T 2059/15 () of 8.11.2018

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2018:T205915.20181108
Datum der Entscheidung: 08 November 2018
Aktenzeichen: T 2059/15
Anmeldenummer: 08786433.6
IPC-Klasse: G07C 5/00
G07C 5/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: TACHOGRAPH, ANORDNUNG UND VERFAHREN ZUR DATEN-ÜBERTRAGUNG ÜBER EINE BENUTZERFREUNDLICHE SCHNITTSTELLE
Name des Anmelders: Continental Automotive GmbH
Name des Einsprechenden: -
Kammer: 3.4.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
European Patent Convention Art 84
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(1)
Rules of procedure of the Boards of Appeal Art 13(3)
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - nach Änderung
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
T 1228/08
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 08 786 433 wegen mangelnder Klar­heit des damals vorliegenden Anspruchs 1 (Artikel 84 EPÜ) zurückzuweisen.

II. Es wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:

D1: DE 10 2005 044 483 A1,

D3: DE 102 50 617 A1,

D4: EP 1 717 760 A1.

III. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin (Anmelderin), die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein europäisches Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

- Ansprüche: 1 bis 20 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2018 eingereichten "Hauptantrag",

- Beschreibung: Seiten 1 bis 11 "Beschreibung" gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2018 eingereichten "Hauptantrag",

- Zeichnungen: Seiten 1/3 bis 3/3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2018.

Der im schriftlichen Verfahren gestellte Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurde in der münd­lichen Verhandlung vor der Kammer zurück­genommen.

IV. Der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche 1 und 5 des einzigen Antrags lautet wie folgt:

"1. Anordnung (1) mit einem Tachographen (2) und einem externen Speichergerät (3), wobei der Tachograph (2) fahrer- und/oder fahrzeugbezogene Daten (D) digital in einem internen Speicher speichert und eine Schnitt­stelle zur Übertragung der fahrer- und/oder fahrzeug­bezogenen Daten (D) an das externe Speichergerät (3) aufweist, wobei die Schnittstelle eine an der Front­blende (4) des Tachographen (2) frei zugänglich eingerichtete Schnittstelle (8) ist, die für eine Übertragung von Authentisierungs-Daten (A) und für eine davon abhängige Übertragung der fahrer- und/oder fahr­zeugbezogenen Daten (D) eingerichtet ist, und die Schnitt­stelle (8) eine K-Line-Diagnose-Schnittstelle nach ISO 9141 ist, wobei das externe Speichergerät (3) ein Funkmodul (14) zur drahtlosen Übertragung der Authentisierungs-Daten (A) und der fahrer- und/oder fahrzeugbezogenen Daten (D) enthält."

"5. Verfahren (100) zur Übertragung von fahrer- und/oder fahrzeugbezogenen Daten (D) von einem Tachographen (2) an ein externes Gerät (30), wobei die Übertragung über eine an der Frontblende (4) des Tachographen (2) frei zugänglich eingerichtet Schnittstelle (8), die eine K-Line-Diagnose-Schnittstelle nach ISO 9141 ist und die für eine Übertragung von Authentisierungs-Daten und für eine davon abhängige Übertragung der fahrer- und/oder fahrzeugbezogenen Daten eingerichtet ist, erfolgt, wobei eine Übertragung von Authentisierungs-Daten (A) von diesem externen Gerät (30) an den Tachographen (2) durchgeführt wird (110; 120) und wobei abhängig davon eine Übertragung der fahrer-und/oder fahrzeugbezogenen Daten (D) von dem Tachographen (2) an dieses externe Gerät (30), das ein Personal Computer (30) ist, durchgeführt wird (140; 192), wozu eine GSM-Verbindung (20) über ein Mobilfunknetz (21) aufgebaut wird zwischen einem externen Speichergerät (3), das in die Schnittstelle (8) eingesteckt ist und in das ein Funkmodul (14) integriert ist, und dem Personal Computer (30), so dass das externe Speichergerät (3) als Verbindungselement zwischen Tachograph (2) und dem Personal Computer (30) dient."

V. Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes in Bezug auf erfinderische Tätigkeit vorgetragen:

Dokument D4 offenbare einen Tachographen, aber kein externes Speichergerät mit Funkmodul und keine ent­sprechende Schnittstelle des Tachographen, welche der Übertragung der fahrer- und/oder fahrzeugbezogenen Daten an das Speichergerät diene. Der Vorteil der Erfindung bestehe darin, dass es für die Anbindung des Tachographen an externe Funknetzwerke nicht mehr not­wendig ist den sogenannten CAN-Bus und den Board-Computer des Fahrzeuges zu verwenden.

Entscheidungsgründe

1. Zulässigkeit, Klarheit

1.1 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer reichte die Beschwerdeführerin den gegenwärtigen, einzigen An­trag ein, welcher alle offenen Einwände ausräumte ohne Anlass zu neuen Beanstandungen zu geben. Die Kammer sah keinen Grund für dessen Nicht-Zulassung und ließ den Antrag somit in das Verfahren zu (Artikel 13(1) und (3) VOBK).

