T 2108/15 () of 21.10.2020

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2020:T210815.20201021
Datum der Entscheidung: 21 October 2020
Aktenzeichen: T 2108/15
Anmeldenummer: 05010458.7
IPC-Klasse: A61J1/05
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Behälter für die Bereitstellung medizinischer Flüssigkeiten
Name des Anmelders: B. Braun Avitum AG
Name des Einsprechenden: Fresenius Kabi Deutschland GmbH
Kammer: 3.2.02
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 54(1) (2007)
European Patent Convention Art 54(2) (2007)
European Patent Convention Art 56 (2007)
European Patent Convention Art 83 (2007)
European Patent Convention Art 84 (2007)
European Patent Convention Art 123(2) (2007)
Schlagwörter: Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der
eingereichten Fassung hinaus (nein)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - (ja)
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Einsprechende hat gegen die am 9. September 2015 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, nach der, unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin im Einspruchsverfahren vorgenommenen Änderungen, das europäische Patent Nr. 1 721 595 und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen, Beschwerde eingelegt.

II. Am 21. Oktober 2020 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, das heißt die Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung gebilligten Fassung (Hauptantrag), oder die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 3, eingereicht mit Schriftsatz vom 19. Mai 2016.

III. In dieser Entscheidung werden folgende Dokumente erwähnt:

D1: US-A-4,516,977

D6: WO-A-2005/037362

D8: US-A-5,509,433

D9: US-A-2003/0233083

D11: DE-A-197 28 775

D22: DE-C-100 30 474

IV. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:

"Behälter für die Bereitstellung medizinischer Flüssigkeiten, insbesondere Beutel für eine Spüllösung für die Dialyse,

wobei mit dem Behälter ein Port fluiddicht verbunden ist, der eine Anschlusseinrichtung am freien Ende aufweist, die in der Bereitstellung mit einem Brechsiegel (4) verschlossen ist,

wobei der Port als Entnahme-Konnektor (2, 20) ausgebildet ist, der am äußeren Ende mit dem Brechsiegel (4) verschlossen ist, wobei der Entnahme-Konnektor zwischen Brechsiegel (4) und Verbindung mit dem Behälter (1) mit einer Ventileinrichtung (3) versehen ist,

wobei die Ventileinrichtung (3) nach Brechen des Brechsiegels (4) durch eine Anschlusseinrichtung (La) betätigbar ist, die mit dem Entnahme-Konnektor (2, 20) verbindbar ist und wobei das Brechsiegel (4) an der äußeren Stirnseite eines Rohransatzes (2e) des Entnahme-Konnektors (2, 20) angeformt oder angeschweißt ist, der auf dem Außenumfang ein Luer-Gewinde aufweist und in welchem die Ventileinrichtung (3) eingesetzt ist und der somit die Anschlusseinrichtung des Port bildet, die in der Bereitstellung mit dem angeformten oder angeschweißten Brechsiegel (4) verschlossen ist, dadurch gekennzeichnet, dass das Brechsiegel (4) scheibenförmig ausgebildet ist mit einem Durchmesser größer als der des Rohransatzes (2e)."

Die Ansprüche 2 bis 4 sind abhängige Ansprüche.

V. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Einwand der unzulässigen Erweiterung

Nach Anspruch 1 des Hauptantrags sei die Anschlusseinrichtung des Ports in der Bereitstellung mit einem Brechsiegel verschlossen. Dagegen lehre die ursprüngliche Anmeldung (insbesondere Anspruch 1), dass der Port selbst, nicht die Anschlusseinrichtung, mit dem Brechsiegel verschlossen sei. In dieser Hinsicht bestehe ein grundsätzliches Problem der ursprünglichen Anmeldung darin, dass nicht klar sei, was die "Anschlusseinrichtung" eigentlich umfasst.

