur Laufstreifenperipherie im Laufstreifen (1) verlaufende, die tiefste(n) Umfangsrille(n) von radial innen berührende Einhüllende gemeinsam mit der Laufstreifenperipherie und schulterseitigen Flankenabschnitten (5) ein Laufstreifen-Bruttovolumen (V) definiert und sämtliche Rillen (3, 5) im Laufstreifen (1) ein Rillenvolumen (VR) definieren,
dadurch gekennzeichnet,
dass das Rillenvolumen (VR) im Laufstreifen (1) zwischen 1% und 10% des Bruttovolumens (V) beträgt."
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin I (Einsprechende) lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber D2 und D12 (bzw. D5).
Anspruch 1 von D2 offenbare ein Volumenverhältnis zwischen Rillenvolumen und Bruttovolumen von 4%, 6% bzw. 8%, wenn man zwei, drei bzw. vier Umfangsrillen von den zumindest zwei Umfangsrillen in Betracht ziehe und gleichzeitig zudem den unteren Wert der maximalen Halbbreite der äußeren Umfangsrillen wähle, d.h. 1% aus dem Intervall von 1% bis 7,5%. Diese Berechnung stelle einen exakten Wert des im Anspruch 1 von D2 offenbarten Volumenverhältnisses dar, der sogar nach oben heraufgesetzt sei, da für die Berechnung die Breite der unteren Umfangsrille mit der Breite der äußeren Umfangsrille gleichgesetzt werde, während sie gemäß Anspruch 1 tatsächlich kleiner sei.
Weiterhin seien in dem Ausführungsbeispiel gemäß den Figuren 1 und 2 genau vier Umfangsrillen gezeigt, sodass D2 sowohl vier Umfangsrillen als auch - in Anspruch 1 - einen Endwert von 1% offenbare.
Darüber hinaus ergebe die Berechnung des - wie oben dargestellt - nach oben heraufgesetzten Volumenverhältnisses des Ausführungsbeispiels gemäß den Figuren 1 und 2 zusammen mit den auf Seite 7 von D2 gezeigten Abmessungen einen Wert von 10,7%. Das in D2 implizit offenbarte Volumenverhältnis wäre somit höchstwahrscheinlich kleiner als 10% und liege damit innerhalb des im Streitpatent beanspruchten Intervalls (siehe Punkt 1 des Bescheids von 28. September 2018).
D12 und D5 seien inhaltlich identisch bezüglich der Abmessungen der Umfangsrillen des Ausführungsbeispiels gemäß den Figuren 2 und 4 von D12, bzw. den Figuren 1 und 2 von D5. Der mit der Beschwerdebegründung erhobene Einwand mangelnder Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 der aufrechterhaltenen Fassung des Streitpatents (siehe Punkt 5 der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin I) treffe für den breiteren Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt auch zu. Insbesondere zeige das Ausführungsbeispiel der Figuren 2 und 4 zusammen mit den konkreten Abmessungen der jeweiligen Rillen auf Seite 2, linke Spalte von D12 - diese seien in D5 und D12 die gleichen (siehe Figuren 1 und 2, sowie Spalte 2 von D5) - nach einer heraufgesetzten Berechnung ein Volumenverhältnis des Rillenvolumens zum Bruttovolumen von 9,7%. Bei der Berechnung seien nur zwei schmale Rillen (23, 24, 25 in D12) und zwei breite Rillen (21, 22) herangezogen worden, da in D12 in der ersten Spalte der Seite 1 ein Fahrzeugluftreifen offenbart werde, der zwei schmale und zwei breite Umfangsrillen aufweise.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 beruhe auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit wenn man von dem im Absatz [0004] des Patents offenbarten Stand der Technik ausgehe und diesen mit der Lehre der D2, D5 oder D12 und mit der Lehre der D11 kombiniere.
Dieser im Patent zitierte Ausgangspunkt zeige lediglich nicht, dass der Reifen zumindest drei in Umfangsrichtung verlaufende Umfangsrille aufweise, und dass das Rillenvolumen sämtlicher im Laufstreifen enthaltenen Rillen zwischen 1% und 10% des Laufstreifen-Bruttovolumens betrage.
