European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2021:T032816.20210202 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 02 Februar 2021 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 0328/16 | ||||||||
Anmeldenummer: | 09169216.0 | ||||||||
IPC-Klasse: | D21F 11/00 D21G 1/00 B31F 1/16 D21H 27/10 B65D 30/02 B31B 19/00 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Verfahren zur Herstellung von Sackpapier, Sackpapier und Papiersack | ||||||||
Name des Anmelders: | Voith Patent GmbH Mondi AG |
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Name des Einsprechenden: | Andritz Küsters GmbH | ||||||||
Kammer: | 3.2.07 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Neuheit - (ja) Erfinderische Tätigkeit - (ja) Ermittlung von Amts wegen - Beschwerdeverfahren Antrag auf Aussetzung der mündlichen Verhandlungen mittels Videokonferenz und Neufestsetzung eines Termins zur mündlichen Verhandlung in phyischer Präsenz der Beteiligten - Antragstellung erst nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung - zurückgewiesen Verlegung der mündlichen Verhandlung - schwerwiegende Gründe (nein) |
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Orientierungssatz: |
Zurückweisung eines nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung gestellten Antrages auf Aussetzung des als Videokonferenz durchgeführten Termins zur mündlichen Verhandlung und auf Neufestsetzung eines Termins zur mündlichen Verhandlung in physischer Präsenz aller Beteiligten (siehe Punkt 2 der Gründe) |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung, mit der der gegen das europäische Patent Nr. 2 186 939 gerichtete Einspruch zurückgewiesen wurde, form- und fristgemäß Beschwerde eingelegt.
II. Mit dem Einspruch griff die Beschwerdeführerin das Patent in vollem Umfang unter Geltendmachung der Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit sowie erfinderischer Tätigkeit.
III. Die folgenden Dokumente, die in der angefochtenen Entscheidung erwähnt wurden, sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
D2: GB 951 132 A,
D4: Mikko Jokio, Papermaking Part 3, Finishing, 1999,
Seiten 1-68,
D5: Papier-Lexikon, 1999, zu den Stichwörtern
"Kraftpapier" und "Sackpapier",
D6: PAP-FOR Russia 2008, November 10-13, 2008,
D6.1:PAP-FOR Russia 2008, Messebuch, S. 1-14, 110-111,
D6.2:PAP-FOR Russia 2008, Andritz Technical Seminar
"New Innovations and Technologies",
D6.3:PAP-FOR Russia 2008, Dr. Eduard Davydenko,
"Increase in quality and production due to modern
calendering technology", Andritz Technical
Seminar,
D6.4:Englische Übersetzung von D6.3,
D7: WO 03/064764 A1,
D8: Metso Paper, "OptiDwell shoe nip calender -
The bulk preserving technology", 2001, S. 1-3,
D9: Alexander Todorovic, Tarja Hämäläinen,
"Shoe Nip Calender Possibilities For Board and
Paper", 2003, TAPPI Spring Technical Conference &
Trade Fair",
D10/1:Per Arnesjö, Sven Häkansson, Magnus Wikström,
"Running shoe calender at Korsnäs Gävle
- a world first", Board Technology Days 2001,
Seiten 42-44,
D10/2:Per Arnesjö, Sven Häkansson, Martti Tuomisto,
Mikko Tani,"The First Mill To Operate a Shoe
Calender", Tappi 99 Proceedings, Seiten 765-772,
D16: P. Svenka, "Glättung von Papier und Karton -
heutiger Stand der Technik", Wochenblatt für
Papierfabrikation 23/24, 2002, S. 1590-1593,
D21: P. Svenka, "Elastische Walzenbezüge für
Superkalander und Softkalander", Das Papier, Heft 10A, 1992, S. V182-V189.
Das folgende Dokument wurde erst in der Beschwerdebegründung erwähnt:
D22: H. Leinonen, M. Lares, M. Tani,
"Langnipkalandrieren Qualität und Produktivität",
Auszug aus Wochenblatt für Papierfabrikation, 20, 2001, S. 1320-1324.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
den Widerruf des Streitpatents.
V. Die Beschwerdegegnerinnen (Patentinhaberinnen) beantragten
die Zurückweisung der Beschwerde, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag),
oder hilfsweise, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,
die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Basis eines der im Einspruchsverfahren mit Schriftsatz vom 24. September 2015 vorgelegten Hilfsanträge 1 bis 4.
VI. Am 20. Dezember 2019 erging eine Ladung zur mündlichen Verhandlung gemäß Regel 115 (1) EPÜ.
Mit einer Mitteilung vom 27. Januar 2020 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, mit einer negativen Einschätzung der Erfolgsaussichten der Beschwerde.
Die Parteien reagierten auf diese Mitteilung, und zwar die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 8. April 2020 und die Beschwerdegegnerinnen mit Schriftsatz vom 17. April 2020.
In einer zweiten Mitteilung vom 14. Mai 2020 gab die Kammer weitere Hinweise an die Parteien, u.a. auf Änderungen des Vorbringens der Beschwerdeführerin. Die Parteien antworteten hierauf mit den jeweiligen Schriftsätzen vom 22. Juni 2020.
Die mündliche Verhandlung, an der alle Mitglieder der Kammer wie auch die Parteien mittels Videokonferenztechnik mitwirkten bzw. teilnahmen und zu der der Zugang der Öffentlichkeit mittels Videokonferenztechnik ermöglicht wurde, fand am 2. Februar 2021 vor der Kammer statt.
Während der mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Aussetzung des Termins der mündlichen Verhandlung und Neufestsetzung eines Termins zur mündlichen Verhandlung in physischer Präsenz aller Beteiligten.
Soweit die Parteien noch im schriftlichen Verfahren die Verlegung der mündlichen Verhandlung mit dem Argument beantragt hatten, dass die mündliche Verhandlung in Präsenz aller Beteiligten stattfinden sollte (Schriftsätze vom 22. Januar 2021), bestätigte die Kammer in ihrer begründeten Mitteilung von 27. Januar 2021 den anberaumten Termin und die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz. Hierauf reagierten die Parteien in Form der Übermittlung der für die Videokonferenz erforderlichen Kontaktdaten (Schriftsatz der Beschwerdeführerin von 27. Januar 2021, Schriftsatz der Beschwerdegegnerinnen von 28. Januar 2021).
Während der mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdeführerin erstmals die erfinderische Tätigkeit ausgehend von D9 infrage.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll Bezug genommen.
Die vorliegende Entscheidung wurde am Schluss der mündlichen Verhandlung verkündet.
