T 2144/15 () of 5.5.2017

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2017:T214415.20170505
Datum der Entscheidung: 05 Mai 2017
Aktenzeichen: T 2144/15
Anmeldenummer: 11810548.5
IPC-Klasse: F26B 21/04
F26B 21/06
F26B 23/00
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: VERFAHREN ZUR HOLZTROCKNUNG
Name des Anmelders: Mühlböck, Kurt, Ing.
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1)
European Patent Convention Art 113(1)
Schlagwörter: Neuheit - (ja)
Rechtliches Gehör - Verletzung (nein)
Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 0161/82
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 11 810 548.5 (im Folgenden: Anmeldung) betrifft die kontinuierliche Trocknung von Holz.

II. Die Prüfungsabteilung hat die Anmeldung gemäß Artikel 97 (2) EPÜ zurückgewiesen, weil ihr Gegenstand nicht neu sei.

III. Der Ablauf des Prüfungsverfahrens lässt sich, soweit er für die Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:

In einem schriftlichen Bescheid hat das EPA als Internationale Recherchenbehörde (ISA) festgestellt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 in der veröffentlichen Fassung nicht neu gegenüber der Druckschrift DE 29 41 037 A1 (D1) sei und die Ansprüche 2 und 3 keine Merkmale enthalten, die die Erfordernisse in Bezug auf erfinderische Tätigkeit erfüllen, insbesondere im Hinblick auf diese Druckschrift.

Nach Eintritt der Anmeldung in die europäische Phase wurde die Anmelderin mit Mitteilung nach Regel 161 (1) und 162 EPÜ vom 16. Juli 2013 aufgefordert, die im schriftlichen Bescheid der Internationalen Recherchenbehörde festgestellten Mängel zu beseitigen.

In Erwiderung hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 8. Januar 2014 begründet, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber D1 neu sei.

Mit Mitteilung nach Artikel 94 (3) EPÜ vom 13. Mai 2014 hat die Prüfungsabteilung ihre Meinung bekräftigt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Lehre von D1 vorweggenommen sei.

In Erwiderung hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 18. September 2014 erneut begründet, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber D1 neu sei.

IV. Gegen die Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung wendet sich die Anmelderin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) mit ihrer Beschwerde.

V. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Basis der Ansprüche 1 bis 4 in der veröffentlichten Fassung der Anmeldung.

Die Beschwerdeführerin hat keinen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

VI. Ansprüche

Der unabhängige Anspruch 1 lautet folgendermaßen:

"1. Verfahren zur Holztrocknung, wobei das Holz in einer Vortrocknungskammer (1) mit einer erwärmten, über einen Kreuzstromwärmetauscher (8) angesaugten Zuluft (11) und in einer Haupttrocknungskammer (2) mit einer im Kreislauf (6) über ein Heizregister (5) geführten Umluft (3) beaufschlagt wird, aus der ein Teilstrom als Abluft (7) ausgeschieden und durch Zuluft ersetzt wird, die mit Hilfe der Abluft (7) in einem Kreuzstrom-wärmetauscher (8) vorgewärmt wird, dadurch gekennzeichnet, dass mit der aus der Umluft (3) ausgeschiedenen Abluft (7) ein der Vortrocknungskammer (1) und der Haupttrocknungskammer (2) vorgeschalteter, gemeinsamer Kreuzstromwärmetauscher (8) beaufschlagt wird und dass mit Hilfe des in diesem Kreuzstrom-wärmetauscher (8) erwärmten Zuluftstroms (11) einerseits das Holz in der Vortrocknungskammer (1) vorgetrocknet und anderseits die aus der Umluft (3) der Haupttrocknungskammer (2) ausgeschiedene Abluft (7) ergänzt wird."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Verfahrens.

