European Case Law Identifier: | ECLI:EP:BA:2019:T164915.20190405 | ||||||||
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Datum der Entscheidung: | 05 April 2019 | ||||||||
Aktenzeichen: | T 1649/15 | ||||||||
Anmeldenummer: | 04004600.5 | ||||||||
IPC-Klasse: | F21S 8/00 F21V 21/40 F21Y 101/02 |
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Verfahrenssprache: | DE | ||||||||
Verteilung: | D | ||||||||
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Bezeichnung der Anmeldung: | Operationsleuchte | ||||||||
Name des Anmelders: | TRUMPF Medizin Systeme GmbH + Co. KG | ||||||||
Name des Einsprechenden: | Drägerwerk AG & Co. KGaA Berchtold Holding GmbH |
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Kammer: | 3.2.01 | ||||||||
Leitsatz: | - | ||||||||
Relevante Rechtsnormen: |
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Schlagwörter: | Klarheit (nein) unzulässige Erweiterung (ja) Zulassung eines neuen Hilfsantrags (nein) |
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Orientierungssatz: |
- |
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Angeführte Entscheidungen: |
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Anführungen in anderen Entscheidungen: |
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Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 568 934 wurde mit der am 30. Juni 2015 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung in geänderter Form aufrechterhalten. Dagegen wurde von den Einsprechenden 1 und 2 form- und fristgerecht gemäß Artikel 108 EPÜ Beschwerde eingelegt.
II. Es fand am 5. April 2019 eine mündliche Verhandlung statt. Die Beschwerdeführerinnen I und II (Einsprechenden 1 und 2) haben die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents beantragt. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat die Zurückweisung der Beschwerde und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form gemäß der angefochtenen Entscheidung (Hauptantrag), hilfsweise auf der Basis des Hilfsantrags 1 (eingereicht am 23. Dezember 2014) oder des Hilfsantrags 2 (eingereicht in der mündlichen Verhandlung) beantragt.
III. Anspruch 1 des Hauptantrags hat folgenden Wortlaut:
"Operationsleuchte (1) mit einem Leuchtenkörper (2) zur Aufnahme von Leuchtmitteln, deren Lichtstrahlen (6a, 8a, 22, 27, 28) ein Lichtfeld (7a, 9a, 20, 26, 38) bilden, und einer Lichtquelle (6; 8; 19; 24c; 35) im Zentrum der Operationsleuchte, die unabhängig von den weiteren Leuchtmitteln ansteuerbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die aus dem Zentrum des Leuchtenkörpers (2) abgestrahlten Lichtstrahlen (6b, 8b, 23, 29, 37) der Lichtquelle (6, 8, 19, 24c, 35), deren Helligkeit veränderbar ist, um eine Ausleuchtung tiefer Wunden zu verbessern, ein zusätzliches Lichtfeld (7b, 9b, 21, 30, 39) im Zentrum des Lichtfelds (7a, 9a, 20, 26, 38) bilden."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hat folgenden Wortlaut:
"Operationsleuchte (1) mit einem Leuchtenkörper (2) zur Aufnahme von Leuchtmitteln, deren Lichtstrahlen (6a, 8a, 22, 27, 28) ein Lichtfeld (7a, 9a, 20, 26, 38) bilden, und einer Lichtquelle (6; 8; 19; 24c; 35) im Zentrum der Operationsleuchte, die unabhängig von den weiteren Leuchtmitteln ansteuerbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die aus dem Zentrum des Leuchtenkörpers (2) abgestrahlten Lichtstrahlen (6b, 8b, 23, 29, 37) der Lichtquelle (6), die durch eine ringförmig um einen Handgriff (3), der im Zentrum der Operationsleuchte angebracht ist, angeordnete zusätzliche Lichtquelle ausgebildet ist, deren Helligkeit verändert wird um eine Ausleuchtung tiefer Wunden zu verbessern, ein zusätzliches Lichtfeld (7b, 9b, 21, 30, 39) im Zentrum des Lichtfelds (7a, 9a, 20, 26, 38) bilden."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 hat folgenden Wortlaut:
