T 2175/15 () of 11.6.2024

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2024:T217515.20240611
Datum der Entscheidung: 11 Juni 2024
Aktenzeichen: T 2175/15
Anmeldenummer: 07150011.0
IPC-Klasse: G01B 11/24
G01M 17/02
G01B 11/16
G01B 11/02
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished | Unpublished v2 | Unpublished v3 | Unpublished v4
Bezeichnung der Anmeldung: Vorrichtung und Verfahren zum Prüfen eines Reifens, insbesondere mittels eines interferometrischen Messverfahrens
Name des Anmelders: Mähner, Bernward
Dengler, Stefan
Name des Einsprechenden: Carl Zeiss Optotechnik GmbH
Kammer: 3.4.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 104(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 015(4)
Rules of procedure of the Boards of Appeal 2020 Art 016(1)
Schlagwörter: Anderweitige Kostenverteilung (nein)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
G 0005/91
G 0007/91
G 0008/91
T 0765/89
T 0026/92
T 0432/92
T 0281/03
T 0674/03
T 0490/05
T 0671/08
T 1781/13
T 0482/19
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Sowohl die Patentinhaber als auch die Einsprechende legten gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das europäische Patent Nr. 1 959 227 (im Nachfolgenden als "das Patent" bezeichnet) und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, unter Berücksichtigung der von den Patentinhabern im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen laut Hilfsantrag I den Erfordernissen des EPÜ genügen, Beschwerde ein.

II. In der angefochtenen Entscheidung hielt die Einspruchsabteilung den Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents in der erteilten Fassung (damaliger Hauptantrag der Patentinhaber) gegenüber dem Dokument D4 für nicht neu. In einem obiter dictum vertrat sie außerdem die Auffassung, dass der erteilte Verfahrensanspruch 23 gegenüber dem Dokument D4 nicht erfinderisch sei.

III. In ihrer Beschwerdebegründung vom 20. Januar 2016 beantragte die Einsprechende den Widerruf des Patents. Sie begründete ihre Auffassung, dass der Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrags I den Artikel 123 (2) EPÜ verletze und dass der Gegenstand dieses Anspruchs weder neu noch erfinderisch sei. Sie nahm auch Stellung zu den im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Hilfsanträgen II - VI, nicht aber zu dem erteilten Patent. Hinsichtlich des von den Patentinhabern im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Hilfsantrags VI führte die Einsprechende Folgendes aus (siehe Punkt VI der Beschwerdebegründung):

"VI. Hilfsantrag VI

Nach diesem Hilfsantrag beschränkt sich die Patentinhaberin lediglich auf die Verfahrensansprüche des Streitpatents. Hierzu verweisen wir auf die Ausführungen der Einspruchsabteilung in ihrem Obiter Dictum unter Punkt 13 der Zwischenentscheidung. Zusätzlich verweisen wir auf die Offenbarung der D7, insbesondere auf die Absätze [0030] bis [0038] der D7, worin das Verfahren in neuheitsschädlicher Weise vorgestellt wird."

IV. Die Patentinhaber reichten mit ihrer Beschwerdebegründung vom 21. Januar 2016 geänderte Ansprüche, die sowohl Vorrichtungs- als auch Verfahrensansprüche umfassten, und geänderte Beschreibungsseiten gemäß einem Hilfsantrag I und einem Hilfsantrag II ein. Sie beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs (Hauptantrag) und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag I oder II.

In der Beschwerdebegründung wurde unter Verwendung einer Merkmalsgliederung sowohl der Wortlaut des unabhängigen Vorrichtungsanspruchs 1 (siehe Punkt I. 1. a) der Beschwerdebegründung) als auch der Wortlaut des unabhängigen Verfahrensanspruchs 23 (siehe Punkt I. 3. a) der Beschwerdebegründung) des Patents wie erteilt wiedergegeben. Die Patentinhaber setzten sich mit der Offenbarung des Dokuments D4 auseinander (siehe Punkt III der Beschwerdebegründung) und gaben Gründe an, warum die Auffassung der Einspruchsabteilung hinsichtlich des erteilten Vorrichtungsanspruchs 1 nicht richtig sei (siehe Punkt II. 1. und 4. b) und Abschnitt IV insbesondere die Punkte IV.2 bis IV.4 der Beschwerdebegründung). Die Patentinhaber nahmen auch zu dem obiter dictum der Einspruchsabteilung hinsichtlich des erteilten Verfahrensanspruchs 23 Stellung (siehe Punkt II. 3. und 4. b) und Abschnitt IV, insbesondere die Punkte IV.2 bis IV.4 der Beschwerdebegründung).

V. Beide Beteiligten reichten eine Beschwerdeerwiderung ein.

VI. Die Beteiligten wurden zu einer mündlichen Verhandlung geladen und der Ladung vom 10. Oktober 2019 folgte eine Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK. In dieser Mitteilung vertrat die Kammer u.a. die vorläufige Meinung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem damaligen Hauptantrag der Patentinhaber (Patent wie erteilt) sowohl im Hinblick auf das Dokument D4 als auch im Hinblick auf das Dokument D7 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

VII. Mit ihrem Schreiben vom 20. Februar 2020 reichten die Patentinhaber geänderte Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen III - VI ein, wobei sie angaben, dass der Hilfsantrag III mit dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrag I und die Hilfsanträge IV - VI mit den Hilfsanträgen III - V aus dem erstinstanzlichen Einspruchsverfahren übereinstimmten, wobei der unabhängige Verfahrensanspruch sowie davon abhängigen Ansprüche gestrichen worden seien. Die Patentinhaber nahmen auch zu der vorläufigen Meinung der Kammer Stellung und begründeten hinsichtlich ihres damaligen Hauptantrags (Patent wie erteilt), warum ihrer Meinung nach der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber dem Dokument D4 oder D7 oder gegenüber einer Kombination der Dokumente D4 und D7 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (siehe Abschnitt I. 1 des Schreibens). Hinsichtlich der Patentfähigkeit des erteilten unabhängigen Verfahrensanspruchs 23 wurde Folgendes in Punkt I. 2 ausgeführt:

"Analoge Überlegungen, wie sie in Zusammenhang mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 vorgebracht wurden, führen dazu, dass der Gegenstand dieser Ansprüche ebenfalls neu und erfinderisch gegenüber den Dokumenten D4 und D7 ist."

VIII. In ihrem Schreiben vom 21. Dezember 2020 nahm die Einsprechende zu der vorläufigen Meinung der Kammer Stellung.

IX. Am 21. Januar 2021 fand eine (erste) mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.

Nach der Schlussfolgerung der Kammer, dass der Gegenstand des erteilten Vorrichtungsanspruchs 1 ausgehend vom Dokument D7 nicht erfinderisch sei, reichten die Patentinhaber einen neuen Hilfsantrag I ein, der durch Streichung der Vorrichtungsansprüche 1 bis 22 nur die erteilten Verfahrensansprüche 23 bis 28 als Ansprüche 1 bis 6 enthielt. Nachdem die Einsprechende beantragt hatte, diesen neuen Hilfsantrag nicht in das Verfahren zuzulassen, wurde die Frage der Zulassung des neuen Hilfsantrags I im Hinblick auf den anzuwendenden Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 diskutiert. In diesem Zusammenhang brachten die Beteiligten auch Argumente zu der Frage vor, ob eine Diskussion der erteilten Verfahrensansprüche in der mündlichen Verhandlung für die Einsprechende und die Kammer zumutbar gewesen wäre, oder ob - wie von der Einsprechenden beantragt - eine Vertagung der mündlichen Verhandlung notwendig gewesen wäre. Die Einsprechende beantragte die Vertagung der mündlichen Verhandlung, da es für sie keine Veranlassung gegeben habe, sich für die mündliche Verhandlung auf eine Diskussion der Verfahrensansprüche vorzubereiten, denn keiner der Hilfsanträge habe nur Verfahrensansprüche enthalten, und damit sei es für sie nicht zumutbar gewesen, sich in dieser mündlichen Verhandlung zu den Verfahrensansprüchen zu äußern oder sich erstmalig mit Argumenten der Gegenseite auseinanderzusetzen. Die Patentinhaber hingegen vertraten die Auffassung, dass es für die Einsprechende und die Kammer zumutbar gewesen sei, sich in der mündlichen Verhandlung mit den erteilten Verfahrensansprüchen auseinanderzusetzen, und deshalb eine Vertagung nicht notwendig wäre. Das Protokoll der mündlichen Verhandlung enthält hierzu auf Seite 6, letzter Absatz, Folgendes:

"Auf Frage des Vorsitzenden, ob eine längere Unterbrechung der mündlichen Verhandlung von z.B. zwei Stunden der Einsprechenden zur Vorbereitung einer Diskussion über die Gewährbarkeit der Verfahrensansprüche genügen würde, erklärte die Einsprechende, dass dies nicht ausreichen würde, da es eine völlig neue Situation für sie sei und auch neuer Stand der Technik wie z.B. die Entgegenhaltung D4 oder D3 zu diskutieren sei."

Im Zuge der Diskussion stellten beide Beteiligten einen Antrag auf anderweitige Kostenverteilung zum Nachteil des jeweils anderen Beteiligten (siehe Seite 9, erster vollständiger Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung).

Nach Beratung der Kammer teilte der Vorsitzende den Beteiligten Folgendes mit (siehe Seite 9, vierter bis sechster vollständiger Absatz des Protokolls der mündlichen Verhandlung):

Die Kammer sei der Ansicht, "dass sie ein Ermessen auch dann nach Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 habe, wenn die mündliche Verhandlung verlegt werde. Im vorliegenden Fall ginge es nicht nur um die Streichung von erteilten Ansprüchen, sondern es gebe auch besondere Umstände. Zu den erteilten Verfahrensansprüchen gebe es ein obiter dictum der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung und dazu hätten die Patentinhaber Stellung genommen.

Die Kammer habe deshalb in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 VOBK 2007 entschieden, den von den Patentinhabern in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag I in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Die mündliche Verhandlung werde vertagt.

Außerdem werde der Einsprechenden die Gelegenheit gegeben, zu der Gewährbarkeit des Hilfsantrags I schriftlich Stellung zu nehmen, und zwar innerhalb einer Frist von zwei Monaten, die mit der Zustellung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung beginne. Den Patentinhabern werde dann danach Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben."

Der Vorsitzende schloss dann die mündliche Verhandlung um 15.33 Uhr.

X. Mit Schreiben vom 12. April 2021 lehnte die Einsprechende die Mitglieder der Kammer gemäß Artikel 24 (3) EPÜ wegen der Besorgnis der Befangenheit ab (erster Befangenheitsantrag). In diesem Schreiben äußerte sich die Einsprechende auch zu der Frage der Zulassung und der Gewährbarkeit des in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 eingereichten Hilfsantrags I der Patentinhaber.