1.2 In der angefochtenen Entscheidung entschied die Prü­fungs­­abteilung, dass der damals vorliegende Anspruch 1 nicht klar sei, da er den beanspruchten Tachometer durch dessen Beziehung zu einem externen Gerät defi­niere, welches nicht Teil des Tachometers sei (siehe Punkt II.1 der Gründe).

Dieser Einwand wurde durch die Streichung des bean­stan­deten Anspruchs behoben. In den verbleibenden, unab­hängigen Ansprüchen 1 und 5 des gegenwärtigen Antrags, welche auf eine Anordnung mit einem Tacho­graphen und einem externen Speichergerät und auf ein entsprechendes Verfahren gerichtet sind, tritt der vorgehaltene Mangel an Klarheit nicht auf. Die An­sprüche sind somit deut­lich gefasst (Artikel 84 EPÜ).

2. Erfinderische Tätigkeit

2.1 Nächstliegender Stand der Technik

2.1.1 In ihrer Entscheidung äußerte die Prüfungsabteilung als Obiter Dictum die Meinung, dass der damals beanspruchte Gegenstand keine erfinderische Tätigkeit aufweise und ging insbesondere von Dokument D1 als dem nächst­lie­genden Stand der Technik aus (siehe Punkt III.1 der Gründe).

2.1.2 Dokument D1 offenbart (siehe Absätze [0025]-[0026], [0029]-[0030]) einen trans­portierbaren Informations­träger IT zum Daten­­austausch zwischen einem digitalen Fahrten­schrei­ber und dem Informationsträger IT über eine Schnitt­stel­len­­schal­tung I. Zum Herunterladen von rele­vanten Daten wie Geschwindigkeit und Ereignissen in einen Spei­cher SP des Informationsträgers IT wird dieser in eine ent­sprechende Buchse des Fahrten­schrei­bers ge­steckt und mit einer vorbestimmten Taste betätigt. Das Auslesen des Informationsträgers IT erfolgt dann über eine Adapter­karte auf einem PC.

2.1.3 Durch die während des Beschwerdeverfahrens vorge­nom­menen Änderungen wurde der beanspruchte Gegenstand darauf eingeschränkt, dass die Authen­tisierungsdaten und die fahrer- und/oder fahrzeug­bezogenen Daten draht­los über ein Funkmodul übertragen werden.

Daher kann nach Ansicht der Kammer Dokument D1 nicht mehr als ein realistischer Ausgangspunkt angesehen wer­den, um zu dem beanspruchten Gegenstand zu gelangen. Bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit wird näm­lich durch die Wahl eines Ausgangspunktes der Rahmen für weitere technische Entwicklungen abgesteckt (siehe T 1228/08, Punkt 3.2, insbesondere 3.2.5 der Entschei­dungsgründe). Von Dokument D1 ausgehend würde der Fach­mann nach Ansicht der Kammer insbesondere Weiter­ent­wick­lungen im Rahmen der Verwendung eines transportier­baren Informations­trägers zur Übertragung relevanter Daten erwägen. Der Fachmann würde es aber nicht in Betracht ziehen, die Daten drahtlos zu übertragen, da dies der im Dokument D1 vorge­sehenen Verwendung des Informationsträgers wider­­spräche.

Dagegen offenbart Dokument D4 eine Anordnung mit einem Tacho­graphen und einem externen Gerät, wobei relevante Daten drahtlos übertragen werden. Dieses Dokument hat ferner die wichtigsten technischen Merkmale mit der beanspruchten Erfindung gemein und wird daher als der nächstliegende Stand der Technik angesehen.

2.2 Unterschiedsmerkmale

Dokument D4 offenbart (siehe Absätze [0001], [0015]-[0019]) ein Daten­erfassungssystem für Fahrzeug- und Fahrer­daten von Kraftfahrzeugen, insbesondere Last­kraft­wagen (Lkw). Der Lkw weist eine sogenannte On-Board-Unit 3 (OBU) auf, die ein digitales Fahrzeug­auf­zeichnungs­gerät dar­stellt, welches Fahrer-, Fahr­zeug­- und Fahrt­daten speichert. Jedes Fahrzeug weist eine derartige OBU 3 auf, in die vom Fahrer vor Fahrtantritt jeweils eine Fahrerkarte 2 eingelegt wird. Ferner weist der Lkw eine Funkeinrichtung mit einer Funk­antenne 14 auf. Mit dieser Funkein­rich­tung können Daten der OBU 3 auf dem Funkwege über­tragen werden.

