T 0015/16 () of 18.12.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T001516.20181218
Datum der Entscheidung: 18 Dezember 2018
Aktenzeichen: T 0015/16
Anmeldenummer: 10007631.4
IPC-Klasse: F16H 57/04
F28D 15/02
F04D 29/28
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Getriebe für industrielle Anwendungen
Name des Anmelders: Flender GmbH
Name des Einsprechenden: SEW-EURODRIVE GmbH & Co. KG
Kammer: 3.2.08
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 83
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Ausreichende Offenbarung - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Mit der am 3. Dezember 2015 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das europäische Patent 2 410 210 zurückgewiesen.

II. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

III. Am 18. Dezember 2018 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde sowie hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage des am 20. Oktober 2015 eingereichten 1. Hilfsantrags.

IV. Für die vorliegende Entscheidung haben die folgenden Entgegenhaltungen eine Rolle gespielt:

D1: |JP 60 113 895 A (bereits im Prüfungsverfahren und in der Patentschrift zitiert)|

D6: |DE 10 2004 022 863 A1 (bereits in der Patentschrift zitiert) |

D16:|US 2007 000 645 A1 |

D19:|Beglaubigte Übersetzung der JP 60 113 895 A1 (D1) |

V. Anspruch 1 des Hauptantrags, mit Merkmalsbezeichnungen der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) aus dem Einspruchsverfahren, lautet:

M1.1|"Getriebe für industrielle Anwendungen mit zumindest einer Antriebswelle (102) und zumindest einer Abtriebswelle (103), die durch eine jeweilige Öffnung an einem Getriebegehäuse (101) treten, |

M1.2|zumindest einem mit der Antriebswelle (102) verbundenen Zahnrad und zumindest einem mit der Abtriebswelle (103) verbundenen Zahnrad, die mittelbar oder ummittelbar [sic] im Eingriff miteinander stehen, |

M1.3|einem Bündel von mehreren Heatpipes (109), |

M1.4|die jeweils an einem ersten Abschnitt im Bereich eines Schmierstoffsumpfs (108) angeordnet und mit diesem thermisch verbunden sind, wobei an den ersten Abschnitten der Heatpipes (109) jeweils eine Verdunstung eines Heatpipe-Mediums erfolgt,|

M1.5|einem außerhalb des Getriebegehäuses (101) angeordneten Konvektionskühlkörper (110), |

M1.6|der mit zweiten Abschnitten der Heatpipes (109) verbunden ist, wobei an den zweiten Abschnitten der Heatpipes (109) jeweils eine Kondensation des Heatpipe-Mediums erfolgt, |

M1.7|einem mit der Antriebswelle (102) oder Antriebswelle [sic] (103) verbundenen Lüfter (111), in dessen Strömungsbereich der Konvektionskühlkörper (110) angeordnet ist, |

M1.8|wobei der Konvektionskühlkörper (110) in einen [sic] Gehäusedeckel integriert ist." |

VI. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Ausführbarkeit der Erfindung

Die Erfindung sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Merkmal M1.5 verlange einen außerhalb des Getriebegehäuses angeordneten Konvektionskühlkörper. Da der Fachmann im Hinblick auf die Gesamtoffenbarung in der Patentschrift, den Begriff "außerhalb des Getriebegehäuses" als vollständig außerhalb und getrennt vom Getriebegehäuse verstehe, bestehe ein Widerspruch zu Merkmal M1.8, das eine Integration des Konvektionskühlkörpers in einen Gehäusedeckel verlange. Ferner wisse der Fachmann nicht, wie er ein Heatpipe-Bündel wie in Figur 6 dargestellt in einen Gehäusedeckel integrieren solle.

b) Erfinderische Tätigkeit

Das Getriebe der Figuren 1 und 2 der D1, das ein aus einer Heatpipe bestehendes Kühlsystem aufweise, sei als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich davon nur durch ein Bündel, d. h. eine Mehrzahl von Heatpipes in Merkmal M1.3 sowie durch die daraus folgende Mehrzahl von Heatpipes in den Merkmalen M1.4 und M1.6. Weil die Achse 4 aus dem Getriebe herausrage, müsse das Teil 5, das den Ventilator 3 und die Achse 4 abdecke, an dem Getriebegehäuse angebracht sein. Das Teil 5 sei somit ein Gehäusedeckel, in den der Konvektionskühlkörper 2 wie von Merkmal M1.8 verlangt integriert sei.

