T 0438/16 (Reinigungsmittel/Henkel) of 11.1.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T043816.20190111
Datum der Entscheidung: 11 Januar 2019
Aktenzeichen: T 0438/16
Anmeldenummer: 08803450.9
IPC-Klasse: C11D 1/22
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: REINIGUNGSMITTEL
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: 1) Reckitt Benckiser (Brands) Limited
2) BASF SE
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention Art 54
European Patent Convention Art 56
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 12(4)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Neuheit - Alle Anträge
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag, Hilfsanträge 1 und 2
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag 3
Spät eingereichte Beweismittel - Rechtfertigung für späte Vorlage (ja)
Spät eingereichte Beweismittel - Relevant (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1188/00
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der beiden Einsprechenden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents

Nr. 2 185 674 in geändertem Umfang gemäß dem mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 als Hilfsantrag 4 eingereichten bzw. während der mündlichen Verhandlung umnummerierten Hilfsantrag 1.

II. Anspruch 1 des als gewährbar erachteten Hilfsantrags 1 hat folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 sind von der Kammer kenntlich gemacht):

"1. Maschinelles Geschirrspülmittel, enthaltend:

a) 10 bis 60 Gew.-% Gerüststoff

b) nichtionisches Tensid der allgemeinen Formel

R**(1)O[CH2CH(CH3)O]x[CH2CH2O]y[CH2CH(CH3)O]zCH2CH(OH)R**(2),

in der R**(1) für einen linearen oder verzweigten aliphatischen Kohlenwasserstoffrest mit 4 bis 22 Kohlenstoffatomen oder Mischungen hieraus steht, R**(2) einen linearen oder verzweigten Kohlenwasserstoffrest mit 2 bis 26 Kohlenstoffatomen oder Mischungen hieraus bezeichnet und x und z für Werte zwischen 0 und 40 und y für einen Wert von mindestens 15 steht.

c) anionisches Copolymer, umfassend

i) ungesättigten Carbonsäuren

ii) Sulfonsäuregruppen-haltigen Monomeren

dadurch gekennzeichnet,

dass das Gewichtsverhältnis der Bestandteile c) und b) weniger als 3:1 beträgt und das maschinelle Geschirrspülmittel weiterhin MGDA enthält."

III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Beweismittel zitiert:

D4: DE 10 133 137 A1

D10: Research Disclosure 480045, Vol. 480, p. 483 (April 2004)

D11: Datenblatt Acusol 587 (Mai 2004)

D12: DE 10 116 020 A1 (erwähnt in D10: Sasol "Novel® Narrow Range Ethoxylates", 2 Seiten)

IV. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung unter anderem zu dem Schluss, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht erfinderisch gegenüber D4 oder D10 sei.

V. In ihren Beschwerdebegründungen setzten sich die Beschwerdeführerinnen mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung auseinander, unter anderem mit Bezug auf neue Beweismittel, wie die von der Patentinhaberin eingereichten Vergleichversuche D14, oder die von den Einsprechenden eingereichten weiteren Entgegenhaltungen D15 bis D19. Mit ihrer Beschwerdebegründung hat die Patentinhaberin zudem Hilfsanträge 1 bis 7 eingereicht.

VI. Mit ihrer Erwiderung reichte die Patentinhaberin sodann weitere Hilfsanträge 8 und 9 ein.

VII. Die Einsprechenden beantragten, unter anderem, die Hilfsanträge 3 bis 9 nicht in das Verfahren zuzulassen.

VIII. Nach Erhalt der vorläufigen Meinung der Kammer reichte die Patentinhaberin einen neuen Hilfsantrag 7 ein, und beantragte, diesen als direkte Reaktion auf die vorläufige Meinung der Kammer zuzulassen.

IX. Die Einsprechende 1 trug unter anderem vor, dass der Gegenstand der jeweiligen Ansprüche 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsantrag 1 nicht neu gegenüber D4 sei.

