T 1642/15 () of 8.5.2019

European Case Law Identifier: ECLI:EP:BA:2019:T164215.20190508
Datum der Entscheidung: 08 Mai 2019
Aktenzeichen: T 1642/15
Anmeldenummer: 11163495.2
IPC-Klasse: F27B 3/08
Verfahrenssprache: DE
Verteilung: D
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Bibliografische Daten verfügbar in: DE
Fassungen: Unpublished
Bezeichnung der Anmeldung: Schmelzofen, insbesondere Lichtbogenofen
Name des Anmelders: INTECO melting and casting technologies GmbH
Name des Einsprechenden: SMS group GmbH
Kammer: 3.2.03
Leitsatz: -
Relevante Rechtsnormen:
European Patent Convention Art 56
Schlagwörter: Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Orientierungssatz:

-

Angeführte Entscheidungen:
-
Anführungen in anderen Entscheidungen:
-

Sachverhalt und Anträge

I. Das europäische Patent EP-B1-2 362 173 betrifft einen Drehstrom-Lichtbogenofen.

Gegen das erteilte Patent hatte die Einsprechende basierend auf dem Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ Einspruch eingelegt.

II. Gegen die Entscheidung, diesen Einspruch zurückzuweisen, legte die Einsprechende (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) Beschwerde ein.

III. In Übereinstimmung mit Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK), lud die Kammer die Beteiligten zu einer mündlichen Verhandlung. Als Anhang zur Ladung teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit.

IV. Mit Schreiben vom 10. April 2019 informierte die Beschwerdeführerin die Kammer, dass sie ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknehme und nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde.

V. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde daraufhin aufgehoben.

VI. Anträge

Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der Entscheidung und den Widerruf des Patents.

Die Beschwerdegegnerin (die Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf Grundlage eines mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags.

VII. Anspruch 1 gemäß Streitpatent lautet:

"Drehstrom - Lichtbogenofen,

mit einem Ofengefäß (1), aus einem unteren Gefäßteil (101) und einem zylindrischen oberen Gefäßteil (102) zur Aufnahme von zu schmelzendem Einsatzmaterial, insbesondere von Metallschrott, sowie mit einem von einer Deckeltragkonstruktion (13, 20) getragenen Ofengefäßdeckel (2), dadurch gekennzeichnet, dass das Volumen des Aufnahmeraums des Ofengefäßes dadurch variabel veränderbar ist, dass der Ofengefäßdeckel (2) mit mindestens einem Teil des zylindrischen oberen Gefäßteils (102) teleskopisch verschiebbar ist."

Die abhängigen Ansprüche 2 bis 15 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des in Anspruch 1 definierten Drehstrom - Lichtbogenofens.

VIII. Stand der Technik

Die folgenden Dokumente wurden in diesem Beschwerdeverfahren zitiert:

D1: deutsche Teilübersetzung von JP4097295U;

D2: EP-B-1 848 832;

D2a: DE-A-10 2005 007 655;

D3: "Energy-Saving DC Twin Shell Arc Furnace for Melting Low-Grade Scrap", ABB Review, ABB Asea Brown Boveri, Zürich (CH), Nr. 9/10, 1996, Seiten 18 bis 27.

IX. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich wie folgt zusammenfassen:

a) Beschwerdeführerin

Die Entgegenhaltung D1 habe eine vergleichbare Aufgabenstellung wie das Streitpatent (Anpassung des Ofenvolumens an einzuschmelzendes Material und Schmelze) und offenbare einen Elektroofen mit einem teleskopisch verstellbaren Boden. Die Figuren 1 und 2 der D1 vermittelten zudem den Eindruck, dass auch der Deckel und das obere Gefäßteil teleskopisch verstellbar ausgebildet werden könnten.

Es sei daher für den Fachmann ausgehend von D1 unter Berücksichtigung von Standort- und Kostenfaktoren naheliegend, eine der von den Figuren der D1 suggerierten Alternativen auszuwählen.

Zudem werde die Möglichkeit, das obere Gefäßteil variabel auszugestalten, auch von D2a bereits beschrieben.

b) Beschwerdegegnerin

D1 zeige keinen Lichtbogenofen und stelle zudem klar darauf ab, dass lediglich der Boden teleskopisch verstellt werden könne.

Eine Interpretation der Zeichnungen der D1 losgelöst von der konkreten eindeutigen Lehre der zugehörigen Beschreibung sei unangebracht. Den Figuren 1 und 2 der D1 könne kein Hinweis darauf entnommen werden, dass auch der Deckel und das obere Gefäßteil teleskopisch verstellbar ausgebildet werden können.

In D2a werde vorgeschlagen ein weiteres oberes Gefäßteil ein- und auszuschwenken. Einen Hinweis darauf, dass das obere Gefäßteil auch teleskopisch verschiebbar ausgebildet werden könne, sei aus der D2a nicht ableitbar.

Ebenso gebe D3 keinerlei Anregung dazu, den Deckel und das obere Gefäßteil teleskopisch verschiebbar auszubilden.

Der Gegenstand der erteilten Ansprüche sei daher ausgehend von D1 auch in der Zusammenschau mit den Dokumenten D2a und D3 nicht naheliegend.

Entscheidungsgründe

1. Hauptantrag - Artikel 100 a) in Verbindung mit

Artikel 56 EPÜ

1.1 Die Beschwerdeführerin stellt das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 in Frage.

D1 (Anspruch 1) offenbart einen Elektroofen bei dem das Volumen des Ofengefäßes an das Volumen des Einsatzmaterials dadurch angepasst werden kann, dass das untere Teil des Ofenkörpers auf und ab bewegbar ausgebildet ist.