Wenn man der Auslegung der Kammer folge, und sowohl die Mehrzahl von Heatpipes (Merkmale M1.3, M1.4, M1.6) als auch Merkmal M1.8 als Unterscheidungsmerkmale betrachte, lösten diese zwei unabhängige Aufgaben, nämlich die Verbesserung der Kühlung und kompaktere Ausführung des Getriebes. Die Lösung der ersten Aufgabe sei für den Fachmann allein aufgrund des durch D16 bestätigten Fachwissens naheliegend. Die Lösung der zweiten Aufgabe sei für den Fachmann im Hinblick auf die Lehre der D6 ebenso naheliegend. Somit beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

VII. Zur Stützung ihres Antrags hat die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Ausführbarkeit der Erfindung

Der Fachmann lese das Patent mit dem Bestreben es zu verstehen. Für die Funktion des Konvektionskühlkörpers sei es wichtig, dass er in thermischem Kontakt mit der Umgebungsluft stehe. Der Fachmann verstehe also unter dem Merkmal M1.5 einen Konvektionskühlkörper, der außerhalb des Getriebegehäuses und in Kontakt mit der Umgebungsluft sei, nicht aber dass dieser physisch getrennt vom Getriebegehäuse sein müsse. Somit bestehe kein Widerspruch zu Merkmal M1.8, das eine Integration des Konvektionskühlkörpers in einen Gehäusedeckel verlange. Der Fachmann wisse auch, wie er einen in einem Gehäusedeckel integrierten Konvektionskühlkörper in thermischer Verbindung mit einem Heatpipe-Bündel ausführen solle.

b) Erfinderische Tätigkeit

Der Begriff "Heatpipe" habe eine bestimmte Bedeutung. In einer "Heatpipe" werde das Heatpipe-Medium, in seinen zwei Zuständen, gegenläufig im gleichen Gefäß geführt. In dem Kühlsystem des Getriebes der D1 werde das Medium in seinen zwei Zuständen in unterschiedlichen Rohren geführt. Dieses Kühlsystem sei daher keine Heatpipe. Ferner sei das Teil 5 in den Figuren der D1 kein Gehäusedeckel, da es kein Gehäuse abdichte. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich daher von dem Getriebe der D1 durch die Merkmale M1.3, M1.4, M1.6 und M1.8.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei für den Fachmann nicht naheliegend. Er müsste, ausgehend von dem Getriebe der D1, eine Mehrzahl von Änderungen vornehmen, um zum Gegenstand des Anspruchs zu gelangen. Im Stand der Technik gebe es aber keine Hinweise, die ihn dazu veranlassten.

Entscheidungsgründe

1. Ausführbarkeit der Erfindung

Aus dem Gesamtkontext des Patents und im Hinblick auf die Funktion des Konvektionskühlkörpers ist klar, dass dieser in Kontakt mit der Umgebungsluft stehen muss. Eine physische Trennung von dem Gehäuse, wie in den Figuren gezeigt, mag für die Kühlleistung vorteilhaft sein, ist aber nicht zwingend notwendig. Paragraph [0015] beschreibt, dass die vorher genannten Konvektionskühlkörper sowohl getrennt vom Getriebegehäuse innerhalb einer Motorlaterne eingebracht als auch in einem Gehäusedeckel integriert sein können. Der Fachmann versteht daher unter Merkmal M1.5 einen Konvektionskühlkörper, der sich außerhalb - im Gegensatz zu innerhalb - des Getriebegehäuses befindet, aber nicht unbedingt, dass der Konvektionskühlkörper von dem Getriebegehäuse physisch getrennt sein muss. Dies Schließt jedoch nicht aus, das der Konvektionskühlkörper im Gehäusedeckel integriert ist (Merkmal M1.8)

Es stimmt zwar, dass das Patent keinen in einem Gehäusedeckel integrierten Konvektionskühlkörper zeigt, der mit einem Bündel mehrerer Heatpipes verbunden ist. Der Fachmann hatte aber Kenntnis von im Gehäusedeckel integrierten Kühlkörpern, siehe z.B. D6, und war auch in der Lage solche thermisch mit einem Bündel von Heatpipes zu verbinden. Z.B. könnte er die Heatpipes fest mit dem Kühlkörper und dem Gehäusedeckel verbinden und so gestalten, dass diese bei der Montage des Gehäusedeckels im Schmierstoffsumpf enden.

Folglich ist die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

2. Erfinderische Tätigkeit

D1 stellt unstreitig den nächstliegenden Stand der Technik dar.

2.1 D1 (unter Bezugnahme auf D19) offenbart unstreitig:

M1.1|ein Getriebe (Figuren 1 und 2) für industrielle Anwendungen mit zumindest einer Antriebswelle und zumindest einer Abtriebswelle, die durch eine jeweilige Öffnung an einem Getriebegehäuse treten (implizit in einem ,,Speed reduction gear"),|

M1.2|zumindest ein mit der Antriebswelle verbundenes Zahnrad und zumindest ein mit der Abtriebswelle verbundenes Zahnrad, die mittelbar oder unmittelbar im Eingriff miteinander stehen (implizit in einem ,,Speed reduction gear"), |

M1.5|einen außerhalb des Getriebegehäuses angeordneten Konvektionskühlkörper (Kondensor 2), |

M1.7|einen mit der Antriebswelle oder Abtriebswelle(4) verbundenen Lüfter (3), in dessen Strömungsbereich der Konvektionskühlkörper (110) angeordnet ist. |

Dabei ist aus der Gesamtoffenbarung des Streitpatents eindeutig, dass Merkmal M1.7 einen Tippfehler enthält und dass die Antriebs- oder die Abtriebswelle gemeint ist. Das Merkmal ist dementsprechend ausgelegt worden.