X. In der mündlichen Verhandlung stützte die Einsprechende 1 ihr Vorbringen zur erfinderischen Tätigkeit der mit den Hilfsanträgen 1 bis 3 beantragten Gegenstände ergänzend auf das Dokument D5.

Die Patentinhaberin beantragte, dieses Vorbringen wegen Verspätung nicht zuzulassen.

XI. Am Ende der Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerinnen/Einsprechenden beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den vollumfänglichen Widerruf des Streitpatents sowie die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.

Die Beschwerdeführerin/Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrecherhaltung des erteilten Streitpatents.

Hilfsweise beantragte sie, das Streitpatent in geänderter Form aufrecht zu erhalten gemäß den Ansprüchen einer der mit ihrer Beschwerdebegründung vom 2. Mai 2016 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 6, oder des mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 eingereichten Hilfsantrags 7 in numerischer Reihenfolge. Weiter hilfsweise beantragte sie, die Zurückweisung der Beschwerden der Einsprechenden und somit die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Form gemäß dem mit Schreiben vom 18. November 2016 eingereichten Hilfsantrag 8, oder dem mit Schreiben vom 11. November 2016 eingereichten Hilfsantrag 9.

Entscheidungsgründe

Geändertes Vorbringen der Patentinhaberin

1.1 Mit D14 hat die Patentinhaberin neue Versuche in das Beschwerdeverfahren eingereicht, um die Wirkung der Reduzierung der Gerüststoffmenge und der Erhöhung des Phosphonatsgehalts auf Klarspülleistung gegenüber der Formulierung D von D10 zu zeigen.

1.2 Für die Kammer stellen diese Versuche eine Reaktion auf die angefochtene Entscheidung dar, nämlich im Hinblick auf die Wahl von D10 als nächstliegendem Stand der Technik. Die Kammer sieht daher keine Veranlassung, sie nach Artikel 12 (4) VOBK nicht in das Verfahren zuzulassen.

Geändertes Vorbringen der Einsprechenden 1

1.3 In der mündlichen Verhandlung versuchte die Einsprechende 1, das Dokument D5 (US 2004/127377) heranzuziehen, auf welches sie sich bis zu diesem Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren nicht bezogen hatte. Dieses geänderte, überraschende, Vorbringen wurde nicht zugelassen (Artikel 13(3) VOBK) im Einklang mit dem entsprechenden Antrag der Patentinhaberin, da es den Beteiligten und der Kammer nicht zumutbar war, sich erst in der Verhandlung mit den zugehörigen Tatsachen zu befassen.

Hauptantrag (erteiltes Patent)- Erfinderische Tätigkeit

2. Da der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit erfolglos bleibt (siehe unten), erübrigt es sich zu überprüfen, ob er gegenüber den Gegenständen von D10 oder D4 neu ist.

Die Erfindung

2.1 Gemäß Streitpatent (Absatz [0007]) besteht die Aufgabe darin, ein maschinelles Geschirrspülmittel bereitzustellen, welches auch bei Niedrigtemperatur-Reinigungsgängen bzw. bei Reinigungsgängen mit geringem Wasserverbrauch eine gute Reinigungs- und Klarspülleistung sowie eine verbesserte Trocknung des gereinigten Geschirrs ermöglicht.

Der nächstliegende Stand der Technik

2.2 D10 befasst sich mit maschinellen Geschirrspülmitteln enthaltend nichtionische Tenside zur Verbesserung des Glanzes und des Trockenklareffektes (für die Kammer wird somit auch implizit die Klarspülleistung dargestellt). Somit richten sich die aus D10 bekannten Mittel eindeutig auch auf eine gute Klarspülleistung.

2.2.1 Eine verbesserte Trocknung des gereinigten Geschirrs bei Niedrigtemperatur-Reinigungsgängen bzw. bei Reinigungsgängen mit geringem Wasserverbrauch wird zwar nicht erwähnt, jedoch ist aufgrund der Tatsache, dass D10 eine Rahmenrezeptur für eine "3 in 1" Geschirrspülformulierung offenbart, für die Kammer ersichtlich, dass diese für alle üblichen Reinigungsgänge, und somit auch für Niedrigtemperatur-Reinigungsgänge bzw. Reinigungsgängen mit geringem Wasserverbrauch, geeignet ist.