Somit bestehe die mit der Erfindung zu lösende Aufgabe darin, den Rollwiderstand eines Nutzfahrzeugsreifens wirkungsvoll durch einfache Maßnahmen zu senken, ohne dass negative Auswirkungen auf andere Laufstreifeneigenschaften zu erwarten sind (siehe [0006] der Patentschrift).
Der Fachmann bekomme aus D11 die Lehre, dass ein großes Hohlraumverhältnis des Laufstreifens eine größere Druckspannung im Laufstreifen mit sich bringe, um die gleiche Last in die Karkasse des Reifens zu übertragen. Diese höhere Druckspannung bedeute eine höhere Druckverformung, die der Rollwiderstand des Reifens entsprechend verschlechtere (siehe Punkte 2 und 2.1 sowie zweite Absatz auf Seite 485 von D11). Somit hätte der Fachmann keine Schwierigkeiten, das aus dem Stand der Technik bekannte übliche Volumenverhältnis von 12% (siehe Absatz [0004] des Streitpatents) zu reduzieren, und infolgedessen zu einem Volumenverhältnis von z.B. 10% zu gelangen. Zudem würde der Fachmann kein Volumenverhältnis von null berücksichtigen, da er keinen glatten Reifen suche, sondern einen mit Umfangsrillen. Daher würde er z.B. auf ein Volumenverhältnis von größer als 1% abzielen. Aus alledem folge, dass der Fachmann ohne Schwierigkeiten zu einem Wertbereich für das Volumenverhältnis der Rillen zwischen 1% und 10% gelangen würde. Somit werde dieses Unterscheidungsmerkmal nahegelegt.
Das zusätzliche Unterscheidungsmerkmal "zumindest drei in Umfangsrichtung verlaufende Umfangsrillen" sei, wie anhand von D2, D5 oder D12 bewiesen, für den Fachmann üblich und könne keine erfinderische Tätigkeit begründen.
VII. Die Beschwerdeführerin II (Patentinhaberin) begegnete diesem Vorbringen wie folgt:
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei neu im Hinblick auf D2 und D12 (bzw. D5).
Weder D2 noch D12 (bzw. D5) offenbarten das beanspruchte Volumenverhältnis zwischen 1% und 10% zusammen mit zumindest drei in Umfangsrichtung verlaufenden Umfangsrillen.
Anspruch 1 von D2 zeige nicht die spezifische Auswahl der von der Einsprechenden herangezogenen Anzahl von Umfangsrillen und Breite der äußeren Rille. Die im Ausführungsbeispiel gezeigten vier Umfangsrillen seien in Verbindung mit den in der Beschreibung angegebenen Abmessungen offenbart und nicht mit den Merkmalen des Anspruchs 1 von D2. Die seitens der Einsprechenden vorgenommenen Berechnungen ergäben einen Wert, der nicht innerhalb des beanspruchten Intervall liege. Neuheit sei gegeben, da ihr Vorliegen nicht auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen beurteilt werde, sondern aufgrund eines Vergleichs zwischen dem beanspruchten Gegenstand und der eindeutigen Offenbarung im Stand der Technik. Der Gegenstand müsse daher unmittelbar und eindeutig aus D2 hervorgehen, d.h. in zweifelsfreier Erkenntnis.
In diesem Sinne seien die zu D2 in der Zwischenentscheidung enthaltenen Ausführungen unzutreffend. Die Einspruchsabteilung gehe davon aus, dass in D2 ein Laufstreifen mit drei Umfangsrillen offenbart sei. Jedoch zeige D2 vier derartigen Rillen im Ausführungsbeispiel oder zumindest zwei gemäß Anspruch 1. Zudem werde eine geschätzte effektive, zur Berechnung des Rillensvolumens heranzuziehende Rillenbreite angenommen.
Hinsichtlich D12 sei festzustellen, dass der zitierte Text in Spalte 1, zweiter Absatz, eine allgemeine Abhandlung des damaligen Stands der Technik enthalte, die nicht in Verbindung mit den konkreten in der Figurenbeschreibung der Erfindung der D12 erwähnten Abmessungen von Rillen offenbart sei.