"Operationsleuchte (1) mit einem Leuchtenkörper (2) zur Aufnahme von Leuchtmitteln, deren Lichtstrahlen (6a) ein Lichtfeld (7a) bilden, und einer Lichtquelle (6) im Zentrum der Operationsleuchte, die unabhängig von den weiteren Leuchtmitteln ansteuerbar ist, dadurch gekennzeichnet dass die Lichtquelle (6) eine ringförmige, aus mehreren LEDs bestehende Lichtquelle (6) an der Lichtautritsfläche des Leuchtenkörpers ist, wobei die Lichtquelle (6) zuschaltbar ist und mittels zusätzlicher Lichtstrahlen (6b) ein Lichtfeld (7b) erzeugt, welches ein durch die Lichtstrahlen (6a) erzeugtes Lichtfeld (7a) der Operationsleuchte unterstützt und die Tiefenausleuchtung im Zentrum des Lichtfeldes (7a) verbessert, wobei die Lichtstrahlen der Lichtquelle (6) auf den Mittelpunkt des Lichtfeldes (7a) fokussiert sind und die Intensität der Lichtquelle (6) entsprechend geregelt werden kann, um die Tiefenausleuchtung zu optimieren."
IV. Die Beschwerdeführerinnen I und II führten aus, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags über den Inhalt der eingereichten Anmeldung (siehe veröffentlichte Anmeldung, im Folgenden als EP-A bezeichnet) hinausgehe. Im Einzelnen sei das den Wortlaut "aus dem Zentrum des Leuchtenkörpers (2) abgestrahlten Lichtstrahlen (6b, 8b, 23, 29, 37) der Lichtquelle (6, 8, 19, 24c, 35), deren Helligkeit veränderbar ist" aufweisende Merkmal (nachfolgend als Merkmal (i) bezeichnet) nicht in EP-A offenbart. EP-A offenbare lediglich die Ansteuerung einer Lichtquelle um "die Helligkeit im Zentrum der Operationsleuchte zu verändern, d.h. zu erhöhen" (siehe EP-A, [0008]). Merkmal (i) impliziere hingegen eine allgemeine "Veränderbarkeit" der Lichtquelle, wie sie z.B. durch die Verwendung von Blenden oder durch Veränderung der Position der Lichtquelle erfolgen könne. Es finde sich lediglich in EP-A im Ausführungsbeispiel gemäss der Figur 2 die Aussage, dass die "Intensität der Lichtquelle" "geregelt" werde, wobei aber die Regelung der Intensität einer einzelnen Lichtquelle nicht notwendigerweise mit einer Veränderung der wahrnehmbaren Helligkeit der Operationsleuchte gleichzusetzen sei.
Das obige Merkmal (i) erfülle auch nicht das Erfordernis der Klarheit, da sich aus dem Wortlaut nicht ergebe, ob die Helligkeit der abgestrahlten Lichtstrahlen oder die Helligkeit der Lichtquelle veränderbar sei. Darüber hinaus sei auch nicht klar ob Merkmal (i) lediglich die ausschließlich ursprünglich offenbarte Erhöhung der Helligkeit umfasse (siehe EP-A, [0008]) oder die nicht explizit beanspruchte Regelung der Intensität. Insbesondere sei nicht klar, ob der Begriff "veränderbar" auch das Ein-und Ausschalten der Lichtquelle umfasse oder nicht.
Dieselben Einwände bestünden auch gegen Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, da dieser Anspruch Merkmal (i) identisch aufweise.
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 solle nicht zum Beschwerdeverfahren zugelassen werden, da es verspätet eingereicht sei und die Einsprechenden darauf nicht vorbereitet seien. Zudem sei dieser Anspruch prima facie nicht klar gewährbar, da die Änderungen hinsichtlich des Prinzips des Verbots der reformatio in peius, sowie der Klarheit und der ursprünglichen Offenbarung der hinzugefügten Merkmale eindeutig neue Fragen aufwürfen.