2.2.2 Außerdem enthalten die Beispielrezepturen A bis E des Geschirrspülmittels nach D10:

- Gerüststoffe in einer Menge größer als 60%,

- ein nichtionisches Tensid (entsprechend D12) in Mengen von 2 bis 6 Gew.-%, d.h. ein nichtionisches Tensid gemäß Bestandteil b) des geltenden Anspruchs 1, und

- ein Copolymer (Acusol 587) in einer bevorzugten Menge von 3 bis 5 Gew.%, also ein Copolymer gemäß Bestandteil c) des geltenden Anspruchs (siehe D11).

Das Gewichtsverhältnis der Bestandteile c) und b) ist bei allen Beispielrezepturen A bis E kleiner als 3:1.

2.2.3 Somit unterscheidet sich das aus D10 bekannte von dem beanspruchten Geschirrspülmittel durch eine größere Menge an Gerüststoffen (in der Ausführungsform gemäß Beispiel D beträgt diese Menge 66,2% (4,7% Na-Silikat, 2% Polyacrylat und 59,5% Na5-Tripolyphosphat).

2.2.4 D4 (Absätze [0014] bis [0015]), das auch als nächstliegender Stand der Technik betrachtet wurde, befasst sich mit gießbaren maschinellen Geschirrspülmitteln, enthaltend

a) 20 bis 50 Gew.-% eines oder mehrerer wasserlöslicher Gerüststoffe,

b) 0,1 bis 70 Gew.-% an Copolymeren aus

i) ungesättigten Carbonsäuren

ii) Sulfonsäuregruppen-haltigen Monomeren

iii) gegebenenfalls weiteren ionischen oder nichtionogenen Monomeren,

c) 5 bis 30 Gew.-% nichtionische(s) Tensid(e).

2.2.5 D4 ([0053] bis [0072]) offenbart eine Vielzahl an möglichen nichtionischen Tensiden, darunter auch solche, die unter die Definition des Bestandteils b) des geltenden Anspruchs 1 fallen würden. D4 offenbart jedoch nicht das Gewichtsverhältnis der Bestandteile c) und b).

2.2.6 Gemäß D4 ([0029] bis [0032]) führe die Anwesenheit von Sulfonsäuregruppen-haltigen Copolymeren zu guter Sauberkeit bei den Reinigungsvorgängen sowie zu einer verkürzten Trocknungszeit. Ob dies jedoch auch bei Gängen auf niedrigen Temperaturen gilt, wird in D4 weder offenbart noch veranschaulicht.

2.2.7 Aus dieser Analyse folgt, dass D4 weiter entfernt von der geltenden Erfindung liegt, weil es weder das nichtionische Tensid b) als besonders bevorzugt noch das Gewichtsverhältnis der Bestandteile c) und b) offenbart. Somit ist D10, insbesondere die Ausführungsform D, als bester Ausgangspunkt für die Prüfung des Naheliegens der erfindungsgemäßen Lösung nach Artikel 56 EPÜ zu betrachten.

Die technische Aufgabe

2.3 Die Kammer stellt fest, dass die in der angefochtenen Entscheidung formulierte Aufgabe, ein weiteres maschinelles Geschirrspülmittel mit guter Reinigungs- und Klarspülleistung bereitzustellen, nicht bestritten wurde.

2.3.1 Die Beschwerdeführerin trug in der mündlichen Verhandlung vor, dass D14 zeige, dass schon die alleinige Reduktion der Gesamtgerüststoffmenge, wie im erteilten Anspruch 1 definiert, gegenüber Formulierung D von D10, ein verbessertes Klarspülverhalten auch bei niedrigen Temperatur-Reinigungsgängen bewirken würde.