Die Figuren 1 und 2 zeigen entsprechend einen Ofendeckel 7, der mit dem oberen Teil 1 des Ofenkörpers verbunden ist und fest steht, während das untere Teil 2 des Ofenkörpers relativ zum oberen Teil 1 des Ofenkörpers mittels hydraulischer Zylinder 3 teleskopisch verschiebbar ist.

1.2 Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Streitpatents unterscheidet sich von dem in Dokument D1 beschriebenen Ofen daher dadurch, dass

- der Ofen ein Drehstrom-Lichtbogenofen ist und

- das Volumen des Aufnahmeraums des Ofengefäßes

dadurch variabel veränderbar ist, dass der Ofengefäßdeckel mit mindestens einem Teil des zylindrischen oberen Gefäßteils teleskopisch verschiebbar ist.

1.3 Ausgehend von D1 wird die zu lösende Aufgabe von der Beschwerdeführerin darin gesehen, einen alternativen Ofen bereitzustellen, bei dem das Ofenvolumen variiert werden kann.

1.4 Die Beschwerdeführerin argumentiert diesbezüglich, dass in den Figuren 1 und 2 der D1 implizit auch die Möglichkeit suggeriert werde, dass das untere Teil des Ofenkörpers fest und das obere Teil teleskopisch verschiebbar ausgebildet sein könnte.

Der Aufwand, das obere oder untere Teil eines Ofens teleskopisch zu bewegen, sei identisch. Daher sei es ausgehend von den Figuren der D1 naheliegend, dass auch ein Lichtbogenofen mit einem teleskopisch verstellbaren Deckel ausgestaltet werden könne.

1.5 Die Kammer kann sich dieser Argumentation der Beschwerdeführerin nicht anschließen.

1.5.1 Figur 1 der D1 zeigt einen mit einzuschmelzendem Material 4 befüllten Ofenkörper, dessen unterer Teil 2 abgesenkt ist während Figur 2 den Ofenkörper nach Einschmelzen des Materials in einem Zustand zeigt, in dem das untere Teil 2 angehoben ist.

Figur 1 der D1 Figur 2 der D1

FORMEL/TABELLE/GRAPHIK

In den Figuren 1 und 2 ist die vertikale Position des mittels des Bodens 9 und der Ofenwiege 10, 11 auf dem Unterbau 12 ruhenden oberen Teils 1 des Ofenkörpers identisch.

Bei den Bezugszeichen 10, 11 und 12 handelt es sich dabei klar erkennbar nicht um einen hydraulischen Zylinder, sondern um starre Bauteile, da deren Länge in den Figuren identisch dargestellt wird.

Dagegen ist die vertikale Position des unteren Teils 2 in dem in Figur 2 gezeigten Zustand im Vergleich zu Figur 1 angehoben und entsprechend der hydraulische Zylinder 3 in unterschiedlicher Position.

Diese eindeutige Darstellung in den Figuren deckt sich völlig mit der zugehörigen Auflistung der Bezugszeichen, der allgemeinen Beschreibung und dem Anspruchswortlaut der D1.

Die Lehre der D1 ist daher in sich konsistent auf einen Ofen gerichtet, bei dem der Boden bzw. das untere Teil des Ofens vertikal bewegt werden kann.

1.5.2 D1 liefert folglich weder in der allgemeinen Beschreibung noch den zugehörigen Figuren einen Anreiz für den Fachmann, dass der in D1 beschriebene Ofen auch als Drehstrom-Lichtbogenofen mit einem teleskopisch verschiebbaren Deckel ausgestaltet werden kann.

Eine Umgestaltung zu einem Ofen bei dem das obere Teil des Ofens und der Deckel vertikal bewegt werden soll, ginge vielmehr gegen die explizite Lehre der D1 in Anspruch 1 und würde vom Fachmann daher nicht in Erwägung gezogen werden.

1.5.3 Ausgehend von D1 als solches ist der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents daher nicht naheliegend.

1.6 Auch die übrigen von der Beschwerdeführerin zitierten Dokumente geben dem Fachmann keinerlei Veranlassung, den Elektroofen der D1 derart umzugestalten, dass bei diesem der Deckel und das obere Teil des Ofengefäßes teleskopisch verschiebbar sind.

1.6.1 Bei dem Dokument D2 handelt es sich unstrittig nicht um einen Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ sondern nach Artikel 54(3) EPÜ. D2 kann folglich bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt werden.

1.6.2 Das Dokumente D2a stellt ein Dokument aus der gleichen Patentfamilie wie D2 dar und vermittelt eine ähnliche Lehre wie D2. D2a offenbart, dass zum Anpassen des Ofenvolumens ein Oberteil mittels eines Schwenkarms auf- und abgesetzt werden kann (Anspruch 1, Figur 1).

1.6.3 D3 schlägt vor, ein größeres Oberteil einzusetzen (siehe Seite 22, rechte Spalte, vorletzter Absatz bis Seite 23, linke Spalte, zweiter Absatz).

1.6.4 Der weitere Stand der Technik offenbart daher keinen Ofen, bei dem eine teleskopische Verschiebbarkeit des oberen Gefäßteils bereits realisiert worden wäre, sondern vielmehr Öfen, bei denen eine Volumenänderung durch völlig andere Maßnahmen realisiert werden.

1.6.5 Ausgehend von D1 ist es daher auch unter Berücksichtigung der Lehre der weiteren Dokumente D2a und D3 nicht naheliegend, den Ofen als Drehstrom - Lichtbogenofen auszugestalten und zudem weitere umfassende Umbauten durchzuführen, um den Deckel und das oberen Teil des Ofengefäßes teleskopisch verschiebbar zu gestalten.

1.7 Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ steht einer Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung daher nicht entgegen.

Entscheidungsformel

Aus diesen Gründen wird entschieden:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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