In Anspruch 1 des Hauptantrags seien die Merkmale des Entnahme-Konnektors, der mit einer Anschlusseinrichtung verbindbar ist, und des Rohransatzes, der auf dem Außenumfang ein Luer-Gewinde aufweist und in welchem die Ventileinrichtung eingesetzt ist, aus einer speziellen Ausführungsform neu aufgenommen worden. Diese Ausführungsform, auf der die Gesamtoffenbarung allein beruhe fokussiere, enthalte aber zahlreiche weitere Merkmale, die in Anspruch 1 fehlten. Insbesondere stünden die Merkmale der inneren Konizität des Entnahme-Konnektors, der mit einem Luer-male kooperieren solle, und der Lage und der konkaven Form der Ventilscheibe in einem engen strukturellen und funktionellen Zusammenhang mit den aufgenommenen Merkmalen. Diese fehlenden Merkmale, die auf Seite 4, erster Absatz der ursprünglichen Anmeldung offenbart sind, gewährleisteten eine regelrechte Betätigung des Ventileinrichtung, eine hydraulische Abdichtung des Anschlusses zwischen der Anschlusseinrichtung und dem Entnahme-Konnektor, und einen Konnektionsraum zwischen der Ventileinrichtung und dem Brechsiegel. Es liege daher eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vor.

Einwände der mangelnden Klarheit und der unzureichenden Offenbarung

Laut Anspruch 1 des Hauptantrags sei die Anschlusseinrichtung durch einen Rohransatz, ein Luer-Gewinde und eine Ventileinrichtung gebildet. Diese drei Elemente seien durch ein scheibenförmiges Brechsiegel verschlossen. Wenn unter "scheibenförmiges Brechsiegel" ein flacher, in etwa runder Gegenstand zu verstehen sei, könne ein solches Brechsiegel den Rohransatz und das Gewinde nicht verschließen.

Folglich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags weder klar noch ausreichend offenbart.

Einwand der mangelnden Neuheit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei nicht neu gegenüber D6 oder D8.

Absatz [0012] des Streitpatents bezeichne ein 3-dimensionales Endteil 2d als scheibenförmig. Unter Berücksichtigung einer solchen Definition sei nicht klar, wie ein scheibenförmiges Brechsiegel gemäß Anspruch 1 des Hautantrags aussehen soll. Nach der Rechtsprechung könne ein unklares Merkmal keine Neuheit schaffen.

D6 offenbare ein kappenförmiges Brechsiegel (17, Figuren 1 bis 3) mit einem flachen Griffstück 19. Ein solches Brechsiegel sei als scheibenförmig im Sinne des Anspruchs zu verstehen.

D8 offenbare auch ein Brechsiegel (14, Figuren 1A, 1E, 2A), das eine an einer Stirnseite eines Rohransatzes angeschweißte Scheibe aufweist. Auch wenn das Brechsiegel zusätzlich zwei Arme mit Brechzonen aufweist, sei auch es als scheibenförmig im Sinne des Anspruchs zu verstehen.

Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei nicht erfinderisch ausgehend von D6 oder D8.

Die beanspruchte Scheibenform des Brechsiegels habe keinen technischen Effekt gegenüber den Brechsiegeln der D6 oder der D8. Sie sei sogar eine nachteilige Änderung gegenüber der Scheibe mit den zusätzlichen Armen der D8, die eine einfache visuelle Überprüfung der Integrität des Brechsiegels ermögliche. Nach der Rechtsprechung könne eine solche nachteilige Änderung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.

Allenfalls sei die objektive technische Aufgabe die Bereitstellung einer alternativen Form des Brechsiegels. Eine einfachere Handhabung, wie von der Beschwerdegegnerin dargestellt, hänge nicht nur mit der Form des Brechsiegels zusammen, sondern auch mit einem substantiellen radialen Überstand, der nicht beansprucht sei.

Eine alternative Form wie beansprucht sei aber willkürlich und somit nicht erfinderisch. Außerdem zeigen die D1, D9, D11 und D22 scheibenförmige Brechsiegel.

Insbesondere offenbare die D1 ein flaches Verschlusselement, das an einem Konnektor angeklebt oder angeschweißt (Figuren 4, 6, 8 und 9) sei. Der Fachmann würde lediglich die Form eines solchen Verschlusselements, unabhängig von den womöglich verschiedenen Abbrechfunktionen, als naheliegende Alternative für das Brechsiegel der D6 oder der D8 ansehen und daher ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gelangen.