Weiterhin beziehe sich die Einspruchsabteilung in ihren Ausführungen der Zwischenentscheidung auf Figur 1 zusammen mit den Ansprüchen 1, 3 und 4 der D5, und dies ausschließlich unter Heranziehung der unteren Grenzen der angegebenen Rillenbreite sowohl für die schmalen Rillen als auch für die breiten Rillen. Dieses Vorgehen stelle wieder eine spezifische Auswahl dar, die nicht in D5 unmittelbar und eindeutig offenbart sei.
Weiterhin beruhe der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit, auch wenn man mit der Einsprechenden ausgehend von dem in Absatz [0004] des Patents offenbarten Stand der Technik eine Kombination mit der Lehre der D2, D5 oder D12 und mit der Lehre der D11 in Erwägung ziehe.
So offenbare dieser im Patent mitgeteilte Stand der Technik das kennzeichnende Merkmal sowie die zumindest drei Umfangsrillen des erteilten Anspruchs 1 nicht. Die technische Wirkung dieses Unterschieds sei es, die Deformationsamplitude des Laufstreifens in erheblichem Ausmaß zu reduzieren (siehe Absatz [0008] der Patentschrift).
Die zu lösende Aufgabe entspreche der im Absatz [0006] des Patents formulierten Aufgabe, nämlich den Rollwiderstand eines Nutzfahrzeugsreifens wirkungsvoll durch einfache Maßnahmen zu senken, ohne dass negative Auswirkungen auf andere Laufstreifeneigenschaften zu erwarten seien.
Der Fachmann finde aber im Stand der Technik ausgehend von einem bekannten niedrigsten Wert für das Volumenverhältnis von 12% keine Anregung diesen für Fahrzeugluftreifen von Nutzfahrzeugen noch weiter auf das beanspruchte Intervall zu reduzieren. D11 vermittele die Lehre, dass eine geringe Masse im Laufstreifen einen geringen Rollwiderstand bewirke (siehe Punkt 2.4, Seite 501, dritte Absatz), was konträr zu den dem Gegenstand des vorliegenden Patents zugrunde liegenden Erkenntnissen sei (siehe Absatz [0008] der Patentschrift). Zudem bekomme der Fachmann aus Seite 485 keine Motivation, das übliche 30%-Verhältnis noch zu reduzieren, insbesondere nicht über den niedrigstem aus dem nächstliegenden Stand der Technik für Nutzfahrzeugluftreifen bekannten Wert von 12% hinaus. Zusammenfassend werde das beanspruchte Volumenverhältnis aus dem Stand der Technik weder offenbart noch nahegelegt. Die Argumente der Einsprechenden basierten auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.
Entscheidungsgründe
1. Hauptantrag - Neuheit
1.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt ist neu gegenüber D2 und D12 (bzw. D5) (Artikel 54 EPÜ).
1.2 Aus diesen Entgegenhaltungen geht nicht unmittelbar und eindeutig hervor, dass das Rillenvolumen im Laufstreifen zwischen 1% und 10% des Bruttovolumens beträgt, wenn der Fahrzeugluftreifen zumindest drei in Umfangsrichtung verlaufende Umfangsrillen aufweist.
1.3 Beide von der Einsprechenden angeführten Betrachtungsweisen (Gesamtvolumenverhältnis von 4%, 6% oder 8% bei Annahme von zwei, drei oder vier Rillen und Heranziehung des untersten im Anspruch 1 genannten Wertes der maximalen Halbbreite der äußeren Umfangsrillen sowie Berechnung des Ausführungsbeispiels, das mit hoher Wahrscheinlichkeit noch unter 10,7 % liege) stellen keine zulässige Betrachtung des wahren Offenbarungsgehaltes von D2 dar.
Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts ist die konkrete Auswahl von Werten aus zwei offenbarten Intervallen nicht offenbart (siehe z.B. T 0012/81, Punkt 13 der Gründe, 2. Satz). Im vorliegenden Fall ist die konkrete Auswahl von 3 oder 4 Umfangsrillen zusammen mit 1% Volumen der halben Rille nicht explizit offenbart, sodass das mit diesen Werten resultierende Volumenverhältnis zwischen Rillenvolumen und Bruttovolumen ebenso nicht als offenbart angesehen werden kann. Dieses gilt auch für die Gründe der angefochtnen Entscheidung (siehe Punkt 2.2), in denen die Einspruchsabteilung aus dem Gegenstand des Anspruchs 1 von D2 einerseits drei Umfangsrillen aus der möglichen Anzahl von zumindest zwei Umfangsrillen und andererseits den unteren Bereich aus der Spanne der von ihr hochgerechneten denkbaren halben Rillenbreiten für die Berechnung des Volumenverhältnis auswählt.
Auch die Betrachtungsweise ausgehend vom in den Figuren 1 und 2 von D2 gezeigten Ausführungsbeispiel ist nicht überzeugend: Die vier gezeigten Umfangsrillen in dem Ausführungsbeispiel können nicht allgemein mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 von D2 kombiniert werden, und insbesondere nicht mit dem unteren Endwert des Intervalls von 1% bis 7,5% der äußeren Halbbreite. Diese vier Rillen werden vielmehr in Zusammenhang mit den spezifischen Abmessungen auf Seite 7 von D2 offenbart und diese müssen für die Berechnung herangezogen werden.
Schließlich wird der Offenbarungsgehalt einer Entgegenhaltung nicht aufgrund von Wahrscheinlichkeit oder Schätzung bestimmt, sondern muss sich aus der Entgegenhaltung implizit oder explizit, aber immer unmittelbar und eindeutig ergeben. Daran fehlt es einerseits bei der Berechnung der Einsprechenden, die Überlegungen anstellt, was mit hoher Wahrscheinlichkeit der Fall sein wird. Dies betrifft aber auch die angefochtene Entscheidung (siehe Punkt 2.2), in der eine effektive Rillenbreite geschätzt wird.
1.4 Die Einsprechende erhebt weiter den Einwand, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt gegenüber der Offenbarung nach D12 (bzw. D5) nicht neu sei. Insbesondere zeige das Ausführungsbeispiel der Figuren 2 und 4 zusammen mit den konkreten Abmessungen der jeweiligen Rillen auf Seite 2, linke Spalte von D12 - diese seien in D5 und D12 die gleichen (siehe Figuren 1 und 2, sowie Spalte 2 von D5) - nach einer heraufgesetzten Berechnung ein Volumenverhältnis des Rillenvolumens zum Bruttovolumen von 9,7%. Bei der Berechnung würden nur zwei schmale Rillen (23, 24, 25 in D12) und zwei breite Rillen (21, 22) herangezogen, da in D12 auf der ersten Spalte der Seite 1 ein Fahrzeugluftreifen offenbart werde, der zwei schmale und zwei breite Umfangsrillen aufweise.
Die Kammer ist davon nicht überzeugt. Die Einsprechende kombiniert die allgemeine Abhandlung des damaligen Stands der Technik in Spalte 1, 2. Absatz der D12 mit einer bevorzugten Ausführungsform der in D12 erläuterten Erfindung (Figuren 2 und 4, erste Ausführungsform), in der der Fahrzeugluftreifen zwei breite (21, 22) und drei schmale Rillen (23, 24, 25) aufweist und nicht zwei schmale und zwei breite Rillen. Diese Kombination ist weder in D12 noch in D5 unmittelbar und eindeutig offenbart.
Auch die unter Punkt 2.3 angegebenen Gründe der angefochtenen Entscheidung überzeugen bezüglich D5 nicht. Wieder überträgt die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung die genaue Anzahl von breiten (zwei, 11 und 12) und schmalen Rillen (drei, 16, 17, 18) aus den Figuren 1 und 2 auf den Gegenstand der Ansprüche 1, 3 und 4 von D5 und wählt zusätzlich für die Breite der breiten und schmalen Rillen die jeweils unteren Werte (3% und 0.5%) der beanspruchten Intervalle aus. Wie oben unter Punkt 1.3 ausgeführt, ist nach ständiger Rechtsprechung eine derartige konkrete Auswahl von Werten aus zwei Intervallen nicht offenbart. Infolgedessen ist die berücksichtigte Kombination von Werten in der angefochtenen Entscheidung nicht eindeutig und unmittelbar in D5 offenbart.