2.2 Streitig ist hingegen, ob das Kühlsystem (1, 2, 6, 7) dieses Getriebes eine Heatpipe darstellt, sowie ob der Kondensor 2 und die Haube 5 einen in einem Gehäusedeckel integrierten Konvektionskühlkörper gemäß Merkmal M1.8 darstellen.

2.2.1 Merkmal M1.3

Der englische Begriff "Heatpipe" hat für den Fachmann eine bestimmte Bedeutung und bezeichnet ein in der Regel rohrförmiges und längliches, geschlossenes Gefäß, das an beiden Enden hermetisch geschlossen ist und mit einem Medium gefüllt ist. An einem Abschnitt dieses Gefäßes findet eine Verdunstung des Mediums statt, wie es Merkmal M1.4 verlangt. Somit wird Wärme aufgenommen. An einem anderen Abschnitt findet eine Kondensation des Mediums statt, wie es Merkmal M1.6 verlangt. Somit wird Wärme wieder abgegeben. Bei Heatpipes strömen das verdunstete Medium und das kondensierte Medium gegenläufig in dem gleichen Gefäß. Diese Bedeutung des Begriffs Heatpipe wird auch im Absatz [0003] des von der Beschwerdeführerin als Beleg für Fachwissen angeführten Dokuments D16 bestätigt.

Das Kühlsystem des Getriebes der D1 basiert ebenfalls auf einer Zustandsänderung eines Mediums. Das Medium strömt jedoch gleichgerichtet und kreisförmig und, je nach Zustand, in getrennten Rohren (Rohr 6 für die Gasphase und Rohr 7 für die Flüssigphase) zwischen Verdampfer 1 und Kondensor 2. Dieses Kühlsystem ist daher keine Heatpipe im Sinne des Streitpatents.

Somit ist in D1 weder das Merkmal M1.3, noch sind - daraus folgend - die Merkmale M1.4 und M1.6 offenbart.

2.2.2 Merkmal M1.8

Aus dem Anspruchswortlaut ist klar, dass der Gehäusedeckel in Merkmal M1.8 einen Deckel des Getriebegehäuses bildet. Im normalen Sprachgebrauch verschließt ein Deckel ein Gefäß, und daher verlangt Merkmal M1.8, dass der Gehäusedeckel das Getriebegehäuse verschließt.

Teil 5 ("duct" in D19) des in der D1 offenbarten Getriebes deckt die Achse 4 und den Ventilator 3 ab, aber es verschließt das Getriebegehäuse 8 nicht. Es ist somit kein Gehäusedeckel im Sinne des Anspruchs.

2.2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich somit durch die Merkmale M1.3, M1.4, M1.6 und M1.8 von dem Getriebe der D1.

2.3 Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass die Unterscheidungsmerkmale M1.3 (zusammen mit M1.4 und M1.6) und M1.8 unabhängige Teilaufgaben lösen, nämlich die Kühlung zu verbessern und das Getriebe kompakter auszuführen und dass die beanspruchten Lösungen naheliegend seien.

2.4 Vor der Teilaufgabe gestellt, die Kühlung des Getriebes der D1 zu verbessern steht der Fachmann vor einer Vielzahl möglicher Lösungen, von denen - wiederum wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - die gängigste im Vorsehen eines erhöhten Volumenstromes des Kühlmediums liegt, beispielsweise durch eine erhöhte Anzahl von Kühlleitungen. Es stimmt zwar, dass Heatpipes aus dem allgemeinen Fachwissen bekannt sind. Diese sind jedoch wegen der Gegenströmung des Kühlmediums in seinen zwei Zuständen ineffektiv (siehe D16, Absatz [0004]). Von dem in D1 offenbarten Getriebekühlung ausgehend, und vor der oben genannten zu lösenden Teilaufgabe gestellt, hätte der Fachmann somit keinen Anlass den vorhandenen, und effektiveren, Kondensations-Kühlkreislauf mit einem Bündel von Heatpipes zu ersetzen. Wenn überhaupt, würde er das Kühlsystem des Getriebes der D1 mit zusätzlichen Rohrleitungen versehen um dessen Kühlleistung zu erhöhen. Dieses Kühlsystem würde aber - wie unter Punkt 2.1.1 dargelegt - nicht ein Bündel von mehreren Heatpipes darstellen.

Da schon das Vorsehen eines Bündels von mehreren Heatpipes (Merkmale M1.3, M1.4 und M1.6) nicht naheliegend ist, beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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