T 0006/16 () of 9.11.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T000616.20181109
Datum der Entscheidung: 09 November 2018
Aktenzeichen: T 0006/16
Anmeldenummer: 04021610.3
IPC-Klasse: E03D 9/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Wasserklosett
Name des Anmelders: Geberit International AG
Name des Einsprechenden: Presano AG
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 100(c)
European Patent Convention Art 76(1)
European Patent Convention Art 54(2)
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 114(2)
Schlagwörter: Einspruchsgründe - unzulässige Erweiterung (nein)
Teilanmeldung - Gegenstand geht über den Inhalt der früheren Anmeldung hinaus (nein)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Verspätetes Vorbringen - Dokument erstinstanzlich zugelassen (nein)
Verspätetes Vorbringen - korrekte Ermessensausübung (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1542/14
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 9. November 2015, mit der der Einspruch gegen das Patent Nr. EP-B- 1 491 692 zurückgewiesen wurde.

Dabei kam die Einspruchsabteilung zum Ergebnis, dass die Vorrichtung nach Anspruch 1 des erteilten Patents die Erfordernisse der Artikel 100 c), 76(1), 123(2), 54(1) und 56 EPÜ erfüllt, dass das spät vorgelegte Dokument D15 (JPH11-071802 mit Übersetzung) unberücksichtigt bleibt und dass die Frage des Prioritätsanspruchs sich nicht stellt, da sämtliche Entgegenhaltung vor dem Prioritätsdatum veröffentlicht sind.

II. Die Beschwerde wurde von der Einsprechenden (im Folgenden: Beschwerdeführerin) am 17. Dezember 2015 eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde am 23. Dezember 2015 entrichtet. Die Beschwerdebegründung ist am 9. März 2016 eingegangen.

III. Zitierter Stand der Technik

EP-A: ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen des Streitpatents;

WO: WO 028/22971 (Stammanmeldung des Streitpatents); D1: JP5 239 855 mit Englischer Übersetzung (D7);

D2: JP4 146 338 mit Deutscher Übersetzung (D8);

D3: US 2 762 058;

D9: JP 2 13589;

D10: WO 96/31665;

D13: FR 2 646 451;

D15: JPH11-071802 (von der Einspruchsabteilung nicht zugelassen/berücksichtigt).

IV. Antragslage

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Europäischen Patents Nr. 1491692.

Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Patent auf der Grundlage des Anspruchssatzes nach einem der mit der Beschwerdeerwiderung vom 14. Juni 2016 eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3.

V. Die Beschwerdekammer hat ihre vorläufige Meinung in einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK vom 16. April 2018 kundgetan, dabei hat sie zu sämtlichen Aspekten des vorliegenden Falles wie folgt Stellung genommen:

- die von der Beschwerdeführerin zur Frage der unzulässigen Erweiterung im Sinne von Artikel 100c)/76(1) EPÜ vorgebrachten Argumente erschienen nicht schlüssig;

- das von der Einspruchsabteilung nicht berücksichtigte Dokument D15 bleibe weiterhin unberücksichtigt;

- es liege kein Grund vor, der die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung bezüglich der Fragen der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit rechtfertigen würde;

- folglich beabsichtige die Beschwerdekammer, die angefochtene Entscheidung zu bestätigen bzw. die Beschwerde zurückzuweisen.

VI. Die Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 16. Mai 2018 mitgeteilt, dass sie an der am 5. Juli 2018 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde, und eine auf sein schriftliches Vorbringen gestützte Entscheidung beantragt.

Mit Telefax vom 6. Juni 2018 hat die Beschwerdegegnerin mitgeteilt, dass auch sie an der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer nicht teilnehmen werde, und eine Entscheidung nach Lage der Akte beantragt.

VII. In Anbetracht der Ankündigungen beider Parteien, an der mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen, hat die Beschwerdekammer mit Mitteilung vom 11. Juni 2018 die für den 5. Juli 2018 angesetzte mündliche Verhandlung aufgehoben.