Auch wenn die objektive technische Aufgabe die Bereitstellung eines Brechsiegels mit einer einfacheren Geometrie wäre, würde der Fachmann die Arme des Brechsiegels der D8 ohne weiteres weglassen und damit in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand gelangen.

VI. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Einwand der unzulässigen Erweiterung

Die im ursprünglichen Anspruch 1 definierte ,,Anschlusseinrichtung" sei allgemein als etwas zu verstehen, an dem etwas anderes angeschlossen werden kann. Im Rahmen der Ursprungsoffenbarung, insbesondere Seite 2 (erster, zweiter und fünfter Absatz), Seite 3 (erster und zweiter Absatz), Seite 5 (erster ganzer Absatz) und der Figuren, könne die Anschlusseinrichtung auf den Rohransatz 2e bezogen werden, der mit einem Brechsiegel 4 verschlossen sei.

Die in Anspruch 1 des Hauptantrags aufgenommenen Merkmale des Entnahme-Konnektors, der mit einer Anschlusseinrichtung verbindbar sei, und des Rohransatzes, der auf dem Außenumfang ein Luer-Gewinde aufweist und in welchem die Ventileinrichtung eingesetzt sei, seien in Anspruch 4 und im zweiten Absatz auf Seite 3 der ursprünglichen Anmeldung allgemein offenbart. Die Aufnahme anderer Merkmale einer besonderen Ausführungsform in den geltenden Anspruch 1 sei nicht zwingend. Insbesondere sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einen Behälter gerichtet. Merkmale im Zusammenhang mit einem besonderen Schlauch, der mit dem Behälter angeschlossen werden kann, seien nicht in den Anspruch aufzunehmen.

Einwände der mangelnden Klarheit und der unzureichenden Offenbarung

Gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sei die Anschlusseinrichtung in der Bereitstellung mit einem Brechsiegel verschlossen. Der Anspruchswortlaut fordere somit nicht, entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin, dass alle Teilelemente der Anschlusseinrichtung mit einem Brechsiegel jeweils verschlossen bzw. umschlossen sind.

Folglich sei der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sowohl klar als auch ausreichend offenbart.

Einwand der mangelnden Neuheit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei neu gegenüber D6 und gegenüber D8.

Diese Dokumente offenbarten kein scheibenförmiges Brechsiegel, das heißt ein solches mit einer im Wesentlichen zwei-dimensionalen Struktur.

Absatz [0012] des Streitpatents, zusammen mit Figur 2a, unterscheide zwischen einem 2-dimensionalen scheibenförmigen Endteil 2d und einem Rohransatz 2e des Endteils. Es bestehe kein Widerspruch zwischen der allgemeinen Bedeutung eines scheibenförmigen Elements, und der Beschreibung des Endteils 2d.

Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von D6 oder D8 werde die durch das scheibenförmige Brechsiegel gelöste objektive technische Aufgabe im Absatz [0006] des Streitpatents erläutert.

Das beanspruchte Brechsiegel könne nicht lediglich als nachteilig gegenüber den Brechsiegeln der D6 oder D8 betrachtet werden. Vielmehr sei die Aufgabe die durch das beanspruchte Brechsiegel gelöst werde - nämlich die billigere Herstellung und eine einfachere Handhabung des Verschlusses eines Ports - eine andere als die, welche die Brechsiegel der D6 oder D8 lösen.

Das Argument der Beschwerdeführerin, die Aufgabe des beanspruchten Brechsiegels hänge nicht nur mit der Form des Brechsiegels, sondern auch mit einem substantiellen radialen Überstand zusammen, sei nicht tragend. Nach Anspruch 1 des Hauptantrags sei der Durchmesser des Brechsiegels größer als der des Rohransatzes. Ein radialer Überstand, der als solcher zumindest teilweise zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe beitrage, sei somit definiert.

D1, D9, D11 und D22 offenbarten keine scheibenförmige Brechsiegel gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags, die zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe dienen könnten. Ausgehend von den von der Beschwerdeführerin erwähnten Dokumente werde der Fachmann daher nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gelangen.