VII. Entgegenhaltungen

Im Recherchenbericht wurden folgende Druckschriften genannt:

D1: DE 29 41 037 A1

D2: DE 689 24 974 T2

D3: AT 504 578 B1

D4: US 2006/0168842 A1

D5: US 2004/0188058 A1

VIII. Das schriftsätzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Neuheit gegenüber D1

D1 nehme den Gegenstand von Anspruch 1 nicht vorweg, denn sie offenbare nicht die im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 aufgeführten Merkmale, wonach mit Hilfe des im gemeinsamen Kreuzstromwärmetauscher erwärmten Zuluftstroms

a) einerseits das Holz in der Vortrocknungskammer vorgetrocknet und

b) andererseits die aus der Umluft der Haupttrocknungskammer ausgeschiedene Abluft ergänzt werde.

Entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung könne unter dem dort verwendeten Begriff "Zuluft" nicht jeder Luftstrom verstanden werden, der einer Kammer zugeführt werde. Aufgrund der erstgenannten Wirkung des Zuluftstroms (d. h. "mit Hilfe des im gemeinsamen Kreuzstromwärmetauscher erwärmten Zuluftstroms (wird) einerseits das Holz in der Vortrocknungskammer vorgetrocknet") müsse dieser bestimmte Eigenschaften hinsichtlich des Feuchtigkeitsgehalts bzw. der Fähigkeit der Feuchtigkeitsaufnahme erfüllen. In Dl könne ausschließlich die Zuluft 16 als ein "Zuluftstrom" im Sinne der Erfindung angesehen werden.

Das Merkmal (a) fordere die Vortrocknung des Holzes in der Vortrocknungskammer mit Hilfe eines durch die Vortrocknungskammer strömenden Zuluftstroms. Im Gegensatz dazu werde in Figur 1 von D1 die Vortrocknung in der Vortrocknungskammer A mittels einer erwärmten Umluftströmung 2 erreicht, deren ausgeschiedene Abluft 9 durch eine Zuluft 16 ergänzt werde. Die Umluftströmung 2 unterscheide sich vom Zuluftstrom 16 durch die aufgenommene Feuchtigkeit.

Auch das Merkmal (b) sei in Figur 1 von D1 nicht offenbart. Dort werde das Holz in der Haupttrocknungskammer B mittels einer erwärmten Umluft 2 getrocknet, deren ausgeschiedene Abluft 6 durch einen Teilstrom 15 eines Mischstroms einerseits aus der Abluft 9 der Vortrocknungskammer A und andererseits aus einem Teilstrom 7 der Abluft 6 aus der Haupttrocknungskammer B ergänzt werde. Dieser der Haupttrocknungskammer B zugeführte Teilstrom 15 habe nichts mit der über den Kreuzstromwärmetauscher 11 angesaugten Zuluft 16 zu tun.

b) Rechtliches Gehör

Die Prüfungsabteilung habe ihre Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass unter dem Begriff "Zuluft" jeder Luftstrom zu verstehen sei, der einer Kammer zugeführt werde. Diese Auffassung sei zum ersten Mal in der Entscheidungsbegründung angeführt worden, so dass die Anmelderin diesbezüglich in ihrem Recht auf Gehörsgewährung verletzt worden sei, weil sie zu dieser entscheidungswesentlichen Auffassung nicht habe Stellung nehmen können.

Entscheidungsgründe

1. Auslegung von Anspruch 1

1.1 Im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 wird verlangt, dass mit Hilfe des in dem gemeinsamen Kreuzstromwärmetauscher erwärmten Zuluftstroms

a) "einerseits das Holz in der Vortrocknungskammer vorgetrocknet" und

b) "anderseits die aus der Umluft der Haupttrocknungskammer ausgeschiedene Abluft ergänzt wird".

1.2 Es ist zwischen der Beschwerdeführerin und der Prüfungsabteilung streitig, wie diese Merkmale auszulegen sind.

1.3 Diese strittigen Merkmale sind im Gesamtzusammenhang von Anspruch 1 unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens zu lesen.

1.4 Aus dem Oberbegriff des Anspruchs 1 geht hervor, dass

c) einerseits das Holz in der Vortrocknungskammer "mit einer erwärmten, über einen Kreuzstromwärmetauscher angesaugten Zuluft ... beaufschlagt wird" und

d) andererseits das Holz in der Haupttrocknungskammer "mit einer im Kreislauf über ein Heizregister geführten Umluft beaufschlagt wird, aus der ein Teilstrom als Abluft ausgeschieden und durch Zuluft ersetzt wird, die mit Hilfe der Abluft in einem Kreuzstromwärmetauscher vorgewärmt wird".