2.3.2 Dies ist indes nicht zutreffend, weil D10 in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht gewürdigt, und somit auch bei der Formulierung der zu lösenden Aufgabe nicht berücksichtigt wurde. Die ehrgeizigere Aufgabe eines verbesserten Klarspülverhaltens wurde erst im Beschwerdeverfahren geltend gemacht.

2.3.3 Der Vergleichversuch D14 betrifft einzelne Zusammensetzungen, die nicht in der Lage sind, die Erhaltung der neuen geltend gemachten Wirkung über den gesamten beanspruchten Bereich zu belegen und deshalb bei der Neuformulierung der Aufgabe nicht berücksichtigt werden können (im Einklang mit T 1188/00, Gründe 4.5).

2.3.4 Darüber hinaus wurden im Vergleichbeispiel von D14, gegenüber der Formulierung D von D10, mehrere Variable (TPP, Na-sulfat, HEDP, auch mengenmäßig) ohne plausible technische Rechtfertigung geändert. Somit ist nicht ersichtlich, welcher Stoff für die geltend gemachte Wirkung (Tropfenbildung, Filmbildung) verantwortlich ist. Daher stellt D14 keinen Vergleichversuch der alleinigen Reduzierung der gesamten Gerüststoffmenge gegenüber Formulierung D von D10 dar.

2.3.5 Folglich hat die Kammer keinen Grund, von der in der angefochtenen Entscheidung formulierten Aufgabe abzuweichen.

Die Lösung

2.4 Gemäß erteiltem Anspruch 1 wird die technische Aufgabe durch ein Geschirrspülmittel mit folgenden Merkmalen gelöst (einziger Unterschied gegenüber D10 von der Kammer kenntlich gemacht):

"1. Maschinelles Geschirrspülmittel, enthaltend:

a) 10 bis 60 Gew.-% Gerüststoff

b) nichtionisches Tensid der allgemeinen Formel R**(1)0[CH2CH(CH3)0]x[CH2CH20]y[CH2CH(CH3)0]zCH2CH(0H)R**(2), in der R**(1) für einen linearen oder verzweigten aliphatischen Kohlenwasserstoffrest mit 4 bis 22 Kohlenstoffatomen oder Mischungen hieraus steht, R**(2) einen linearen oder verzweigten Kohlenwasserstoffrest mit 2 bis 26 Kohlenstoffatomen oder Mischungen hieraus bezeichnet und x und z für Werte zwischen 0 und 40 und y für einen Wert von mindestens 15 steht.

c) anionisches Copolymer, umfassend

i) ungesättigten Carbonsäuren

ii) Sulfonsäuregruppen-haltigen Monomeren,

dadurch gekennzeichnet, dass das Gewichtsverhältnis der Bestandteile c) und b) weniger als 3:1 beträgt."

Erfolg der Lösung gegenüber D10

2.5 Es wird nicht bestritten, dass ein maschinelles Geschirrspülmittel wie im erteilten Anspruch 1 definiert, die oben definierte, weniger ehrgeizige Aufgabe löst.

Naheliegen der Lösung

2.6 Es bleibt zu entscheiden, ob es ausgehend von dem Geschirrspülmittel D nach D10 für den mit der technischen Aufgabe befassten Fachmann naheliegend war, die gesamte verwendete Gerüststoffmenge des Geschirrspülmittels derart zu reduzieren, dass sich dabei das im erteilten Anspruch 1 definierte Geschirrspülmittel in naheliegender Weise ergibt.

2.6.1 Wie oben erwähnt, unterscheidet sich das beanspruchte Geschirrspülmittel von der Formulierung D von D10 lediglich in einer kleineren Höchstmenge an Gerüststoffen (60% anstatt von 66,2%).

2.6.2 Es ist jedoch aus der Rahmenrezeptur (Seite 1 von D10) ersichtlich, dass folgende nicht als Gerüststoffe geltende Bestandteile im Geschirrspülmittel enthalten sein können:

- bis 10% Na-Percarbonat (als Bleichmittel),

- bis 10% Na- Perborat (als Bleichmittel),

- bis 4% TAED (als Bleichaktivatoren),

- bis 5% Enzyme (Protease/Amylase),

- bis 2% Phosphonat,

- bis 10% eines nichtionisches Tensid wie beansprucht,

- bis 2% Benzotriazol, und

- bis 8% Polyacrylat (z.B. Acusol 587, d.h. ein Acryl-Sulfonsäure Copolymer wie beansprucht).