VIII. Der erteilte Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

(mit der in Einspruchsverfahren eingefügten und in der angefochtenen Entscheidung zurückbezogenen Merkmalsgliederung)

1. "Wasserklosett

2. mit einem Klosettkörper (2, 51),

3. der einen Spülrand (3, 57) mit einem Spülkanal (3a,98),

4. einen Zulauf (59) für Spülwasser, welcher Zulauf (59) mit dem Spülkanal (3a,98) verbunden ist,

5. sowie einen Ablauf (58) aufweist

6. und der an eine Spülvorrichtung (25, 33) anschließbar ist,

7. mit Funktionselementen, die wenigstens

7.1. eine Unterdusche (9, 62) mit einem Duscharm (64),

7.2. eine Steuereinrichtung (12,16) für die Unterdusche (9),

7.3. sowie eine Bedienungseinrichtung (46) umfassen,

wobei

8. hinter einem Durchbruch (56) des Klosettkörpers (2, 51) eine Kammer (53) angeordnet ist, welche

9. für den Ein- und Ausbau der Unterdusche (9) wenigstens eine Öffnung (54, 61) aufweist, und

10. ein Heckteil (4, 52) bezüglich des Spülrandes (3, 57) des Klosettkörpers (2,51) hochgezogen ist, und

11. die Kammer (53) unter dem hochgezogenen Heckteil (52) des Klosettkörpers (51) angeordnet ist,

dadurch gekennzeichnet, dass

12. der Durchbruch (56) in dem Spülrand (3,57) angeordnet ist und

13. der Durchbruch (56) und die Kammer (53) für die Unterdusche (9, 62) über dem Spülkanal (98) angeordnet sind."

IX. Zum Hauptantrag hat die Beschwerdeführerin in ihren Schriftsätzen, welche alle noch vor der Mitteilung der vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer eingegangen sind, im Wesentlichen wie folgt vorgetragen:

a) Artikel 100 c) in Kombination mit Artikel 76(1) EPÜ - Artikel 123(2) EPÜ

i) Merkmal 11

[die Kammer (53) ist unter dem hochgezogenen Heckteil (52) des Klosettkörpers (51) angeordnet]

Das Einfügen des Merkmals 11 in den Anspruch 1 habe zu einem Gegenstand geführt, welcher in dieser Verallgemeinerung ursprünglich nicht offenbart sei und gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoße, da:

- das Merkmal 11 in der ersten Variante gemäß Figuren 1 bis 8 fehle und in den ursprünglich eingereichten Unterlagen auch nicht als erfindungswesentlich offenbart sei, und

- das aufgenommene Merkmal 11 zu einer unzulässigen Ausdehnung auf eine ursprünglich nicht ausdrücklich offenbarte Teilkombination führe.

ii) Merkmal 13

[der Durchbruch (56) und die Kammer (53) für die Unterdusche (9, 62) sind über dem Spülkanal (98) angeordnet]

Auch unter der Annahme, dass, wie von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung vorausgesetzt, es sich beim Begriff des Spülkanals im Merkmal 13 nur um ein Teil desgleichen handele, nämlich der dem Durchbruch und der Kammer benachbarte Teil, würde der Anspruch 1 gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoßen, weil bei angemessener Auslegung das Merkmal 13 auch Ausführungsformen abdecke, in welchen der Durchbruch und die Kammer über dem gesamten Spülkanal angeordnet seien. Dieser Sachverhalt entspreche einer nicht offenbarten Verallgemeinerung.

b) Zulassen von D15

Das Dokument D15 belege, der ringförmige umlaufende Spülkanal/Spülrand eines zu D2 identischen Keramikkörpers beim Einbau einer Unterdusche in irgendeiner Weise durchbrochen werden müsse, wie dies in Figur 4 der D2 dargestellt werde. D15 sei für eine objektive und sachlich zutreffende Auslegung der Offenbarung der D2 wesentlich und daher zuzulassen.

c) Neuheit

Das im Anspruch 1 definierte Wasserklosett sei aus D2 neuheitsschädlich bekannt.

Der Fachmann lese in D2 implizit mit, dass das Analreinigungssignal wie üblich auf dem Gebiet durch eine vom Benutzer manuell bedienbare Einrichtung ausgelöst werde (Merkmal 7.3). Gemäß Figur 4 von D2 befinde sich der Randwasserzufuhrkanal im Bereich des Duscharms. Für den Fachmann wäre es dann implizit, den Duscharm lokal über dem Spülkanal, in einer den Spülrand durchdringenden Ausnehmung im Klosettkörper zu lagern (Merkmale 8 und 12). Das Merkmal 10 spezifiziere nicht, dass das Heckteil zwingend Bestandteil des Klosettkörpers sein müsse; sodann könne das Heckteil wie in D2 durch eine Abdeckung gebildet werden.