VII. Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung lautet:
"Verfahren zur Herstellung von gestauchtem oder ungestauchtem Sackpapier, bei dem die Sackpapierbahn (2) in einer Papiermaschine (3) hergestellt wird, was die Aufbringung der Sackpapierbahn auf ein Sieb mittels eines Stoffauflaufs, die Entwässerung in einer Presse und die Trocknung in einer Trockenpartie umfasst, und anschließend mittels einer Aufwicklung (8) aufgewickelt wird, dadurch gekennzeichnet, dass
a) die Sackpapierbahn (2) am Ende oder nach der Papiermaschine (3) in einem Breitnipkalander (12) behandelt wird, wobei der Breitnip (16) eine Länge in Bahnlaufrichtung (9) im Bereich von 30 bis 400 mm hat, und
b) der Breitnipkalander (12) über ein flexibles Gegendruckelement (23) ungestauchtes Sackpapier mit einem maximalen Pressdruck von 3 bis 15 MPa, bevorzugt 5 bis 10 MPa, und gestauchtes Sackpapier mit einem Pressdruck von 1 bis 10 MPa, bevorzugt 2 bis 5 MPa, beaufschlagt."
Das Wortlaut des jeweiligen unhabhängigen Anspruchs 1 der Hilfsanträge ist für die vorliegende Entscheidung, die zum Patent in der erteilten Fassung ergeht, nicht relevant.
VIII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen und wird in den Gründen im Detail diskutiert.
Zur Videokonferenztechnik
Weil die vorliegende Angelegenheit zu komplex sei, um in einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz vollständig diskutiert zu werden, sei der Termin der mündlichen Verhandlung auszusetzen, und ein neuer Termin zur mündlichen Verhandlung, diesmal in physischer Anwesenheit der Partien und der Kammer, neu festzusetzen.
Zur Neuheit
D2 sei neuheitsschädlich, weil der dort offenbarten Soft-Nip konstruktionsbedingt Niplängen von mindestens 30 mm aufwies.
D6 offenbare nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1, sondern auch die des Oberbegriffs. Diese Merkmale ergäben sich aus der Zusammenschau der Anlagekonvoluts und insbesondere der präsentierten Folien (D6.3, D6.4).
Die Einspruchsabteilung habe den Inhalt der Offenbarung des Anlagekonvoluts D6 ohne Berücksichtigung des Fachwissens, und somit nicht korrekt, bewertet.
Die Bewertung des Anlagekonvoluts D6 sei auf den Vortrag der Parteien nicht zu beschränken.
Die Einspruchsabteilung habe den Offenbarungsgehalt der D7 ebenfalls fehlerhaft bewertet. D7 führe eindeutig und klar aus, dass Sackpapier gemäß den Vorgaben des in dieser Schrift offenbarten Verfahrens kalandriert werde. Es sei somit für den fachkundigen Leser klar, dass diese Schrift ebenfalls neuheitsschädlich sei.
Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 gegenüber D9 sei ebenfalls zu verneinen.
Die Merkmale des Oberbegriffs seien sowohl in Zusammenschau mit dem auf Seite 6, Figur 8, genannten Dokument D10/1 (Referenz 13) als auch unter Berücksichtigung des in dieser Schrift enthaltenen Hinweis auf eine Produktionsanlage als offenbart anzusehen. Die Merkmale des kennzeichnenden Teils seien auch für den fachkundigen Leser offenbart, weil Sackpapier nichts anderes als Kraftpapier sei, aus dem Papiersäcke hergestellt werden. Insoweit verweist die Beschwerdeführerin auf das Dokument D5.
Zur erfinderischen Tätigkeit
Der Fachmann zöge, ausgehend von D2, Dokumente in Betracht, die eine Verbesserung der Bedruckbarkeit erwähnen. Dies sei bei den Dokumenten D16, D4, D8, D21 und D22 der Fall.
Ausgehend von D6 bediente sich der Fachmann der Lehre einer der D16, D10/1-D10/2, D22, D2 oder D9, hinsichtlich der dort erwähnten Prozessparameter, und gelangte dadurch ohne erfinderisches Zutun zum beanspruchten Verfahren.
Ausgehend von D9 (zusammen mit Dokument D10/1), jeweils in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen, sei auch die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags zu verneinen. Dieser erst während der mündlichen Verhandlung erhobene Einwand sei aufgrund von besonderen Umständen ins Verfahren zuzulassen.
IX. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen lässt sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen und wird in den Gründen im Detail diskutiert.
Zur Videokonferenztechnik
Eine Stattgabe des nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung gestellten Antrags der Beschwerdeführerin auf Aussetzung des Termins und eine Neufestsetzung eines Termins in physischer Präsenz aller Beteiligten sei der Beschwerdegegnerinnen gegenüber nicht zumutbar, da sie sich auf diesen Verhandlungstermin vorbereitet hätten.
Zur Neuheit
Die Einspruchsabteilung habe korrekt entschieden, D8 nicht zu berücksichtigen, und den Offenbarungsgehalt des Anlagekonvoluts D6, der D2, der D7 und der D9 korrekt als nicht neuheitsschädlich bewertet.
Zur erfinderischen Tätigkeit
Die zulässig vorgebrachten und die erfinderische Tätigkeit betreffenden Argumente der Beschwerdeführerin (ausgehend von D2 und von D6) seien aus den bereits schriftlich vorgetragenen Gründen nicht zutreffend.
D22 sei verspätet vorgelegt worden und deshalb nicht ins Verfahren zuzulassen.
Der erst in der mündlichen Verhandlung formulierte Einwand der mangelnder erfinderische Tätigkeit ausgehend von D9 sei als verspätet zu betrachten und somit nicht zuzulassen.
Entscheidungsgründe
1. VOBK 2020 - Anwendbarkeit
Das Beschwerdeverfahren unterliegt der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, die am 1. Januar 2020 in Kraft trat (Artikel 25 (1) VOBK 2020), jedoch mit Ausnahme von Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020 und von Artikel 13 (2) VOBK 2020, anstelle dessen Artikel 12 (4) VOBK 2007 und Artikel 13 VOBK 2007 weiterhin anwendbar sind (Artikel 25 (2) und (3) VOBK 2020).
2. Antrag auf Aussetzung des Termins zur mündlichen Verhandlung und Neufestsetzung eines Termins in physischer Präsenz aller Beteiligten
2.1 Die Beschwerdeführerin stellte einen Antrag auf Aussetzung des im Antragszeitpunkt bereits begonnenen Termins zur mündlichen Verhandlung und auf Neufestsetzung eines Termins in physischer Präsenz aller Beteiligten.
