T 0437/16 (Reinigungsmittel/Henkel) of 9.1.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T043716.20190109
Datum der Entscheidung: 09 Januar 2019
Aktenzeichen: T 0437/16
Anmeldenummer: 08860636.3
IPC-Klasse: C11D 3/20
C11D 3/37
C11D 17/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: REINIGUNGSMITTEL
Name des Anmelders: Henkel AG & Co. KGaA
Name des Einsprechenden: 1) Dalli-Werke GmbH & Co. KG
2) Reckitt Benckiser (Brands) Limited
Kammer: 3.3.06
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 52(1)
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent

Nr. 2 235 153 zu widerrufen.

II. Anspruch 1 des während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsantrags hat folgenden Wortlaut (Änderungen gegenüber dem erteilten Anspruch 1 von der Kammer kenntlich gemacht):

"1. Ein- oder mehrphasige maschinelle Geschirrspülmitteltablette aus einem verpressten teilchenförmigen Material, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens eine Tablettenphase A, bezogen auf ihr Gesamtgewicht,

a) 5 bis 50 Gew.-% Citrat

b) 1 bis 20 Gew.-% Citronensäure

c) 0,1 bis 40 Gew.-% hydrophob modifizierte(s) anionische(s) Polymer(e), umfassend

i) 5 bis 95 Gew.-% Säuregruppen-haltige Monomere

ii) 5 bis 95 Gew.-% weitere nichtionische Monomere

umfasst,

wobei das/die anionische/n Polymer/e nur Monomere aus den Gruppen i) und ii) enthält/enthalten und es sich bei dem anionischen Polymer c) um ein Copolymer aus Carbonsäuregruppen-haltigem Monomer, Sulfonsäuregruppen-haltigem Monomer und nicht ionogenem Monomer handelt."

III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Entgegenhaltungen zitiert:

D8: DE 101 23 621 A1;

D35: WO 03/104372 A1;

D36: WO 2004/013269 A1.

IV. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag (siehe Punkt II oben) gegenüber der Kombination von D8 als nächstliegendem Stand der Technik mit D36 nicht erfinderisch sei.

V. Mit ihrer Beschwerdebegründung, machte die Patentinhaberin (die "Beschwerdeführerin") den Hilfsantrag zum Hauptantrag und bestritt den Beschluss der Einspruchsabteilung bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit des geltenden neuen Hauptantrags.

VI. Mit ihrer Erwiderung reichte die Einsprechende 1/Beschwerdegegnerin I neue Druckschriften ein und erhob Einwände unter Artikeln 123, 84, 83, 54 und 56 EPÜ.

VII. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 reichte die Beschwerdeführerin einen Hilfsantrag 1 ein.

VIII. In einer Mitteilung stellte die Kammer ihre vorläufige Meinung zu erfinderischer Tätigkeit, unter anderem, dass Beispiel 4 von D8 ein geeigneter Ausgangspunkt sei, bzw. dass die beanspruchte Geschirrspültablette unter anderem aus der Kombination von D8 mit D36 naheliegend zu sein scheine.

IX. Die Beschwerdegegnerinnen beantragten, den neuen Hilfsantrag 1 nicht in das Verfahren zuzulassen. Außerdem waren sie der Ansicht, dass dieser neu eingereichte Gegenstand weder den Erfordernissen des Artikels 123(2) noch des Artikels 56 EPÜ genüge.

X. Während der mündlichen Verhandlung wurde insbesondere die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands laut Anspruch 1 des Hauptantrages ausgehend von D8 als nächstliegendem Stand der Technik erörtert, wobei von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde, dass die technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer weiteren Geschirrspülmitteltablette bestand.

Bezüglich des Naheliegens der beanspruchten Lösung wurde die Kombination von D8 mit einem der herangezogenen Entgegenhaltungen, unter anderem D36 und D35, ausführlich erörtert.

Nachdem die Kammer zu dem Ergebnis kam, dass der Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, zog die Beschwerdeführerin ihren Hilfsantrag 1 zurück.