XI. Der Ladung zu einer neuen mündlichen Verhandlung vom 29. Oktober 2021 war eine Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK beigefügt, in der unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass in der mündlichen Verhandlung über die Frage der Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags zu entscheiden sei.

XII. Mit Schriftsatz vom 24. Dezember 2021 lehnte die Einsprechende daraufhin die Mitglieder der Kammer gemäß Artikel 24 (3) EPÜ erneut wegen der Besorgnis der Befangenheit ab (zweiter Befangenheitsantrag).

XIII. In ihrer Entscheidung vom 1. April 2022 entschied die Ersatzkammer, die zum Zwecke der Prüfung des zweiten Befangenheitsantrags gebildet worden war, dass der zweite Befangenheitsantrag gemäß Artikel 24 (3) EPÜ zulässig, aber unbegründet sei. Der zweite Befangenheitsantrag wurde daher zurückgewiesen.

XIV. Die Patentinhaber nahmen ihre Beschwerde mit Schreiben vom 4. Juli 2022 zurück.

XV. In ihrem Schreiben vom 4. Juli 2022 stellte die Einsprechende ihren aus ihrer Sicht in der mündlichen Verhandlung lediglich angekündigten Antrag auf anderweitige Kostenverteilung und begründete diesen.

XVI. Mit ihrem Schreiben vom 7. Juli 2022 nahm die Einsprechende ihre Beschwerde zurück und bestätigte ausdrücklich die Aufrechterhaltung ihres Kostenantrags.

XVII. Mit einer Mitteilung vom 8. Juli 2022, die vorab mit einer E-Mail vom 7. Juli 2022 an die Beteiligten versendet wurde, teilte die Geschäftsstelle der Kammer den Beteiligten mit, dass der für den 8. Juli 2022 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung (zweite mündliche Verhandlung vor der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung) aufgehoben worden sei.

XVIII. Die Beteiligten wurden erneut zu einer (zweiten) für den 14. Dezember 2022 anberaumten mündlichen Verhandlung vor der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung geladen und der Ladung vom 29. September 2022 war eine Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK beigefügt.

XIX. Die Einsprechende stellte mit Schreiben vom 7. Dezember 2022 einen (dritten) Befangenheitsantrag gemäß Artikel 24 (3) EPÜ. Im Abschnitt III dieses Schreibens machte die Einsprechende auch Ausführungen zu ihrem Kostenantrag.

XX. Mit einer Mitteilung vom 13. Dezember 2022, die auch mit einer E-Mail vom 13. Dezember 2022 an die Beteiligten versendet wurde, teilte die Geschäftsstelle der Kammer den Beteiligten mit, dass der für den 14. Dezember 2022 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung (zweite mündliche Verhandlung vor der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung) aufgehoben worden sei.

XXI. In ihrem Schreiben vom 15. Dezember 2022 vertraten die Patentinhaber u.a. die Ansicht, dass die von ihnen beantragte Entscheidung über eine anderweitige Verteilung der Kosten gemäß Artikel 16 VOBK zu ihren Gunsten angesichts der nunmehr drei Befangenheitsanträge der Einsprechenden begründet sei.

XXII. Zum Zwecke der Prüfung des dritten Befangenheitsantrags wurde gemäß der Verfügung vom 9. Januar 2023 eine Ersatzkammer mit drei Mitgliedern gebildet.

XXIII. Mit ihrem Schreiben vom 3. Mai 2023 stellte die Einsprechende gegen ein Mitglied dieser Ersatzkammer einen (vierten) Befangenheitsantrag gemäß Artikel 24 (3) EPÜ. Daraufhin wurde als Vertreter dieses Mitglieds ein neues Mitglied für die Ersatzkammer zur Prüfung des vierten Befangenheitsantrags bestimmt. Dieses neue Mitglied lehnte die Einsprechende in ihrem Schreiben vom 25. Mai 2023 mit einem weiteren (fünften) Befangenheitsantrag gemäß Artikel 24 (3) EPÜ als befangen ab. In den drei Zwischenentscheidungen vom 23. Juni 2023 entschied die jeweilige Ersatzkammer, dass der von ihr zu prüfende Befangenheitsantrag gemäß Artikel 24 (3) EPÜ zulässig, aber unbegründet sei. Daher wurde der dritte, vierte und fünfte Befangenheitsantrag der Einsprechenden zurückgewiesen.

XXIV. Nach den Entscheidungen der Ersatzkammern über den dritten, vierten und fünften Befangenheitsantrag der Einsprechenden änderte der Vorsitzende der Kammer 3.4.02 mit Verfügung vom 25. Oktober 2023 die Kammerbesetzung in ihre ursprüngliche Besetzung, mit Ausnahme des technisch vorgebildeten Mitglieds und Berichterstatters, der zwischenzeitlich in den Ruhestand getreten war und daher durch ein neues Mitglied ersetzt wurde.

XXV. Mit einer weiteren Verfügung des Vorsitzenden vom 15. November 2023 wurde gemäß Artikel 5 des Geschäftsverteilungsplans der Technischen Beschwerdekammern für 2023 die Besetzung einer Ersatzkammer zum Zwecke der Prüfung des ersten Befangenheitsantrags der Einsprechenden vom 12. April 2021 gegen die Mitglieder der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 bestimmt.

XXVI. Die Beteiligten wurden mit Ladung vom 29. Januar 2024 zu einer mündlichen Verhandlung am 11. Juni 2024 vor der Ersatzkammer geladen. Dieser Ladung war eine Mitteilung der Ersatzkammer nach Artikel 15 (1) VOBK beigefügt, in der den Beteiligten u.a. mitgeteilt wurde, dass die Kammer in ihrer ursprünglichen, geänderten Besetzung für das weitere Verfahren wieder zuständig wäre und das Verfahren in derselben mündlichen Verhandlung fortsetzen würde, wenn die Ersatzkammer zu dem Ergebnis käme, dass der Befangenheitsantrag der Einsprechenden unzulässig oder unbegründet sei.

XXVII. Am 11. Juni 2024 begann die mündliche Verhandlung vor der Ersatzkammer. Nachdem die Ersatzkammer die Entscheidung verkündet hatte, den (ersten) Befangenheitsantrag der Einsprechenden vom 12. April 2021 zurückzuweisen, wurde die mündliche Verhandlung bis 10.45 Uhr unterbrochen und um 10.53 Uhr vor der Kammer in ihrer ursprünglichen, geänderten Besetzung fortgesetzt.

Nach der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestätigten die Beteiligten ihre Anträge zunächst wie folgt:

Die Beschwerdeführer (Patentinhaber) nahmen ihren in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 gestellten Antrag auf anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten wegen der Vertagung der ersten mündlichen Verhandlung zurück und beantragten eine anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten wegen der mehrfachen Befangenheitsanträge der Einsprechenden.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) bestätigte ihren in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 gestellten Antrag auf anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten. Hilfsweise beantragte sie, den von den Patentinhabern erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2024 gestellten Antrag auf anderweitige Kostenverteilung wegen Verspätung zurückzuweisen.

Nach einer ausführlichen Diskussion der beiden Anträge der Beteiligten auf anderweitige Kostenverteilung wurden die folgenden Schlussanträge gestellt:

Die Beschwerdeführer (Patentinhaber) beantragten eine anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten im Zusammenhang mit den von der Einsprechenden gestellten Befangenheitsanträgen.

Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte eine anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten. Weiter beantragte sie die Zurückweisung des Antrags der Patentinhaber auf anderweitige Kostenverteilung im Zusammenhang mit den von der Einsprechenden gestellten Befangenheitsanträgen.

Die Einsprechende beantragte des Weiteren eine längere Unterbrechung der mündlichen Verhandlung für den Fall, dass die Kammer den Antrag der Patentinhaber nicht für unzulässig oder unbegründet halten sollte.

Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.

XXVIII. Die Patentinhaber haben im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:

a) Antrag auf anderweitige Kostenverteilung zugunsten der Einsprechenden

Nach der Rechtsprechung entspreche es der Billigkeit, dass die Beschwerdekammern dann eine anderweitige Verteilung der Kosten zugunsten einer der Parteien anordneten, wenn die Kosten ganz oder teilweise durch ein Verhalten einer Partei verursacht würden, das mit der bei der Wahrnehmung von Rechten zu fordernden Sorgfalt nicht in Einklang stehe, also die Kosten schuldhaft durch leichtfertiges oder gar böswilliges Handeln verursacht würden. Es könne von einem solchen Verhalten seitens der Patentinhaber, und insbesondere von einem Verfahrensmissbrauch, aus folgenden Gründen nicht die Rede sein.

i) Eine Streichung von erteilten Ansprüchen in einem Antrag könne nicht als verspätet angesehen werden, selbst wenn sie erst in der mündlichen Verhandlung vorgenommen werde. Bei dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag I handele es sich nicht um einen "fresh case", d.h. um keinen neuen Streitstoff, da es sich um die erteilten Verfahrensansprüche handele, die auch im damaligen Hauptantrag der Patentinhaber, d.h. dem Patent wie erteilt, vorhanden seien. Die Patentinhaber hätten im Beschwerdeverfahren auch nicht auf die erteilten Verfahrensansprüche verzichtet, da sie sich auf den Seiten 12, 13, 22, 23 und 24 ihrer Beschwerdebegründung auch mit den erteilten Verfahrensansprüchen und den Ausführungen der Einspruchsabteilung in dem obiter dictum der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt hätten. In der ersten mündlichen Verhandlung sei die Interpretation der Lehre des Patents, die auch die Verfahrensansprüche betreffe, ausführlich diskutiert worden. Die Feststellungen zu den Vorrichtungsansprüchen beträfen auch die Verfahrensansprüche.

ii) Die Einsprechende hätte in ihrer Beschwerdeerwiderung auch zu den die erteilten Verfahrensansprüche betreffenden Ausführungen in der Beschwerdebegründung der Patentinhaber Stellung nehmen müssen. Die Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden enthalte jedoch keine Stellungnahme zu allen erteilten Ansprüchen.

iii) Es habe aufgrund der Umstände für die Patentinhaber keine Veranlassung gegeben, mit der Beschwerdebegründung einen separaten Antrag mit nur den erteilten Verfahrensansprüchen einzureichen. Die vorläufige Auffassung der Kammer in deren Mitteilung habe nichts Negatives über die erteilten Verfahrensansprüche gesagt. Vor der mündlichen Verhandlung habe es für die Patentinhaber keine Veranlassung gegeben, einen Antrag mit nur den erteilten Verfahrensansprüchen einzureichen. Die Einreichung des neuen Hilfsantrags I sei eine Reaktion auf die erfolgte Diskussion über die Auslegung der erteilten Ansprüche in der ersten mündlichen Verhandlung gewesen.