Entscheidungsgründe

1. Die Erfindung

Die Erfindung betrifft einen Behälter für die Bereitstellung medizinischer Flüssigkeiten, insbesondere einen Beutel für eine Spüllösung für die Dialyse. Sie fokussiert auf die Struktur eines Ports des Behälters.

Ein erfindungsgemäßer Behälter ist in den nachstehenden Figuren 1 bis 2a des Streitpatents gezeigt.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Der Port ist als Entnahme-Konnektor (2) ausgebildet und mit einer Anschlusseinrichtung verbindbar. Der Entnahme-Konnektor weist einen ein Luer-Gewinde aufweisenden Rohransatz (2e) und eine Ventileinrichtung (3) auf, und ist in der Bereitstellung mit einem angeformten oder angeschweißten Brechsiegel (4) verschlossen. Das Brechsiegel (4) ist scheibenförmig ausgebildet und hat einen Durchmesser, der größer als der des Rohransatzes (2e) ist.

Nach dem Streitpatent (Absatz [0006]) ist der beanspruchte Behälter kostengünstig in der Herstellung und einfach zu handhaben.

2. Einwand der unzulässigen Erweiterung

Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags basiert auf den Ansprüchen 1, 2, 4 und 5 sowie auf Seite 3, zweiter Absatz, Seite 5, erster ganzer Absatz und Figur 5b der ursprünglichen Anmeldung.

2.1 Die Beschwerdeführerin behauptete, die ursprüngliche Anmeldung offenbare nicht, dass die Anschlusseinrichtung in der Bereitstellung mit einem Brechsiegel verschlossen ist. Es sei der Port, der mit dem Brechsiegel verschlossen ist. Dieses Argument stützte die Beschwerdeführerin insbesondere darauf, dass es in der ursprünglichen Anmeldung nicht klar sei, was die "Anschlusseinrichtung" eigentlich umfasst.

Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdeführerin insoweit, als die Anschlusseinrichtung in der ursprünglichen Beschreibung nicht wörtlich genau definiert ist. Sie ist auf Seite 3, dritter Absatz, in Bezug auf Figur 5 erwähnt. In diesem Absatz wird nicht erläutert, welche Elemente der Figur zur Anschlusseinrichtung gehören.

Für die Beurteilung, ob der beanspruchte Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, ist jedoch festzustellen, welche technische Lehre der Fachmann, der Gesamtheit der ursprünglichen Anmeldeunterlagen entnimmt.

Der ursprüngliche Anspruch 1 definiert eine Anschlusseinrichtung am freien Ende eines mit dem Behälter verbundenen Ports. Nach diesem Anspruch ist der Port als Entnahme-Konnektor ausgebildet und am "äußeren Ende" mit dem Brechsiegel verschlossen. Technisch gesehen ist das äußere Ende des Ports das Ende, das nicht mit dem Behälter verbunden ist. Mit anderen Worten bezeichnen das äußere Ende des Ports und das vorher im Anspruch definierte freie Ende, an dem die Anschlusseinrichtung vorhanden ist, dasselbe Element. Daraus folgt, dass der ursprüngliche Anspruch 1 allein eine Basis für die Anschlusseinrichtung darstellt, die in der Bereitstellung mit einem Brechsiegel verschlossen ist.

Darüber hinaus zeigen die Figuren (insbesondere die Figuren 5 und 5a) das Brechsiegel an dem Ende des Ports, der für den Anschluss mit einem Schlauch vorgesehen ist. Was auch immer die ursprünglich im Anspruch als Anschlusseinrichtung bezeichnete Vorrichtung umfassen sollte, ist es technisch eindeutig dass sie zumindest das Ende des Ports aufweisen muss, das für den Anschluss mit dem Schlauch vorgesehen ist.

Außerdem definiert der Anspruch 1 des Hauptantrags, dass der Rohransatz mit seinem Luer-Gewinde (offenbart auf Seite 3, zweiter Absatz der ursprünglichen Beschreibung) die Anschlusseinrichtung bildet (offenbart auf Seite 3, zweiter Absatz der ursprünglichen Beschreibung). Da dieser Rohransatz denjenigen Teil des Ports bildet, mit dem ein Anschluss zu dem in den Figuren 5 bis 5c gezeigten Schlauch hergestellt wird, geht seine Bezeichnung als "Anschlusseinrichtung" über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht hinaus. Nach den ursprünglichen Anmeldeunterlagen ist der Rohransatz mit einem Brechsiegel verschlossen.