Als Begründung macht sie geltend, dass sie sich zwar auf die mündliche Verhandlung vorbereitet habe, aber dass die vorliegende Angelegenheit zu komplex sei, um in einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz ausführlich behandelt zu werden.
Gründe dafür seien sowohl die Anzahl der zu diskutierenden Einwände als auch, dass die Kammer keine Erwiderung auf die in ihrem Schriftsatz vom 22. Juni 2020 formulierten Argumente zur Sache selbst erlassen habe.
2.2 Diese Argumente überzeugen nicht und rechtfertigen nicht die Aussetzung der bereits eröffneten mündlichen Verhandlung.
2.2.1 Einem Antrag eines Beteiligten auf Verlegung einer mündlichen Verhandlung kann stattgegeben werden, wenn der Beteiligte schwerwiegende Gründe vorbringt, die die Festlegung eines neuen Termins rechtfertigen (Artikel 15 (2) VOBK 2020).
Im vorliegenden Fall kann die Kammer aus den folgenden Gründen keine solchen schwerwiegenden Gründe in den Argumenten der Beschwerdeführerin identifizieren.
2.2.2 Die Kammer ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht verpflichtet, zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung zu neuem Parteivorbringen Stellung zu nehmen, das in Reaktion auf eine bereits den Parteien zugestellten Kammermitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 eingereicht wurde.
Eine solche Verpflichtung ergibt sich weder aus dem EPÜ noch aus der Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in der revidierten Fassung von 2020 oder in der früheren Fassung von 2007.
Im Übrigen dient die mündliche Verhandlung gerade dazu, alle entscheidungserheblichen Aspekte zu erörtern und den Parteien die Möglichkeit zu geben, auf verfahrensleitende Hinweise der Kammer zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung zu reagieren, unabhängig von - und gegebenenfalls auch ergänzend zu - schriftsätzlichen Stellungnahmen der Partei(en) zu einer zuvor erlassenen Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020.
2.2.3 Die Beschwerdegegnerinnen machten zwar geltend, dass eine Videokonferenz angesichts der Anzahl und Komplexität der zu diskutierenden Themen nicht geeignet bzw. ideal wäre, weshalb sie zunächst eine Terminverlegung beantragt hatten. Sie haben dies aber nicht weiter mit Argumenten substantiiert.
2.2.4 Die Kammer hatte deshalb folgende Umstände bei ihrer Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin abzuwägen:
Nachdem der Termin auf mündliche Verhandlung bereits mehrfach auf Antrag der Parteien verlegt worden war (ursprüngliche Ladung vom 20. Dezember 2019 zur mündlichen Verhandlung am 29. April 2020, 1. Terminverlegung vom 17. Januar 2020 auf den 8. Mai 2020, 2. Terminverlegung vom 23. April 2020 auf den 2. Februar 2021, Änderung des Formates der mündlichen Verhandlung durch Mitteilung der Kammer vom 25. Januar 2021), erklärten die Beschwerdegegnerinnen mit Schriftsatz vom 22. Januar 2021, dem sich die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom selben Datum anschloss, dass die Rahmenbedingungen einer Videokonferenz nicht denen einer mündlichen Verhandlung mit Präsenz der Kammer und der Parteien entsprächen, und beantragten eine Terminverlegung zugunsten einer Präsenzverhandlung.
In Reaktion auf deren vorgenannten Erklärungen bestätigte die Kammer durch Mitteilung vom 27. Januar 2021 unter Zurückweisung der Terminverlegungsanträge den Termin und das Format der mündlichen Verhandlungen und teilte den Parteien zur Begründung Folgendes mit:
"Die Umwandlung der Verhandlung von der Präsenzverhandlung zu einer Videokonferenz dient zum einen dem Gesundheitsschutz aller Beteiligten angesichts der aktuellen Entwicklung der COVID-19-Pandemie und den im Sitzstaat der Europäischen Patentorganisation sowie in ganz Europa geltenden Schutzmaßnahmen.
Zum anderen obliegt es der Beschwerdekammer sowohl im Interesse der Verfahrensbeteiligten als auch im allgemeinen Interesse, anhängige Beschwerdeverfahren zu entscheiden. Eine Stattgabe des Antrages der Patentinhaberin bis zum Ende der derzeit geltenden Schutzmaßnahme führte zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung, zumal bereits eine ursprünglich für den 8. Mai 2020 angesetzte mündliche Verhandlung Pandemie-bedingt verlegt werden musste.
Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin streitet auch nicht der Verfahrensgrundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs für die beantragte Terminaufhebung.
Es liegt im Ermessen der Beschwerdekammer, eine mündliche Verhandlung gemäß Artikel 116 EPÜ auf Antrag eines Beteiligten oder, wie hier, von Amts wegen als Videokonferenz durchzuführen, wenn sie dies für zweckmäßig erachtet. Die Ermessensentscheidung stützt sich dabei auf Artikel 116 EPÜ. Eine diesbezügliche klarstellenden Bestimmung in der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern ist vom Beschwerdekammerausschuss im Dezember 2020 beschlossen und wird dem Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation zur Genehmigung in Kürze vorgelegt werden (siehe Vorschlag für einen neuen Artikel 15a VOBK, ... [Internet-Link]).
Dabei kodifiziert der vorgeschlagene neue Artikel 15a VOBK die seit Mai 2020 bestehende Praxis der Beschwerdekammern, mündliche Verhandlungen als Videokonferenz durchzuführen. Daher können die Beschwerdekammern ihre Praxis bereits vor dem Tag des Inkrafttretens des neuen Artikels anpassen. Die bestehende Ermessensbefugnis der Beschwerdekammern, mündliche Verhandlungen per Videokonferenz abzuhalten, bleibt unberührt. Dementsprechend können die Kammern die Beteiligten zu einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz für einen Termin vor dem 1. April 2021 laden oder eine mündliche Verhandlung, die in den Räumlichkeiten des Europäischen Patentamts vor diesem Datum stattfinden soll, in eine mündliche Verhandlung per Videokonferenz umwandeln, und zwar auch ohne das Einverständnis der Beteiligten zu dem jeweiligen Format.
Die Beschwerdekammer hat bereits eine Mehrzahl von mündlichen Verhandlungen als Videokonferenz unter Wahrung des Grundsatz des rechtlichen Gehörs durchgeführt. Auch im vorliegenden Fall liegen zur Überzeugung keine besonderen Umstände vor, die eine mündliche Verhandlung als Videokonferenz als unzweckmäßig oder ungeeignet erscheinen ließen. Bei der Abwägung aller relevanten Aspekte, insbesondere einschließlich der Komplexität des Falles und der Argumente der Patentinhaberin, kommt die Beschwerdekammer vielmehr zum Ergebnis, dass im vorliegenden Beschwerdeverfahren die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz zweckmäßig ist.