iv) Die Einsprechende hätte sich mit dem gesamten erteilten Patent auseinandersetzen müssen und könne sich nicht einfach auf einen erteilten Anspruch beschränken. Es gebe nämlich weder eine Nachordnung der unabhängigen Ansprüche noch "de facto" abhängige Ansprüche. Ein Verfahrensanspruch müsse gegebenenfalls anders ausgelegt werden als der Vorrichtungsanspruch. Jeder unabhängige Anspruch stelle für sich gesehen einen eigenen Anspruch dar, über den entschieden werden könne. Also hätte der erteilte Anspruch 23 auch vor dem Anspruch 1 überprüft werden können. Eine Vertagung der mündlichen Verhandlung sei daher nicht wegen der Einreichung des Hilfsantrags I notwendig gewesen. Weder für die Einsprechende noch für die Kammer sei eine neue Einarbeitung nötig gewesen, um die Gewährbarkeit der Verfahrensansprüche zu diskutieren. Der Hilfsantrag I sei in der ersten mündlichen Verhandlung um 10.23 Uhr eingereicht worden und es hätte daher bis 17.00 Uhr genug Zeit gegeben, diesen Antrag inhaltlich zu diskutieren, da es sich um keinen neuen Streitstoff gehandelt habe. Es sei jedoch die Zulassung des Hilfsantrags I und der um 11.45 Uhr gestellte Antrag der Einsprechenden auf Vertagung der mündlichen Verhandlung bis zum Nachmittag der ersten mündlichen Verhandlung diskutiert worden. Möglicherweise habe dieser Antrag auf Vertagung die Kammer veranlasst, die mündliche Verhandlung wegen des Rechts auf rechtliches Gehör nach Artikel 113 (1) EPÜ zu vertagen. Da es für die Kammer und die Einsprechende zumutbar gewesen sei, sich mit den erteilten Verfahrensansprüchen während der ersten mündlichen Verhandlung auseinanderzusetzen, sei eine Vertagung der Verhandlung als ein Entgegenkommen der Kammer für die Einsprechende zu sehen und nicht als eine Notwendigkeit.

v) Die Beschwerde sei ein Jahr nach der ersten mündlichen Verhandlung zurückgenommen worden. Die Einsprechende habe daraufhin auch ihre Beschwerde zurückgenommen, wobei sich die Gründe dafür der Kenntnis der Patentinhaber entziehen würden.

b) Antrag auf anderweitige Kostenverteilung zugunsten der Patentinhaber

i) Der Antrag der Patentinhaber auf anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten wegen der fünf Befangenheitsanträge der Einsprechenden sei in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Dieser Antrag sei nicht verspätet, da erst am Vormittag in der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2024 vor der Ersatzkammer, und damit vor dem Beginn der zweiten mündlichen Verhandlung vor der Kammer in ihrer ursprünglichen, abgeänderten Besetzung, entschieden worden sei, dass der erste Befangenheitsantrag der Einsprechenden nicht erfolgreich sei. Wäre der erste Befangenheitsantrag der Einsprechenden begründet gewesen, dann wäre der Antrag auf anderweitige Kostenverteilung zugunsten der Patentinhaber angesichts der fünf Befangenheitsanträge der Einsprechenden nicht gestellt worden. Im Übrigen sei dieser Antrag bereits in Punkt 2 des Schreibens vom 15. Dezember 2022 genannt worden und vorher habe es keinen Grund für die Patentinhaber gegeben, einen solchen Antrag zu stellen.

ii) Der Antrag auf anderweitige Kostenverteilung sei auch begründet, denn es entspreche der Billigkeit, dass die Kammer eine anderweitige Verteilung der Kosten, die wegen der fünf Befangenheitsanträge der Einsprechenden entstanden seien, zugunsten der Patentinhaber anordne. Diese Kosten seien durch das Verhalten der Einsprechenden verursacht worden, das nicht der verfahrensrechtlichen Sorgfaltspflicht entspreche, die auch bei der Wahrnehmung von Rechten erforderlich sei. Es sei mit einer prozessualen Sorgfaltspflicht nämlich nicht vereinbar, die im EPÜ vorgesehene Möglichkeit eines Befangenheitsantrags, die nur im Ausnahmefall heranzuziehen sei, als technisches Instrument zu nutzen, um sich der Kammer zu entledigen und somit ein anderes Ergebnis in der Sache zu erreichen. Mit der verfahrensrechtlichen Sorgfaltspflicht sei auch nicht vereinbar, offensichtlich nicht zum Ziel führende Rechtsbehelfe mehrfach einzureichen. Es käme dabei auch nicht nur darauf an, ob diese Befangenheitsanträge zulässig seien. Im Markenrecht gebe es eine entsprechende Kostenfolge, wenn eine Marke leichtfertig angegriffen werde. Dies sei ein schönes Beispiel für den vorliegenden Fall. Die Kosten seien also mit der Einreichung von fünf erfolglosen Befangenheitsanträgen schuldhaft infolge leichtfertigen oder wenigstens fahrlässigen prozessualen Fehlverhaltens der Einsprechenden verursacht worden.

XXIX. Der Vortrag der Einsprechenden lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Antrag auf anderweitige Kostenverteilung zugunsten der Einsprechenden

Eine anderweitige Kostenverteilung gemäß Artikel 104 (1) EPÜ und Artikel 16 (1) a) VOBK zugunsten der Einsprechenden sei gerechtfertigt. Es entspreche aus folgenden Gründen der Billigkeit, den Patentinhabern alle Kosten, welche durch das verspätete Einreichen des Hilfsantrags I in der ersten mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 und der daraus resultierenden Vertagung der mündlichen Verhandlung auf Seiten der Einsprechenden nach der ersten mündlichen Verhandlung entstanden seien, gemäß Artikel 104 (1) EPÜ und Artikel 16 (1) a) VOBK aufzuerlegen.

i) In der ersten mündlichen Verhandlung vor der Kammer sei die mündliche Verhandlung vertagt worden. Grund dafür sei der in der mündlichen Verhandlung eingereichte neue Hilfsantrag I der Patentinhaber gewesen, der eine Änderung ihres Beschwerdevorbringens gemäß Artikel 13 VOBK 2007 darstelle und von der Beschwerdekammer in das Verfahren zugelassen worden sei. Dies sei einer der in der VOBK vorgesehenen typischen Fälle, die eine Kostenauferlegung auf die Kosten verursachende Beteiligte rechtfertigten.

ii) Der Hilfsantrag I, der nur die erteilten Verfahrensansprüche enthalte, sei im Beschwerdeverfahren erstmals in der ersten mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 eingereicht worden und stelle daher eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Patentinhaber gemäß Artikel 13 VOBK 2007 dar. Das Patent wie erteilt (Hauptantrag der Patentinhaber) und die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge I und II der Patentinhaber hätten sowohl Vorrichtungsansprüche als auch Verfahrensansprüche enthalten. Von den Patentinhabern habe es vor der ersten mündlichen Verhandlung keine Ausführungen gegeben, die sich mit den Verfahrensansprüchen spezifisch auseinandergesetzt hätten. Schlicht und ergreifend unzutreffend sei zudem die Behauptung, die Patentinhaber hätten in ihrer Beschwerdebegründung zu dem in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen obiter dictum hinsichtlich der Verfahrensansprüche Stellung genommen, so dass der Einsprechenden wiederum zuzumuten gewesen wäre, hierzu in der ersten mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen. Tatsächlich hätten die Patentinhaber auf Seite 13 ihrer Beschwerdebegründung lediglich das obiter dictum der Einspruchsabteilung wiedergegeben. Die weiteren Merkmale der Verfahrensansprüche seien mit der Beschwerdebegründung der Patentinhaber inhaltlich noch nicht einmal im Ansatz diskutiert worden. Im Gegenteil, die detaillierte Argumentation der Einspruchsabteilung aus dem obiter dictum zu den Verfahrensansprüchen, welche sich grundlegend von der Argumentation zu den Vorrichtungsansprüchen unterscheide, sei zwar kurz erwähnt, es fänden sich hierzu in der Beschwerdebegründung jedoch keinerlei Argumente. Die von den Patentinhabern hierzu zitierten Stellen aus der Beschwerdebegründung erschöpften sich jedenfalls in vagen Behauptungen zu einer vermeintlichen Erkenntnis des Streitpatents, welche in gleicher Weise auch für die Vorrichtungsansprüche vorgebracht würden, und welche keinerlei Bezug zu den Merkmalen der Verfahrensansprüche aufwiesen oder auf die Argumentation der Einspruchsabteilung eingehen würden. Dies reiche jedoch für eine Stellungnahme nicht aus. Es habe daher keinerlei Veranlassung für die Einsprechende gegeben, sich zu den Verfahrensansprüchen zu äußern. Selbst dann nicht, wenn der erteilte Vorrichtungsanspruch 1 in der ersten mündlichen Verhandlung als gewährbar angesehen worden wäre, denn der Verfahrensanspruch sei de facto ein abhängiger Anspruch von diesem Vorrichtungsanspruch, auch wenn er formal als unabhängiger Anspruch formuliert sei. Die Verfahrensansprüche seien daher de facto Unteransprüche des Vorrichtungsanspruchs ohne eine selbstständige Argumentation. Die in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK eingereichten neuen Hilfsanträge der Patentinhaber hätten sogar überhaupt keine Verfahrensansprüche mehr enthalten. Darüber hinaus habe sich die Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK auch nicht zu den Verfahrensansprüchen geäußert.

iii) Ein Antrag, der ausschließlich Verfahrensansprüche umfasse, sei im Beschwerdeverfahren auch deshalb nicht zu erwarten gewesen, da ein solcher Antrag nicht Teil des Einspruchsverfahrens gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung sei ein solcher Antrag nicht diskutiert und entschieden worden. Die Patentinhaber hätten durch ihr Verhalten in der ersten Instanz eine Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Verfahrensansprüche bewusst vermieden, da sie vor einer Entscheidung der Einspruchsabteilung in den entsprechenden die Verfahrensansprüche aufweisenden Hilfsanträgen die Verfahrensansprüche gestrichen hätten. Dies als eine spezielle Konstellation zu werten, welche es den Patentinhabern erlauben solle, sich erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf den Gegenstand der Verfahrensansprüche zurückzuziehen, trage dem Verhalten der Patentinhaber ersichtlich nicht Rechnung. Im Gegenteil sei das Verhalten der Patentinhaber ersichtlich als ein absichtliches, aus prozesstaktischen Gründen erfolgtes Zurückhalten zu werten, was klar gegen eine Zulassung gesprochen hätte und erst recht nicht herangezogen werden könne, um eine anderweitige Kostenauferlegung zugunsten der Einsprechenden zu verneinen.