XI. Am Ende der mündlichen Verhandlung war die Antragslage wie folgt:

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrages, der in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 27. November 2015 als Hilfsantrag eingereicht wurde.

Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.

Entscheidungsgründe

Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

Die Kammer ist der Meinung, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 bei Anwendung des Aufgabe-Lösungsansatzes die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ aus folgenden Gründen nicht erfüllt.

1. Gemäß Streitpatent (Absätze [0001], [0005], [0007] und [0009]) betrifft die Erfindung Citrat-haltige maschinelle Geschirrspülmitteltabletten, wobei die Citrate als Phosphat-Ersatz oder als -Austauschstoffe gelten, welche hinsichtlich ihrer Reinigungs- und Klarspülleistung sowie insbesondere auch ihrer belagsinhibierenden Leistung phosphathaltigen Reinigungsmitteln vergleichbar sind oder diese übertreffen, und zwar bei gleichzeitig verbesserten Härte und Zerfallseigenschaften.

2. Der nächstliegende Stand der Technik

2.1 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (8. Auflage 2016, I.D.3.1 bis 3.3.) ist der nächstliegende Stand der Technik in der Regel ein Dokument, das einen Gegenstand offenbart, der zum gleichen Zweck oder mit demselben Ziel entwickelt wurde wie die beanspruchte Erfindung, möglicherweise eine gleiche oder ähnliche technische Aufgabe betrifft und die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemein hat, also die wenigsten strukturellen Änderungen erfordert.

2.2 Die Kammer ist davon überzeugt, daß D8 als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten ist, weil D8 (siehe Absätze [0005] und [0008]) bruchstabile Tabletten mit hoher Zerfalls- und Lösegeschwindigkeit betrifft, die unter Anwendung von möglichst niedrigem Pressdruck hergestellt wurde, wobei die Tabletten zumindest gleich gute oder bessere Eigenschaften als die bekannten Tabletten bei gleichwohl großer Härte und hoher Kantenbruchstabilität (siehe Tabelle 2) aufweisen. Diese Tabletten sind unter anderem als Maschinengeschirrspülmittel anwendbar (D8, Absatz [0030]).

2.3 In der Tabelle 1 offenbart D8 citrathaltige Granulate und deren Verwendung als Geschirrspülmitteltabletten (Tabelle 4) enthaltend ein Copolymer (Sokalan CP-5), wobei die Citrate und das Copolymer als Phosphat-Ersatz gelten.

2.4 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass der Fachmann dieses Dokument nicht als Ausgangspunkt wählen würde, weil D8 sich mit einem Verfahren zur Herstellung von Wasserenthärtertabletten befasse. Die Kammer kann dieses Argument nicht nachvollziehen, weil D8 sich eindeutig auch mit Maschinengeschirrspülmittel-Tabletten befasst (siehe Absätze [0030], [0068] und [0069]) und sogar die komplette Zusammensetzung von drei verschiedenen Tabletten für diesen Zweck offenbart (siehe Beispiele 4a, 4b und 4c in der Tabelle 4 auf Seite 10).

2.5 Somit ist die Kammer davon überzeugt, dass D8 den nächstkommenden Stand der Technik darstellt. Die Kammer erachtet insbesondere die Tablette laut Beispiel 4a von D8 als den besten Ausgangspunkt für die Überprüfung auf das Naheliegen der erfindungsgemäßen Lösung nach Artikel 56 EPÜ.

3. Technische Aufgabe und Lösung

3.1 Insbesondere auf Grund der fehlenden Würdigung der Entgegenhaltung D8 und der ungenauen und unvollständigen Bestimmung des im Beispiel E1 des Streitpatents verwendeten Copolymers teilt die Kammer die Ansicht der Einspruchsabteilung, dass kein Beleg für einen besonderen Effekt der beanspruchten Zusammensetzung vorliegt, der eine Formulierung einer besonderen Verbesserung zu lösenden Aufgabe rechtfertigen könnte.