Nach Einlegen der Fahrerkarte 2 in die OBU 3 und nach Zurücklegen eines Fahrtwegs FS legt der Lkw einen tem­porären Aufenthalt an einer Tankstelle T ein. Die Tank­stelle T weist einen Geräte­block GT auf, welcher bei­spielsweise eine Zapfsäule oder die Registrierkasse ent­hält. Die Datenübertragung ist über die Antenne 14 des Lastkraftwagens und eine Funkwelle Fw möglich, die von der im Geräte­block GT enthaltenen Funkwellen­schnitt­­­stelle 11 emp­fangen wird. Von dieser kann ein Datentransfer an eine zentrale Daten­verwal­tungs­stelle 10 ent­weder direkt oder über einen Zwischen­speicher 13 der Tankstelle T erfolgen.

Dokument D4 offenbart somit, unter Verwendung des Wort­lauts von Anspruch 1, eine Anordnung mit einem Tacho­graphen (On-Board-Unit 3) und einem externen Gerät (Funkein­rich­tung), wobei der Tachograph (On-Board-Unit 3) fahrer- und/oder fahr­zeug­bezogene Daten (Fahrer-, Fahr­zeug­- und Fahrt­daten) digital in einem internen Speicher spei­chert (die digi­tale On-Board-Unit 3 muss einen Speicher zur Zwischen­speicherung der zu über­tragenden Daten auf­wei­sen), wobei das externe Gerät (Funkein­rich­tung) ein Funk­modul zur drahtlosen Über­tragung der Authen­tisierungs-Daten (implizit) und der fahrer- und/oder fahrzeugbezogenen Daten (Fahrer-, Fahr­zeug­- und Fahrt­daten) enthält.

Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags unter­scheidet sich demnach von der aus Dokument D4 bekannten Anordnung dadurch, dass

a) das externe Gerät ein Speicher­gerät ist,

b) der Tachograph eine Schnitt­stelle zur Übertragung der fahrer- und/oder fahrzeug­bezogenen Daten an das externe Speichergerät aufweist,

c) wobei die Schnittstelle eine an der Front­blende des Tachographen frei zugänglich eingerichtete Schnitt­stelle ist, die für eine Übertragung von Authen­ti­sierungs-Daten und für eine davon abhängige Über­tragung der fahrer- und/oder fahr­zeugbezogenen Daten eingerichtet ist, und

d) die Schnitt­stelle eine K-Line-Diagnose-Schnitt­stelle nach ISO 9141 ist.

2.3 Objektive technische Aufgabe

Die technische Wirkung der Unterschiedsmerkmale ist es, die für die Funkübertragung vorgesehene Vorrichtung aus dem Verbund mit dem Fahrzeug herauszulösen und so aus­zu­gestalten, dass sie einfach an den Tachographen an­ge­schlossen und wieder von ihm getrennt werden kann. Da­durch wird der Einbau der Anordnung in die Fahrzeuge erleichtert und deren Nutzung wird flexibler gestalt­bar. Die objektive technische Aufgabe besteht daher darin, dies zu erreichen.

2.4 Naheliegen

Aus Gründen, welche den oben genannten entsprechen (sie­he Punkt 2.1.3), würde der Fachmann die in Dokument D1 beschriebene Datenübertragung mittels eines trans­por­tierbaren Informations­trägers nicht zur Modifi­zie­rung der im nächstliegenden Stand der Technik (Dokument D4) ver­wendeten Funkübertragung erwägen. Er würde viel­mehr die in D1 beschriebene Datenübertragung als Alter­na­tive zu derjenigen des Dokuments D4 ansehen. Dokument D1 wür­de den Fachmann daher nicht zum beanspruchten Ge­gen­­­stand führen.

Das im Internationalen Recherchenbericht und im Inter­nationalen vorläufigen Bericht zur Patentfähigkeit zitierte Dokument D3 betrifft eine Entwicklung auf dem Gebiet der Chipkarten­technologie (siehe die Zusammen­fassung) und würde von dem relevanten Fachmann - einem auf dem Gebiet der KFZ-Aufzeichnungs­technik arbeitenden Ingenieur - zur Lösung der gestellten Aufgabe nicht herangezogen werden.

Sein allgemeines Fachwissen würde den Fachmann nach Einschätzung der Kammer ebenfalls nicht zur beanspruch­ten Lösung führen.

Folglich weist der Gegenstand des Anspruchs 1 eine erfin­derische Tätigkeit auf. Der Verfahrensanspruch 5 ent­spricht im Wesentlichen dem Vorrichtungsanspruch 1. Ansprüche 2 bis 4 und 6 bis 20 sind von Anspruch 1 beziehungsweise Anspruch 5 abhängig. Somit weist der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 20 eine erfinderische Tätigkeit auf (Artikel 52(1) und 56 EPÜ).

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:

- Ansprüche: 1 bis 20 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2018 eingereichten "Hauptantrag",

- Beschreibung: Seiten 1 bis 11 "Beschreibung" gemäß dem in der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2018 eingereichten "Hauptantrag",

- Zeichnungen: Seiten 1/3 bis 3/3, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2018.

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