2.2 In Anspruch 1 des Hauptantrags basieren die Merkmale des Entnahme-Konnektors, der mit einer Anschlusseinrichtung verbindbar ist, und des Rohransatzes, der auf dem Außenumfang ein Luer-Gewinde aufweist und in welchem die Ventileinrichtung eingesetzt ist, nicht auf einer Kombination von ursprünglich eingereichten Ansprüchen.

Diese Merkmale, die als solche auf auf Seite 3, zweiter Absatz, Seite 5, erster ganzer Absatz und Figur 5b der ursprünglichen Anmeldung offenbart sind, dienen der Herstellung eines zuverlässigen Anschlusses zwischen dem beanspruchten Behälter und der im Anspruch 1 erwähnten aber nicht beanspruchten Anschlusseinrichtung (La).

Die Kammer sieht keine weitere technische Merkmale, die in einem technisch untrennbaren Zusammenhang nach der Lehre der ursprünglichen Anmeldeunterlagen für diesen Zweck stehen können. Es folgt, dass keine unzulässige Zwischenverallgemeinerung vorliegt. Ob eine spezielle Ausführungsform weitere technische Merkmale enthält, die nicht im Anspruch aufgenommen wurden, ist als solches nicht entscheidend.

Bezüglich der von der Beschwerdeführerin erwähnten inneren Konizität des Entnahme-Konnektors ist die Kammer der Auffassung, dass diese im Anspruch 1 des Hauptantrags implizit enthalten ist. Der Anspruch definiert, dass der Entnahme-Konnektor auf dem Außenumfang ein Luer-Gewinde aufweist. Daraus folgt, dass der Entnahme-Konnektor als weiblicher Luer-Konnektor ausgebildet ist. Solche Konnektoren weisen eine innere Konizität eines Konnektionsraumes auf.

Die Lage und die konkave Form der Ventilscheibe stehen, nach der Offenbarung auf Seite 4, erster Absatz der ursprünglichen Anmeldung, in einem funktionellen Zusammenhang mit einer besonderen Ausführungsform des Entnahme-Konnektors, die durch Spritzgusstechnik hergestellt ist und deswegen nicht exakt normgerecht konisch ausgeführt ist. Anspruch 1 des Hauptantrags - wie auch die Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 2, 4 und 5 und die gesamte ursprüngliche Anmeldung - sind aber nicht auf diese besondere Ausführungsform begrenzt. Außerdem kann der Fachmann aufgrund seines allgemeinen technischen Wissens den Entnahme-Konnektor mit anderen genaueren Techniken herstellen, für die die Lage und die konkave Form der Ventilscheibe technisch nicht entscheidend sind.

2.3 Es folgt, dass Anspruch 1 des Hauptantrags im Einklang mit Artikel 123(2) EPÜ steht, und der Einwand der unzulässigen Erweiterung der Aufrechterhaltung des Streitpatents gemäß Hauptantrag nicht entgegensteht.

3. Einwände der mangelnden Klarheit und der unzureichenden Offenbarung

Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände der mangelnden Klarheit und Ausführbarkeit beruhen auf einer in technischer Hinsicht unzutreffenden Interpretation des Merkmals in Anspruch 1 des Hauptantrags, wonach die Anschlusseinrichtung mit einem Brechsiegel verschlossen ist. Der Anspruch erfordert nicht, dass das Brechsiegel alle Elemente der Anschlusseinrichtung quasi umhüllt. Aus technischer Sicht schreibt der Anspruch lediglich vor, dass das Brechsiegel einen Zugang zum Inneren des Ports verhindern soll. Wie letzteres erfolgt, ist klar und eindeutig dadurch offenbart, dass das Brechsiegel die Öffnung des Ports schließt.

Folglich, steht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags im Einklang mit den Artikeln 83 und 84 EPÜ, und die Einwände der mangelnden Klarheit und der unzureichenden Offenbarung stehen der Aufrechterhaltung des Streitpatents gemäß Hauptantrag nicht entgegen.