2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von dem im Absatz [0004] des Streitpatents offenbarten Stand der Technik in Kombination mit der Lehre von D2, D5 oder D12, und mit der Lehre von D11 (Artikel 56 EPÜ).
2.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem im Absatz [0004] des Streitpatents offenbarten Stand der Technik dadurch, dass der Laufstreifen zumindest drei in Umfangsrichtung verlaufende Umfangsrillen aufweist, und dass das Rillenvolumen im Laufstreifen zwischen 1% und 10% des Bruttovolumens beträgt.
Dadurch wird laut Patent die Deformationsamplitude des Laufstreifens reduziert(siehe Absatz [0008]).
Somit besteht die mit der vorliegenden Erfindung zu lösende Aufgabe darin, den Rollwiderstand eines Nutzfahrzeugsreifens wirkungsvoll durch einfache Maßnahmen zu senken, ohne dass negative Auswirkungen auf andere Laufstreifeneigenschaften zu erwarten sind (siehe [0006] der Patentschrift).
Diese Punkte sind zwischen den Parteien unstrittig.
2.3 Nach Ansicht der Einsprechenden entnimmt der Fachmann der D11 (siehe Punkte 2 und 2.1 sowie zweite Absatz auf Seite 485 von D11) die Lehre, dass ein hohes Hohlraumvolumen im Laufreifen in Folge höherer Druckverformung zu erhöhtem Rollwiderstand führe. Eine Reduzierung des im Stand der Technik bekannten Hohlraumvolumens von 12 % (siehe Patent, Absatz [0004]) in einen Bereich von unter 10 % und - da kein glatter Reifen gewünscht sei - über 1 % stelle für ihn daher keine Herausforderung dar.
2.4 Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Fachmann aus D11 die von der Einsprechenden genannte Lehre bekommt. Jedoch fehlt dem Fachmann eine Anregung in D11, das Volumenverhältnis bis in einen Bereich von unter 12 % oder gar genau auf den beanspruchten Bereich von 1% bis 10% zu reduzieren. Gemäß D11 enthält der Laufstreifen leere Räume, d.h. Rillen usw., die etwa 30% des Laufstreifenvolumens bilden (siehe Seite 485 von D11). Der Fachmann findet daher keinen Hinweis in D11, derart niedrige Werte für Fahrzeugluftreifen von Nutzfahrzeugen in Betracht zu ziehen.
Zudem geht der im Patent zitierte Stand der Technik von einem Mindestwert für derartige Luftreifen von 12% aus. Wie von der Einsprechenden vorgetragen, könnte der Fachmann in der Tat die beanspruchten Werte implementieren. Er würde sie aber für Fahrzeugluftreifen von Nutzfahrzeugen nicht berücksichtigen, da der Stand der Technik ihm keine Motivation dafür gibt und D11 in die entgegengesetzte Richtung weist, nämlich auf einen üblichen Wert von 30%. Selbst wenn er aufgrund der Ausführungen auf Seite 485 der D11 den Hohlraumanteil unter die in D11 als üblich genannten 30 % reduzieren würde, würde er sich doch noch im weiteren Bereich dieses Wertes bewegen; es fehlte ihm hingegen der Anlass, eine derartige Reduktion gleich bis auf ein Drittel oder gar Dreißigstel des üblichen Wertes vorzunehmen. Der Einwand der Einsprechenden beruht daher auf einer rückschauenden Betrachtungsweise.
2.5 Darüber hinaus ist die Anzahl der Rillen in dem in Absatz [0004] des Streitpatents offenbarten Stand der Technik nicht offenbart. Der Fachmann müsste daher diese zusätzlich Auswahl treffen, die nicht unabhängig von dem Volumenverhältnis der Rillen ist.
2.6 Der von der Einsprechenden herangezogene Stand der Technik ist daher nicht geeignet, den Gegenstand der Erfindung nahezulegen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Einspruch wird zurückgewiesen.