2.6.3 Somit können die nicht als Gerüststoffe geltenden Bestandteile in den Zusammensetzungen von D10 in Mengen größer als 40% vorhanden sein.

2.6.4 Für die Kammer impliziert dies eine Veranlassung für den Fachmann, im Rahmen der Bereitstellung von einem weiteren Geschirrspülmittel, die gesamte Gerüststoffmenge der Formulierung D auf höchstens 60 Gew.-% zu reduzieren.

2.6.5 Folglich lag das beanspruchte Geschirrspülmittel schon gegenüber D10 allein nah. Somit entspricht der beanspruchte Gegenstand nicht den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ, und der Hauptantrag ist nicht gewährbar.

Hilfsanträge 1 und 2 - erfinderische Tätigkeit

3. Die Hilfsanträge 1 und 2 lagen bereits im Einspruchsverfahren vor. Eine Nichtzulassung gemäß Artikel 12 (4) VOBK kommt daher nicht in Betracht.

3.1 Der Gegenstand laut jeweiligem Anspruch 1 gemäß Hilfsanträgen 1 (HA1) und 2 (HA2) unterscheidet sich von dem des erteilten Anspruchs 1 dadurch, dass das "Gewichtsverhältnis der Bestandteile c) und b) weniger als 2:2.1" (HA1) ist, bzw. das "Geschirrspülmittel, bezogen auf das Gesamtgewicht des maschinellen Geschirrspülmittels, Phosphonat in Mengen von 0.5 bis 10 Gew.-% enthält (HA2)".

3.2 Da die aus D10 offenbarte Rezeptur D auch ein Verhältnis Copolymer:Niotensid von 1:1, bzw.

0.5 Gew.-% HEDP-Na4 (i.e. ein Phosphonat) veranschaulicht, weisen somit die in den Hilfsanträgen 1 und 2 beanspruchten Geschirrspülmittel (verglichen mit dem Hauptantrag) kein weiteres Unterscheidungsmerkmal auf.

3.3 Daher gelten die gegen den Anspruch 1 des Hauptantrags erhobenen Einwände der mangelnden erfinderischen Tätigkeit auch gegen den Gegenstand des entsprechenden Anspruchs 1 gemäß den jeweiligen Hilfsanträgen 1 und 2. Demzufolge sind auch die Hilfsanträge 1 und 2 nicht gewährbar.

Hilfsantrag 3

4. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von dem des erteilten Anspruchs 1 dadurch, dass das "Geschirrspülmittel, bezogen auf das Gesamtgewicht des maschinellen Geschirrspülmittels, Phosphonat in Mengen von 2.0 bis 5 Gew.-% enthält".

Zulässigkeit

4.1 Die Einsprechenden haben beanstandet, dass die Patentinhaberin keinerlei Veranlassung gehabt habe, den Hilfsantrag 3 erst im Beschwerdeverfahren vorzulegen.

4.1.1 Diese Beanstandung ist für die Kammer nicht überzeugend, weil Hilfsantrag 3 eine konvergente Einschränkung (von 0.5 bis 10 Gew.-% auf 2,0 bis 5 Gew.-% der im Geschirrspülmittel gemäß Hilfsantrag 2 anwesenden Phosphonatmenge) des bereits im Einspruchsverfahren vorgelegten Hilfsantrags 2 darstellt. Außerdem kann die Einreichung des Hilfsantrags 3 als Reaktion auf die Wahl von D10 als nächstliegenden Stand der Technik seitens der Einspruchsabteilung angesehen werden.

4.1.2 Daher entschied die Kammer, den neuen Hilfsantrag 3 im Beschwerdeverfahren zuzulassen.

Formale Gewährbarkeit

4.2 Die Kammer stellt fest, dass Anspruch 1 auf der Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 10, sowie den erteilten Ansprüchen 1 und 9, basiert. Somit sind die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt.