3.2 Folglich besteht für die Kammer die Aufgabe gegenüber D8/Beispiel 4a lediglich in der Bereitstellung von weiteren Citrat-haltigen maschinellen Geschirrspülmitteltabletten, welche hinsichtlich ihrer Reinigungs- und Klarspülleistung sowie ihrer belagsinhibierenden Leistung phosphathaltigen Geschirrspülmitteltabletten vergleichbar sind.

3.3 Diese Aufgabestellung wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten.

3.4 Es wurde auch nicht bestritten, dass diese weniger ehrgeizige Aufgabe von der in den Ansprüchen vorgeschlagenen Lösung tatsächlich gelöst wird.

4. Naheliegen

4.1 Es stellt sich die Frage, ob es für den Fachmann ausgehend vom Beispiel 4a aus D8 naheliegend war, ein weiteres Geschirrspülmittel wie im vorliegenden Anspruch 1 definiert unter Berücksichtigung des von den Einsprechenden geltend gemachten relevanten Standes der Technik, insbesondere den in Absatz [0018] von D8 erwähnten geeigneten Monomeren für weitere Copolymere, in Kombination mit der Offenbarung von insbesondere D36 (Seite 129, letzte zwei Absätze), oder mit unter anderem D35 (Anspruch 1 und Beispiele 1-3), bereitzustellen.

4.2 Beispiel 4a von D8 (siehe Absatz [0068]) offenbart eine mehrphasige maschinelle Geschirrspülmitteltablette aus einem verpressten teilchenförmigen Material, welches u.a. folgende (mengenmäßige, bezogen auf ihr gesamt Gewicht) Bestandteile enthält:

35,12 Gew.% Trinatriumcitrat (25 Gew.% + 22% von 46 Gew.% des Granulats aus Beispiel 1 = 35,12 Gew.%);

9,66 Gew.% Citronensäure (21% von 46 Gew.% des Granulats aus Beispiele 1)

2,76 Gew.% Sokalan CP-5 (6 Gew.% von 46 Gew.% des Granulats aus Beispiel 1) (Sokalan CP-5 der Firma BASF ist ein Acrylsäure-Maleinsäure-Copolymerisat in Form des Natriumsalzes - siehe Absatz [0056] Zeile 24 der Seite 7, von D8) (also ein anionisches Copolymer),

wobei das anionische Copolymer (Sokalan CP-5) ausschliesslich Carbonsäuregruppen-haltige Monomere enthält.

4.3 Somit unterscheidet sich die in Anspruch 1 definierte Tablette von der gemäß D8/Beispiel 4a dadurch, dass das anionische Copolymer zusätzlich zumindest 5 Gew.% an nichtionischen Monomeren enthält, wobei das anionische Copolymer nicht nur aus Carbonsäuregruppen-haltigen Monomeren besteht, sondern zusätzlich Sulfonsäuregruppe-haltige Monomere und nichtionogene Monomere aufweist.

4.4 Obwohl das in Beispiel 4a aus D8 verwendete Copolymer Sokalan CP-5 von D8 bevorzugt wird, offenbart D8 (Absatz [0016]) noch eine Reihe von anderen Monomeren, unter anderem ungesättigte Monomere wie Ethylen oder Methylvinylether (welche "nichtionogene Monomere" darstellen) sowie auch Vinylsulfonsäure, Styrolsulfonsäure oder Acrylamidomethylpropansulfonsäure (welche "Sulfonsäuregruppen-haltige Monomere" darstellen). Somit werden auch die Monomere offenbart, die in vorliegendem Anspruch 1 definiert sind. D8 offenbart jedoch kein konkretes Copolymer enthaltend die drei in Anspruch 1 definierten Monomertypen.

4.5 Im Absatz [0018] von D8 wird außerdem (obwohl in Kombination mit bevorzugten Pfropfcopolymerisaten aus Zucker und anderen Polyhydroxyverbindungen) die Verwendung von einer Monomermischung enthaltend mindestens 5 Gew.% an Säuregruppen-haltigen Monomeren (umfassend Monocarbonsäure und Sulfonsäuregruppen-haltige Monomere) sowie bis 30 Gew.% von wasserlöslichen, monoethylenisch ungesättigten Verbindungen offenbart, die mit einer 2 bis 50 mol Alkylenoxid pro mol monethylenisch ungesättigten Verbindung modifiziert sind (als weitere nichtionische Monomere).