V. Die Patentinhaberin legte dar, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung (EP-A) hinausgehe.
Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern bei der Beurteilung dieser Frage im Allgemeinen ständig die Gesamtheit der Offenbarung der Anmeldung zugrunde zu legen sei, wobei der exakte Wortlaut der beanspruchten Merkmale nicht ausschlaggebend sei.
Zugegebenermaßen sei in der Anmeldung und im Streitpatent (im Folgenden als EP-B bezeichnet) die Terminologie, insbesondere einige Begriffe, nicht durchgehend konsistent und konsequent verwendet. Jedoch ergebe sich für den Fachmann, aus dem Gegenstand des Anspruchs 1 in Verbindung mit der Beschreibung und den Figuren, sinngemäß keine Erweiterung der ursprünglichen Offenbarung gemäß EP-A.
Deswegen sei das Merkmal (i) voll und ganz dem in EP-A zur Lösung der gestellten Aufgabe offenbarten Grundprinzip äquivalent, "eine Lichtquelle im Zentrum der Operationsleuchte getrennt von der eigentlichen Lichtquelle anzusteuern und die Helligkeit im Zentrum der Operationsleuchte zu verändern, d.h. zu erhöhen" (siehe EP-A, [0008]). Dies werde auch durch die weitere Aussage bestätigt, wonach "die Steuereinrichtung der Operationsleuchte diejenigen Leuchtmittel im Zentrum der Operationsleuchte unabhängig von den anderen ansteuern und die Helligkeit im Zentrum unabhängig vom Rest der Operationsleuchte erhöhen" könne (siehe EP-A, [0008]).
Die Klarheitseinwände seien unbegründet, da zweifellos aus Merkmal (i) übereinstimmend mit der angefochtenen Entscheidung zu entnehmen sei, dass das Ein- und Ausschalten der Lichtquelle nicht mit umfasst werde. Dies ergebe sich daraus, dass eine ausgeschaltete Lichtquelle über keine Helligkeit verfüge, und somit könne eine ausgeschaltete Lichtquelle sowie der Übergang von ausgeschaltet zu eingeschaltet nicht in den Schutzbereich des Anspruchs 1 fallen.
Aus denselben Gründen seien auch die gegen Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 vorgebrachten Einwände unbegründet.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 sei zulässig, da dieser Antrag lediglich als Zweck habe, die von den Einsprechenden vorgetragenen Einwände auszuräumen und da er auf die Ausführungsform der Figur 2 von EP-A basiere, die bereits Gegenstand des Hilfsantrags 1 sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags geht über den Inhalt der eingereichten Anmeldung (siehe EP-A) hinaus und erfüllt somit nicht die Anforderungen gemäß Artikel 123(2) EPÜ.
Das besagte Merkmal (i) (d.h. "aus dem Zentrum des Leuchtenkörpers (2) abgestrahlten Lichtstrahlen (6b, 8b, 23, 29, 37) der Lichtquelle (6, 8, 19, 24c, 35), deren Helligkeit veränderbar ist") geht nicht aus der Offenbarung von EP-A hervor, da es im zitierten Paragraph [0008] lediglich heißt "eine Lichtquelle im Zentrum der Operationsleuchte getrennt von der eigentlichen Lichtquelle anzusteuern und die Helligkeit im Zentrum der Operationsleuchte zu verändern, d.h. zu erhöhen".
Es geht also in EP-A eindeutig darum, die Helligkeit im Zentrum der Operationsleuchte zu verändern und nicht notwendigerweise die Helligkeit der Lichtquelle selbst.