Neuheit

4.3 Die Neuheit des in Hilfsantrag 3 beanspruchten Geschirrspülmittels wurde nicht bestritten.

Erfinderische Tätigkeit

4.4 Sowohl im schriftlichen Verfahren als auch in der mündlichen Verhandlung hat die Patentinhaberin vorgetragen, dass sich das Geschirrspülmittel nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 von der Formulierung D der D10 dadurch unterscheide, dass es gleichzeitig weniger Gerüststoffe und die vierfache Menge (mindestens 2 Gew.-%) an Phosphonat enthalten solle, was im Vergleich zu der in D14 veranschaulichten Wirkung, nämlich im Reinigungsverfahren bei Niedrigtemperaturen, zu einer deutlichen Verbesserung beim Klarspülergebnis, insbesondere hinsichtlich der Tropfenbildung, führe. Dass diese Wirkung auch über die gesamte Anspruchsbreite erzielt werde, sei aus den Beispielen des Streitpatents ersichtlich.

4.4.1 Im Gegensatz dazu haben die Einsprechenden geltend gemacht, dass die vermeintliche Wirkung weder ursprünglich offenbart sei noch dass sie über die gesamte Breite des Anspruchs 1 erfüllt sei. Darüber hinaus wiesen D4 und D10 auf den beanspruchten Bereich an Phosponaten hin.

4.4.2 Die Kammer stellt fest, dass D14 einen Vergleichversuch mit dem Geschirrspülmittel gemäß D10 darstellt. Dabei wird die Anzahl und die Intensität an Tropfen beim getrockneten Spülgut nach einem Reinigungsprogramm bei niedriger Temperatur (50°C) gemessen. Eine geringere Tropfenbildung stellt eine bessere Klarspülleistung dar.

4.4.3 Eine gute Klarspülleistung sowie eine verbesserte Trocknung des gereinigten Geschirrs sind auch die Ziele des Streitpatents (siehe Absatz [0007]). Außerdem führt die Verwendung von Phosphonaten zu verbesserten Klarspülergebnissen (Streitpatent, Absatz [0065]).

4.4.4 Das in den Beispielen des Streitpatents getestete erfindungsgemäße Geschirrspülmittel, enthaltend

4 Gew.-% an Phosphonat (also innerhalb des beanspruchten Bereichs 2 bis 5%) erzielt einen besseren Trocknungsindex und zeigt keine Belagsbildung, also eine verbesserte Trocknungs- und Belagsleistung, somit ein verbessertes Klarspülergebnis. Infolgedessen kann die Kammer die Ansicht der Einsprechenden, dass die geltend gemachte Wirkung nicht ursprünglich offenbart worden sei bzw. dass sie nicht über die gesamte Breite des Anspruchs erzielbar sei nicht teilen.

4.4.5 Daraus folgt, dass gegenüber dem Geschirrspülmittel nach Rezeptur D von D10 (welches eine geringere Menge an Phosphonat enthält), das beanspruchte Geschirrspülmittel eine Verbesserung darstellt, so dass die tatsächlich gelöste Aufgabe in der Bereitstellung eines Mittels für Geschirrspülmaschinen mit verbesserter Reinigungs- und Klarspülleistung auch bei niedrigen Temperaturreinigungsgängen besteht.

4.5 Es bleibt demnach zu entscheiden, ob es ausgehend von dem Geschirrspülmittel D nach D10 für den mit der neuen technischen Aufgabe befassten Fachmann naheliegend war, die Gerüststoffmenge des Geschirrspülmittels derart zu reduzieren, und die Menge des Phosphonats derart zu erhöhen, dass sich dabei ein wie im erteilten Anspruch 1 definiertes, verbessertes Geschirrspülmittel in naheliegender Weise ergibt.