iv) In dem gesamten Beschwerdeverfahren sei es bis zur mündlichen Verhandlung nur um den Vorrichtungsanspruch 1 gegangen und die Verfahrensansprüche seien nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gewesen. Da aus dem Verfahrensverlauf bis zur mündlichen Verhandlung nicht erkennbar gewesen sei, dass die Verfahrensansprüche alleiniger Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein könnten, stelle der Hilfsantrag I der Patentinhaber einen "fresh case" dar. Folglich sei es für die Kammer und für die Einsprechende nicht zumutbar gewesen, den Hilfsantrag I in der ersten mündlichen Verhandlung zu behandeln, und daher sei eine Vertagung der mündlichen Verhandlung notwendig gewesen. Insbesondere habe es für die Einsprechende keine Veranlassung gegeben habe, sich für die mündliche Verhandlung auf eine Diskussion der Verfahrensansprüche vorzubereiten, denn keiner der Hilfsanträge habe nur Verfahrensansprüche enthalten, und damit sei es für sie nicht zumutbar gewesen, sich in dieser mündlichen Verhandlung zu den Verfahrensansprüchen zu äußern oder sich erstmalig mit Argumenten der Gegenseite auseinanderzusetzen. Deshalb sei eine Vertagung der mündlichen Verhandlung objektiv notwendig gewesen, um der Einsprechenden Gelegenheit zu geben, zu dem Hilfsantrag I und dem damit einzig weiterverfolgten Verfahrensanspruch Stellung zu nehmen.

v) Es werde nunmehr behauptet, die Beschwerdekammer hätte es in der ersten mündlichen Verhandlung für sich und für die Einsprechende für durchaus zumutbar gehalten, sich in der mündlichen Verhandlung mit dem Hilfsantrag I auseinanderzusetzen. Dies stehe in einem so grotesken Widerspruch zu der Tatsache, dass die Beschwerdekammer die mündliche Verhandlung - noch dazu unter Missachtung der für sie verbindlichen Regelungen der Verfahrensordnung - dennoch unter Verweis auf ein ihr vermeintlich zustehendes Ermessen vertagt habe, dass es eigentlich keines weiteren Kommentars bedürfe. Aus der Frage des Vorsitzenden zu Beginn der Diskussion über die Zulassung des Hilfsantrags I in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 (siehe vorletzter Absatz auf Seite 6 des Protokolls über die mündliche Verhandlung), ob eine längere Unterbrechung der mündlichen Verhandlung von z.B. 2 Stunden der Einsprechenden genügen würde, ergebe sich ersichtlich nicht, dass die Kammer eine Diskussion des Hilfsantrags I zu diesem Zeitpunkt für zumutbar erachtet habe. Vielmehr sei die Einsprechende gefragt worden, ob sie eine Diskussion über den Hilfsantrag I für zumutbar erachte. Nachdem die Einsprechende diese Frage mit der Begründung verneint habe, es hätte sich durch Hilfsantrag I eine völlig neue Situation ergeben und es sei ggf. auch weiterer Stand der Technik zu berücksichtigen, sei die Kammer nämlich nicht mehr auf eine mögliche Diskussion von Hilfsantrag I in der ersten mündlichen Verhandlung zurückgekommen, sondern habe die mündliche Verhandlung vertagt, um der Einsprechenden die Möglichkeit zu geben, zu dem Hilfsantrag I im schriftlichen Verfahren Stellung zu nehmen. Ganz offensichtlich habe die Kammer daher eine Vertagung als notwendig angesehen, sonst hätte sie diese nicht gegen den expliziten Willen der Patentinhaber angeordnet. Die Annahme, dass es einer solchen Vertagung nicht bedurft hätte, stehe in unmittelbarem Widerspruch zu der Entscheidung der Kammer zur Vertagung. Schließlich sei eine Vertagung der mündlichen Verhandlung, durch die erhebliche Mehrkosten und zusätzlicher Aufwand verursacht würden, nur in absoluten Ausnahmefällen zu gewähren und auch nur dann, wenn die Beschwerdekammer zu der Überzeugung gelangt sei, dass eine Nichtvertagung eine der beiden Parteien ungebührlich benachteilige und daher unzumutbar wäre. Es sei daher nicht gerechtfertigt, die Vertagung als eine der Einsprechenden entgegenkommende Geste darstellen zu wollen, um dem offensichtlich begründeten Antrag auf anderweitige Kostenverteilung der Einsprechenden damit die Grundlage zu entziehen. Es sei nicht haltbar, wenn die Kammer zunächst eine Vertagung der mündlichen Verhandlung als erforderlich ansehe und entsprechend entscheide, dann aber hinsichtlich der Kostenfrage die Ansicht vertrete, dass eine solche Vertagung nicht erforderlich gewesen wäre. Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, warum in Bezug auf die Kostenfrage eine Vertagung als tatsächlich nicht geboten angesehen werden könne. Hätte es hierfür eine tragbare Begründung gegeben, hätte die Kammer die erste mündliche Verhandlung nicht vertagen dürfen. Eine Vertagung ohne Notwendigkeit gebe es nicht, da eine mündliche Verhandlung nur dann vertagt werde, wenn dies erforderlich sei, um die Rechte der beiden Beteiligten zu wahren.

vi) In der ersten mündlichen Verhandlung sei die Zulassung des Hilfsantrags I nur im Hinblick auf den Artikel 13 (3) VOBK 2007 diskutiert worden. Dies zeige sich auch daran, dass das juristische Mitglied in der ersten mündlichen Verhandlung die Frage aufgeworfen habe, ob eine Vertagung auch ohne Notwendigkeit möglich sei, und der Vorsitzende habe dann die Diskussion dieser Frage mit dem Hinweis unterbunden, dass die Kammer in jedem Fall ein Ermessen gemäß Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 habe. Dass die Voraussetzungen des Artikels 13 (3) VOBK 2007 und insbesondere die Notwendigkeit einer Vertagung gegeben sei, sei vom Vorsitzenden daher nicht in Frage gestellt worden. Dies werde auch im Protokoll bestätigt (siehe den Brückenabsatz von Seite 7 auf Seite 8 des Protokolls sowie den viertletzten Absatz auf Seite 9 des Protokolls ("dass sie ein Ermessen auch dann nach Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 habe, wenn die mündliche Verhandlung verlegt werde").

vii) Es werde auch auf die einschlägigen Entscheidungen T 671/08 und T 482/19 hingewiesen, die sich mit der Zulassung von verspätetem Vorbringen befassten. Im Fall T 671/08 sei ein verspätetes Vorbringen der Einsprechenden ausnahmsweise nach Artikel 13 (3) VOBK 2007 zugelassen worden, obwohl dies zu einer Vertagung der mündlichen Verhandlung geführte habe. Da das Verhalten der Einsprechenden die Vertagung der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erforderlich gemacht habe, habe es die zu befindende Kammer für angemessen gehalten, der Einsprechenden alle Kosten aufzuerlegen, die der Patentinhaberin im Zusammenhang mit der ersten mündlichen Verhandlung entstanden seien. Die Entscheidung T 482/19 sei bereits unter Geltung aller Regelungen der neuen Verfahrensordnung ergangen, gemäß welcher den Beschwerdekammern bei der Zulassung neuen Vorbringens anders als nach der alten Verfahrensordnung immer ein Ermessen verbleibe. Verhandelt worden sei dort eine mit dem vorliegenden Fall unmittelbar vergleichbare Situation. Obwohl die neuen Anträge, anders als im vorliegenden Verfahren, sogar noch vor der mündlichen Verhandlung eingereicht worden seien, so dass die Einsprechende jedenfalls die Möglichkeit gehabt habe, sich auf die neuen Anträge vorzubereiten, seien diese Anträge nicht zum Verfahren zugelassen worden. Wie dem Punkt 5.7 der Entscheidungsgründe der Entscheidung T 482/19 zu entnehmen sei, stelle die Tatsache, dass die mit den entsprechenden Hilfsanträgen weiterverfolgten Verfahrensansprüche bereits Teil der zuvor anhängigen Anträge gewesen seien, gerade keine besonderen Umstände dar, welche ausnahmsweise eine Zulassung rechtfertigen würden. Erst recht könnten sie kein Argument darstellen, welches gegen eine anderweitige Kostenauferlegung sprechen würde.

viii) Offensichtlich sei die erstmals in der ersten mündlichen Verhandlung vor der Kammer erfolgte und damit verspätete Einreichung des Hilfsantrags I der Grund für die Vertagung der mündlichen Verhandlung gewesen. Diese Vertagung hätte daher vermieden werden können, wenn die Patentinhaber ihren Hilfsantrag I früher vorgelegt hätten. Dies gelte auch dann, wenn aus Fairnessgründen vertagt worden sei.

ix) Die verspätete Einreichung des Hilfsantrags I stelle deshalb einen ersichtlichen Verstoß gegen grundlegende prozessuale Sorgfaltspflichten seitens der Patentinhaber dar, der in keiner Weise entschuldigt worden sei und daher eine anderweitige Kostenverteilung rechtfertige. Ohne die Einreichung bzw. bei rechtzeitiger Einreichung des Hilfsantrags I wäre das Beschwerdeverfahren im Rahmen der ersten mündlichen Verhandlung zu einem Abschluss gekommen und es wären nach der ersten mündlichen Verhandlung keine weiteren Kosten angefallen. Sämtliche der Einsprechenden erwachsenen Kosten, die nach der ersten mündlichen Verhandlung entstanden seien, beruhten daher auf der verspäteten Einreichung des Hilfsantrags I.