Dies sind zwei unterschiedliche Dinge, da z.B. die Steuerung der Position der Lichtquelle bezüglich der Operationsleuchte die Helligkeit im Zentrum der Operationsleuchte verändern kann, genauso wie das einfache Ein - und Ausschalten der Lichtquelle (die ebenfalls die durch den Leuchtkörper bereits gegebene und bestehende Helligkeit der Operationsleuchte verändert). Hingegen (siehe auch Argumentation der Patentinhaberin zur Klarheit) werden diese beiden technischen Maßnahmen durch das Merkmal (i) nicht umfasst, da das Verändern der Helligkeit der Lichtquelle das Vorhandensein einer bereits gegebenen Helligkeit voraussetzt und die Positionssteuerung der Lichtquelle ihre Helligkeit nicht verändert. Andererseits wird durch das Merkmal (i) eine nicht notwendigerweise kontinuierliche doch zumindest stufenweise (über das Ein- und Ausschalten hinausgehende) Veränderbarkeit der Helligkeit impliziert, die aus den oben zitierten Offenbarungsstellen in Paragraph [0008] in EP-A ebenfalls nicht hervorgeht.
Schließlich kann das Merkmal (i) auch nicht aus dem Ausführungsbeispiel der Figur 2 in EP-A abgeleitet werden, weil dort keine allgemeine Veränderbarkeit der Lichtquelle offenbart wird, sondern speziell eine Regelung der Intensität der Lichtquelle (siehe EP-A, [00012]) die zusätzlich auch nur im Zusammenhang mit einer spezifischen Ausführungsform und Ausgestaltung der Lichtquelle beschrieben wird, die nicht Gegenstand des Anspruchs sind.
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags erfüllt nicht das Erfordernis der Klarheit (Artikel 84 EPÜ). Zunächst stellt sich die Frage, ob unter Helligkeit die Intensität zu verstehen ist, da die wahrgenommene Helligkeit (siehe z.B. unterschiedliche Farbtemperaturen von weißem Licht bei gleicher Intensität) nicht notwendigerweise mit der Intensität der Lichtquelle gleichzusetzen ist.
Falls als Helligkeit die Intensität verstanden wird, ist aus Merkmal (i) nicht zu entnehmen, ob die Veränderbarkeit der Helligkeit der Lichtquelle gemeint ist, oder die Veränderbarkeit der Helligkeit der abgegebenen Lichtstrahlen. Im ersten Fall sagt Merkmal (i) darüber nichts aus, ob die Veränderbarkeit z.B. mittels einer Steuerung oder einer Regelung der Intensität bewerkstelligt wird, oder ob etwa beides mit eingeschlossen sein soll (siehe z.B. EP-A, [0012]). Im zweiten Fall gibt Merkmal (i) ebenfalls keine Auskunft darüber, ob die Helligkeit (Intensität) der Lichtstrahlung z.B. durch eine Blende oder eine Anordnung von Linsen oder Reflexionskörpern, oder auf andere Weise örtlich variiert wird.
Insgesamt ergibt sich, dass Merkmal (i) nicht hinreichend klar ist und zudem sehr breit und allgemein gefasst ist, wobei die möglichen Auslegungen im Wesentlichen größtenteils nicht durch die Beschreibung gestützt sind, entgegen den Forderungen von Artikel 84 EPÜ.
4. Aus denselben Gründen wie unter Punkt 2 und 3 verstößt der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 gegen Artikel 123 (2) EPÜ und Artikel 84 EPÜ.
5. Der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag 2 wurde als verspätet vorgebracht nicht zum Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 13 (1) VOBK (Verfahrensordnung der Beschwerdekammern)).
Es wird zunächst festgestellt, dass dieser Antrag früher hätte eingereicht werden können, weil die Einwände der Einsprechenden schon mit der Beschwerdebegründung vorgebracht wurden. Zudem sind die im Anspruch 1 enthaltenen Änderungen im Vergleich zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sehr weitreichend und umfassend (sämtliche Merkmale des kennzeichnenden Teils wurden durch die Merkmale im Absatz [0012] von EP-A ersetzt), und werfen neue Fragen hinsichtlich des Prinzips des Verbots der reformatio in peius auf, sowie auch hinsichtlich Artikel 123(2) EPÜ und Artikel 84 EPÜ. Folglich entschied die Kammer, im Hinblick auf die Komplexität dieser Fragen, den Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie, Hilfsantrag 2 nicht zum Verfahren zuzulassen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.