1.5 Beim Lesen der strittigen Merkmale (a) und (b) im Zusammenhang mit diesen weiteren, im Oberbegriff aufgeführten Merkmale erkennt der Fachmann, dass die Merkmale (a) und (b) so zu verstehen sind, dass der im gemeinsamen Kreuzstromwärmetauscher erwärmte Luftstrom in einen ersten Teilstrom für die Vortrocknung des Holzes in der Vortrocknungskammer und in einen zweiten Teilstrom für den Ersatz der aus der Umluft der Haupttrocknungskammer ausgeschiedenen Abluft aufgeteilt wird.

1.6 Der Fachmann erkennt beim Lesen des Merkmals (a) zusätzlich, dass die Vortrocknung in der Vortrocknungskammer mit Hilfe des durch die Vortrocknungskammer strömenden Teilstroms der Zuluftstrom erfolgen muss.

1.7 Diese Auslegung der strittigen Merkmale (a) und (b) stimmt mit der Lehre in der Beschreibung der Anmeldung überein (siehe den ersten Teilstrom 13 und den zweiten Teilstrom 16).

2. Neuheit gegenüber D1

2.1 In Figur 1 von D1 ist ein Verfahren zur Holztrocknung in einer Vortrocknungskammer A und einer Haupttrocknungskammer B offenbart, denen ein äußerer, gemeinsamer Kreuzstromwärmetauscher 11 vorgeschaltet ist (siehe unten und D1, Seite 7, Absatz 1).

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

2.2 Das Holz 1 wird in der Vortrocknungskammer A mit einer erwärmten, über den Kreuzstromwärmetauscher 11 angesaugten Zuluft 16 und in der Haupttrocknungskammer B mit einer im Kreislauf über ein Heizregister 5 geführten Umluft 2 beaufschlagt. Aus der Umluft 2 der Haupttrocknungskammer B wird ein Teilstrom als Abluft 6 ausgeschieden und durch Zuluft 15 aus dem Kreuzstromwärmetauscher 11 ersetzt. Die Vortrocknung des Holzes in der Vortrocknungskammer A erfolgt mittels einer Umluft 2, die mit Hilfe der Abluft 6 der Haupttrocknungskammer B in einem Wärmetauscher 4 erwärmt wird. Bei 10 wird eine aus der Umluft 2 der Vortrocknungskammer A ausgeschiedene Abluft 9 mit dem gesättigten Luftstrom 7 gemischt, der nach Durchlauf der warmen Abluft 6 der Haupttrocknungskammer B durch den Wärmetauscher 4 erhalten wird. Diese Mischung durchströmt danach den gemeinsamen Kreuzstromwärme-tauscher 11.

2.3 Der im gemeinsamen Kreuzstromwärmetauscher 11 erwärmte Zuluftstrom 16 dient ausschließlich als Ersatz der aus der Umluft 2 der Vortrocknungskammer A ausgeschiedenen Abluft 9. Der Zuluftstrom 16 wird also nicht in einen ersten Teilstrom für die Vortrocknung des Holzes in der Vortrocknungskammer A und in einen zweiten Teilstrom für den Ersatz der aus der Haupttrocknungskammer B ausgeschiedenen Abluft aufgeteilt, wie es die Merkmale (a) und (b) von Anspruch 1 erfordern (siehe Punkt 1.5 oben).

2.4 Außerdem erfolgt in D1 die Vortrocknung in der Vortrocknungskammer A nicht mit Hilfe eines durch die Vortrocknungskammer strömenden Zuluftstroms, wie Merkmal (a) verlangt (siehe Punkt 1.6 oben), sondern mittels der erwärmten Umluft 2, deren ausgeschiedene Abluft 9 durch die erwärmte Zuluft 16 ergänzt wird.