Es entspreche daher der Billigkeit, den Patentinhabern alle Kosten aufzuerlegen, welche durch die Einreichung des neuen Hilfsantrags I im Rahmen der ersten mündlichen Verhandlung und der daraus resultierenden Vertagung der mündlichen Verhandlung auf Seiten der Einsprechenden entstanden seien.

x) Darüber hinaus begründe aber auch die Rücknahme der Beschwerde durch die Patentinhaber erst wenige Tage vor der zweiten anberaumten mündlichen Verhandlung und das damit erfolgte verspätete Zurücknehmen des nur auf die Verfahrensansprüche gerichteten Hilfsantrags I die Notwendigkeit einer Kostenverteilung zulasten der Patentinhaber. Es sei unredlich, diesen Antrag zunächst im Verlauf der mündlichen Verhandlung verspätet vorzubringen und ihn im Wissen einer Notwendigkeit einer weiteren mündlichen Verhandlung kurzfristig vor der weiteren mündlichen Verhandlung zurückzunehmen. Dass die Patentinhaber nach der Rücknahme ihrer Beschwerde zunächst Beschwerdegegner in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren gewesen seien, tue nichts zur Sache, da es gerade der Hilfsantrag I gewesen sei, welcher noch im Rahmen der Beschwerde der Patentinhaber zu diskutieren gewesen wäre, während nach deren Rücknahme auch der Hilfsantrag I, welcher breiter sei als die in der ersten Instanz zur Entscheidung gestellten und aufrecht erhaltenen Ansprüche, nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gewesen sei. Die im Rahmen der Beschwerde der Einsprechenden noch zu diskutierenden Hilfsanträge hätten dagegen auch in der ersten mündlichen Verhandlung diskutiert werden können. Offensichtlich sei die Rücknahme der Beschwerde seitens der Patentinhaber nur erfolgt, um eine Entscheidung über den Verfahrensanspruch zu verhindern, und stelle damit eine Fortführung des bereits aus der ersten Instanz bekannten Verhaltens der Patentinhaber dar. Darüber hinaus sei dies offensichtlich bereits 6 Monate vor der eigentlichen Rücknahme geplant gewesen, da die Patentinhaber bereits zu diesem Zeitpunkt entschieden hätten, die nationalen Jahresgebühren nicht mehr einzuzahlen. Die Einsprechende habe ihre Beschwerde zurückgenommen, da sie keinen Zweifel an dem Vortrag der Patentinhaber gehabt habe, dass das Patent in den Vertragsstaaten erloschen sei.

b) Antrag auf anderweitige Kostenverteilung zugunsten der Patentinhaber

i) Der Antrag der Patentinhaber auf anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten solle nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden, da er erstmalig in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2024 gestellt worden sei und somit offensichtlich verspätet sei. Es könne nicht die Entscheidung der Ersatzkammer über den ersten Befangenheitsantrag abgewartet werden, bevor ein Antrag auf anderweitige Kostenverteilung gestellt werde. Ein solches Verhalten belege auch, dass der erste Befangenheitsantrag nicht offensichtlich unbegründet gewesen sei.

ii) Sollte dieser Antrag zugelassen werden, so sei er unbegründet, denn der Einsprechenden könne kein missbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden. Die fünf Befangenheitsanträge der Einsprechenden hätten allesamt ihren Ausgangspunkt in der verspäteten Einreichung von Hilfsantrag I und wären ohne diese verspätete Einreichung nicht erfolgt, so dass auch die diesbezüglichen Kosten durch die verspätete Einreichung entstanden seien. Bis zur Rücknahme der Beschwerde zielten die Befangenheitsanträge auch im Kern darauf ab, die Entscheidung der Kammer über die Zulassung von Hilfsantrag I zu revidieren. Die späteren Befangenheitsanträge zielten sodann auf die zu treffende Entscheidung über die Kostenauferlegung, welche ebenfalls auf der verspäteten Einreichung von Hilfsantrag I beruhe. Alle fünf Befangenheitsanträge betrafen also verschiedene Sachverhalte. Auch wenn die bisher entschiedenen Befangenheitsanträge in der Sache nicht erfolgreich gewesen seien, sei die Zulässigkeit sämtlicher Befangenheitsanträge von der jeweils zu erkennenden Kammer anerkannt und ein Verfahren nach Artikel 24 (3) EPÜ eröffnet worden. Dies bestätige, dass die Einsprechende die ihr durch das EPÜ zur Verfügung gestellten rechtlichen Mittel in zulässiger Weise genutzt habe, um eine für sie positive Entscheidung zu den durch die verspätete Einreichung von Hilfsantrag I bedingten rechtlichen Folgen zu erreichen. Es gebe im EPÜ keine Rechtsgrundlage, wonach es bei aussichtslosen Rechtsbehelfen eine anderweitige Kostenverteilung gebe. Wenn die Patentinhaber der Meinung gewesen seien, dass die Befangenheitsanträge offensichtlich unbegründet gewesen seien, dann hätten sie sich ja nicht unbedingt am Verfahren beteiligen müssen. Der Hinweis der Patentinhaber auf das Markenrecht greife nicht, da das Markenrecht für das vorliegende Verfahren keine Rolle spiele. Es liege kein missbräuchliches Verhalten seitens der Einsprechenden vor und daher entspreche es nicht der Billigkeit, der Einsprechenden die Kosten, die durch ihre Befangenheitsanträge den Patentinhabern entstanden seien, aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

Verfahrensfragen

1. Sowohl die Patentinhaber als auch die Einsprechende haben eindeutig und ohne Vorbehalt die Rücknahme ihrer Beschwerde in ihren jeweiligen Schreiben erklärt.

Mit der Rücknahme beider Beschwerden im vorliegenden zweiseitigen Verfahren wird das Beschwerdeverfahren beendet, soweit es die durch die angefochtene Entscheidung der ersten Instanz entschiedenen Sachfragen angeht, und die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß Artikel 106 (1) EPÜ fällt weg, so dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung rechtskräftig wird, soweit es diese Sachfragen angeht (siehe die Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 7/91 und G 8/91, ABl. EPA 1993, 356 und 346).

Eine Rücknahme der Beschwerde beendet zwar das Beschwerdeverfahren in der Sache selbst, jedoch nicht im Hinblick auf Anträge, deren Gegenstand sich durch die Rücknahme der Beschwerde nicht erledigt hat. Nach Rücknahme der Beschwerde ist es daher zulässig, noch über etwaige Nebenfragen zu entscheiden (siehe auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Auflage Juli 2022, V.A.7.3.2).

Beide Beteiligten haben bereits in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2021 einen Antrag auf anderweitige Kostenverteilung gestellt. Wie aus dem Protokoll hervorgeht, wurden diese Anträge in der mündlichen Verhandlung weder erörtert noch wurde über sie entschieden. Im Laufe des weiteren Beschwerdeverfahrens wurden diese Anträge auf anderweitige Kostenverteilung weiter spezifiziert.

Aus den vorgenannten Gründen ist über den jeweiligen Antrag auf anderweitige Kostenverteilung der Beteiligten auch dann zu entscheiden, wenn beide Beschwerden zurückgenommen worden sind.

Anträge auf anderweitige Kostenverteilung

2. Sowohl die Patentinhaber als auch die Einsprechende haben einen Antrag auf anderweitige Kostenverteilung jeweils zu ihren Gunsten gestellt.

3. Artikel 104 (1) EPÜ sieht vor, dass im Einspruchsverfahren (und damit auch im Einspruchsbeschwerdeverfahren) die Beteiligten die ihnen erwachsenen Kosten grundsätzlich selbst tragen. Nach Artikel 104 (1) EPÜ kann die Kammer jedoch eine andere Kostenverteilung anordnen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht. Für das Beschwerdeverfahren relevant ist auch der gemäß Artikel 25 (1) VOBK vorliegend anwendbare Artikel 16 (1) VOBK, wonach vorbehaltlich des Artikels 104 (1) EPÜ die Beschwerdekammer auf Antrag anordnen kann, dass ein Beteiligter die Kosten eines anderen Beteiligten ganz oder teilweise zu tragen hat. Zu diesen Kosten gehören gemäß Artikel 16 (1) Satz 2 a) bis e) VOBK Kosten, die durch Änderungen eines Beteiligten im Beschwerdeverfahren nach Artikel 13 VOBK, eine Fristverlängerung, Handlungen oder Unterlassungen, die die rechtzeitige und effiziente Durchführung einer mündlichen Verhandlung beeinträchtigen, Nichtbeachtung einer Anweisung der Kammer oder Verfahrensmissbrauch entstehen. Diese Auflistung von Fallgruppen in Artikel 16 (1) Satz 2 a) bis e) VOBK ist jedoch nicht dahingehend zu verstehen, dass allein das Vorliegen eines dieser genannten Fälle eine anderweitige Kostenverteilung gebietet (siehe dazu auch T 1781/13, Punkt 14.1 der Entscheidungsgründe). Vielmehr steht eine anderweitige Kostenverteilung selbst bei Vorliegen eines dieser aufgelisteten Fälle im Ermessen der Kammer. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des Artikels 16 (1) VOBK. Artikel 16 (1) Satz 2 VOBK stellt klar, dass das Ermessen der Kammer durch die aufgelisteten Fälle nicht eingeschränkt wird, und Artikel 16 (1) Satz 1 VOBK verweist auf den im Gesetzesrang übergeordneten Artikel 104 (1) EPÜ, der eine Kostenverteilung nur bei Vorliegen von Billigkeitsgründen vorsieht. Deshalb obliegt es der Kammer auch bei Vorliegen eines der in Artikel 16 (1) Satz 2 a) bis e) VOBK genannten Fälle, bei der Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 104 (1) EPÜ und Artikel 16 (1) VOBK zu prüfen, ob eine Kostenverteilung im konkreten Fall der Billigkeit entspricht.

Im EPÜ findet sich keine Definition der Billigkeit. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern entspricht eine anderweitige Kostenverteilung dann der Billigkeit, wenn das Verhalten einer Partei nicht mit der zu fordernden Sorgfalt im Einklang steht, d.h. wenn Kosten durch leichtfertiges oder gar böswilliges Handeln verursacht werden (z. B. T 765/89, T 26/92 und T 432/92). Um festzustellen, ob eine anderweitige Kostenverteilung aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt ist, müssen sowohl das Verhalten der Beteiligten als auch die sich daraus ergebenden Kostenfolgen berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden. Eine anderweitige Kostenverteilung aus Billigkeitsgründen kommt daher in Betracht, wenn das Verhalten von Beteiligten unter Verletzung der Sorgfaltspflicht Kosten verursacht hat, die nicht unerheblich sind.

4. Antrag der Einsprechenden auf anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten

4.1 Die Einsprechende ist der Ansicht, dass allein aufgrund der erstmaligen und damit verspäteten Einreichung des Hilfsantrags I in der ersten mündlichen Verhandlung eine Vertagung der mündlichen Verhandlung notwendig gewesen sei und dass es deshalb aus Billigkeitsgründen geboten sei, den Patentinhabern die Kosten, die der Einsprechenden durch die Vertagung entstanden seien, aufzuerlegen. Die Patentinhaber hingegen halten eine anderweitige Kostenverteilung zugunsten der Einsprechenden für nicht gerechtfertigt, da in der Einreichung ihres Hilfsantrags I kein prozessuales Fehlverhalten zu erkennen sei und die erfolgte Vertagung der mündlichen Verhandlung keine aus der Einreichung des Hilfsantrags I resultierende Notwendigkeit, sondern ein Entgegenkommen der Kammer (in der ursprünglichen Besetzung) zugunsten der Einsprechenden gewesen sei.

4.2 Eine anderweitige Kostenverteilung aus Billigkeitsgründen wegen verspäteter Vorlage von neuen Anträgen kann in Betracht kommen, wenn durch die Verspätung eine Vertagung der mündlichen Verhandlung erforderlich wurde und unzumutbare Mehrkosten in nicht unerheblichem Umfang entstanden sind, die bei rechtzeitiger Einreichung dieser Anträge nicht entstanden wären.

4.3 Bei der Beantwortung der Frage, ob es im vorliegenden Fall der Billigkeit entsprechen würde, wegen der erfolgten Vertagung der mündlichen Verhandlung eine anderweitige Kostenverteilung zu Gunsten der Einsprechenden anzuordnen, sind die Umstände des Falls und das Verhalten beider Beteiligten von der Kammer zu berücksichtigen.