4. Einwand der mangelnden Neuheit

Die Beschwerdeführerin behauptete, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht neu gegenüber D6 oder D8 sei.

4.1 Bezüglich D6 verwies die Beschwerdeführerin auf die Figuren 1 bis 3, die im Folgenden abgebildet sind.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

D6 offenbart einen Behälter (Infusionsbeutel 30) für die Bereitstellung medizinischer Flüssigkeiten, der einen mit einem Brechsiegel (Abbrechteil 17) verschlossenen Port (Konnektor 20) aufweist.

D6 beschreibt das Abbrechteil 17 explizit als kappenförmig (Seite 8, zweiter Absatz).

4.2 Bezüglich D8 verwies die Beschwerdeführerin insbesondere auf die Figuren 1A, 1E und 2A, die im Folgenden abgebildet sind.

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

Auch D8 offenbart einen Behälter (Flasche 11) für die Bereitstellung medizinischer Flüssigkeiten, der einen mit einem Brechsiegel (Originalitätsverschluss 14) verschlossenen Port (13) aufweist.

D8 beschreibt, dass der Originalitätsverschluss 14 in Form einer Kappe ausgebildet ist (Spalte 5, Zeilen 62 bis 66).

4.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass der Begriff "scheibenförmig" unklar, und deswegen nicht geeignet, sei, eine Erfindung vom Stand der Technik abzugrenzen. Dieses Argument stützte sie insbesondere auf die Offenbarung des Absatzes [0012] des Streitpatents, der auf die Figur 2a bezogen ist:

"...Mit 2c ist eine Verbindungsmuffe mit einer Nut auf der Stirnseite bezeichnet, in die ein axial vorstehender Flansch eines scheibenförmigen Endteil 2d fluiddicht eingesetzt oder eingeschweißt ist. Dieses scheibenförmige Endteil 2d weist in der Mitte einen im Durchmesser kleineren Rohransatz 2e auf, in dem ein Ventil 3 eingesetzt ist und der auf dem Außenumfang ein Luer-Gewinde aufweist..."

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin bezeichne dieser Absatz ein 3-dimensionales Endteil 2d als scheibenförmig.

Die Kammer teilt diese Meinung nicht.

Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet "scheibenförmig" die Form einer Scheibe. Diese ist im wesentlichen 2-dimensional. Das im Streitpatent offenbarte Brechsiegel 4, beschrieben in Spalte 3, Zeilen 4 bis 7 und Absatz [0020] steht damit im Einklang.

In Anbetracht der Figur 2a versteht der Fachmann, wie auch von der Beschwerdegegnerin ausgeführt, dass nur das 2-dimensionale Element, das mit dem Bezugszeichen 2d versehen ist, "scheibenförmig" ist. Der Rohransatz und der axial vorstehende Flansch, die das Endteil 2d aufweist, sind als weitere Elemente zu verstehen, welche nicht scheibenförmig nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ausgebildet sind. Für den Rohransatz wird dies auch dadurch bestätigt, dass dieser mit einem eigenen Bezugszeichen (2a) versehen ist.

Wie die Beschwerdeführerin ausführte, weist das Brechsiegel des Streitpatents eine in gewisser Hinsicht 3-dimensionale Struktur auf. Allerdings ist eine solche Struktur nach Ansicht der Kammer im wesentlichen 2-dimensional, sodass sie bezogen auf ein konkretes physisches Objekt als "scheibenförmig" anzusehen ist.

Aus diesen Gründen ist ein scheibenförmig ausgebildetes Brechsiegel als ein im wesentlichen 2-dimensionales Bauteil in Form einer Scheibe zu verstehen.

4.4 Es folgt, dass weder das Abbrechteil 17 der D6 noch der Originalitätsverschluss 14 der D8 ein scheibenförmig ausgebildetes Brechsiegel gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags darstellen.

Somit ist der beanspruchte Gegenstand neu gegenüber diesen Dokumenten (Artikel 54(1) und (2) EPÜ).

5. Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit

Die Beschwerdeführerin behauptete, der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei nicht erfinderisch ausgehend von D6 oder D8.