Der auf den 2. Februar 2021 anberaumte und als Videokonferenz (Zoom) durchzuführende Termin zur mündlichen Verhandlung bleibt daher aufrechterhalten und wird hiermit bestätigt."
Auf diese Mitteilungen reagierten die Parteien durch Schriftsätze vom 27. und 28. Januar 2021. In diesen Schriftsätzen wurden die zuvor gemachten Erklärungen und Anträge nicht wiederholt oder in Bezug genommen. Vielmehr machten die Parteien ohne weiteres Vorbringen und insbesondere ohne Wiederholung oder Bekräftigung dieser die notwendigen Angaben zur Videokonferenz.
Bereits in der Tatsache, dass die Parteien ihre zuvor geäußerten Bedenken gegen eine mündliche Verhandlung mittels Videokonferenztechnik und ihre Anträge auf Terminverlegung weder wiederholten noch sonst bekräftigten, sondern sich bis nach der Eröffnung der mündlichen Verhandlung rügelos auf die verfahrensleitende Anordnung der Kammer reagierten, bewertet die Kammer wenn schon nicht als eine Zustimmung zur Videokonferenz, so doch zumindest als ein Aufgeben ihrer früheren Bedenken und Nichtweiterverfolgen ihrer früheren Terminverlegungsanträge.
Jedenfalls vermochte die Kammer im Prozessverhalten der Parteien keinen förmlichen Widerspruch zur Durchführung der mündlichen Verhandlung in Form einer Videokonferenz zu erkennen, so dass die Ladung zum Verhandlungstermin aufrechterhalten sowie die mündliche Verhandlung als Videokonferenz vorbereitet und eröffnet wurden.
Dies änderte sich erst im Verlaufe der mündlichen Verhandlung nach der Einführung in den Verfahrensstand durch den Vorsitzenden sowie nach der Feststellung der Eingangsanträge der Parteien für die weitere Erörterung, zu Beginn der Erörterung der entscheidungserheblichen Punkte.
In diesem späten Verfahrensstadium hatte die Kammer bei ihrer Entscheidung über den Terminaussetzungsantrag der Beschwerdeführerin zudem zu berücksichtigen, dass die Beschwerdegegnerinnen die bereits begonnene mündliche Verhandlung fortsetzen wollten und beide Parteien bestätigten, sich auf die mündliche Verhandlung hätten gründlich vorbereiten können.
Diese Umstände sprachen ebenso für eine Zurückweisung der Terminaussetzungsantrages und Fortsetzung der mündlichen Verhandlung wie auch die Dauer des Beschwerdeverfahrens (fünf Jahre) und die verbleibende Gültigkeit des Streitpatents von gut sieben Jahren. Ein neuer Termin zur mündlichen Verhandlung in physischer Präsenz aller Beteiligten hätte angesichts des anhaltenden Pandemiegeschehens und der Auslastung der Kammer den Verfahrensabschluss um mindestens ein weiteres Jahr hinausgezögert. Dies wäre sowohl den Interessen der Parteien abträglich als auch unvereinbar mit der gegenüber der Öffentlichkeit bestehenden Verpflichtung der Kammer als judikatives Organ nach dem Europäischen Patentübereinkommen gewesen.
Schließlich war auch zu beachten, dass die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer ausweislich von Artikel 15 (6) VOBK 2020 zuvörderst dazu dient, dass die Beschwerdesache am Ende der - anberaumten und begonnenen - mündlichen Verhandlung entscheidungsreif ist. Sie setzt damit den prozessualen Schlusspunkt im ansonsten ausweislich von den Artikeln 12, 13 und 15 (1) VOBK 2020 wie auch die entsprechenden Vorschriften der VOBK 2007 das Beschwerdeverfahren als ein im wesentlichen schriftliches Verfahren ausgestaltet ist.
Wie auch der weitere Verlauf der mündlichen Verhandlung zeigte, konnten die entscheidungserheblichen Punkte mit den Parteien umfassend erörtert werden und konnten beide Parteien ihre jeweiligen Positionen vollumfänglich darstellen, wobei zu jedem Zeitpunkt eine faire, ordnungsgemäße und effiziente Durchführung der mündlichen Verhandlung im Sinne von Artikel 15 (4) VOBK 2020 sichergestellt war und von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen wurde.
2.3 Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Aussetzung des bereits begonnenen Termins zur mündlichen Verhandlung und Neufestsetzung eines Termins zur mündlichen Verhandlung war deshalb zurückzuweisen.
3. D2 - Neuheit
3.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass, weil aus D2 die Härte der Walzen 41 bekannt sei, sich zuverlässig erkennen lasse, dass diese sich ausreichend verformten und den beanspruchten Breitnip bildeten.
Grund dafür sei, dass mit der Angabe "rubber-covered" in D2 eine eindeutige Härteangabe gegeben sei, weil die Härte von Gummiformteilen zwischen 20 und 90 Shore A liege.
Gerade weil ein thermoplastischer Zustand der Lignin, der Harzen und der weiteren Bindungsmitteln (Seite 5, Zeilen 1-5 der D2) erreicht werde, sei für den fachkundigen Leser der D2 klar, dass zwingend ein Pressdruck und eine Länge des Breitnips in diesem Verfahren angewendet werden, die die des kennzeichnendem Teils des Anspruchs 1 entsprechen.
3.2 D2 wird von der Kammer, in Übereinstimmung mit den Feststellungen der Einspruchsabteilung in Punkt 4.1 der angefochtenen Entscheidung, als nicht neuheitsschädlich angesehen.
D2 offenbart (siehe Figur 1 und Spalte 2, ab Zeile 97) ein Verfahren zur Herstellung von gestauchtem oder ungestauchtem Sackpapier (siehe siehe Seite 1, Zeile 28: "paper bags"), bei dem die Sackpapierbahn (2) in einer Papiermaschine ("Fourdrinier forming section", 11) hergestellt wird, was die Aufbringung der Sackpapierbahn auf ein Sieb mittels eines Stoffauflaufs, die Entwässerung in einer Presse und die Trocknung in einer Trockenpartie umfasst, und anschließend mittels einer Aufwicklung (R, siehe Figur 1) aufgewickelt wird.
D2 offenbart, dass die Sackpapierbahn am Ende oder nach der Papiermaschine in einem sogenannten "breaker stack" (15) behandelt wird, bei dem über ein flexibles Gegendruckelement (gummierte Walzen, siehe Seite 3 Zeilen 91-98) das Sackpapier mit einem Pressdruck beaufschlagt wird.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin, dass der in D2 offenbarte Kalander mit gummierten Rollen als Breitnipkalander anzusehen sei, ist nicht überzeugend.