4.4 Der Hilfsantrag I wurde von den Patentinhabern im Beschwerdeverfahren unstrittig erstmals in der ersten mündlichen Verhandlung eingereicht. Deshalb handelte es sich bei diesem Antrag um eine Änderung ihres Vorbringens i.S.v. Artikel 13 VOBK 2007, der vorliegend gemäß Artikel 25 (1) VOBK anzuwenden ist, da die Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 10. Oktober 2019 vor Inkrafttreten der revidierten Fassung (1. Januar 2020) den Beteiligten zugestellt wurde. Die Kammer (in der ursprünglichen Besetzung) entschied in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 VOBK 2007 in der ersten mündlichen Verhandlung, den Hilfsantrag I in das Beschwerdeverfahren zuzulassen (siehe Protokoll der ersten mündlichen Verhandlung, Seite 9, drittletzter Absatz).

4.5 Die Einsprechende hält es für nicht haltbar, wenn die Kammer zunächst eine Vertagung der mündlichen Verhandlung als erforderlich ansehe und entsprechend entscheide, dann aber hinsichtlich der Kostenfrage die Ansicht vertrete, dass eine solche Vertagung nicht erforderlich gewesen wäre. Entgegen dem Vorbringen der Einsprechenden ist die Vertagung der ersten mündlichen Verhandlung jedoch nicht deshalb notwendig gewesen, weil die Patentinhaber den Hilfsantrag I erstmals in der ersten mündlichen Verhandlung eingereicht haben.

4.6 Im Hilfsantrag I sind im Vergleich zum erteilten Patent (damaliger Hauptantrag der Patentinhaber) lediglich erteilte Ansprüche gestrichen, so dass dieser Antrag ausschließlich die erteilten Verfahrensansprüche umfasst. Es ist der Einsprechenden zuzustimmen, dass im Beschwerdeverfahren ein solcher Antrag der Patentinhaber bis zur ersten mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt wurde und er streng genommen bis dahin nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gewesen ist.

4.7 Für die Frage der Notwendigkeit der Vertagung der ersten mündlichen Verhandlung im Zusammenhang der Kostenfrage können jedoch die angefochtene Entscheidung, das Vorbringen der Beteiligten im Beschwerdeverfahren und der Verlauf der ersten mündlichen Verhandlung nicht unberücksichtigt bleiben.

4.8 In der angefochtenen Entscheidung gibt es ein obiter dictum der Einspruchsabteilung zu den erteilten Verfahrensansprüchen, in dem die Einspruchsabteilung auch auf die vorgebrachten Argumente der Einsprechenden und der Patentinhaber eingeht. Damit ist ersichtlich, dass auch die erteilten Verfahrensansprüche Gegenstand der Diskussion im erstinstanzlichen Verfahren waren.

4.9 Die Einsprechende vertritt die Ansicht, dass die Patentinhaber in ihrer Beschwerdebegründung lediglich das obiter dictum der Einspruchsabteilung aus der angefochtenen Entscheidung wiedergegeben hätten, jedoch zu diesem obiter dictum nicht Stellung genommen hätten. Ihrer Meinung nach sei die Stellungnahme der Patentinhaber inhaltlich völlig unzureichend und gehe auf die das obiter dictum tragenden Gründe der Einspruchsabteilung nicht ein. Die Patentinhaber hingegen haben vorgetragen, dass sie sich in ihrer Beschwerdebegründung auch mit den erteilten Verfahrensansprüchen und den Ausführungen der Einspruchsabteilung in dem obiter dictum der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt hätten.

Nach Auffassung der Kammer enthält die Beschwerdebegründung der Patentinhaber nicht nur eine Wiedergabe des Wortlauts des obiter dictums der Einspruchsabteilung. Die Patentinhaber sind vor allem in den Punkten II.4 und IV.2 bis IV.4 ihrer Beschwerdebegründung auch inhaltlich auf das obiter dictum eingegangen und haben Gründe angegeben, warum aus ihrer Sicht angesichts des von ihnen in Punkt III der Beschwerdebegründung dargelegten Offenbarungsgehalts des Dokuments D4 die Ausführungen der Einspruchsabteilung hinsichtlich der Verfahrensansprüche nicht zuträfen. Dabei sind sie auch auf die einzelnen Merkmale des erteilten unabhängigen Verfahrenseinspruchs 23 (siehe Punkt I. 3. a) der Beschwerdebegründung) eingegangen. Damit haben die Patentinhaber zu dem obiter dictum der Einspruchsabteilung Stellung genommen. Deshalb handelte es sich bei dem Hilfsantrag I nicht um einen "fresh case" der Patentinhaber und es wäre der Einsprechenden eine Befassung mit den Verfahrensansprüchen sowie der Stellungnahme der Patentinhaber hierzu in der ersten mündlichen Verhandlung durchaus zumutbar gewesen. Die Frage, ob die Stellungnahme der Patentinhaber inhaltlich zureichend oder überzeugend war, betrifft nicht die Frage der Zumutbarkeit einer Diskussion der erteilten Verfahrensansprüche in der ersten mündlichen Verhandlung für die Einsprechende, sondern wäre eine Frage für die inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Stellungnahme gewesen, die dann im Rahmen einer Diskussion der Gewährbarkeit der erteilten Verfahrensansprüche hätte stattfinden können.

4.10 Angesichts dieser besonderen Sachlage, auf die auch im Protokoll der ersten mündlichen Verhandlung (Seite 9, viertletzter Absatz) hingewiesen wird, ist es nicht ersichtlich, warum es für die Kammer (in der ursprünglichen Besetzung) und die Einsprechende nicht zumutbar gewesen wäre, sich in der ersten mündlichen Verhandlung mit der Gewährbarkeit der erteilten Verfahrensansprüche, die bereits Gegenstand des damaligen Hauptantrags der Patentinhaber waren, inhaltlich zu befassen.

4.11 Auch aus dem Protokoll der ersten mündlichen Verhandlung ergibt sich nicht, dass die erfolgte Vertagung der ersten mündlichen Verhandlung wegen des verspäteten Einreichens des Hilfsantrags I notwendig war.

4.12 In diesem Protokoll gibt es keine Feststellung, dass die Kammer (in der ursprünglichen Besetzung) die Vertagung der mündlichen Verhandlung deshalb für notwendig erachtete, da der Hilfsantrag I Fragen aufwarf, deren Behandlung der Kammer oder der Einsprechenden ohne Vertagung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten war. Vielmehr zeigt die Frage des Vorsitzenden an die Einsprechende, ob ihr eine längere Unterbrechung der mündlichen Verhandlung von z.B. zwei Stunden zur Vorbereitung einer Diskussion über die Gewährbarkeit der Verfahrensansprüche genügen würde (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 6, letzter Absatz), dass die Kammer (in der ursprünglichen Besetzung) eine Diskussion der Gewährbarkeit der erteilten Verfahrensansprüche ohne eine Vertagung der mündlichen Verhandlung für sich und die Einsprechende für zumutbar hielt.

Dem Protokoll ist an zwei Stellen (siehe den die Seiten 7 und 8 überbrückenden Absatz und Seite 9, viertletzter Absatz) lediglich zu entnehmen, dass den Beteiligten mitgeteilt wurde, dass die Kammer auch dann ein Ermessen nach Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 habe, wenn die mündliche Verhandlung vertagt werde. Diese Feststellung weist aber nur auf das Ermessen der Kammer nach Artikel 13 VOBK 2007 hin, auch im Falle einer Vertagung Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten zuzulassen, und lässt offen, ob eine Vertagung von der Kammer (in der ursprünglichen Besetzung) wegen der verspäteten Einreichung des Hilfsantrags I als notwendig erachtet wurde.

4.13 Dem steht auch der von der Einsprechenden geschilderte Sachverhalt nicht entgegen, wonach das juristische Mitglied in der ersten mündlichen Verhandlung die Frage aufgeworfen habe, ob eine Vertagung auch ohne Notwendigkeit möglich sei, und der Vorsitzende die Diskussion dieser Frage aber mit dem Hinweis unterbunden habe, dass die Kammer in jedem Fall ein Ermessen gemäß Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 habe. Hierzu ist zunächst anzumerken, dass sich zu diesem angeblichen Sachverhalt nichts im Protokoll der ersten mündlichen Verhandlung findet. Und selbst wenn sich dieser Sachverhalt so zugetragen hätte, folgt daraus nicht zwingend, dass die Kammer (in der ursprünglichen Besetzung) die Vertagung wegen der verspäteten Einreichung des Hilfsantrags für notwendig hielt. Die Frage des juristischen Mitglieds und die Bemerkung des Vorsitzenden betrafen die Frage des Ermessens einer Kammer gemäß Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 und nicht die Frage der Zumutbarkeit einer Diskussion des Hilfsantrags I in der ersten mündlichen Verhandlung und der damit möglicherweise einhergehenden Notwendigkeit einer Vertagung der ersten mündlichen Verhandlung.