2.5 Die Zuluft 15 zur Haupttrocknungskammer B ist kein Teilstrom des im gemeinsamen Kreuzstromwärmetauscher 11 erwärmten Zuluftstrom 16, wie es Merkmal (b) von Anspruch 1 erfordert (siehe Punkt 1.5), sondern ein Teilstrom einer im Kreuzstromwärmetauscher 11 abgekühlten, gesättigten Mischung 13 aus der warmen Abluft 9 der Vortrocknungskammer A und dem gesättigten Luftstrom 7, der nach Durchlauf der Abluft 6 der Haupttrocknungskammer B durch den Wärmetauscher 4 erhalten wird.

2.6 Entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung offenbart Figur 1 von D1 mithin nicht die im kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 aufgeführten Merkmale (a) und (b).

2.7 Darüber hinaus offenbart D1 auch nicht, dass die der Haupttrocknungskammer B zugeführte Zuluft 15 "mit Hilfe der Abluft in einem Kreuzstromwärmetauscher vorgewärmt wird", wie im Oberbegriff des Anspruchs 1 erfordert.

2.8 Demnach ist das in Anspruch 1 definierte Verfahren neu gegenüber D1.

3. Rechtliches Gehör

3.1 Gemäß Artikel 113 (1) EPÜ dürfen Entscheidungen nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Unter "Gründe" im Sinne des Artikels 113 (1) EPÜ werden die wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Gründe verstanden, auf denen eine Entscheidung beruht (siehe die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 8. Auflage, 2016, III.B.2.3.2 und IV.F.3.13.8). Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern schreibt Artikel 113 (1) EPÜ jedoch nicht vor, dass einem Anmelder wiederholt Gelegenheit gegeben werden müsse, sich zum Vorbringen der Prüfungsabteilung zu äußern, wenn die entscheidenden Einwände gegen die Erteilung des europäischen Patents die gleichen bleiben (siehe u. a. T 161/82, ABl. 1984, 551).

3.2 Im vorliegenden Fall stützt sich die Zurückweisungs-entscheidung der Prüfungsabteilung auf einen Neuheitseinwand gegen Anspruch 1 im Hinblick auf D1. Dieser entscheidende Neuheitseinwand wurde bereits im schriftlichen Bescheid der Internationalen Recherchenbehörde erhoben und begründet und im Prüfungsbescheid vom 13. Mai 2014 bekräftigt. Der Einwand ist in der Begründung der Zurückweisungs-entscheidung unverändert geblieben, abgesehen von zwei zusätzliche Bemerkungen (siehe Punkte 5.4 und 5.6 der Gründe) zu zwei Argumenten der Anmelderin in Bezug auf die Zuluft und die Vortrocknung in Anspruch 1 im Vergleich zu D1 (Punkte 5.3 und 5.5), die die Prüfungsabteilung nicht zu überzeugen vermochten.

3.3 Die bloße Tatsache, dass die Prüfungsabteilung ihre breite Auslegung des in Anspruch 1 verwendeten Begriffs "Zuluft" erstmals unter Punkt 5.4 der Begründung der Entscheidung vorgebracht hat, stellt nach Ansicht der Kammer keine Verletzung des rechtlichen Gehörs und mithin auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar, zumal die Prüfungsabteilung sich unter Punkt 3 des Prüfungsbescheids vom 13. Mai 2014 bereits auf eine breite Auslegung gestützt hatte. Dort hatte die Prüfungsabteilung argumentiert, dass der Zuluftstrom 16 serienmäßig sowohl den Umluftstrom 2 der Vortrocknungskammer A als auch den Umluftstrom 2 der Haupttrocknungskammer B ergänze.

4. Zurückverweisung

4.1 Die angefochtene Entscheidung stützt sich auf mangelnde Neuheit im Hinblick auf D1.

4.2 Im Recherchenbericht sind, zusätzlich zu D1, die Druckschriften D2 bis D4 genannt, die durch den Buchstaben "X" bzw. "Y" gekennzeichnet sind und die somit unter Umständen dagegen sprechen, dass die beanspruchte Erfindung als neu oder auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend angesehen werden kann.

4.3 Die Prüfungsabteilung hat die Frage der Neuheit und/oder der erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf diesen weiteren entgegengehaltenen Stand der Technik noch nicht erörtert.

4.4 Unter diesen Umständen ist die Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.

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