Wie die Beschwerdegegnerinnen zutreffend geltend gemacht haben, ist nämlich die Härte der Walzen 41 nicht bekannt, so dass sich nicht zuverlässig erkennen lässt, ob diese sich ausreichend verformen, um einen Breitnip mit der beanspruchten Länge zu bilden.
Selbst wenn die Härte von Gummiformteilen zwingend zwischen 20 und 90 Shore A liegen sollte, was eine unsubstantiierte Behauptung der Beschwerdeführerin geblieben ist, hat die Beschwerdeführerin nicht zu erklären vermocht, wie sich aus einer solchen sehr breiten Härtespanne ausgerechnet der beanspruchte Breitnip zwingend ergäbe.
Die Argumentationslinie der Beschwerdeführerin, dass die Erwähnung in D2 eines thermoplastischen Zustands der Lignin, der Harzen und der weiteren Bindungsmitteln (Seite 5, Zeilen 1-5 der D2) die Merkmale des kennzeichnendem Teils des Anspruchs 1 implizit offenbare, hat die Kammer nicht überzeugt, weil, wie von den Beschwerdegegnerinnen geltend gemacht, beim Verfahren gemäß D2 die Länge des Breitnips aufgrund der Verformung der gummierten Wälzen durch den Pressdruck beeinflusst wird.
Dies bedeutet, dass selbst, wenn tatsächlich D2 eine Breitniplänge im Bereich von 30 bis 400 mm implizit offenbarte, der Fachmann nicht in der Lage wäre, aus diesem Dokument die Information zu entnehmen, dass sich die beanspruchten Pressdruckparameter (je nach Stauchzustand des Sackpapiers) auch zwingend ergeben.
Die Beschwerdeführerin hat somit nicht überzeugend dargetan, dass D2 die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 offenbart.
Die Kammer schließt sich somit den Feststellungen der Einspruchsabteilung (Punkt 3.1 der Gründe der angefochtenen Entscheidung) an.
4. D7 - Neuheit
4.1 Die Beschwerdeführerin widerspricht der Feststellung der Einspruchsabteilung (angefochtene Entscheidung, Punkt 3.3), wonach D7 nicht neuheitsschädlich ist.
Grund dafür sei die unzutreffende Annahme der Einspruchsabteilung, dass eine Verbindung zwischen Sackpapier und den in D7 erwähnten Verarbeitungsvorrichtungen und Verfahren aus dieser Schrift nicht zu entnehmen sei.
Dies sei nicht korrekt, weil Seite 4, Zeile 15, der D7 eine genaue Definition des Begriffs "other papers" enthalte, wonach dieser Begriff eindeutig auch Sackpapiere umfasse, wie es auf Seite 2, Zeilen 1-2, der in D7 zitierten Schrift ("Papermaking, Science and Technology") auch gelehrt werde.
Seite 5, Zeilen 7-8, der D7 offenbare dem fachkundigem Leser zudem, dass diese "other papers" in Verbindung mit der Verarbeitungsvorrichtung der D7 stünden.
Die Verwendung der in D7 offenbarten Technik auf Sackpapier sei somit für den fachkundigen Leser aus dieser Schrift unmissverständlich zu entnehmen, und die Neuheit gegenüber D7 sei deshalb zu verneinen.
4.2 Die Kammer ist von diesen Argumenten nicht überzeugt.
Grund dafür ist, dass, in Übereinstimmung mit den begründeten Feststellungen der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung (Punkt 3.3 der Gründe) und entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, D7 nicht eindeutig und klar offenbart, dass Sackpapier nicht nur gemäß den Vorgaben der D7, sondern auch unter Verwendung der Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Hauptantrags (Pressdruck und Länge des Breitnips) kalandriert wird.
D7 zeigt eine Verarbeitungsvorrichtung mit einem Breitnipkalander für eine Faserbahn. Sackpapiere werden nur in einem Satz der Beschreibungseinleitung (Seite 4, Zeile 15) erwähnt, aber nie in direkter Verbindung mit dieser Verarbeitungsvorrichtung.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann die Offenbarung auf Seite 5, Zeilen 7-8, dass "other papers" kalandriert werden, nicht als eine implizite Offenbarung der Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 angesehen werden.
Grund dafür ist, dass nach ständiger Rechtsprechung (siehe die Rechsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage 2019, I.C.5.2.6) eine solche generische Offenbarung ("other papers") nicht für ein spezielles Merkmal (Sackpapier) neuheitsschädlich sein kann.
Die Kammer ist daher von den Argumenten der Beschwerdeführerin nicht überzeugt, dass D7 ein Verfahren zur Herstellung von gestauchtem oder ungestauchtem Sackpapier offenbart, bei dem die Merkmale des kennzeichnenden Teils des Anspruchs 1 des Hauptantrags (Pressdruck und Länge des Breitnips) zur Anwendung kommen.
Die Beschwerdeführerin hat somit die Inkorrektheit des in dem Absatz 3.3 der angefochtenen Entscheidung nicht überzeugend dargetan.
5. D9 - Neuheit
5.1 Die Beschwerdeführerin hat die in der angefochtenen Entscheidung (Punkt 3.4) festgestellte Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags gegenüber D9 mit den folgenden Argumenten bestritten.
Die Merkmale des Oberbegriffs seien sowohl in Zusammenschau mit dem auf Seite 6, Figur 8, genannten Dokument D10/1 (Referenz 13), als auch unter Berücksichtigung des in dieser Schrift enthaltenen Hinweises auf eine Produktionsanlage als offenbart anzusehen.
Die Merkmale des kennzeichnenden Teils seien für den fachkundigen Leser in D9 ebenfalls offenbart, weil, wie anhand von Dokument D5 bewiesen sei, Sackpapier nichts anderes als Kraftpapier sei, aus dem Papiersäcke hergestellt werden, und Seite 7 der D9 im Abschnitt "Future applications" die klare Aussage enthalte, dass Sckuhkalandrieren in erster Linie für Kraftpapier zu verwenden sei.
5.2 Die Kammer ist von dieser Argumentationslinie nicht überzeugt, dass die in der angefochtenen Entscheidung enthaltene Feststellung der Neuheit gegenüber D9 nicht korrekt war.
D9 offenbart (siehe Figur 2) ein Verfahren zur Papierherstellung, wobei
a) die Papierbahn (siehe Seite 30) am Ende in einem Breitnipkalander (shoe nip calender) behandelt wird, wobei der Breitnip (Nip length, siehe Table II) eine Länge in Bahnlaufrichtung von 50 bist 70 mm (d.h. im Bereich von 30 bis 400 mm) hat, und
b) der Breitnipkalander (shoe nip calender) über ein flexibles Gegendruckelement ("calender belt", siehe Seite 7) das Papier mit einem Pressdruck von 2-10 MPa (siehe Tabelle II) beaufschlagt.
Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin enthält Seite 7 der D9 im Abschnitt "Future applications" keine "klare Aussage", dass Schuhkalandrieren "in erster Linie" für Kraftpapier verwendet wird.
Diese Passage ist eher als ein Hinweis zu verstehen, dass ein "Shoe Nip Calender" (D9, Seite 6) für mehrere Papiersorten anwendbar ist, u.a. auch für Kraftpapier.
Selbst unter der Annahme, dass die Merkmale des Oberbegriffs aus D9 bekannt wären und Sackpapier nichts anderes als Kraftpapier wäre, kann die Kammer in der auf Seite 7 der D9 im Abschnitt "Future applications" enthaltenen Aussage keine Offenbarung eines Verfahrens finden, bei dem ausgerechnet eine Sackpapierbahn, je nach Stauchung, mit genau den im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des Hauptantrags für entweder gestauchtes oder ungestauchtes Sackpapier vorgesehenen Parametern behandelt wird.
Die Kammer kann somit die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Unrichtigkeit der in Punkt 3.4 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Feststellung der Neuheit gegenüber D9 nicht anerkennen.
6. D6 - Neuheit
6.1 Die Einspruchsabteilung hat die Neuheit gegenüber D6 anerkannt, weil sie nicht davon überzeugt war, dass das Fachpublikum aus den vom Zeugen Davydenko präsentierten Informationen genau die Parametern der Folien 27 und 29 herausfiltern und diese mit den Informationen der Folie 37 (Vorteile der Behandlung von Sackpapier in einem Breitnipkalander) rückkoppeln konnte, ohne darauf gesondert hingewiesen zu werden (angefochtene Entscheidung, Seite 7, letzter Absatz).
Grund dafür war, dass der Zeuge Davydenko in seiner Aussage bestätigte, jede Folie ca. 30 Sekunden präsentiert zu haben, was im Wesentlichen nur ein Vorlesen der auf den Folien enthaltenen Informationen ermöglichte.
Bei diesem Vorgehen konnten, nach Auffassung der Einspruchsabteilung, Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Folien, insbesondere wenn sie nicht direkt aufeinanderfolgten, nicht vom Publikum erkannt werden.
6.2 Die Beschwerdeführerin hat dieser Feststellung mit dem Argument widersprochen (Beschwerdebegründung, Punkt 4), dass die Neuheitsschädlichkeit anzuerkennen sei, weil auf den Folien 27, 28 und 29 der D6.4 die anspruchsgemäße Kalandrierparameter hinsichtlich Niplänge und Pressdruck wortwörtlich angegeben seien.
Die Merkmale des Anspruchs 1 ergäben sich aus der Zusammenschau der Anlagekonvoluts, und insbesondere den präsentierten Folien (D6.3, D6.4).
Das Fachpublikum habe sofort erkannt, dass diese Kalandrierparameter mit dem Breitnipkalander der Folie 37 in Verbindung zu setzen seien, weil diese nichts anderes als Standardwerte (siehe D16, Seite 1593, Abbildung 14) für die Bearbeitung von gestauchtes oder ungestauchtes Sackpapier mit einem Breitnipkalander seien.
Das Fachpublikum habe auch sofort erkannt, dass die Merkmale des Oberbegriffs in D6 offenbart seien.
Die Bewertung des Anlagekonvoluts D6 durch die Kammer sei auf den Vortrag der Beschwerdebegründung nicht zu beschränken.
Die Zuständigkeit der Beschwerdekammer erstrecke sich auf die Berücksichtigung aller relevanter Aspekte des Anlagekonvoluts D6, unhabhängig vom Vortrag der Parteien.
6.3 Die Kammer ist von dieser Argumentationslinie nicht überzeugt.
6.3.1 Zum Argument, dass die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 als offenbart anzusehen seien, obwohl diese in der Beschwerdebegründung nicht explizit behandelt wurden, weil die Bewertung vom Stand der Technik durch die Kammer unhabhängig vom Vortrag der Parteien durchzuführen sei, merkt die Kammer an, dass der Anwendungsbereich des Artikels 114 (1) EPÜ in der Rechtsprechung klar definiert ist.
Insbesondere im kontradiktorischen Einspruchsbeschwerdeverfahren ist die Kammer grundsätzlich an das jeweilige Parteivorbringen als Grundlage für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage gebunden.
Gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2020 wäre im Hinblick auf das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen, das Beschwerdevorbringen der Beschwerdeführerin in erster Linie auf die Anträge, Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel zu richten gewesen, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen.
Es ist - und kann - daher nicht Aufgabe der Kammer sein, Argumente, die eine Partei, hier die Beschwerdeführerin, zur Stützung ihres Antragsbegehrens nicht, oder nicht rechtzeitig, formuliert hat, von Amts wegen aus dem jeweiligen Vorbringen selbst zu konstruieren oder weiterzuentwickeln und damit zum Nachteil der Gegenpartei, hier der Beschwerdegegnerinnen, ins Verfahren einzuführen.
6.3.2 Selbst wenn, wie die Beschwerdeführerin nur nach Einreichung der Beschwerdebegründung geltend gemacht hat, die Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 durch D6 offenbart wären, sieht die Kammer keinen Grund, von der unter Punkt 3.2 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Feststellung abzuweichen, dass aus dem Vortrag nach D6 nicht bekannt geworden war, dass eine Sackpapierbahn in einem Breitnipkalander mit einer Niplänge in Bahnlaufrichtung im Bereich von 30 bis 400 mm und mit einem maximalen Pressdruck von 3 bis 15 MPa für ungestauchtes Sackpapier bzw. mit einem Pressdruck von 1 bis 10 MPa für gestauchtes Sackpapier behandelt wird.
Grund dafür ist, dass entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin keine Standardwerte für die Bearbeitung von gestauchtem oder ungestauchtem Sackpapier mit einem Breitnipkalander auf Seite 1593 und Abbildung 14 der D16 zu finden sind (siehe dazu auch die Ausführungen zu D16 in der Mitteilung der Kammer vom 27. Januar 2020, Punkte 6.2 und 9.2, die seitens der Beschwerdeführerin unwidersprochen geblieben sind), weil sich der Absatz "Schuhkalander" in dieser Schrift nur mit der Glättung von Karton befasst, ohne auf Sackpapier einzugehen.