Bei objektiver Auslegung sei das Merkmal 13, wonach die Kammer teilweise über und unter dem Spülkanal angeordnet sei, ebenfalls in D2 verwirklicht.

d) Erfinderische Tätigkeit

i) Generell

Die Merkmale 7.3. (Bedienungseinrichtung), 8 und 12 (Durchbruch) und 13 (über dem Spülkanal) seien offensichtlich nicht funktionell miteinander verbunden.

Das Merkmal 7.3. löse keine Aufgabe, weil da jedes WC mit Unterdusche eine Bedienungseinrichtung benötige. Ähnlich fehle den Merkmalen 8, 12 und 13 ein technischer Beitrag zu irgendeiner Funktion/Aufgabe, da z.B. die Hygiene nicht durch die Position des Durchbruchs verbessert werden könne

ii) Ausgehend von D2

Es sei für den Fachmann naheliegend, eine Bedienungseinrichtung vorzusehen, um die Unterdusche zu dem vom Benutzer gewünschten Zeitpunkt aktivieren zu können. Die in den Merkmalen 12 und 13 angegebenen relativen Positionen der Kammer, des Durchbruchs und des Spülrands beträfen lediglich eine aus wenigen Möglichkeiten, die üblicherweise zur Auswahl für die Anordnung dieser Komponente stünden, wobei der im Vergleich zu D2 geringfügig abweichenden Positionsangabe keine technische Wirkung zuzumessen sei.

Der Fachmann könne auch D3 heranziehen, wo ein geschlossener Durchbruch (Merkmal 12) über dem Spülkanal (Merkmal 13) angeordnet sei.

Dem Gegenstand des Anspruchs 1 fehle somit die erfinderische Tätigkeit gegenüber D2 (bzw. D2 + D15) zusammen mit der Wissen des Fachmanns bzw. bei Heranziehen der Lehre von D3.

iii) Ausgehend von D1

Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich von D1 nur durch die Merkmale 12 und 13, welche jedoch aus D2 bekannt seien. Der Wechsel von einem zum Teil offenen Durchbruchs gemäß D2 zu einem geschlossen Durchbruch stelle eine naheliegende Maßnahme dar. Auch Merkmal 13 sei der D2 in naheliegender Weise entnehmbar.

Gleichwohl führe die Lehre jeder der Entgegenhaltungen D3, D9, D10 oder D13 den Fachmann dazu den Gegenstand der D1 in naheliegender Weise und ohne erfinderisches Zutun derart zu ändern, dass ein Gegenstand wie in Anspruch 1 definiert daraus resultiere.

X. Die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin beruht ebenfalls auf den vor der Mitteilung der vorläufigen Meinung der Beschwerdekammer eingegangenen Schriftsätzen und kann wie folgt zusammengefasst werden:

a) Artikel 100 c) in Kombination mit Artikel 76(1) EPÜ - Artikel 123(2) EPÜ

Das Merkmal 11 finde eine Offenbarungsstelle in Spalte 5, Zeilen 6-8, der EP-A bzw. Seite 7, ab Zeile 17 und Figur 8 der WO. Der Textstelle auf Seite 8, Zeilen 2-4 der WO sei zu entnehmen, dass die Lage eines Teils der Unterdusche über der Spülöffnung bzw. dem Spülkanal aus hygienischen Gründen vorteilhaft sei (Merkmal 13).

b) Zulässigkeit der D15

Es liege keinen Grund vor, die spät vorgebrachte, von der Einspruchsabteilung unberücksichtig gelassene Entgegenhaltung D15 in das Verfahren zuzulassen.

c) Neuheit

Die beanspruchte Vorrichtung sei gegenüber D2 neu.