Wie erläutert, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags von der Offenbarung sowohl der D6 als auch der D8 durch das scheibenförmig ausgebildete Brechsiegel.

5.1 Die Beschwerdeführerin behauptete, dass diese beanspruchte Form des Brechsiegels keinen technischen Effekt gegenüber den Brechsiegeln der D6 oder der D8 habe. Sie sei sogar eine nachteilige Änderung gegenüber der Scheibe mit den zusätzlichen Armen der D8, die eine einfache visuelle Überprüfung der Integrität des Brechsiegels ermöglicht.

Die Kammer teilt diese Meinung nicht.

Der technische Effekt des Unterscheidungsmerkmals ist, dass der Port in einfacher Weise geöffnet werden kann. Dies kann zum Beispiel einhändig, durch Abknicken des scheibenförmigen Brechsiegels, erfolgen. Wie die Beschwerdegegnerin ausführte, trägt der beanspruchte Durchmesser des Brechsiegels, der größer ist als der des Rohransatzes, zu diesem Effekt bei.

Ob das Unterscheidungsmerkmal eine visuelle Überprüfung der Integrität des Brechsiegels erschwert, ist in dieser Hinsicht nicht entscheidend. Wie die Beschwerdegegnerin ausführte, dient der im Streitpatent beanspruchte Gegenstand der Lösung einer anderen technischen Aufgabe als derjenigen, die die Brechsiegel der D6 oder D8 lösen.

Bei der Feststellung der objektiven technischen Aufgabe ist, nach gefestigter Rechtsprechung der Beschwerdekammern, die Offenbarung des Streitpatents zu berücksichtigen. Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdegegnerin, dass die technische Aufgabe die durch das Unterscheidungsmerkmal gelöst wird, eine einfachere Handhabung des Verschlusses eines Ports ist, wie auch explizit im Absatz [0006] des Streitpatents erläutert ist.

5.2 Das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Argument, dass der Fachmann im Lichte der formulierten objektiven technischen Aufgabe die Arme des Brechsiegels der D8 ohne weiteres weglassen würde, ist nicht überzeugend. D8 beschäftigt sich nicht mit dieser technischen Aufgabe. Außerdem können die Arme der D8 (Figur 2A), wie die Beschwerdeführerin ausführte, eine einfache visuelle Überprüfung der Integrität des Brechsiegels ermöglichen. Es gibt daher keinen Anlass für den Fachmann, auf diese Arme zu verzichten.

5.3 Die Beschwerdegegnerin verwies auf die D1, D9, D11 und D22.

Im Lichte der oben vorgenommenen Interpretation des Begriffs "scheibenförmig" (vgl. Punkt 4.3) offenbart keine der D9, D11 und D22 ein Brechsiegel, das scheibenförmig ausgebildet ist.

D1 offenbart flache Verschlusselemente ("peelable closure strip" 46, Figur 4, "tear-off cover" 70, Figur 6, und "edge" 92, Figuren 8 und 9), die als Brechsiegel angesehen werden können. Anders als D6 und D8 offenbart D1 aber nicht, dass diese Brechsiegel an der Anschlusseinrichtung angeformt oder angeschweißt sind. (Das "edge" 92 ist zwar durch Schweißen geschlossen aber nicht an der Anschlusseinrichtung angeschweißt.) Außerdem beschäftigt sich die Offenbarung der D1 nicht mit der formulierten objektiven technischen Aufgabe. Es gibt daher keinen Anlass für den Fachmann, D1 mit D6 oder D8 zu kombinieren.

Auch wenn der Fachmann die Lehre der D1 mit D6 oder D8 kombinieren würde, gibt es keinen Grund warum er nur das flache Verschlusselement und nicht die ganze Verschlusseinrichtung der D1 implementieren sollte.

5.4 Es folgt, dass der Fachmann nicht ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags gelangen würde.

Somit beruht dieser beanspruchte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).

6. Aus diesen Gründen steht keiner der von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände der Aufrechterhaltung des Streitpatents gemäß Hauptantrag entgegen.

7. Unter diesen Umständen ist es nicht nötig, die Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin zu berücksichtigen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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