Die Argumente der Beschwerdeführerin können somit die Feststellung der Einspruchsabteilung nicht überzeugend widerlegen, dass es für das Publikum der D6 nicht möglich war, zurückzuspringen und bereits gezeigte Folien erneut zu konsultieren, wie die Beschwerdeführerin dies bei der Formulierung des Neuheitseinwands anhand der gedruckten Dokumente D6.3 und D6.4 gemacht hat (siehe dazu auch die Beschwerdeerwiderung, Punkt 3.).
7. Erfinderische Tätigkeit, ausgehend von D2
7.1 Die Beschwerdeführerin widerspricht in der Beschwerdebegründung der in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Feststellung (Punkt 4.1) des Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D2.
Ausgehend von den in der angefochten Entscheidung identifizierten und auch oben festgestellten Unterscheidungsmerkmalen gegenüber D2 (siehe Punkt 3 oben) formuliert die Beschwerdeführerin die Aufgabe, die Bedruckbarkeit der Sackpapierbahn gemäß D2 zu verbessern.
Die Beschwerdeführerin betont in diesem Kontext, dass der Fachmann, der ausgehend von D2 die Vorgabe habe, diese Aufgabe zu lösen, die Dokumente D16, D4, D8, D21 und D22 in Betracht zöge, weil diese eine Verbesserung der Bedruckbarkeit von Papier erwähnen.
Der Fachmann finde z.B. in D16 die Lehre, dass der Schuhkalander seit 2002 die beste Lösung für eine gute Bedruckbarkeit von Karton (D16, S. 1593, Absatz ,,Schuhkalander") sei.
Der Fachmann greife also auf diese Dokumente zurück und setze die dort beschriebenen Kalandrierparameter ein. Dadurch gelange er ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags.
7.2 Die Kammer kann sich diesen Argumenten der Beschwerdebegründung aus den, bereits unter Punkt 6.2 der Mitteilung vom 27. Januar 2020 angegebenen und seither von der Beschwerdeführerin nicht widersprochenen Gründen nicht anschließen.
7.2.1 Bezüglich der Kombination der D2 mit der Lehre einer der D16, D4 oder D21 merkt die Kammer an, dass die Beschwerdeführerin kein Argument dafür vorgelegt hat (sie Punkt 7 der Beschwerdebegründung), warum es naheliegend wäre, eine Glatttechnik und sogar Prozessparameter für Sackpapier zu verwenden, die in Dokumenten zu finden sind, die die Herstellung von Sackpapier nicht betreffen (siehe Punkt 4.1 der Gründe der angefochtenen Entscheidung).
D16 gibt für die Lösung der Aufgabe keinen Hinweis, weil sich der Absatz "Schuhkalander" von D16 nur mit der Glättung von Karton befasst, ohne auf Sackpapier einzugehen.
D4 betrifft den Einsatz von Kalandern in der Papierherstellung im Allgemeinen und von Breitnipkalandern (Punkt 2.5.5 letzter Absatz, Seite 42) in Bezug auf die Herstellung von Karton ("board grades").
D21 befasst sich mit der Verformung im Nip bei Kalander, die einen elastischen Überzug aufweisen.
7.2.2 Zu den Argumenten der Beschwerdeführerin bezüglich der Kombination mit D8 (Seite 16, letzter Absatz der Beschwerdebegründung) merkt die Kammer an, dass das Beschwerdebegehren sich nicht auf D8 stützen kann, da D22 anstelle der D8 eingeführt wurde (Beschwerdebegründung, letzter Satz beginnend auf Seite 16 und endend auf Seite 17 oben).
Selbst wenn D8 zu berücksichtigen wäre, teilt die Kammer die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Einschätzung (Punkt 2.2 der Gründe), dass D8 nicht zum Stand der Technik gehören kann, weil die Einsprechende, die insoweit beweispflichtig ist, keinen Beweis dafür vorgelegt hat, dass die auf D8 gedruckten Datumsangaben tatsächlich Veröffentlichungsdaten sind.
Grund dafür ist, dass die Beschwerdeführerin nicht bewiesen hat, ob und wann D8 öffentlich geworden ist.
Die Behauptung der Beschwerdeführerin, dass das Datum links oben auf D8 (OptiDwell 2001kansi 28.5.2001 21:28 Page 1) offensichtlich das Datum sei, wann dieser Prospekt ins Netz gestellt wurde, betrachtet die Kammer als unsubstantiiert.
Selbst wenn D8 als Stand der Technik anzuerkennen wäre, merkt die Kammer an, dass diese Schrift die Herstellung von Sackpapieren nicht direkt betrifft und deshalb die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht infrage stellen kann.
7.2.3 Die Beschwerdeführerin hat das erstmals mit der Beschwerdebegründung vorgelegte Dokument D22 zur Diskussion der erfinderische Tätigkeit auch herangezogen.
Dazu merkte die Kammer in ihre Mitteilung von 27. Januar 2020 an (Punkt 6.3), dass dieses Dokument als verspätet zu betrachten war und somit seine Zulassung ins Beschwerdeverfahren im Zweifel stand, zumal dieses Dokument die Herstellung von Sackpapieren nicht zu betreffen schien.
Diese vorläufige Feststellung der Kammer wurde von der Beschwerdeführerin weder kommentiert noch während des weiteren Beschwerdeverfahrens bestritten. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sich ihre Einwände gegen das Patent in der erteilten Fassung auf die im auf den 8. April 2020 datierten und per Fax am 14. April 2020 eingereichten Schriftsatz dargelegten Argumentationslinien bezögen. Sie hat in diesem Schriftsatz jedoch das Dokument D22 nicht mehr erwähnt.
Unter diesen Umständen sieht die Kammer - nachdem sie erneut alle relevanten Aspekte in Bezug auf diese Fragen berücksichtigt und überprüft hat - keinen Grund, von ihrer oben genannten Feststellung abzuweichen.
Diese Frage ist vorliegend aber nicht mehr entscheidungserheblich, da sich die Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung nicht mehr spezifisch auf dieses Dokument berufen und somit dessen Zulassung ins Beschwerdeverfahren nicht mehr zur Entscheidung gestellt hat. Die Beschwerdeführerin hat nämlich auch erklärt, keine weiteren als die im Protokoll aufgeführten erörterten Einwände gegen das Patent in der erteilten Fassung geltend machen wollte.
8. Erfinderische Tätigkeit, ausgehend von D6
8.1 Die Beschwerdeführerin stellt die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags mit dem Argument infrage, dass ausgehend von D6 der Fachmann sich der Lehre einer der D16, D10/1-D10/2, D22 oder D9 hinsichtlich der dort erwähnten Prozessparameter bediente und dadurch zum beanspruchten Verfahren gelangte.