Dass das Reinigungssignal für die Unterdusche in D2 ausschließlich von einer Bedienungseinrichtung stamme, ergebe sich nicht implizit aus D2 (Merkmal 7.3). Das Merkmal 10 sei ebenfalls neu gegenüber D2, denn das definierte Heckteil Bestandteil des Klosettkörpers und nicht irgendein Teil sei. Der Vorrichtung gemäß D12 könne der Fachmann auch keinen Durchbruch im üblichen Sinne einer allseitig von einer Wand umschlossenen Öffnung entnehmen (Merkmale 8 und 12, und folglich auch Merkmal 13).

d) Erfinderische Tätigkeit

Die Beschwerdebegründung wiederhole im Wesentlichen ihre im Einspruchsverfahren vorgetragenen Angriffslinien, welche die Begründung in der angefochtenen Entscheidung (Ziffer 6) jedoch nicht widerlegen könnten. Darüber hinaus und entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin sei den aus D2 nicht bekannten Merkmalen 7.3, 8, 12 und 13 einen technischen Beitrag zuzumessen; insbesondere wirkten sich auch zusammen für die Definition der Unterbringung der Unterdusche in einer bestimmten Position bzgl. des Spülrandes und Spülkanals mit der Funktion die Verschmutzungs- bzw. Kontaminierungsanfälligkeit zu reduzieren und somit die Hygiene zu erhöhen.

Der Fachmann habe keine Anregung, auch bei Heranziehen seiner allgemeinen Kenntnisse bzw. des Offenbarungsinhalts der D3, das Wasserklosett von D2 entsprechend zu ändern.

In ähnlicher Weise ergebe sich der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von der gattungsgemäßen D1 auch nicht in naheliegender Weise für den Fachmann. Der beanspruchte Gegenstand unterscheide sich von dem eine Kammer aufweisenden Klosettkörper in D1 durch die kennzeichnenden Merkmale 12 und 13.

Die Kombination mit D2 sei nicht naheliegend, da die Grundidee in D2 darin liege, die Duschtechnik in einem aufgesetzten eigenständigen Gehäuse hinter (bzw. neben) dem Spülkanal unterzubringen. Das gleiche gelte für die der D2 technisch ähnliche D9.

Der Fachmann würde auch nicht die Entgegenhaltung D3 heranziehen, die sich mit einer anderen Aufgabe beschäftige, nämlich die Hauswasserversorgung gegen eine Rückkontamination aus einem Wasseranstau in der WC-Schüssel zu schützen, was mit der Verschmutzung der Duscheinheit selbst nichts zu tun habe. Die Lehre von D10, einen kleinen Vorsprung am Rand über der Spülkanalöffnung vorzusehen, führe den Fachmann zur Frage der Hygiene in eine ganz andere Richtung.

Schließlich bringe auch D13 nicht die beanspruchte Lösung, da in D13 die Position des Spülkanals weder beschrieben noch dargestellt sei.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

2. Generelle Bemerkung

In Anbetracht der Tatsache, dass die Beteiligten auf die detaillierte vorläufige Meinung der Kammer nicht erwidert und beide eine Entscheidung nach Lage der Akte beantragt haben, hat die Kammer nach Aufhebung der mündlichen Verhandlung den Sachverhalt erneut geprüft und ist zum Schluss gelangt, dass kein Anlass vorliegt, ihre mit Bescheid vom 16. April 2018 mitgeteilte vorläufige Meinung zu ändern, und dass diese die Grundlage für die Entscheidungsbegründung darstellt.

3. Hauptantrag - Artikel 100 c)/76(1) EPÜ

3.1 Merkmal 11

Das Merkmal 11 ist in beiden Varianten gemäß Figuren 8 und 10 der Anmeldung EP-A-1491693 eindeutig dargestellt und somit ausreichend offenbart. Eine explizite wortwörtliche Wiedergabe in der Beschreibung ist nicht erforderlich.

Die Kammer kann auch eine durch das Merkmal 11 verursachte unzulässige Zwischenverallgemeinerung nicht erkennen. Zum einen steht die Lage der die Unterdusche aufnehmenden Kammer (Anordnung unter dem Heckteil) nicht im direkten bzw. zwingenden Zusammenhang mit einem weiteren, das Gestell gemäß der ersten Ausführungsform (Figuren 1 bis 8) definierenden Merkmal. Zum anderen trifft die pauschale Anmerkung der Beschwerdeführerin, dass das Merkmal 11 nur in Verbindung mit einer Vielzahl von weiter nicht definierten zwingenden Merkmalen der Ausführung nach Figuren 9 bis 16 definiert sei, nicht zu.

3.2 Merkmal 13

3.2.1 Vorbemerkung

Das Merkmal 13, wonach der Durchbruch (56) und die Kammer (53) für die Unterdusche (9, 62) über dem Spülkanal (98) angeordnet sind, ist relativ ähnlich mit dem in der Sache T 1542/14, welche die andere Teilanmeldung EP 1491693 der Stammanmeldung WO-A-02/22971 (EP 1317586) betrifft, angefochtenen Merkmal, wonach der Durchbruch für die Unterdusche und der Duscharm über dem Spülkanal angeordnet sind.