4.5.1 Die Kammer stellt fest, dass die spezifische Rezeptur D aus D10 zwar 0,5% Phosphonat (HEDP-Na4) enthält, gemäß der Rahmenrezeptur auf Seite 1 kann die Menge jedoch auch Null sein; somit ist Phosphonat kein wesentlicher Bestandteil des Geschirrspülmittels gemäß D10.

4.5.2 Außerdem wird die in der Rahmenrezeptur erwähnte obere Grenze von 2% an Phosphonat in keiner der spezifischen Formulierungen A bis E verwendet. Die höchste spezifizierte Menge an Phosphonat beträgt 1%, und zwar in Formulierung B. Somit weist D10 nicht auf Mengen an Phosphonat von 2% oder höher hin.

4.5.3 Ferner findet der Fachmann in D10 keinen Anhaltspunkt, dass die Erhöhung der Menge an Phosphonat zu verbesserten Klarspülleistungen führen würde, noch weniger in Kombination mit gleichzeitiger Reduzierung der Menge an Gerüststoffen.

4.5.4 Daher ist die Kammer der Ansicht, ausgehend vom Geschirrspülmittel D nach D10, dass der sich mit der technischen Aufgabe befassende Fachmann die Komponente Gerüststoffe und HEDP der bekannten Zusammensetzung D von D10 nicht hätte reduzieren bzw. erhöhen wollen in der Erwartung der Bereitstellung eines verbesserten Geschirrspülmittels, sodass das beanspruchte Geschirrspülmittel gegenüber D10 nicht nahe lag.

4.6 Bezüglich der Kombination von D10 mit D4, oder ausgehend von D4 als nächstliegendem Stand der Technik, wie schriftlich von den Einsprechenden vorgetragen, ist die Kammer folgender Meinung:

4.6.1 Wie oben erwähnt, offenbart D4 gießbare maschinelle Geschirrspülmittel enthaltend bestimmte Sulfonsäuregruppen-haltige Polymere sowie nichtionische Tenside. Die Sulfonsäuregruppen-haltigen Copolymere führen zu deutlicher Sauberkeit und zu einer verkürzten Trocknungszeit, gegenüber Mitteln ohne Sulfonsäuregruppen-haltige Copolymere (D4, Absätze [0029] bis [0032]).

4.6.2 Die dem beanspruchten Gegenstand nächstliegendste Ausführungsform gemäß den Ansprüchen 1, 5 und 6 von D4, bedarf jedoch der Auswahl der engsten bevorzugten Mengen an sulfonierten Copolymeren und an nichtionischen Tensiden, damit das wie im vorliegenden Anspruch 1 beanspruchte Mengenverhältnis erfüllt wäre. Somit wird diese geltend gemachte Ausführungsform nicht direkt und ummittelbar offenbart in D4, noch kann sie am nächsten liegen.

4.6.3 Auch falls es so wäre, müsste der Fachmann zusätzlich sowohl die im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 beanspruchte Art an nichtionischen Tensiden innerhalb der gesamten Lehre von D4, also die im Absatz [0068] von D4 auswählen, als auch (in Kombination damit) die im Absatz [0092] von D4 offenbarten Phosphonate, und zusätzlich in Mengen oberhalb von 2,5 Gew.-%, einsetzen wollen. Für alle diesen Auswahlen gibt es in D4 aber keinen Anhaltspunkt, noch weniger in Bezug auf Verbesserungen.

4.6.4 Somit kann D4 zur Frage des Naheliegens des Gegenstands des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag 3, weder (allein) mehr relevant als D10, noch in Kombination mit D10, überhaupt relevant sein.

4.7 Zusammengefasst erfüllt das im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 definierte Geschirrspülmittel, und somit auch die von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2 bis 14, die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.

4.8 Folglich ist der Hilfsantrag 3 gewährbar.

5. Die von den Einsprechenden erhobenen Einwände stehen somit der Aufrechterhaltung des Streitpatents im Umfang des Anspruchssatzes des Hilfsantrags 3 nicht entgegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Anordnung, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß Hilfsantrag 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 2. Mai 2016, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.

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