8.2 Die Kammer schließt sich den Argumenten der Beschwerdeführerin aus den folgenden Gründen nicht an.
Die Beschwerdeführerin konnte nicht überzeugend darlegen, dass aus dem Vortrag nach D6 bekannt geworden wäre, dass eine Sackpapierbahn in einem Breitnipkalander mit einer Niplänge in Bahnlaufrichtung im Bereich von 30 bis 400 mm und mit einem maximalen Pressdruck von 3 bis 15 MPa für ungestauchtes Sackpapier bzw. mit einem Pressdruck von 1 bis 10 MPa für gestauchtes Sackpapier behandelt wird (siehe Punkt 6.3.2 oben, siehe auch Punkt 3.2 der angefochtenen Entscheidung).
Dem Argument, dass die im erteilten Anspruch 1 angegebenen Niplängen- und Pressdruckbereiche durch D16, D10/1-D10/2, D22 oder D9 nahegelegt seien, kann sich die Kammer aus den in der angefochtenen Entscheidung getroffenen begründeten Feststellungen (Punkt 4.5 der Entscheidungsgründe) nicht anschließen. Die Beschwerdeführerin hat nämlich kein Argument dafür vorgetragen, warum es naheliegend sei, für Sackpapier eine Glatttechnik und sogar Prozessparameter zu verwenden, die in Dokumenten zu finden sind, die die Herstellung von Sackpapier nicht betreffen.
D10/1 (und D10/2) betreffen ein Breitnipkalander (Shoe calender), das in einer Papiermaschine (PM5) zur Herstellung von beschichtetes sowie unbeschichtetes Karton ("coated or uncoated board") installiert wurde.
D16 offenbart auch nur die Glättung von Karton mit einem Schuhkalander (siehe Seite 1593).
D22, selbst wenn diese Schrift in Betracht zu ziehen wäre (siehe Punkt 7.2.3 oben), betrifft nicht die Herstellung von Sackpapieren.
Aus D9 (sieht Punkt 5.2 oben), selbst wenn diese Schrift die Glättung von Sackpapier beträfe, ist keine Veranlassung für den Fachmann zu entnehmen, eine Sackpapierbahn in einem Breitnipkalander mit einer Niplänge in Bahnlaufrichtung im Bereich von 30 bis 400 mm und mit einem maximalen Pressdruck von 3 bis 15 MPa für ungestauchtes Sackpapier bzw. mit einem Pressdruck von 1 bis 10 MPa für gestauchtes Sackpapier zu behandeln, weil diese Merkmale dort nicht offenbart sind.
8.3 Soweit die Beschwerdeführerin sich in ihrem Schriftsatz vom 8. April 2020 gestützt auf die Kombination der Lehren der Schriften D6 und D2 einen neuen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit geltend gemacht, merkt die Kammer an, dass diese Angriffslinie, zusammen mit anderen, die in der Beschwerdebegründung vorgetragen wurden, während der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten wurde (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung, vorletzter Absatz auf Seite 4).
8.4 Die Beschwerdeführerin hat somit die Unkorrektheit der angefochtenen Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags ausgehend von D6 (Punkt 4.5) nicht überzeugend dargetan.
9. Erfinderische Tätigkeit - ausgehend von D9
9.1 Die Einsprechende erhob zum ersten Mal während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer einen Einwand mangelnder erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hauptantrags ausgehend von D9 (zusammen mit Dokument D10/1) in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen).
Diese Argumentationslinie sei trotz Verspätung zuzulassen, weil die Kammer während der mündlichen Verhandlung überraschend von der in den Mitteilungen geäußerten vorläufigen Auffassung hinsichtlich des Offenbarungsgehalts der D9 und der D6 abgewichen sei, und z.B. die Offenbarung von Sackpapier durch D9 oder die Offenbarung der Komponenten der beanspruchten Papiermaschine nicht mehr als entscheidend für die Neuheitsanerkennung gegenüber diesen Dokumenten thematisiert habe.
Dabei macht die Beschwerdeführerin auch geltend, dass die Kammer aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes nach Artikel 114 (1) EPÜ die Pflicht habe, alle relevanten Patentierbarkeitseinwände zu prüfen, auch die, die verspätet vorgebracht wurden.
9.2 Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung bleiben gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
9.2.1 Die Kammer vermag keine besondere Umstände für die Zulassung neuer Einwände anerkennen, die sich aufgrund der offenen und umfangsreichen Diskussion der Neuheitseinwänden der Beschwerdeführerin während des gesamten Verfahrens ergeben.
9.2.2 Ebenso wenig vermag die Kammer keinen besonderen Grund im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 in dem Argument der der Beschwerdeführerin zu ergeben, demzufolge die, die Kammer, aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes nach Artikel 114 (1) EPÜ verpflichtet sei, über die in der Beschwerdebegründung vorgetragenen Argumentationslinien hinaus auch andere, möglicherweise relevante Einwände von Amts wegen zu prüfen, weshalb ein entsprechendes späteres Vorbringen der Beschwerdeführerin hierzu ins Verfahren zuzulassen und von der Kammer auch anzuerkennen sei.
Grund dafür ist, dass das Beschwerdeverfahren ein vom Verfahren vor den Verwaltungsinstanzen des EPA, hier vor der Einspruchsabteilung, vollständig getrenntes, unabhängiges justizförmiges Verfahren ist. Seine Aufgabe besteht darin, ein gerichtliches Urteil über die Richtigkeit einer früheren Entscheidung des Organs zu fällen, das die angefochtene Entscheidung erließ.
Gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2020 wäre im Hinblick auf das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen, das Beschwerdevorbringen der Anmelderin in erster Linie auf die Anträge, Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel zu richten gewesen, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen.
9.3 Insofern ist nicht nachvollziehbar, auf welche außergewöhnlichen Umstände sich die Beschwerdeführerin stützen möchte, die die Einreichung eines neuen Einwands der erfinderischen Tätigkeit während mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren rechtfertigen könnte.
Mithin entscheidet die Kammer, in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 (2) VOBK 2020, die neue, von D9 ausgehende Angriffslinie ins Verfahren nicht zuzulassen.
10. Im Ergebnis gelangt die Kammer nach Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auf der Basis des wechselseitigen schriftsätzlichen und mündlichen Vorbringens der Parteien zum Schluss, dass die Beschwerde zurückzuweisen ist, weil die Argumente der Beschwerdeführerin zur Unrichtigkeit der Feststellungen und der diese tragenden Gründe der Einspruchsabteilung nicht überzeugen und die von der Beschwerdeführerin zulässigerweise geltend gemachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.