3.2.2 In der Sache T 1542/14 hat die gleichbesetzte Beschwerdekammer entschieden, dass das Merkmal, wonach der Durchbruch für die Unterdusche und der Duscharm über dem Spülkanal angeordnet sind, ursprünglich offenbart ist, und hat folgende Auszüge zitiert:

- in EP-A-1491693 (EP-A):

Absätze [0021], betreffend Figuren 1 bis 8, und [0025], betreffend Figuren 9 bis 16, ;

- in WO-A-02/22971 (WO-A):

Seite 7, Zeile 33 bis Seite 8, Zeile 4, und Seite 10, Zeile 29 bis Seite 11, Zeile 6.

3.2.3 Die im Merkmal 13 definierte Kammer im vorliegenden Fall wird durch die Merkmale 8 bis 11 des Anspruchs 1 definiert. Daraus erschließt für den Fachmann, dass die Kammer die Unterduschevorrichtung bzw. zumindest den Duscharm aufnehmen soll.

Das Merkmal 13, wonach die Kammer für die Unterdusche über dem Spülkanal angeordnet ist, ist ursprünglich offenbart, insbesondere durch die im Ansatz 3.2.2 zitierten Offenbarungsstellen, welche bereits für das "Pendant"-Merkmal (Aufnahme des Duscharms in der Kammer) in der Sache T 1542/14 herangezogen wurden.

3.3 Da demnach die Merkmale 11 und 13 eine Basis in den ursprünglich eingereichten Unterlagen der Teil- bzw. Stammanmeldung aufweisen, erfüllt der Anspruch 1 die Erfordernisse von den Artikeln 100 c)/76(1) EPÜ.

4. D15 - Im Einspruchsverfahren nicht berücksichtigt

4.1 Soweit nach Artikel 12 (4) VOBK im Beschwerdeverfahren über die Zulassung von Vorbringen zu entscheiden ist, das bereits im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugelassen wurde (Artikel 114 (2) EPÜ), läuft dies nach gängiger Rechtsprechung auf eine Überprüfung der auf die Regel 116 (2) EPÜ gestützten Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung hinaus. Dabei ist es nicht Aufgabe der Beschwerdekammer, die Sachlage des Falles nochmals wie ein erstinstanzliches Organ zu prüfen, um zu entscheiden, ob sie das Ermessen in derselben Weise ausgeübt hätte.

Im vorliegenden Fall liegt keine Begründung vor, dass die erste Instanz ihr Ermessen bei der Prüfung der Relevanz von D15 nicht nach Maßgabe der richtigen Kriterien oder in unangemessener Weise ausgeübt und damit den ihr eingeräumten Ermessensspielraum überschritten hat.

Das Argument der Beschwerdeführerin, dass D15 keinen eigenständigen Stand der Technik darstelle, sondern den Offenbarungsinhalt von D2 erklären solle, beruht auf keinem objektiven Nachweis.

Das zur Neuheit herangezogene Dokument D2 wurde mehrere Jahren vor D15 angemeldet. Allein deshalb ist eine über dem eigentlichen Offenbarungsinhalt von D2 hinaus gehende Interpretation durch Heranziehen des Offenbarungsinhaltes der späteren Anmeldung D15 keineswegs gerechtfertigt.

Die Kammer kommt daher zum Schluss, das Dokument D15 weiterhin unberücksichtigt zu lassen.

5. Hauptantrag - Neuheit

Die Argumentation der Beschwerdeführerin hinsichtlich mangelnder Neuheit gegenüber D2 ist nicht zutreffend.

5.1 Vorbemerkung

In der Sache T 1542/14 hat die Beschwerdekammer entschieden, dass der Angriff mangelnder Neuheit im Vergleich zur Entgegenhaltung JP 4146338 nicht zutrifft.

Im vorliegenden Fall gelangt die gleichbesetzte Beschwerdekammer ebenfalls zum Schluss, dass der beanspruchte Gegenstand gegenüber JP 4146338 (D2) aufgrund folgender Feststellungen neu ist.