4.14 Auch die Tatsache, dass die Einsprechende ausweislich der Seite 6 des Protokolls der ersten mündlichen Verhandlung ihrerseits eine Vertagung der mündlichen Verhandlung beantragte und erklärte, dass sie eine Behandlung des Hilfsantrags I in der mündlichen Verhandlung für unzumutbar halte und daher für diesen Fall deren Vertagung für notwendig erachte, lässt nicht zwingend den Schluss zu, dass die Kammer der Einsprechenden darin zustimmte und die Vertagung der ersten mündlichen Verhandlung deswegen erfolgte. Die Patentinhaber hatten nämlich in der mündlichen Verhandlung dagegen argumentiert und die Ansicht vertreten, dass eine Vertagung der mündlichen Verhandlung als ein Entgegenkommen der Kammer für die Einsprechende zu sehen sei und nicht als eine Notwendigkeit, da es für die Kammer und die Einsprechende zumutbar gewesen sei, sich mit den erteilten Verfahrensansprüchen auseinanderzusetzen (siehe Protokoll der ersten mündlichen Verhandlung, Seite 8, vorletzter Absatz). Wie oben ausgeführt, war eine Behandlung des Hilfsantrags I in der ersten mündlichen Verhandlung für die Kammer und die Einsprechende zumutbar und die Vertagung der ersten mündlichen Verhandlung war nicht wegen des verspäteten Einreichens des Hilfsantrags I notwendig. Die Vertagung konnte jedoch auch aus anderen Gründen erfolgen. Es gibt keine Vorschriften im EPÜ oder in der VOBK, die explizit regeln, wann eine begonnene mündliche Verhandlung vertagt werden kann. Allerdings ist es gemäß Artikel 15 (4) VOBK die Aufgabe des Vorsitzenden eine "faire, ordnungsgemäße und effiziente Durchführung" der mündlichen Verhandlung sicherzustellen. Es liegt im freien und grundsätzlich nicht überprüfbaren Ermessen der Kammer beziehungsweise des Vorsitzenden als Verhandlungsleiter, was eine faire, ordnungsgemäße und effiziente Verhandlungsführung ausmacht. So kann eine Kammer, auch wenn sie die Fortführung der mündlichen Verhandlung zur Behandlung eines spät im Verfahren eingereichten Antrags auch gegen den Willen eines Beteiligten für zumutbar hält, die Verhandlung dennoch vertagen. Beispielsweise kann die Kammer eine Vertagung angesichts der konkreten Umstände zwar nicht für notwendig, aber für fair(er) halten, weil ein Beteiligter ein entsprechendes Bedürfnis geäußert und nachvollziehbar begründet hat. Eine Vertagung kann auch dann in Betracht kommen, wenn sie nach Auffassung der Kammer einen besser vorbereiteten und gut strukturierten Vortrag der Beteiligten ermöglicht und damit das Verfahren im Ergebnis effizienter durchgeführt werden kann. Im vorliegenden Fall konnte daher die Vertagung auch aus Fairnessgründen und Effizienzgründen angesichts des Vorbringens der Einsprechenden in der ersten mündlichen Verhandlung (siehe Protokoll der ersten mündlichen Verhandlung, Seite 6, zweiter und dritter vollständiger Absatz) erfolgen. Die Einsprechende hatte in der ersten mündlichen Verhandlung erklärt, dass es für sie keine Veranlassung gegeben habe, sich für die mündliche Verhandlung auf eine Diskussion der Verfahrensansprüche vorzubereiten, denn keiner der Hilfsanträge habe nur Verfahrensansprüche enthalten, und damit sei es für sie nicht zumutbar gewesen, sich in der ersten mündlichen Verhandlung zu den Verfahrensansprüchen zu äußern oder sich erstmalig mit Argumenten der Gegenseite auseinanderzusetzen. Weiter erklärte sie, dass es außerdem für sie keine Veranlassung gegeben habe, sich mit den Ausführungen der Patentinhaber in deren Beschwerdebegründung zu dem obiter dictum der angefochtenen Entscheidung auseinanderzusetzen, da es bis zur mündlichen Verhandlung keinen einzigen Antrag der Patentinhaber gegeben habe, der nur Verfahrensansprüche umfasste. Zudem erklärte sie, dass ihr eine längere Unterbrechung der ersten mündlichen Verhandlung zur Vorbereitung einer Diskussion über die Gewährbarkeit der Verfahrensansprüche nicht ausreichen würde. Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass es für die Einsprechende bei der Vorbereitung auf die erste mündliche Verhandlung eine Veranlassung gegeben hat, sich auch auf eine Diskussion der Verfahrensansprüche vorzubereiten. Es ist zwar richtig, dass im Beschwerdeverfahren bis zur mündlichen Verhandlung keine Hilfsanträge von den Patentinhabern eingereicht wurden, die nur Verfahrensansprüche umfassten. Allerdings enthielt das erteilte Patent (Hauptantrag der Patentinhaber) neben den Vorrichtungsansprüchen die Verfahrensansprüche und die Patentinhaber haben in ihrer Beschwerdebegründung zu dem obiter dictum der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung, die die Verfahrensansprüche betrafen, Stellung genommen. Die Einsprechende hätte sich spätestens in Vorbereitung auf die erste mündliche Verhandlung mit den Ausführungen der Patentinhaber zu dem obiter dictum der angefochtenen Entscheidung und damit mit den erteilten Verfahrensansprüchen auseinandersetzen können, auch wenn ihrer Meinung nach die Stellungnahme der Patentinhaber inhaltlich unzureichend oder nicht überzeugend war, denn die Frage, ob die Stellungnahme der Patentinhaber inhaltlich zureichend oder überzeugend war, ist eine Frage für die inhaltliche Auseinandersetzung mit dieser Stellungnahme, die im Rahmen einer Diskussion der Gewährbarkeit der erteilten Verfahrensansprüche hätte erörtert werden können. Dem steht auch nicht das weitere Argument der Einsprechenden entgegen, dass der erteilte unabhängige Verfahrensanspruch "de facto" ein abhängiger Anspruch von dem erteilten unabhängigen Vorrichtungsanspruch sei, auch wenn er formal als unabhängiger Anspruch formuliert sei, und die erteilten Verfahrensansprüche daher de facto Unteransprüche des erteilten Vorrichtungsanspruchs ohne eine selbstständige Argumentation seien. Dieses Argument kann die Kammer nicht gelten lassen, da es für die Auffassung der Einsprechenden weder im EPÜ noch in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern eine Stütze gibt. Es ist daher den Patentinhabern zuzustimmen, dass jeder unabhängige Anspruch des vorliegenden Patents als solcher zu werten ist. Das weitere Argument der Einsprechenden, dass es für sie auch deswegen keinen Grund gegeben hätte, sich auf die Diskussion in der ersten mündlichen Verhandlung hinsichtlich der erteilten Verfahrensansprüche vorzubereiten, da sich die Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK nicht zu den Verfahrensansprüchen geäußert habe, überzeugt ebenfalls nicht. Eine Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK soll als Orientierungshilfe für die mündliche Verhandlung dienen. Sie hilft den Verfahrensbeteiligten, ihre Argumentation auf Aspekte zu konzentrieren, die die Kammer im Hinblick auf ihre Entscheidungsfindung als wesentlich erachtet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Beteiligten sich darauf beschränken können, sich für die mündliche Verhandlung ausschließlich auf die in dieser Mitteilung genannten Punkte vorzubereiten. Außerdem wurden die Beteiligten bereits in der Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK, die vor der ersten mündlichen Verhandlung erging, darauf hingewiesen, dass diese Mitteilung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe.

Da aus den vorgenannten Gründen für die Einsprechende eine Veranlassung aufgrund des Vorbringens der Patentinhaber im Beschwerdeverfahren bestanden hätte, sich auf eine Diskussion der Verfahrensansprüche in der ersten mündlichen Verhandlung vorzubereiten, greift das Argument der Einsprechenden nicht, dass ein Antrag, der ausschließlich Verfahrensansprüche umfasse, nicht Teil des Einspruchsverfahrens gewesen sei. Zudem hat die Einsprechende selbst zu dem von den Patentinhabern im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Hilfsantrag VI in ihrer Beschwerdebegründung vorgetragen: "Nach diesem Hilfsantrag beschränkt sich die Patentinhaberin lediglich auf die Verfahrensansprüche des Streitpatents". Eine weitere Veranlassung für die Einsprechende, sich in ihrer Vorbereitung auf die erste mündliche Verhandlung auch mit den erteilten Verfahrensansprüchen zu befassen, könnte auch darin gesehen werden, dass sie in ihrer Beschwerdebegründung hinsichtlich des Hilfsantrags VI selbst auf die Ausführungen der Einspruchsabteilung in dem obiter dictum der angefochtenen Entscheidung und auf die ihrer Meinung nach neuheitsschädlichen Offenbarung des Dokuments D7 verwiesen hat.

Obgleich es für die Einsprechende eine Veranlassung gegeben hätte, sich für die erste mündliche Verhandlung auf eine Diskussion der Verfahrensansprüche vorzubereiten, und es für sie zumutbar gewesen wäre, sich mit dem Hilfsantrag I, d.h. mit den erteilten Verfahrensansprüchen, in der ersten mündlichen Verhandlung zu befassen, war eine Vertagung angesichts der oben genannten Erklärungen der Einsprechenden, dass sie die Verfahrensansprüche in der ersten mündlichen Verhandlung nicht diskutieren könne, sinnvoll, um einen besser vorbereiteten und gut strukturierten Vortrag der Einsprechenden und auch den Patentinhabern zu ermöglichen und damit das Verfahren im Ergebnis effizienter durchzuführen. Dies zeigt sich im Übrigen auch darin, dass bereits in der ersten mündlichen Verhandlung der Einsprechenden die Gelegenheit gegeben wurde, zu der Gewährbarkeit des Hilfsantrags I schriftlich Stellung zu nehmen, und zwar innerhalb einer Frist von zwei Monaten, die mit der Zustellung der Niederschrift über die erste mündliche Verhandlung begann.

4.15 Die Einsprechende nannte die Entscheidungen T 671/08 und T 482/19. Nach Ansicht der Kammer sind beide Entscheidungen für die im vorliegenden Fall zu entscheidende Frage der anderweitigen Kostenverteilung nicht relevant.

Zum einen wurden beide Entscheidungen von der Einsprechenden für die Frage der Zulassung von verspätetem Vorbringen genannt. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass im vorliegenden Fall die Entscheidung über die Zulassung des Hilfsantrags I für die Frage der anderweitigen Kostenentscheidung nicht entscheidend ist.

In der Entscheidung T 671/08 stellte die zu erkennende Kammer ferner fest, dass das verspätete Vorbringen des Einwands nach Artikel 100 b) EPÜ seitens der Einsprechenden es unmöglich machte, ihn in der ersten mündlichen Verhandlung zu erörtern, ohne den Anspruch der Patentinhaber auf rechtliches Gehör zu verletzen, und sie hielt es daher für angemessen, eine anderweitige Kostenverteilung nach Artikel 104 (1) EPÜ, Artikel 16 (1) a) und (2) VOBK 2007 anzuordnen. Wie oben dargelegt, war die Vertagung der ersten mündlichen Verhandlung nicht allein wegen der Einreichung des Hilfsantrags I notwendig. Damit unterscheidet sich der Sachverhalt des Falls T 671/08 vom vorliegenden Sachverhalt.

4.16 Aus den oben genannten Gründen ist eine anderweitige Kostenverteilung aus Billigkeitsgründen wegen verspäteter Vorlage des Hilfsantrags I der Patentinhaber zugunsten der Einsprechenden nicht gerechtfertigt, denn eine Behandlung des Hilfsantrags I in der ersten mündlichen Verhandlung war zumutbar und es gab somit keine Notwendigkeit der Vertagung der ersten mündlichen Verhandlung wegen des verspäteten Einreichens des Hilfsantrags I.

4.17 Die Einsprechende hat ferner vorgetragen, dass eine anderweitige Kostenverteilung auch deshalb gerechtfertigt sei, da die Patentinhaber wenige Tage vor der für den 8. Juli 2022 anberaumten zweiten mündlichen Verhandlung durch Rücknahme ihrer Beschwerde doch wieder auf eine Weiterverfolgung des Hilfsantrags verzichtet hätten, so dass der gesamte durch die Einreichung des Hilfsantrags und die Vertagung erzeugte Aufwand in jedem Fall überflüssig geworden sei.