4.6 Somit deutet D8 selbst an, dass Copolymere mit Monomermischungen wie beansprucht in den Zusammensetzungen von D8 verwendbar sind.

4.7 Wie von den Beschwerdegegnerinnen vorgetragen, stellen aber die beanspruchten Copolymere bekannte, übliche belagsinhibierende Bestandteile von Geschirrspülmitteln dar, was sich zumindest aus D36 und D35 auch für die Kammer deutlich ergibt.

4.8 Ausserdem gehört D36 demselben Gebiet des Streitpatents bzw. der Entgegenhaltung D8 und offenbart, dass in phosphatfreien maschinellen Geschirrspülmitteln (Seite 3, vorletzter Absatz, von D36) vorzugsweise belagsinhibierend wirkende Copolymere eingesetzt werden, welche aus folgenden Monomeren bestehen (Seite 139, vorletzter Absatz und letzter Absatz, vorletzter Satz):

a) 30 bis 95 Mol.-% (Meth)Acrylsäure (als carbonsäuregruppenhaltige Monomere);

b) 3 bis 35 Mol-% mindestens eines sulfonsäuregruppenhaltigen Monomers), und

c) 2 bis 35, insbesondere 5 bis 20 Mol.-% mindestens eines nichtionischen Monomers,

wobei die genannten Mol.-% Angaben sich auf das Copolymer beziehen.

4.9 Somit adressiert D36 eine objektive technische Aufgabe wie im Streitpatent bzw. in D8 (Bereitstellung von phosphatfreien, belagsinhibierenden Geschirrspülmitteln) und löst diese Aufgabe unter anderem gerade durch die Anwendung des gegenüber D8 konkret unterscheidenden Copolymers, welches in D8 (Absatz [0016]) schon allgemein angedeutet wird.

4.10 Auch D35 (Anspruch 1; Seite 2, Zeilen 6-7; Seite 3, Zeilen 29-33; Seite 10, Zeilen 13-15; Beispiele) offenbart, dass die beanspruchten Copolymere einen bekannten belagsinhibierenden Zusatz für Geschirrspülmittel darstellen.

4.11 Somit ist für die Kammer ersichtlich, ausgehend aus der Tablette des Beispiels 4a von D8, dass es für den mit der weniger ehrgeizigen Aufgabe beauftragten Fachmann nahe lag, ein Copolymer gemäß Seite 129 (vorletzer Absatz) von D36, oder wie im D35 veranschaulicht, in einer Zusammensetzung gemäß Beispiel 4a von D8 einzusetzen, im Einklang mit der allgemeinen Lehre des Absatzes [0016] von D8, zusätzlich zu oder als Ersatz des Sokalan CP-5, zur Bereitstellung von weiteren citrathaltigen maschinellen Geschirrspülmitteltabletten, welche hinsichtlich ihrer Reinigungs- und Klarspülleistung sowie auch ihrer belagsinhibierenden Leistung phosphathaltigen Reinigungsmitteln vergleichbar sind.

4.12 Aus den obigen offensichtlichen Gründen kann die Kammer daher den Argumenten der Beschwerdeführerin nicht folgen, dass die Auswahl der eingesetzten Komponenten in den eingesetzten Mengen ausgehend aus D8 keineswegs naheliegend gewesen sei, bzw. dass der Fachmann keine Veranlassung gehabt hätte, den weiteren Stand der Technik zu Rate zu ziehen.

4.13 Daher kommt die Kammer zu dem Schluss, dass sich der beanspruchte Gegenstand für einen Fachmann ausgehend von D8 und unter Berücksichtung der Offenbarung von unter anderem D36 in naheliegender Weise entwickeln lassen wird.

5. Somit lag der beanspruchte Gegenstand gegenüber dem angezogenen Stand der Technik nahe.

6. Der Hauptantrag ist folglich nicht gewährbar.

7. Damit wird die angefochtene Entscheidung bestätigt.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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