5.2 Die Merkmale 12, 8, 11 und 9 (entsprechend c), d1) bis d3) in T 1542/14) des Anspruchs 1 sind weder in Kombination miteinander, noch im einzelnen aus D2 bekannt. Die entsprechenden Teile des Wasserklosetts sind in der übersetzten Beschreibung D8 von D2 nicht explizit beschrieben und können aus der Figur 4 allein auch nicht in eindeutiger Weise hergeleitet werden.

Es ist insbesondere nicht nachgewiesen, dass ein Durchbruch des Spülrands in Klosettkörper entsprechend den Merkmalen 8 und 12 des Anspruchs 1 in der aus D2 bekannten Vorrichtung vorhanden ist, zumal D2 bzw. D8 keine weitere Angabe über die Gestalt des Durchgangs für den Duscharm am Klosettkörper beinhaltet, die über den Offenbarungsinhalt der Figur 4 gehen würde.

5.3 Geht man von der in der Beschwerdebegründung auf Seiten 7 und 8 dargelegten Kennzeichnung des Durchbruchs aus, wo der Durchbruch die Innenfläche des Spülrands durchbricht, dann würde die Kammer gemäß der Darstellung der Beschwerdeführerin außerhalb des Klosettkörpers angeordnet sein und damit den Merkmalen 8, 9 und 11 nicht entsprechen können.

5.4 Bei üblicher, im Gebiet von Wasserklosetten fachkundiger Auslegung der Begriffe "Durchbruch am Spülrand" und "über" und ohne rückschauende Betrachtung in Vorkenntnis des Erfindungsgegenstands bei der Merkmalsvergleichsanalyse, ergibt sich zweifellos, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von D2/D8 durch die Merkmale 8 bis 13 unterscheidet und somit neu ist.

6. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit

6.1 D2 in Kombination mit dem Fachwissen oder D3

Dass der Fachmann anhand seiner allgemeinen Kenntnisse die Vorrichtung gemäß D2 so abändern würde, dass er zum beanspruchten Gegenstand ohne Erfinderisches zutun gelangen würde, ist aufgrund der Vielzahl der Konstruktionsunterschiede (siehe Punkt 4 oben) nicht überzeugend.

6.2 D1 in Kombination mit D2, D3, D9, D10 oder D13

Die Beschwerdekammer teilt die Meinung der Beschwerdegegnerin, dass die kennzeichnenden Merkmale 12 und 13 zusammenwirken, indem sie die Unterbringung der Unterdusche in einer bestimmten Position bzgl. des Spülrandes und Spülkanals definieren. Die daraus gewonnenen Effekte betreffen den Schutz der Unterduscheeinheit gegen Verschmutzung und Kontamination.

Außerdem kann sich die Beschwerdekammer der Begründung der Einspruchsabteilung (siehe Punkte 6.2 bis 6.6) soweit anschließen, dass die jeweils mit dem in D1 offenbarten gattungsgemäßen Stand der Technik kombinierten Dokumente D2, D3, D9, D10 und D13 die gegenüber D1 fehlenden kennzeichnenden Merkmale 12 und 13 nicht in Kombination zeigen und somit die beanspruchte Vorrichtung auch nicht nahelegen können.

Die in D2, D3 und D10 offenbarten Vorrichtungen unterscheiden sich erheblich von dem in D1 gezeigten Aufbau. Wie bereits oben festgestellt enthält D2 keine konkrete auch nicht implizite Lehre, wie der Duscharm untergebracht wird; das Klosett gemäß D3 und auch D10 weist eine Spülleitung, aber keinen Duscharm auf, was an sich schon eine naheliegende Kombination beider Entgegenhaltungen mit D1 in Frage stellt.

Die Anordnung der Unterduscheeinheit in D9 zeigt, ähnlich wie in D2, ein vom Klosettkörper separates Aufsatzgehäuse auf dessen Heckteil mit dementsprechend über dem Schüsselrand verlaufendem Duscharm.

In D13 wird der Spülkanal nicht dargestellt, so dass der Fachmann auch keine Anregung von D13 erhalten kann, den Durchbruch und die Kammer über dem Spülkanal anzuordnen.

6.3 Der beanspruchte Gegenstand des Hauptantrags beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.

7. Im Ergebnis erfüllt das erteilte Patent (Hauptantrag) die Erfordernisse des EPÜ; eine Entscheidung über die Hilfsanträge 1 bis 3 erübrigt sich somit.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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