Die Kammer kann auch in der Rücknahme der Beschwerde keinen Verstoß gegen grundlegende prozessuale Sorgfaltspflichten seitens der Patentinhaber erkennen. Aufgrund der Dispositionsmaxime, die im Beschwerdeverfahren gilt, hatten die Patentinhaber immer das Recht, die Beschwerde zurückzuziehen (siehe z.B. auch T 674/03, Punkt 3 der Entscheidungsgründe). Dieses auf dem Verfügungsgrundsatz basierende Recht kann nicht - auch nicht implizit durch Androhung einer anderweitigen Kostenverteilung - eingeschränkt werden, selbst wenn eine mündliche Verhandlung anberaumt ist und die betroffene Gegenpartei nur kurzfristig davon unterrichtet werden kann. In der Regel ist sogar davon auszugehen, dass die Vorteile einer Beschwerderücknahme für die Gegenpartei die ihr erwachsenen - wenn auch vermeidbaren - Kosten aufwiegen (siehe auch T 490/05, Punkt 3.3 der Entscheidungsgründe).

4.18 Auch das Argument der Einsprechenden, dass die Patentinhaber durch die Rücknahme ihrer Beschwerde auf eine Weiterverfolgung des Hilfsantrags I verzichtet hätten, greift nicht. Die Patentinhaber wurden nach der Rücknahme ihrer Beschwerde zu Beschwerdegegnern in diesem Beschwerdeverfahren und die Einsprechende zur alleinigen Beschwerdeführerin. Erst die Rücknahme beider Beschwerden hat das Beschwerdeverfahren in der Sache selbst beendet. Die Einsprechende argumentierte hierzu, dass dies nichts zur Sache tue, da es gerade der Hilfsantrag I gewesen sei, welcher noch im Rahmen der Beschwerde der Patentinhaber zu diskutieren gewesen wäre, während nach deren Rücknahme auch der Hilfsantrag I, welcher breiter sei als die in der ersten Instanz zur Entscheidung gestellten und aufrecht erhaltenen Ansprüche, nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gewesen sei. Die Kammer stimmt der Einsprechenden zu, dass sie mit der Rücknahme der Beschwerde der Patentinhaber zur alleinigen Beschwerdeführerin wurde und dass deshalb das im Beschwerdeverfahren geltende Verbot der reformatio in peius hinsichtlich des Hilfsantrags I der Patentinhaber zu beachten gewesen wäre. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Hilfsantrag I nach der Rücknahme der Beschwerde der Patentinhaber unmittelbar nicht mehr Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gewesen ist, sondern es hätte zunächst über die Frage entschieden werden müssen, ob das Verbot der reformatio in peius hinsichtlich des Hilfsantrags I überhaupt greift.

4.19 Aus den oben genannten Gründen kann die Kammer kein missbräuchliches oder leichtfertiges Verhalten der Patentinhaber erkennen, so dass es nicht der Billigkeit entspricht, eine andere Verteilung der Kosten zugunsten der Einsprechenden gemäß Artikel 104 (1) EPÜ und Artikel 16 (1) VOBK anzuordnen. Dem Antrag der Einsprechenden auf anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten wird deshalb nicht stattgegeben.

5. Antrag der Patentinhaber auf anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten

Die Patentinhaber beantragten eine anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten wegen der fünf Befangenheitsanträge der Einsprechenden.

5.1 Der Antrag der Patentinhaber auf eine anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten wegen der fünf Befangenheitsanträge der Einsprechenden wurde zwar erstmals in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2024 in dieser Form gestellt, doch hatten die Patentinhaber bereits in ihrem Schreiben vom 15. Dezember 2022 eine anderweitige Verteilung der Kosten zu ihren Gunsten angesichts der damals drei vorliegenden Befangenheitsanträge der Einsprechenden als begründet angesehen. Daher sieht die Kammer in dem in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2024 gestellten Antrag der Patentinhaber lediglich eine Konkretisierung der Anzahl der Befangenheitsanträge der Einsprechenden und lässt deshalb diesen Antrag in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 VOBK 2007 zu.

5.2 Die Kammer hält es jedoch nicht für gerechtfertigt, in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 104 (1) EPÜ in Verbindung mit Artikel 16 (1) VOBK der Einsprechenden aus Gründen der Billigkeit die Kosten der Patentinhaber wegen der Einreichung der insgesamt fünf Befangenheitsanträge aufzuerlegen.

5.3 Nach Ansicht der Patentinhaber seien Kosten durch das Verhalten der Einsprechenden verursacht worden, das nicht der verfahrensrechtlichen Sorgfaltspflicht entspreche, die auch bei der Wahrnehmung von Rechten erforderlich sei. Ihr Antrag auf anderweitige Kostenverteilung sei deshalb begründet, denn es entspreche der Billigkeit, dass die Kammer eine anderweitige Verteilung der Kosten, die wegen der fünf Befangenheitsanträge der Einsprechenden entstanden seien, zugunsten der Patentinhaber anordne.

Die Einsprechende wies darauf hin, dass selbst wenn die bisher entschiedenen fünf Befangenheitsanträge in der Sache keinen Erfolg gehabt hätten, die Zulässigkeit sämtlicher Befangenheitsanträge von der jeweiligen zu befindenden Ersatzkammer anerkannt und ein Verfahren nach Artikel 24 (3) EPÜ eröffnet worden sei. Dies bestätige ihrer Meinung nach, dass sie die ihr durch das EPÜ zur Verfügung gestellten rechtlichen Mittel in zulässiger Weise genutzt habe, um eine für sie positive Entscheidung zu den durch die verspätete Einreichung von Hilfsantrag I bedingten rechtlichen Folgen zu erreichen. Es liege kein missbräuchliches Verhalten seitens der Einsprechenden vor und daher entspreche es nicht der Billigkeit, der Einsprechenden die Kosten, die durch ihre Befangenheitsanträge den Patentinhabern entstanden seien, aufzuerlegen.

5.4 Die Kammer teilt nicht die Ansicht der Patentinhaber, dass die im EPÜ vorgesehene Möglichkeit eines Befangenheitsantrags nur im Ausnahmefall heranzuziehen sei. Nach Artikel 24 (3) EPÜ können die Mitglieder der Beschwerdekammern von jedem Beteiligten wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Diese Vorschrift trägt dem allgemeinen Rechtsgrundsatz Rechnung, wonach niemand über eine Angelegenheit entscheiden darf, in der ihn ein Verfahrensbeteiligter aus guten Gründen der Befangenheit verdächtigen kann (siehe auch G 5/91, ABl. EPA 1992, 617). Den Verfahrensbeteiligten wird daher ein persönliches und berechtigtes Interesse daran zugesprochen, wegen Besorgnis der Befangenheit eines Mitglieds der Beschwerdekammer in das Verfahren einzugreifen, und sie dürfen dieses Interesse in einem ordentlichen Verfahren geltend machen. Keine Bestimmung des EPÜ kann Beteiligte daran hindern, zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens ein Mitglied oder mehrere Mitglieder einer Kammer gemäß Artikel 24 (3) EPÜ wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Dieses Recht kann nicht dahingehend eingeschränkt werden, dass es nur ausnahmsweise geltend gemacht werden darf.

5.5 Auch wenn die Einsprechende insgesamt fünf Befangenheitsanträge gegen verschiedene Mitglieder der Kammer und der Ersatzkammern eingereicht hat, gibt es weder im Verfahren noch in den Zwischenentscheidungen der Ersatzkammern einen Anhaltspunkt für die Behauptung der Patentinhaber, dass die Einsprechende die im EPÜ vorgesehene Möglichkeit der Ablehnung eines Mitglieds der Beschwerdekammer wegen Besorgnis der Befangenheit instrumentalisiert hätte, um die jeweilige Kammerbesetzung zu ändern und somit ein anderes Ergebnis in der Sache zu erreichen.

5.6 Die Patentinhaber haben auch unter Verweis auf das Markenrecht argumentiert, dass es eine entsprechende Kostenfolge geben solle, wenn die Einsprechende mehrfach zwar zulässige, aber offensichtlich nicht zum Ziel führende Befangenheitsanträge eingereicht habe, denn ein solches Vorgehen sei mit der verfahrensrechtlichen Sorgfaltspflicht nicht vereinbar. Abgesehen davon, dass der Einsprechenden zuzustimmen ist, dass das Markenrecht vorliegend nicht relevant ist, ist das Argument der Patentinhaber nicht überzeugend. Würde man dem Ansatz der Patentinhaber folgen, dann würde das Recht der Beteiligten, ein Mitglied der Beschwerdekammer wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, implizit durch die Androhung einer anderweitigen Kostenverteilung im Falle der Erfolglosigkeit des Antrags eingeschränkt werden. Eine solche Einschränkung des in Artikel 24 (3) EPÜ verankerten Rechts der Beteiligten ist jedoch wegen des oben genannten allgemeinen Rechtsgrundsatzes nicht vertretbar.

5.7 Die Kammer stimmt den Patentinhabern jedoch darin zu, dass eine anderweitige Kostenverteilung im vorliegenden Fall in Betracht kommen könnte, wenn Kosten mit der Einreichung von fünf erfolglosen Befangenheitsanträgen schuldhaft infolge leichtfertigen oder wenigstens fahrlässigen prozessualen Fehlverhaltens der Einsprechenden verursacht worden wären. Allerdings kann die Kammer keinen Grund erkennen, warum das Verhalten der Einsprechenden schuldhaft oder verfahrensmissbräuchlich gewesen wäre. Die Tatsache, dass die Einsprechende fünf Befangenheitsanträge gestellt hat, stellt für sich genommen kein schuldhaftes Verhalten dar, auch wenn die Anzahl der Anträge ungewöhnlich sein mag. Wie die Einsprechende vorgebracht hat, wurden alle fünf Befangenheitsanträge der Einsprechenden von der jeweiligen Ersatzkammer als zulässig angesehen. Wenn einer der Ablehnungen wegen der Besorgnis der Befangenheit eines Mitglieds der Beschwerdekammer verfahrensmissbräuchlich gewesen wäre, dann hätte die Ersatzkammer den jeweiligen Antrag als unzulässig verworfen (siehe z.B. auch die Entscheidung T 281/03).

5.8 Es ist der Einsprechenden zuzustimmen, dass kein missbräuchliches Verhalten seitens der Einsprechenden vorliegt und es daher nicht der Billigkeit entspricht, der Einsprechenden die Kosten, die durch ihre Befangenheitsanträge den Patentinhabern entstanden seien, aufzuerlegen.

5.9 Aus den oben genannten Gründen ist der Antrag der Patentinhaber auf anderweitige Kostenverteilung zu ihren Gunsten zurückzuweisen.

6. Da der Antrag der Patentinhaber auf anderweitige Kostenverteilung von der Kammer als unbegründet erachtet wurde, war der Antrag der Einsprechenden auf eine längere Unterbrechung der zweiten Verhandlung vom 11. Juni 2024 gegenstandslos.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Der Antrag der Patentinhaber und der Antrag der Einsprechenden auf anderweitige Kostenverteilung werden zurückgewiesen.

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